L 7 SO 2067/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 2 SO 295/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 2067/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 29. März 2010 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger erhebt im Zugunstenverfahren Anspruch auf Sozialhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG).

Der am 1963 geborene Kläger, diplomierter Physiker, war als Software-Entwickler bei einem Unternehmen in H. ab September 1996 zunächst als freier Mitarbeiter tätig und sodann ab 1. Januar 1997 bis 30. Juni 1999 abhängig beschäftigt. Am 25. April 2000 machte er sich mit einer IT-Dienstleistung selbständig; zuvor war er nach seinen eigenen Angaben arbeitslos. Seit der vorgenannten Zeit bestand kein Krankenversicherungsschutz mehr. Seit 1. Juni 1997 hatte der Kläger in der Straße in L. eine Zwei-Zimmerwohnung (Penthouse) mit einer Wohnfläche von 73 m² (Baujahr 1972) angemietet, für die laut Mietvertrag vom 14./24. Mai 1997 eine monatliche Kaltmiete von 850,00 DM sowie Nebenkostenvorauszahlungen von monatlich 180,00 DM zu entrichten waren. Vom 1. Juli bis 31. Dezember 2001 erhielt er von der Wohngeldstelle der Stadt L. Wohngeld in Höhe von monatlich 451,80 DM sowie vom 1. Januar bis 28. Februar 2002 in Höhe von monatlich 249,00 Euro. Der Kläger war in der fraglichen Zeit Eigentümer und Halter eines Personenkraftwagens (PKW) der Marke Mazda 626 (Erstzulassung 6. Oktober 1993; amtliches Kennzeichen ), dessen Verkehrswert sich nach seinen Angaben am 25. Juli 2001 auf etwa 8.000,00 DM belief. Darüber hinaus verfügte der Kläger über ein Konto bei der Badischen Beamtenbank, das zumindest bis Anfang November 2001 einen Habenstand aufwies.

Einen ersten mit Schreiben vom 26. Mai 2000 gestellten Sozialhilfeantrag nahm der Kläger im Juli 2000 zurück, nachdem ihm zwischenzeitlich vom Arbeitsamt Überbrückungsgeld bewilligt worden war. Ein weiterer am 31. Januar 2001 gestellter Sozialhilfeantrag wurde vom Beklagten mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 13. Februar 2001 wegen eines die Vermögensfreigrenze übersteigenden Bankguthabens abgelehnt.

Am 25. Juli 2001 beantragte der Kläger eine "einmalige Sozialhilfe als Beihilfe oder als Darlehen" in Form der Übernahme der vom Deutschen Patent- und Markenamt für die Anmeldung von Bild- und Wortmarken am 26. Juni 2001 geforderten Gebühren in Höhe von insgesamt 1.150,00 DM. Durch Bescheid vom 28. September 2001 lehnte der Beklagte die beantragte Gewährung von Hilfe in besonderen Lebenslagen ab, weil die Vermögensfreigrenze mit dem derzeitigen Vermögen des Klägers überschritten sei. Mit Schreiben vom 28. September 2001 beantragte der Kläger beim Beklagten außerdem laufende Hilfe zum Lebensunterhalt (HLU), weil ein beantragtes Gründungsdarlehen eine Woche zuvor abgelehnt worden sei. Auch dieser Antrag wurde u.a. wegen des zum Vermögenseinsatz herangezogenen PKW abgelehnt (Bescheid vom 6. Dezember 2001); zugleich erklärte sich der Beklagte bereit, den notwendigen Lebensunterhalt darlehensweise zu gewähren. Gegen beide Bescheide legte der Kläger Widersprüche ein, wobei er sich auf das angebotene Darlehen zunächst nicht einlassen wollte. Eine vom Kläger beantragte einstweilige Anordnung lehnte das Verwaltungsgericht (VG) Karlsruhe (2 K 3117/01) mit rechtskräftig gewordenem Beschluss vom 17. Dezember 2001 ab. Durch Widerspruchsbescheid vom 28. Januar 2002 wurde der Widerspruch bezüglich des die laufende HLU ablehnenden Bescheids vom 6. Dezember 2001 zurückgewiesen. Auch der Widerspruch gegen den Bescheid vom 28. September 2001 blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 30. Januar 2002).

