Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 22 R 79/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 5140/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 02. November 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitgegenstand ist die Bewilligung einer höheren Rente wegen Erwerbsminderung unter Berücksichtigung der Beitragszeiten von 24. Oktober 1966 bis 31. Mai 1983, für die im Jahre 1985 eine Beitragserstattung erfolgt ist.
Die am 1948 geborene Klägerin, portugiesische Staatsangehörige, war in der Bundesrepublik Deutschland vom 24. Oktober 1966 bis 31. Mai 1983 - mit kurzen Unterbrechungen - versicherungspflichtig beschäftigt. Am 03. Juli 1983 kehrte sie in ihre Heimat Portugal zurück. Am 02. Mai 1984 beantragte sie in Lissabon bei der portugiesischen Verbindungsstelle der damaligen Landesversicherungsanstalt Unterfranken die Erstattung von Beiträgen aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung. Diese leitete den Antrag an die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich Beklagte) weiter. Das zweisprachig - deutsch und portugiesisch - abgefasste Antragsformular enthält u.a. auf Seite 5 folgende Hinweise:
"Beachten Sie, dass Sie durch diese Antragstellung vielleicht Anrechte auf Renten verlieren, denn durch die Erstattung Ihrer Beiträge entfallen alle Ansprüche aus der bisherigen Beitragsleistung zur deutschen Rentenversicherung."
Die letzte Seite des von der Klägerin unterschriebenen Antragsformulars enthält die "Erklärung des Antragstellers"
"2. Mir ist bekannt, dass im Falle einer Beitragserstattung alle Ansprüche und das Recht zur Weiterversicherung aus den erstatteten und vorher entrichteten Bei- trägen zur Rentenversicherung entfallen. 3. Die Hinweise auf Seite 5 dieses Vordrucks habe ich zur Kenntnis genommen."
Mit Schreiben vom 28. Dezember 1984 und 2. Juni 1985 erkundigte sich die Klägerin nach dem Sachstand. Ihr Ehemann, der die Beitragserstattung am selben Tag beantragt habe, habe das Geld bereits im Oktober 1984 erhalten. Nachdem die Klägerin die angeforderte Bescheinigung der Gemeindeverwaltung Maximinos (Portugal) übersandt hatte, mit der bescheinigt wurde, dass sie dort wohne, erstattete die Beklagte nach § 82 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) mit Bescheid vom 13. August 1985, der Klägerin am 23. August 1985 zugestellt, Beiträge zur Rentenversicherung in Höhe von DM 15.892,98 (= EUR 8.125.95). Ausweislich des beigefügten Berechnungsbogens bezog sich die Erstattung auf die Beitragszeiten:
Oktober 1966 bis Juni 1967, Oktober 1967 bis April 1971, Juni 1971 bis April 1973, Juli 1973 bis Juli 1974, Oktober 1974 bis August 1975, November 1975 bis Mai 1983.
Der Bescheid enthält den Hinweis:
"Eine Rücknahme des Antrags ist nach Ablauf der Rechtsmittelfrist nicht mehr möglich ... Leistungen können aber nur aus den künftig zurückgelegten Versicherungszeiten bewilligt werden."
Im September 2003 reiste die Klägerin erneut nach Deutschland ein und war vom 10. September 2003 bis 30. September 2008 erneut versicherungspflichtig beschäftigt. In Portugal war sie nach eigenen Angaben nicht rentenversichert. Am 01. Oktober 2008 beantragte sie Rente wegen Erwerbsminderung, Altersrente wegen Vollendung des 60. Lebensjahres für schwerbehinderte Menschen und Altersrente wegen Vollendung des 60. Lebensjahres für Berufsunfähige oder Erwerbsunfähige. Am 19. Januar 2009 beantragte sie die Feststellung von Kindererziehungszeiten und Kinderberücksichtigungszeiten für ihre am 1967 und 1975 geborenen Kinder.
Mit dem Bescheid vom 08. April 2009 gewährte die Beklagte ab 01. August 2008 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung mit einem anfänglichen monatlichen Zahlbetrag (einschließlich eines Zuschusses zum Beitrag zur Krankenversicherung) von EUR 69,63 wegen einer Sehschwäche beider Augen bei Makuladegeneration beidseits, Glaukom rechts und Folgeschäden eines Diabetes mellitus. Dabei wurden Kindererziehungszeiten berücksichtigt und Kinderberücksichtigungszeiten anerkannt. Ausweislich des beigefügten Versicherungsverlaufs vom selben Tag wurden die Zeit vom 26. Juni bis 31. August 1967 und vom 01. September bis 02. Oktober 1967 nach Wiedereinzahlung der erstatteten Beiträge als Zeiten der Schwangerschaft/Mutterschutz sowie Pflichtbeitragszeiten vom 01. September 1967 bis 31. Dezember 1967 4 Monate 01. Januar 1968 bis 31. August 1968 8 Monate 01. Oktober 1975 bis 31. Dezember 1975 3 Monate 01. Januar 1976 bis 30. September 1976 9 Monate der Kindererziehung und vom 10. September 2003 bis 31. Juli 2008, für die der Arbeitgeber einen Nachweis erteilt hatte, zugrunde gelegt.