Am 6. März 2002 sprach der Kläger beim Beklagten persönlich vor und beantragte erneut Sozialhilfe, wobei er noch an diesem Tage einer darlehensweisen Hilfegewährung gegen Sicherung des Darlehens durch Abgabe des Fahrzeugbriefs des PKW Mazda 626 schriftlich zustimmte. Mit Bescheid vom 7. März 2002 bewilligte der Beklagte darauf für die Monate März, April und Mai 2002 darlehensweise HLU (und darüber hinaus einen besonderen Mietzuschuss); der Widerspruch gegen diesen Bescheid wurde mit Widerspruchsbescheid vom 9. Juli 2002 zurückgewiesen. Die gegen die Bescheide vom 28. September 2001 und 7. März 2002 (und die hierauf ergangenen Widerspruchsbescheide vom 30. Januar und 9. Juli 2002) erhobenen Klagen zum VG Karlsruhe (2 K 490/02 und 2 K 2135/02), mit denen der Kläger u.a. HLU bereits ab 1. Juli 2001 begehrte, wurden mit Urteilen vom 22. April 2004 abgewiesen, weil dessen Hilfebedürftigkeit in der Zeit vom 1. Juli 2001 bis 28. Februar 2002 nicht erwiesen sei; Anträge des Klägers zum Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH) auf Prozesskostenhilfe (PKH) für noch zu stellende Anträge auf Zulassung der Berufung blieben erfolglos (Beschlüsse vom 15. November 2004 - 12 S 1751/04 und 12 S 1752/04 -).

Zuvor hatte der Kläger am 15. Januar 2002 per Fax beantragt, die ihm aus Anlass der Behandlung durch den Zahnarzt Dr. Haas am 10. Januar 2002 entstandenen Kosten zu übernehmen; hierzu reichte er die Liquidation des Zahnarztes vom 11. Januar 2002 über 51,77 Euro ein. Durch Bescheid vom 31. Januar 2002 lehnte der Beklagte diesen Antrag unter Hinweis auf § 5 BSHG ab, weil ihm der Bedarfsfall erst nachträglich gemeldet worden sei. Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 9. Juli 2002 zurückgewiesen. Die Klage zum VG Karlsruhe (2 K 2825/02) wurde mit Urteil vom 22. April 2004 abgewiesen, der weitere Antrag des Klägers zum VGH durch Beschluss vom 15. November 2004 abgelehnt (12 S 1753/04).

Ab Juni 2002 erfolgten Kürzungen des Regelsatzes, weil der Kläger trotz mehrfacher Aufforderungen keine Nachweise über seine Arbeitsbemühungen vorgelegt und sich der Arbeitsvermittlung des Arbeitsamts nicht zur Verfügung gestellt habe (Bescheide vom 29. Mai, 27. Juni, 23. Juli, 4. Oktober, 6. und 27. November 2002). Allen wegen der Regelsatzkürzungen zum VG Karlsruhe erhobenen Klagen gab das Gericht mit Ausnahme der Kürzungen für die Monate Juli und August 2002 statt.

Mit Fax vom 3. Dezember 2004 beantragte der Kläger beim Beklagten im Rahmen des § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) u.a. die Überprüfung des oben bezeichneten, im Klageverfahren 2 K 2825/02 streitbefangen gewesenen Bescheids vom 31. Januar 2002.

Diesen Antrag lehnte der Beklagte unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) mit Bescheid vom 14. Juli 2005 ab. Die schon zuvor als Untätigkeitsklage erhobene und in Ansehung des vorgenannten Bescheids in eine "Verpflichtungsklage" umgestellte Klage zum Sozialgericht Mannheim - SG - (S 12 SO 1594/05) wies das Gericht mit Gerichtsbescheid vom 22. Februar 2006 wegen der unterbliebenen Durchführung des Vorverfahrens, aber auch deswegen ab, weil § 44 SGB X auf das Leistungsrecht des BSHG nach der Rechtsprechung des BVerwG nicht anwendbar sei. Während des Berufungsverfahrens zum Landessozialgericht - LSG - (L 7 SO 1676/06) erging der den Widerspruch des Klägers gegen den vorgenannten Bescheid zurückweisende, vom Senat gemäß § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) einbezogene Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 2006. Mit Senatsurteil vom 1. Februar 2007 wurde die Berufung unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BVerwG (vgl. BVerwGE 68, 285 ff.; Buchholz 435.12 § 44 SGB X Nr. 10) zurückgewiesen. Im anschließenden Revisionsverfahren beim Bundessozialgericht - BSG - (B 8 SO 1/08 R) schlossen die Beteiligten im Termin zur Erörterung des Sachverhalts vom 31. März 2009 zur Erledigung des Rechtstreits einen Vergleich, in dem sich der Beklagte verpflichtete, in der Sache über die Überprüfungsanträge des Klägers betreffend die Bescheide vom 7. März 2002 (Sozialhilfe für den Zeitraum vom 1. Juli 2001 bis 28. Februar 2002), 23. Juli 2002 (Sozialhilfe für August 2002 in Höhe von 25 v.H. des HLU-Regelsatzes) und 31. Januar 2002 (Kosten für eine Zahnbehandlung von 51,77 Euro) zu entscheiden.

Am 18. Mai 2009 hat der Kläger zum SG (S 2 SO 1636/09) eine Untätigkeitsklage erhoben, weil der Beklagte dem am 31. März 2009 geschlossenen Vergleich immer noch nicht nachgekommen sei. Während dieses Klageverfahrens erließ der Beklagte unter dem 17. Juni 2009 einen Bescheid, mit dem er in Vollzug des vor dem BSG geschlossenen Vergleichs die Rücknahme des Bescheids vom 31. Januar 2002 ablehnte, weil er von der Zahnbehandlung erst am 17. Januar 2002 und damit erst nach deren Durchführung Kenntnis erlangt habe. Mit einem weiteren Bescheid vom 17. Juni 2009 lehnte der Beklagte auch die Rücknahme des Bescheids vom 7. März 2009 ab. Mit einem dritten Bescheid vom 17. Juni 2009 wurde ferner die Rücknahme des Bescheids vom 23. Juli 2002 abgelehnt.

Am 20. Oktober 2009 hat der Kläger zum SG (S 2 SO 3577/09) eine weitere Untätigkeitsklage erhoben, weil der Beklagte über seine Widersprüche noch nicht entschieden habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 24. November 2009 wies der Beklagte sodann den Widerspruch gegen den (ersten) Bescheid vom 17. Juni 2009 zurück; der Kläger habe, wie sich aus seiner Berufungszulassungsbegründung im Verfahren vor dem VGH (12 S 1753/04) vom 1. Oktober 2004 ergebe, bereits am 8. Januar 2002 telefonisch einen Termin bei einem Zahnarzt für den 10. Januar 2002 vereinbart gehabt; es wäre ihm deshalb möglich und zumutbar gewesen, noch am 8. Januar 2002 telefonisch oder per Fax beim Sozialamt vorstellig zu werden. Durch Widerspruchsbescheid vom 25. November 2009 wies der Beklagte auch den Widerspruch gegen den (zweiten) Bescheid vom 17. Juni 2009 zurück. Unter dem 26. November 2009 wurde ferner der Widerspruch gegen den (dritten) Bescheid vom 17. Juni 2009 zurückgewiesen.