Gegen den Bescheid vom 08. April 2009 erhob die Klägerin Widerspruch und fragte an, wo die Beiträge aus der Zeit von 1966 bis 1981 geblieben seien. Nach Hinweis der Beklagten auf den Beitragserstattungsbescheid vom 13. August 1985 trug die Klägerin vor, diese Beitragserstattung sei rechtswidrig gewesen. Der Antrag hätte abgelehnt werden müssen, weil er erst nach zwei Jahren gestellt werden dürfe, zum Schutz der Versichertengemeinschaft und des Versicherten. Wer in seine Heimat zurückkehre, müsse erst die Verfestigung seiner Lebenssituation abwarten, die Versichertengemeinschaft müsse vor Manipulationen geschützt werden, indem geprüft werde, ob binnen zwei Jahren erneut Versicherungspflicht eintritt. Der Antrag sei bereits einige Monate nach dem Wegzug gestellt, der Bescheid vor Ablauf von zwei Jahren bereits erlassen worden. In allen anderen Fällen seien vor Ablauf der Wartefrist gestellte Anträge abgelehnt worden. Es sei auch keine Beratung über versicherungsrechtliche Gesetzesänderungen zum 01. Januar 1984 erfolgt. Die Klägerin sei im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als sei die Beitragserstattung nicht erfolgt.
Der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 07. Dezember 2009 zurück. Die Antragstellung vor Ablauf der zweijährigen Wartefrist habe nicht der damaligen Rechtsprechung entsprochen. Die Klägerin habe gewusst, was die durchgeführte Beitragserstattung für sie bedeute. Denn sie sei im Bescheid vom 13. August 1985 aber auch darauf hingewiesen worden, dass die Rücknahme des Antrags auf Beitragserstattung nach Ablauf der Rechtsmittelfrist nicht mehr möglich sei sowie dass Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung nur aus den zukünftig zurückgelegten Versicherungszeiten bewilligt werden könnten. Der Erstattungsbescheid sei bestandskräftig. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch liege mangels Pflichtverletzung nicht vor.
Die Klägerin erhob am 07. Januar 2010 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG). Zur Begründung wiederholte sie ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren.
Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf den Widerspruchsbescheid entgegen.
Nach Anhörung der Beteiligten wies das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 02. November 2011 ab. Zur Begründung führte es aus, ein Anspruch auf höhere Rente unter Einbeziehung der Beitragszeiten vom 24. Oktober 1966 bis "31. Dezember 1981" bestehe nicht. Der Einbeziehung der Beitragszeiten stehe der bestandskräftige Beitragserstattungsbescheid vom 13. August 1985 entgegen. Dieser sei nicht angefochten oder aufgehoben. Die Beitragserstattung gemäß § 82 AVG führe zur rückwirkenden Aufhebung des Versicherungsverhältnisses in seiner Gesamtheit und zum Verlust der Rechte aus den vor der Erstattung zurückgelegten Versicherungszeiten, soweit diese nicht erst durch eine Gesetzesänderung nach erfolgter Erstattung rückwirkend zu Versicherungszeiten geworden seien. Offen bleiben könne, ob der Klageantrag (auch) als Antrag auf Rücknahme des Erstattungsbescheides auszulegen sei. Die Klage sei nämlich insoweit mangels durchgeführten Verwaltungsverfahrens unzulässig. Im Übrigen sei aber auch eine Rechtswidrigkeit des Beitragserstattungsbescheides vom 13. August 1985 nicht ersichtlich. Zwar sei die gesetzlich angeordnete Wartefrist von zwei Jahren nach Ende der Versicherungspflicht bei Antragstellung noch nicht verstrichen gewesen, jedoch bei Erteilung des Bescheides. Damit sei der Schutzfunktion der Wartefrist hinreichend Genüge getan. Die Klägerin sei mit dem Erstattungsbescheid darauf hingewiesen worden, dass sie den Antrag innerhalb von drei Monaten zurücknehmen könne. Auch ein Anspruch aus sozialrechtlichem Herstellungsanspruch sei nicht gegeben. Eine Pflichtverletzung der Beklagten sei nicht erkennbar. Vielmehr sei die Klägerin bei Stellen des Antrages auf Beitragserstattung sogar in ihrer Muttersprache auf die Rechtsfolgen der Beitragserstattung hingewiesen worden.
Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 04. November 2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 24. November 2011 Berufung zum Landessozialgericht eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, wenn die Beitragserstattung rechtswidrig gewesen sei, sei sie nicht wirksam durchgeführt worden und es sei Rente "unter Einschluss" der erstatteten Beiträge zu zahlen. Wenn der Beitragserstattungsbescheid rechtswidrig gewesen sei und im Wege des Überprüfungsantrages bzw. dagegen wahrgenommener Rechtsbehelfe aufzuheben sei, stehe die Bestandskraft nicht entgegen. Rechtswidrige Sachverhalte seien zu beseitigen, es sei nicht vertretbar, wenn bestimmte Dinge in einem Rechtsstaat nicht justiziabel seien.