Der Kläger hat darauf mit Fax vom 14. Dezember 2009 die Untätigkeitsklagen in den Verfahren S 2 SO 1636/09 und S 2 SO 3577/09 für erledigt erklärt und mitgeteilt, er setze die Klagen als "Leistungs- und Verpflichtungsklagen" fort. "Sicherheitshalber" erhebe er noch zusätzlich Klagen gegen die vorgenannten drei Widerspruchsbescheide. Das SG hat diese Klagen unter den Az. S 2 SO 295/10 (Kosten für Zahnbehandlung), S 2 SO 296/10 (HLU in der Zeit vom 1. Juli 2001 bis 28. Februar 2002) und S 2 SO 297/10 (Kürzung des Regelsatzes im August 2002) geführt. Zur Begründung seiner Klagen hat der Kläger u.a. vorgebracht, der Beklagte habe es unterlassen, ihn darauf hinzuweisen, dass er einen Hilfeantrag unbedingt vorher stellen müsse, auch wenn es sich um einen Notfall handele.

Mit Urteil vom 29. März 2010 hat das SG die Klage im Verfahren S 2 SO 1636/09 abgewiesen; es hat - nach Umstellung der Untätigkeitsklage in eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage - als streitbefangen alle drei Bescheide vom 17. Juni 2009 (in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 24., 25. und 26. November 2009) erachtet. Die Voraussetzungen für die Rücknahme der Bescheide vom 31. Januar, 7. März und 23. Juli 2002 nach § 44 SGB X lägen indessen nicht vor; wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf das dem Kläger am 9. August 2010 zugestellte Urteil verwiesen.

Mit Urteil vom 29. März 2010 hat das SG ferner die Klage im Verfahren S 2 SO 295/10 wegen anderweitiger Rechtshängigkeit des Streitgegenstands im Verfahren S 2 SO 1636/09 (als unzulässig) abgewiesen. Auch die Klagen in den Verfahren S 2 SO 3577/09, S 2 SO 296/10 und S 2 SO 297/10 hat das SG mit drei weiteren Urteilen vom 29. März 2010 wegen anderweitiger Rechtshängigkeit abgewiesen.

Bereits vor Zustellung der vorgenannten Urteile hat der Kläger mit Fax vom 30. April 2010 beim LSG Berufungen gegen alle fünf Entscheidungen eingelegt, darunter auch die vorliegende Berufung gegen das Urteil vom 29. März 2010 im Verfahren S 2 SO 295/10; diese Berufung hat beim LSG das Az. L 7 SO 2067/10 erhalten.

Der Kläger hat geltend gemacht, alle Klagen beträfen denselben Anspruch, nämlich den Streitgegenstand des Verfahrens S 12 SO 1594/05, L 7 SO 1676/06 und B 8 SO 1/08 R.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 29. März 2010 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 17. Juni 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. November 2009 zu verurteilen, den Bescheid vom 31. Januar 2002 zurückzunehmen und die Kosten für eine Zahnbehandlung in Höhe von 51,77 Euro zu übernehmen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil und die streitbefangenen Bescheide für zutreffend.

Die Beteiligten sind mit Verfügungen vom 26. August 2010, vom 22. März 2011 (im Verfahren L 7 SO 2065/10) und vom 10. Oktober 2012 darauf hingewiesen worden, dass die vorliegende Berufung nicht statthaft sein dürfte (vgl. ferner PKH-Beschluss vom 18. Mai 2011).