Die Klägerin beantragt (sachgemäß gefasst),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 02. November 2011 aufzuheben und den Bescheid vom 08. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07. Dezember 2009 dahin abzuändern, und die Beklagte zu verurteilen, nach Wiedereinzahlung der erstatteten Beiträge von EUR 8.125.95 Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01. August 2008 unter Anrechnung der Beitragszeiten vom 24. Oktober 1966 bis 31. Mai 1983 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angegriffenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Prozessakten beider Instanzen und den Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, sie ist form- und fristgerecht erhoben. Sie ist statthaft, ein Berufungsausschlussgrund gemäß § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist nicht gegeben. Die Berufung betrifft laufende Leistungen für mehr als ein Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angegriffene Bescheid über die Bewilligung von Erwerbsunfähigkeitsrente vom 08. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07. Dezember 2009 ist auch hinsichtlich der Rentenhöhe rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf eine höhere Rente unter Berücksichtigung der Beitragszeiten, für die mit Bescheid vom 13. August 1985 Beiträge erstattet worden sind.
Die Höhe einer Rente richtet sich nach § 63 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) vor allem nach der Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen. Nach § 55 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB VI sind Beitragszeiten Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind sowie Zeiten, für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten. Nach Bundesrecht gezahlt sind Beiträge, die nach Inkrafttreten des Grundgesetzes (GG) am 23. Mai 1949 aufgrund der im Bundesgebiet geltenden Vorschriften gezahlt wurden. Die Reichsversicherungsordnung (RVO), das AVG und das Reichsknappschaftsgesetz (RKG) wurden durch Art. 125 GG zu Bundesrecht.
Die Klägerin hat zwar in der Zeit vom 24. Oktober 1966 bis 31. Mai 1983 Beitragszeiten zurückgelegt, weil sie wegen versicherungspflichtiger Beschäftigungen Pflichtbeiträge entrichtete. Dem Anspruch, diese Pflichtbeiträge bei der bewilligten Rente wegen voller Erwerbsminderung zu berücksichtigen, steht aber die mit bestandkräftigem (§ 77 SGG) Bescheid vom 13. August 1985 gewährte Beitragserstattung entgegen. Mit der Beitragserstattung wurde das bis dahin bestehende Versicherungsverhältnis aufgelöst. Vor dem 01. Januar 1992 erfolgte Beitragserstattungen richten sich nach §§ 1303 RVO, 82 AVG; § 210 Abs. 6 Satz 3 SGB VI ist erst - abweichend von § 300 Abs. 1 SGB VI - für Beitragserstattungen ab dem 01. Januar 1992 anwendbar (vgl. Kasseler Kommentar-Gürtner, SGB VI, § 210, Rdnr. 28 f). Gemäß § 82 Abs. 7 AVG i. d. F. des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Angestellten - AnVNG - (vom 23. Februar 1975, BGBl. I S. 88) schließt die Erstattung weitere Ansprüche aus den bisher zurückgelegten Versicherungszeiten aus (sog. Verfallswirkung). Durch die Erfüllung der Beitragserstattungsforderung ist diese gem. § 362 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erloschen. Diese Vorschrift ist als allgemeiner Rechtsgrundsatz auch im Sozialrecht anzuwenden (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 29. Januar 1997 - 5 RJ 52/94 - SozR 3-2200 § 1303 Nr. 6, Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - LSG NRW -, Urteil vom 24. September 2001 - L 3 RJ 22/01 -; in Juris). Im Bescheid vom 13. August 1985 ist ausdrücklich festgestellt, dass die Beitragserstattung weitere Ansprüche aus den bisher zurückgelegten Versicherungszeiten ausschließt. Der Bescheid vom 13. August 1985 war der Klägerin mit Zugang am 23. August 1985 (Rückschein, Bl. 89 der Verwaltungsakte) bekanntgeben worden, was die Klägerin auch nicht bestritt.
Die Beklagte hat in dem angegriffenen Bescheid zutreffend Beitragszeiten für Schwangerschaft, Mutterschutz und Kindererziehung berücksichtigt. Der Verfall ist nämlich hinsichtlich von Zeiten nicht eingetreten, wenn diese mangels Anrechnungsvoraussetzungen in dem bis zu 31. Dezember 1991 geltenden Recht nicht anerkennungsfähig waren und damit erst nach der Erstattung zu Versicherungszeiten wurden. Kindererziehungszeiten gemäß § 56 i.V.m. § 249 SGB VI wurden mit Wirkung vom 01. Januar 1992 durch Art. 1 Rentenreformgesetz (RRG) 1992 vom 18. Dezember 1989, BGBl. I, S. 2261 zu Beitragszeiten. Gemäß § 249 Abs. 1 SGB VI beträgt die Kindererziehungszeit für vor dem 01. Januar 1992 geborene Kinder jeweils zwölf Kalendermonate.
Da die Klägerin innerhalb der Rechtsbehelfsfrist keinen Rechtsbehelf gegen den Bescheid vom 13. August 1985 eingelegt hatte, ist dieser nach § 77 SGG bindend geworden. Ob dieser Bescheid rechtmäßig oder rechtswidrig ist, ändert am Eintritt der Bestandskraft nichts. Dies verkennt die Klägerin mit der in der Berufungsbegründung vertretenen Auffassung, allein die Rechtswidrigkeit eines Bescheids beseitige die Bestandskraft. Der Senat braucht deshalb vorliegend nicht zu entscheiden, ob der Bescheid vom 13. August 1985 deshalb rechtswidrig war, weil die Klägerin den Antrag auf Erstattung der Beiträge vor Ablauf der in § 82 Abs. 1 Satz 3 AVG genannten Frist von zwei Jahren gestellt hatte.
Eine Durchbrechung dieser Bindungswirkung durch Rücknahme eines (rechtswidrigen) Bescheides nach §§ 44 ff Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist möglich, bedarf aber eines entsprechenden Antrages. Eine Überprüfung im Klageverfahren setzt die Durchführung eines Vorverfahrens voraus (§ 78 SGG). Vorliegend ist kein Antrag der Klägerin auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Erstattungsbescheides vom 13. August 1985 ersichtlich. Zwar machte sie mit ihrem Widerspruchsvorbringen gegen den Bescheid vom 08. April 2009 geltend, der Erstattungsbescheid sei rechtswidrig gewesen, beantragte jedoch nicht dessen Überprüfung. Bei der Auslegung ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin durch ihren bevollmächtigten Rentenberater vertreten war. Rentenberater sind nach § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGG vor Sozialgerichten und Landessozialgerichten vertretungsberechtigt, weil das Gesetz sie für bestimmte Bereiche als sachkundige Personen ansieht (Leitherer in: Meyer-Ladewig, SGG, Komm., Rdnr. 2, 20 zu § 73).
Über eine Rücknahme des Erstattungsbescheides hat die Beklagte bisher dementsprechend nicht entschieden. Die Ausführungen im Widerspruchsbescheid zur Rechtmäßigkeit des Erstattungsbescheides sind nicht als Entscheidung über dessen Rücknahme anzusehen. Zum einen fehlt es an dem entsprechenden Tenor, zum anderen war der Widerspruchsausschuss der Beklagten zur erstmaligen Befassung, also insoweit zum Erlass eines Ausgangsbescheides, nicht berufen.
Die Klägerin kann ihren Anspruch auch nicht auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen. Dieses richterrechtlich entwickelte Rechtsinstitut setzt voraus, dass dem Versicherten durch eine der Beklagten zuzurechnende behördliche Pflichtverletzung ein sozialrechtlicher Nachteil entstanden ist, der durch eine zulässige Amtshandlung behoben werden kann (vgl. dazu allgemein BSG, Urteil vom 08. November 1995 - 13 RJ 5/95 - SozR 3-2600 § 300 Nr. 5; Urteil vom 22. Oktober 1996 - 13 RJ 23/95 - SozR 3-2600 § 115 Nr.1). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Zum einen ist eine behördliche Pflichtverletzung der Beklagten nicht ersichtlich, zumal die Klägerin im Verfahren der Beitragserstattung ausdrücklich - sogar in ihrer Muttersprache - auf deren Rechtsfolgen hingewiesen war. Auch eine Verletzung der Wartefrist aus § 82 Abs. 1 Satz 2 AVG ist nicht ersichtlich, da diese nach dem Ende der Versicherungspflicht am 31. Mai 1983 bei Erlass des Bescheides über die Beitragserstattung vom 13. August 1985 abgelaufen war. Ein von der Klägerin gefordertes weitergehendes Abwarten auf die Verfestigung der Existenzgrundlage des Versicherten in seiner Heimat ist weder dem Gesetz zu entnehmen, noch hätte es sich im konkreten Fall ausgewirkt, da die Klägerin nach ihrer Ausreise ca. 20 Jahre in ihrer Heimat verbrachte, bevor sie im September 2003 wieder nach Deutschland einreiste. Soweit ein behördlicher Fehler von der Klägerin darin gesehen wird, dass die Beklagte mit Bescheid vom 13. August 1985 die beantragte Beitragserstattung gewährt hatte, besteht zum anderen schon deshalb kein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch, weil insoweit die gesetzliche Regelung des § 44 SGB X vorgeht, die speziell für die Rücknahme fehlerhafter Verwaltungsakte vorgesehen ist (vgl. BSG, Urteil vom 02. Oktober 2008 - B 9 VH 1/07 R; in Juris; Urteil des Senats vom 23. Januar 2009 - L 4 P 6526/06 -, nicht veröffentlicht).
Der Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der Berufungsbegründung, es mute etwas eigentümlich an, wie zunehmend in der Gerichtsbarkeit (gemeint die Sozialgerichtsbarkeit des Landes Baden-Württemberg) einfach mit der Beklagtenseite argumentiert und einfach die Begründungen, mögen sie noch so abwegig sein, übernommen würden, liegt sowohl für den vorliegenden Rechtsstreit (insbesondere im Hinblick darauf, dass die Folgen der Bestandskraft eines Bescheides verkannt werden) als auch allgemein völlig neben der Sache und sollte nicht wiederholt werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitgegenstand ist die Bewilligung einer höheren Rente wegen Erwerbsminderung unter Berücksichtigung der Beitragszeiten von 24. Oktober 1966 bis 31. Mai 1983, für die im Jahre 1985 eine Beitragserstattung erfolgt ist.