Zur weiteren Darstellung wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten (16 Bände (einschließlich Behelfsakten und Anlagenband)), die Klageakten des SG (S 2 SO 1636/09, S 2 SO 3577/09, S 2 SO 295/09), die weitere Akte des SG (S 12 SO 1596/06), die Berufungsakte des Senats (L 7 SO 2067/10), die weiteren Senatsakten (L 7 SO 2065/10, L 7 SO 2066/10, L 7 SO 2068/10, L 7 SO 2069/10, L 7 SO 1676/06) und die Akte des BSG (B 8 SO 1/08 R) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte trotz Ausbleibens von Kläger und Beklagtem im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 25. Oktober 2012 verhandeln und entscheiden, da beide Beteiligten in der Ladung zum Termin, die dem Kläger am 27. September 2012, dem Beklagten am 28. September 2012 zugestellt worden ist, darauf hingewiesen worden sind, dass auch im Falle des Ausbleibens von Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann (§ 110 Abs. 1 Satz 2 SGG; vgl. hierzu BSG, Urteil vom 16. Dezember 2012 - 13 RJ 37/93 - (juris)). Gründe für sein Nichterscheinen hat der Kläger nicht genannt; auch ein Verlegungsantrag ist im vorliegenden Verfahren nicht eingegangen, obwohl er in der Senatsverfügung vom 18. Oktober 2012 an die ihm im Verfahren L 7 SO 2065/10 beigeordnete Rechtsanwältin, welche er nachweislich erhalten hat (vgl. sein Schreiben vom 21. Oktober 2012 im dortigen Verfahren), darauf hingewiesen worden ist, dass der Termin zur mündlichen Verhandlung in der vorliegenden Sache aufrechterhalten bleibt.

Das im vorliegenden Verfahren verfolgte Rechtsmittel des Klägers ist unzulässig. Das Rechtsmittel ist als Berufung zu behandeln.

Prozesshandlungen - so auch die Einlegung eines Rechtsmittels - sind entsprechend dem in § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zum Ausdruck gekommenen allgemeinen Rechtsgedanken unter Berücksichtigung des wirklichen Willens des Erklärenden, wie er nach den äußerlich in Erscheinung getretenen Umständen verstanden werden musste, auszulegen (vgl. BSG SozR 4-1500 § 158 Nr. 2; BSG SozR 4-1500 § 151 Nr. 3; ferner BVerwG Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 38). Unter Beachtung dieser Auslegungskriterien besteht kein Zweifel, dass der Kläger mit seinem am 30. April 2010 per Fax beim LSG eingegangenen Schreiben vom selben Tag das Rechtsmittel der Berufung gegen das Urteil des SG vom 29. März 2010 (S 2 SO 295/10) eingelegt hat. Der Kläger hat das Rechtsmittel im vorgenannten Schreiben ausdrücklich als "Berufung" bezeichnet. Dass mit dem Rechtsmittelschreiben des Klägers vom 30. April 2010 nichts anderes als eine Berufung gegen das vorbezeichnete Urteil gemeint war, hat im Übrigen er selbst nicht in Abrede gestellt; dies zeigen insbesondere seine Darlegungen im Schreiben vom 6. April 2011. Den neuerlichen Hinweisen des Senats im PKH-Beschluss vom 18. Mai 2011 sowie in der Verfügung vom 10. Oktober 2012 hat der Kläger ohnehin nichts mehr entgegengehalten. Zwar war das Urteil des SG zum Zeitpunkt der Berufungseinlegung noch nicht zugestellt. Es ist jedoch ausweislich der Niederschrift am 29. März 2010 verkündet worden und war damit bereits mit diesem Tage verlautbart; unter dieser Voraussetzung kann eine Berufungseinlegung schon vor der schriftlichen Urteilsabsetzung erfolgen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 10. Auflage, § 143 Rdnr. 2b). Die Berufung des Klägers, an dessen Prozessfähigkeit (§ 71 Abs. 1 SGG) der Senat im Anschluss an die Senatsurteile vom 23. Februar 2012 (L 7 SO 4202/07, L 7 SO 3570/08 und L 7 SO 456/09) keinen Zweifel hat, ist indessen unzulässig, weil die Berufungsbeschränkungen des § 144 SGG entgegenstehen.

Die Berufung des Klägers ist zwar formgerecht im Sinne des § 151 Abs. 1 SGG eingelegt worden; sie ist jedoch nicht statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes die erforderliche Berufungssumme nicht erreicht und auch nicht um Leistungen für mehr als ein Jahr gestritten wird. Die Frage der Statthaftigkeit der Berufung richtet sich nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels (vgl. BSG SozR 1500 § 146 Nrn. 6, 7; BSGE 58, 291, 294 = SozR a.a.O. § 144 Nr. 30; BSG SozR 4-1500 § 144 Nr. 4 (Rdnr. 13)).