Die am 1948 geborene Klägerin, portugiesische Staatsangehörige, war in der Bundesrepublik Deutschland vom 24. Oktober 1966 bis 31. Mai 1983 - mit kurzen Unterbrechungen - versicherungspflichtig beschäftigt. Am 03. Juli 1983 kehrte sie in ihre Heimat Portugal zurück. Am 02. Mai 1984 beantragte sie in Lissabon bei der portugiesischen Verbindungsstelle der damaligen Landesversicherungsanstalt Unterfranken die Erstattung von Beiträgen aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung. Diese leitete den Antrag an die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich Beklagte) weiter. Das zweisprachig - deutsch und portugiesisch - abgefasste Antragsformular enthält u.a. auf Seite 5 folgende Hinweise:
"Beachten Sie, dass Sie durch diese Antragstellung vielleicht Anrechte auf Renten verlieren, denn durch die Erstattung Ihrer Beiträge entfallen alle Ansprüche aus der bisherigen Beitragsleistung zur deutschen Rentenversicherung."
Die letzte Seite des von der Klägerin unterschriebenen Antragsformulars enthält die "Erklärung des Antragstellers"
"2. Mir ist bekannt, dass im Falle einer Beitragserstattung alle Ansprüche und das Recht zur Weiterversicherung aus den erstatteten und vorher entrichteten Bei- trägen zur Rentenversicherung entfallen. 3. Die Hinweise auf Seite 5 dieses Vordrucks habe ich zur Kenntnis genommen."
Mit Schreiben vom 28. Dezember 1984 und 2. Juni 1985 erkundigte sich die Klägerin nach dem Sachstand. Ihr Ehemann, der die Beitragserstattung am selben Tag beantragt habe, habe das Geld bereits im Oktober 1984 erhalten. Nachdem die Klägerin die angeforderte Bescheinigung der Gemeindeverwaltung Maximinos (Portugal) übersandt hatte, mit der bescheinigt wurde, dass sie dort wohne, erstattete die Beklagte nach § 82 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) mit Bescheid vom 13. August 1985, der Klägerin am 23. August 1985 zugestellt, Beiträge zur Rentenversicherung in Höhe von DM 15.892,98 (= EUR 8.125.95). Ausweislich des beigefügten Berechnungsbogens bezog sich die Erstattung auf die Beitragszeiten:
Oktober 1966 bis Juni 1967, Oktober 1967 bis April 1971, Juni 1971 bis April 1973, Juli 1973 bis Juli 1974, Oktober 1974 bis August 1975, November 1975 bis Mai 1983.
Der Bescheid enthält den Hinweis:
"Eine Rücknahme des Antrags ist nach Ablauf der Rechtsmittelfrist nicht mehr möglich ... Leistungen können aber nur aus den künftig zurückgelegten Versicherungszeiten bewilligt werden."
Im September 2003 reiste die Klägerin erneut nach Deutschland ein und war vom 10. September 2003 bis 30. September 2008 erneut versicherungspflichtig beschäftigt. In Portugal war sie nach eigenen Angaben nicht rentenversichert. Am 01. Oktober 2008 beantragte sie Rente wegen Erwerbsminderung, Altersrente wegen Vollendung des 60. Lebensjahres für schwerbehinderte Menschen und Altersrente wegen Vollendung des 60. Lebensjahres für Berufsunfähige oder Erwerbsunfähige. Am 19. Januar 2009 beantragte sie die Feststellung von Kindererziehungszeiten und Kinderberücksichtigungszeiten für ihre am 1967 und 1975 geborenen Kinder.
Mit dem Bescheid vom 08. April 2009 gewährte die Beklagte ab 01. August 2008 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung mit einem anfänglichen monatlichen Zahlbetrag (einschließlich eines Zuschusses zum Beitrag zur Krankenversicherung) von EUR 69,63 wegen einer Sehschwäche beider Augen bei Makuladegeneration beidseits, Glaukom rechts und Folgeschäden eines Diabetes mellitus. Dabei wurden Kindererziehungszeiten berücksichtigt und Kinderberücksichtigungszeiten anerkannt. Ausweislich des beigefügten Versicherungsverlaufs vom selben Tag wurden die Zeit vom 26. Juni bis 31. August 1967 und vom 01. September bis 02. Oktober 1967 nach Wiedereinzahlung der erstatteten Beiträge als Zeiten der Schwangerschaft/Mutterschutz sowie Pflichtbeitragszeiten vom 01. September 1967 bis 31. Dezember 1967 4 Monate 01. Januar 1968 bis 31. August 1968 8 Monate 01. Oktober 1975 bis 31. Dezember 1975 3 Monate 01. Januar 1976 bis 30. September 1976 9 Monate der Kindererziehung und vom 10. September 2003 bis 31. Juli 2008, für die der Arbeitgeber einen Nachweis erteilt hatte, zugrunde gelegt.
Gegen den Bescheid vom 08. April 2009 erhob die Klägerin Widerspruch und fragte an, wo die Beiträge aus der Zeit von 1966 bis 1981 geblieben seien. Nach Hinweis der Beklagten auf den Beitragserstattungsbescheid vom 13. August 1985 trug die Klägerin vor, diese Beitragserstattung sei rechtswidrig gewesen. Der Antrag hätte abgelehnt werden müssen, weil er erst nach zwei Jahren gestellt werden dürfe, zum Schutz der Versichertengemeinschaft und des Versicherten. Wer in seine Heimat zurückkehre, müsse erst die Verfestigung seiner Lebenssituation abwarten, die Versichertengemeinschaft müsse vor Manipulationen geschützt werden, indem geprüft werde, ob binnen zwei Jahren erneut Versicherungspflicht eintritt. Der Antrag sei bereits einige Monate nach dem Wegzug gestellt, der Bescheid vor Ablauf von zwei Jahren bereits erlassen worden. In allen anderen Fällen seien vor Ablauf der Wartefrist gestellte Anträge abgelehnt worden. Es sei auch keine Beratung über versicherungsrechtliche Gesetzesänderungen zum 01. Januar 1984 erfolgt. Die Klägerin sei im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als sei die Beitragserstattung nicht erfolgt.
Der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 07. Dezember 2009 zurück. Die Antragstellung vor Ablauf der zweijährigen Wartefrist habe nicht der damaligen Rechtsprechung entsprochen. Die Klägerin habe gewusst, was die durchgeführte Beitragserstattung für sie bedeute. Denn sie sei im Bescheid vom 13. August 1985 aber auch darauf hingewiesen worden, dass die Rücknahme des Antrags auf Beitragserstattung nach Ablauf der Rechtsmittelfrist nicht mehr möglich sei sowie dass Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung nur aus den zukünftig zurückgelegten Versicherungszeiten bewilligt werden könnten. Der Erstattungsbescheid sei bestandskräftig. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch liege mangels Pflichtverletzung nicht vor.
Die Klägerin erhob am 07. Januar 2010 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG). Zur Begründung wiederholte sie ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren.
Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf den Widerspruchsbescheid entgegen.
Nach Anhörung der Beteiligten wies das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 02. November 2011 ab. Zur Begründung führte es aus, ein Anspruch auf höhere Rente unter Einbeziehung der Beitragszeiten vom 24. Oktober 1966 bis "31. Dezember 1981" bestehe nicht. Der Einbeziehung der Beitragszeiten stehe der bestandskräftige Beitragserstattungsbescheid vom 13. August 1985 entgegen. Dieser sei nicht angefochten oder aufgehoben. Die Beitragserstattung gemäß § 82 AVG führe zur rückwirkenden Aufhebung des Versicherungsverhältnisses in seiner Gesamtheit und zum Verlust der Rechte aus den vor der Erstattung zurückgelegten Versicherungszeiten, soweit diese nicht erst durch eine Gesetzesänderung nach erfolgter Erstattung rückwirkend zu Versicherungszeiten geworden seien. Offen bleiben könne, ob der Klageantrag (auch) als Antrag auf Rücknahme des Erstattungsbescheides auszulegen sei. Die Klage sei nämlich insoweit mangels durchgeführten Verwaltungsverfahrens unzulässig. Im Übrigen sei aber auch eine Rechtswidrigkeit des Beitragserstattungsbescheides vom 13. August 1985 nicht ersichtlich. Zwar sei die gesetzlich angeordnete Wartefrist von zwei Jahren nach Ende der Versicherungspflicht bei Antragstellung noch nicht verstrichen gewesen, jedoch bei Erteilung des Bescheides. Damit sei der Schutzfunktion der Wartefrist hinreichend Genüge getan. Die Klägerin sei mit dem Erstattungsbescheid darauf hingewiesen worden, dass sie den Antrag innerhalb von drei Monaten zurücknehmen könne. Auch ein Anspruch aus sozialrechtlichem Herstellungsanspruch sei nicht gegeben. Eine Pflichtverletzung der Beklagten sei nicht erkennbar. Vielmehr sei die Klägerin bei Stellen des Antrages auf Beitragserstattung sogar in ihrer Muttersprache auf die Rechtsfolgen der Beitragserstattung hingewiesen worden.
Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 04. November 2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 24. November 2011 Berufung zum Landessozialgericht eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, wenn die Beitragserstattung rechtswidrig gewesen sei, sei sie nicht wirksam durchgeführt worden und es sei Rente "unter Einschluss" der erstatteten Beiträge zu zahlen. Wenn der Beitragserstattungsbescheid rechtswidrig gewesen sei und im Wege des Überprüfungsantrages bzw. dagegen wahrgenommener Rechtsbehelfe aufzuheben sei, stehe die Bestandskraft nicht entgegen. Rechtswidrige Sachverhalte seien zu beseitigen, es sei nicht vertretbar, wenn bestimmte Dinge in einem Rechtsstaat nicht justiziabel seien.