Nach der Vorschrift des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung betrifft, 750,00 Euro nicht übersteigt; dies gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (Satz 2 a.a.O.). Mit Geldleistungen im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG sind z.B. Zahlungsansprüche gegen den Staat oder sonstige öffentlich-rechtliche Leistungsträger aus einem die Leistung ablehnenden Bescheid gemeint (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig u.a., a.a.O., § 144 Rdnr. 10a (m.w.N.)). Für die Bestimmung des Werts des Beschwerdegegenstandes kommt es darauf an, was das Sozialgericht dem Rechtsmittelkläger versagt hat und was er mit seinen Berufungsanträgen weiterverfolgt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. August 1986 - 8 B 26/86 - NVwZ 1987, 219; Leitherer, a.a.O., Rdnr. 14). Maßgebend ist insoweit allein die Geldleistung, um die unmittelbar gestritten wird; rechtliche oder wirtschaftliche Folgewirkungen bleiben bei der Berechnung des Beschwerdewerts außer Ansatz (vgl. BSG SozR 3-1500 § 144 Nrn. 11 und 12; SozR 4-1500 § 144 Nr. 3; Leitherer, a.a.O., Rdnr. 15).

Der Geldbetrag, um den mit der vorliegenden Berufung des Klägers gestritten wird, erreicht indes die erforderliche Berufungssumme von mehr als 750,00 Euro nicht. Streitgegenständlich im Klageverfahren vor dem SG (S 2 SO 295/10) war allein die im Zugunstenverfahren gemäß § 44 SGB X zur Überprüfung gestellte Ablehnung der Übernahme der dem Kläger im Januar 2002 entstandenen Zahnbehandlungskosten in Höhe von 51,77 Euro. Nur diesen Streitgegenstand hat das SG seinem - die Klage wegen anderweitiger Rechtshängigkeit als unzulässig abweisenden - Urteil vom 29. März 2010 zugrunde gelegt. Sonach ergibt sich hier eine Beschwer des Klägers in Höhe von lediglich 51,77 Euro; es liegt auf der Hand, dass damit die Beschwerdewertgrenze des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750,00 Euro) nicht überschritten ist. Ferner sind keine wiederkehrenden oder laufenden Leistungen für mehr als ein Jahr im Streit (vgl. hierzu § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Die Berufung des Klägers bedurfte nach allem der Zulassung. Die Berufung ist indes im Urteil des SG vom 29. März 2010 nicht zugelassen worden. Das SG hat den Kläger im Gegenteil in der dem Urteil beigefügten Rechtsmittelbelehrung zutreffend darauf hingewiesen, dass das Rechtsmittel der Berufung nur zusteht, wenn sie nachträglich zugelassen wird. Zu einer Umdeutung der Berufung des Klägers in eine Nichtzulassungsbeschwerde (§ 145 SGG) ist der Senat schon wegen der unterschiedlichen Zielrichtungen der beiden Rechtsmittel nicht befugt (vgl. BSG SozR 3-1500 § 158 Nrn. 1 und 3; BSG, Urteil vom 8. November 2001 - B 11 AL 19/01 R - (juris)). Dies gilt selbst dann, wenn der Rechtsmittelführer - wie hier - nicht rechtskundig vertreten ist (vgl. BSG SozR 4-1500 § 158 Nr. 1).

Nach allem ist die Berufung des Klägers mangels Statthaftigkeit des Rechtsmittels unzulässig; dem Senat ist mithin im vorliegenden Verfahren eine Prüfung seines Begehrens in der Sache verwehrt.

Die Berufung des Klägers ist sonach als unzulässig zu verwerfen (§ 158 Satz 1 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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