Die Klägerin beantragt (sachgemäß gefasst),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 02. November 2011 aufzuheben und den Bescheid vom 08. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07. Dezember 2009 dahin abzuändern, und die Beklagte zu verurteilen, nach Wiedereinzahlung der erstatteten Beiträge von EUR 8.125.95 Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01. August 2008 unter Anrechnung der Beitragszeiten vom 24. Oktober 1966 bis 31. Mai 1983 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angegriffenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Prozessakten beider Instanzen und den Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, sie ist form- und fristgerecht erhoben. Sie ist statthaft, ein Berufungsausschlussgrund gemäß § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist nicht gegeben. Die Berufung betrifft laufende Leistungen für mehr als ein Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angegriffene Bescheid über die Bewilligung von Erwerbsunfähigkeitsrente vom 08. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07. Dezember 2009 ist auch hinsichtlich der Rentenhöhe rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf eine höhere Rente unter Berücksichtigung der Beitragszeiten, für die mit Bescheid vom 13. August 1985 Beiträge erstattet worden sind.
Die Höhe einer Rente richtet sich nach § 63 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) vor allem nach der Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen. Nach § 55 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB VI sind Beitragszeiten Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind sowie Zeiten, für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten. Nach Bundesrecht gezahlt sind Beiträge, die nach Inkrafttreten des Grundgesetzes (GG) am 23. Mai 1949 aufgrund der im Bundesgebiet geltenden Vorschriften gezahlt wurden. Die Reichsversicherungsordnung (RVO), das AVG und das Reichsknappschaftsgesetz (RKG) wurden durch Art. 125 GG zu Bundesrecht.
Die Klägerin hat zwar in der Zeit vom 24. Oktober 1966 bis 31. Mai 1983 Beitragszeiten zurückgelegt, weil sie wegen versicherungspflichtiger Beschäftigungen Pflichtbeiträge entrichtete. Dem Anspruch, diese Pflichtbeiträge bei der bewilligten Rente wegen voller Erwerbsminderung zu berücksichtigen, steht aber die mit bestandkräftigem (§ 77 SGG) Bescheid vom 13. August 1985 gewährte Beitragserstattung entgegen. Mit der Beitragserstattung wurde das bis dahin bestehende Versicherungsverhältnis aufgelöst. Vor dem 01. Januar 1992 erfolgte Beitragserstattungen richten sich nach §§ 1303 RVO, 82 AVG; § 210 Abs. 6 Satz 3 SGB VI ist erst - abweichend von § 300 Abs. 1 SGB VI - für Beitragserstattungen ab dem 01. Januar 1992 anwendbar (vgl. Kasseler Kommentar-Gürtner, SGB VI, § 210, Rdnr. 28 f). Gemäß § 82 Abs. 7 AVG i. d. F. des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Angestellten - AnVNG - (vom 23. Februar 1975, BGBl. I S. 88) schließt die Erstattung weitere Ansprüche aus den bisher zurückgelegten Versicherungszeiten aus (sog. Verfallswirkung). Durch die Erfüllung der Beitragserstattungsforderung ist diese gem. § 362 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erloschen. Diese Vorschrift ist als allgemeiner Rechtsgrundsatz auch im Sozialrecht anzuwenden (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 29. Januar 1997 - 5 RJ 52/94 - SozR 3-2200 § 1303 Nr. 6, Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - LSG NRW -, Urteil vom 24. September 2001 - L 3 RJ 22/01 -; in Juris). Im Bescheid vom 13. August 1985 ist ausdrücklich festgestellt, dass die Beitragserstattung weitere Ansprüche aus den bisher zurückgelegten Versicherungszeiten ausschließt. Der Bescheid vom 13. August 1985 war der Klägerin mit Zugang am 23. August 1985 (Rückschein, Bl. 89 der Verwaltungsakte) bekanntgeben worden, was die Klägerin auch nicht bestritt.
Die Beklagte hat in dem angegriffenen Bescheid zutreffend Beitragszeiten für Schwangerschaft, Mutterschutz und Kindererziehung berücksichtigt. Der Verfall ist nämlich hinsichtlich von Zeiten nicht eingetreten, wenn diese mangels Anrechnungsvoraussetzungen in dem bis zu 31. Dezember 1991 geltenden Recht nicht anerkennungsfähig waren und damit erst nach der Erstattung zu Versicherungszeiten wurden. Kindererziehungszeiten gemäß § 56 i.V.m. § 249 SGB VI wurden mit Wirkung vom 01. Januar 1992 durch Art. 1 Rentenreformgesetz (RRG) 1992 vom 18. Dezember 1989, BGBl. I, S. 2261 zu Beitragszeiten. Gemäß § 249 Abs. 1 SGB VI beträgt die Kindererziehungszeit für vor dem 01. Januar 1992 geborene Kinder jeweils zwölf Kalendermonate.
Da die Klägerin innerhalb der Rechtsbehelfsfrist keinen Rechtsbehelf gegen den Bescheid vom 13. August 1985 eingelegt hatte, ist dieser nach § 77 SGG bindend geworden. Ob dieser Bescheid rechtmäßig oder rechtswidrig ist, ändert am Eintritt der Bestandskraft nichts. Dies verkennt die Klägerin mit der in der Berufungsbegründung vertretenen Auffassung, allein die Rechtswidrigkeit eines Bescheids beseitige die Bestandskraft. Der Senat braucht deshalb vorliegend nicht zu entscheiden, ob der Bescheid vom 13. August 1985 deshalb rechtswidrig war, weil die Klägerin den Antrag auf Erstattung der Beiträge vor Ablauf der in § 82 Abs. 1 Satz 3 AVG genannten Frist von zwei Jahren gestellt hatte.
Eine Durchbrechung dieser Bindungswirkung durch Rücknahme eines (rechtswidrigen) Bescheides nach §§ 44 ff Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist möglich, bedarf aber eines entsprechenden Antrages. Eine Überprüfung im Klageverfahren setzt die Durchführung eines Vorverfahrens voraus (§ 78 SGG). Vorliegend ist kein Antrag der Klägerin auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Erstattungsbescheides vom 13. August 1985 ersichtlich. Zwar machte sie mit ihrem Widerspruchsvorbringen gegen den Bescheid vom 08. April 2009 geltend, der Erstattungsbescheid sei rechtswidrig gewesen, beantragte jedoch nicht dessen Überprüfung. Bei der Auslegung ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin durch ihren bevollmächtigten Rentenberater vertreten war. Rentenberater sind nach § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGG vor Sozialgerichten und Landessozialgerichten vertretungsberechtigt, weil das Gesetz sie für bestimmte Bereiche als sachkundige Personen ansieht (Leitherer in: Meyer-Ladewig, SGG, Komm., Rdnr. 2, 20 zu § 73).
Über eine Rücknahme des Erstattungsbescheides hat die Beklagte bisher dementsprechend nicht entschieden. Die Ausführungen im Widerspruchsbescheid zur Rechtmäßigkeit des Erstattungsbescheides sind nicht als Entscheidung über dessen Rücknahme anzusehen. Zum einen fehlt es an dem entsprechenden Tenor, zum anderen war der Widerspruchsausschuss der Beklagten zur erstmaligen Befassung, also insoweit zum Erlass eines Ausgangsbescheides, nicht berufen.
Die Klägerin kann ihren Anspruch auch nicht auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen. Dieses richterrechtlich entwickelte Rechtsinstitut setzt voraus, dass dem Versicherten durch eine der Beklagten zuzurechnende behördliche Pflichtverletzung ein sozialrechtlicher Nachteil entstanden ist, der durch eine zulässige Amtshandlung behoben werden kann (vgl. dazu allgemein BSG, Urteil vom 08. November 1995 - 13 RJ 5/95 - SozR 3-2600 § 300 Nr. 5; Urteil vom 22. Oktober 1996 - 13 RJ 23/95 - SozR 3-2600 § 115 Nr.1). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Zum einen ist eine behördliche Pflichtverletzung der Beklagten nicht ersichtlich, zumal die Klägerin im Verfahren der Beitragserstattung ausdrücklich - sogar in ihrer Muttersprache - auf deren Rechtsfolgen hingewiesen war. Auch eine Verletzung der Wartefrist aus § 82 Abs. 1 Satz 2 AVG ist nicht ersichtlich, da diese nach dem Ende der Versicherungspflicht am 31. Mai 1983 bei Erlass des Bescheides über die Beitragserstattung vom 13. August 1985 abgelaufen war. Ein von der Klägerin gefordertes weitergehendes Abwarten auf die Verfestigung der Existenzgrundlage des Versicherten in seiner Heimat ist weder dem Gesetz zu entnehmen, noch hätte es sich im konkreten Fall ausgewirkt, da die Klägerin nach ihrer Ausreise ca. 20 Jahre in ihrer Heimat verbrachte, bevor sie im September 2003 wieder nach Deutschland einreiste. Soweit ein behördlicher Fehler von der Klägerin darin gesehen wird, dass die Beklagte mit Bescheid vom 13. August 1985 die beantragte Beitragserstattung gewährt hatte, besteht zum anderen schon deshalb kein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch, weil insoweit die gesetzliche Regelung des § 44 SGB X vorgeht, die speziell für die Rücknahme fehlerhafter Verwaltungsakte vorgesehen ist (vgl. BSG, Urteil vom 02. Oktober 2008 - B 9 VH 1/07 R; in Juris; Urteil des Senats vom 23. Januar 2009 - L 4 P 6526/06 -, nicht veröffentlicht).
Der Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der Berufungsbegründung, es mute etwas eigentümlich an, wie zunehmend in der Gerichtsbarkeit (gemeint die Sozialgerichtsbarkeit des Landes Baden-Württemberg) einfach mit der Beklagtenseite argumentiert und einfach die Begründungen, mögen sie noch so abwegig sein, übernommen würden, liegt sowohl für den vorliegenden Rechtsstreit (insbesondere im Hinblick darauf, dass die Folgen der Bestandskraft eines Bescheides verkannt werden) als auch allgemein völlig neben der Sache und sollte nicht wiederholt werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
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