Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KA 2687/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KA 5247/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 20.10.2011 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 20.000 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt eine Ausgleichszahlung für die Quartale 1/08 bis 4/08 wegen Härtefalls.
I. Der Kläger ist als Facharzt für Pathologie mit Sitz in F. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er erhob jeweils Widerspruch gegen die Honorarbescheide für die Quartale 1/08 bis 4/08 (vom 14.7.2008, 15.10.2008, 15.1.2009 und 15.4.2009); die Einbeziehung der Pathologen ab 2008 in den Honorartopf der "sonstigen Ärzte" habe zu einer massiven Verminderung des Punktwerts geführt. Seine Leistung werde jetzt nicht mehr angemessen vergütet und es drohe Existenzvernichtung. Eine Vertragsarztpraxis, die mit einem hohen personellen und apparativen Aufwand die histopathologische Versorgung gewährleisten solle (Anteil Kassenleistungen 70%) könne einen Umsatzrückgang von 40 % von einem Quartal zum anderen nicht auffangen. Das Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit sei verletzt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21.10.2009 wies die Beklagte die Widersprüche zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Honorarbescheide für die Quartale des Jahres 2008 seien auf der Grundlage rechtsgültiger Regelungen (insbesondere) des Vertrags über den Honorarverteilungsmaßstab (HVM-V) erlassen worden; die Bildung eines Honorartopfs "sonstige Ärzte" und die Einbeziehung der Pathologen in diesen Honorartopf sei rechtmäßig. Aus dem Vergleich der Honorarergebnisse des Klägers in den Quartalen 1/08 bis 4/08 mit den jeweiligen Vorjahresquartalen gehe hervor, dass sein Fallwert mit Einführung des EBM 2000plus (ab dem Quartal 2/05) angestiegen und nach der Abwertung pathologischer Leistungen durch den EBM 2008, insbesondere der Gebührennummer (GNR) 19312 EBM (Zuschlag nach der GNR 19312 EBM zu den GNRN 19310 und 19311 für die histologische oder zytologische Untersuchung eines Materials unter Anwendung von Sonderverfahren) von 280 auf 145 Punkte, wieder zurückgegangen sei. Honorar- und Fallwert hätten sich wie folgt entwickelt:
Quartal Fallzahl Honorar Fallwert
1/2004 3.845 114.153,23 EUR 29,69 EUR 1/2005 2.830 76.530,10 EUR 27,06 EUR 1/2006 3.374 226.335,38 EUR 67,08 EUR 1/2007 3.354 230.613,03 EUR 68,76 EUR 1/2008 3.117 125.185,56 EUR 40,16 EUR
Am 4.11.2009 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Stuttgart (Verfahren S 11 KA 7346/09); der EBM 2008 und der HVM-V verletzten höherrangiges Recht, insbesondere weil kein gesonderter Honorartopf für die Pathologen gebildet worden sei. Bei ihm sei es zu einem massiven Honorarverlust von bis zu 49,64 % im Jahr 2008 im Vergleich zu 2007 gekommen. Sein Honorar habe sich wie folgt entwickelt:
Quartal Honorar in EUR Fallzahl Fallwert in EUR Verlust zum Vorjahresquartal 1/07 230.613,03 3354 68,76 2/07 219.268,44 3247 67,53 3/07 194.235,95 2948 65,89 4/07 234.088,05 3311 70,70 1/08 125.185,56 3117 40,16 minus 45,72 % 2/08 120.406,63 3047 39,52 minus 45,09 % 3/08 120.792,91 2865 42,16 minus 37,81 % 4/08 117.878,44 2776 42,16 minus 49,64 %
Daher liege jedenfalls ein Härtefall vor (vgl. § 6 Abs. 1 HVM-V). Davon sei nicht erst bei einem Rückgang sowohl des Gesamthonorars wie des Fallwerts um mehr als 20 % gegenüber dem Vorjahresquartal auszugehen. Härtefälle müssten auch in jedem Einzelfall geprüft werden; abstrakte Vorgaben des Vorstandes sein insoweit nicht zulässig. Die 20%-Grenze der Beklagten sei willkürlich, zumal der Gewinn nach Steuern angesichts der Steuersätze bei einem Honorarrückgang von 20 % um 43,4 % zurückgehen könne. Er liege mit seiner Praxis ohnehin jenseits der 20%-Grenze.
Die Beklagte verteidigte insbesondere die Topfbildung und trug – zur hier streitigen Härtefallfrage - vor, die Annahme eines Härtefalls setze nach den vom Vorstand festgelegten Kriterien zunächst voraus, dass sowohl das Gesamthonorar als auch der Fallwert der Praxis um mehr als 20% gegenüber dem Vorjahresquartal zurückgegangen sei. Dabei müsse der Rückgang auf den ab 1.1.2008 geltenden EBM bzw. HVM-V zurückzuführen sein, die Praxis durch den Fallwertrückgang in ihrer Existenzfähigkeit bedroht und alle Möglichkeiten der Betriebskostenreduktion ausgeschöpft worden sein. Hierzu müsse die antragstellende Praxis die für die Überprüfung ihrer wirtschaftlichen Lage erforderlichen Unterlagen zur Verfügung stellen. Der Vorstand dürfe Aufgreifkriterien für die Anerkennung von Härtefällen beschließen. Das sei aus Gleichheitsgründen sogar geboten, begründe eine entsprechende Verwaltungsübung und bewirke die Selbstbindung der Verwaltung. Inhaltlich entsprächen die Aufgreifkriterien der Rechtsprechung des LSG Baden-Württemberg, das einen Härtefall regelmäßig auch erst bei einer Honorarminderung von 20 % des Gesamtumsatzes in Betracht ziehe (Urt. v. 26.2.2003, - L 5 KA 1909/00 -). Die vom Vorstand getroffene Regelung sei auch in der Kombination - Fallwertverlust und Gesamthonorarverlust in Höhe von 20 % - sachgerecht, da ein Fallwertverlust (in EUR) von 20 % für sich allein nicht unbedingt eine erhebliche Honorarminderung bewirken müsse, etwa wenn die Fallzahlen im Vergleich zum Vorjahresquartal gestiegen seien. Umgekehrt könne das Gesamthonorar um 20 % sinken, obwohl der Fallwert gleich geblieben oder nur in geringerem Maße gesunken sei. Der Kläger erfülle in den streitigen Quartalen die beiden ersten Härtefallkriterien (Fallwertverlust und Verlust im Gesamthonorar über 20% im Vergleich zum Vorjahresquartal). Ob auch die weiteren Voraussetzungen der Härtefallregelung vorlägen, müsse man in einem gesonderten Verfahren prüfen.
Mit Urteil vom 14.4.2011 (S 11 KA 7346/09) wies das Sozialgericht die Klage ab. Auf das ihm am 29.4.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am (Montag, dem) 30.5.2011 Berufung eingelegt (Verfahren L 5 KA 2198/11). Über die Berufung hat der Senat mit Urteil vom gleichen Tag entschieden.
Im Berufungsverfahren L 5 KA 2198/11 hatte der Kläger u.a. vorgetragen, er habe 2008 über die GNR 19312 EBM zwischen 56,5 und 58,9% seiner Gesamtpunkte abgerechnet. Eine annähernde Halbierung der GNR durch den EBM 2008 habe daher zu massiven Honorarverlusten führen müssen. Auch 2009 sei sein Honorar dramatisch abgesunken. Innerhalb von 2 ½ Jahren sei sein Honorar von 233.896,51 EUR im Quartal 1/2007 auf 87.139,36 EUR im Quartal 3/09 zurückgegangen, um dann in den Folgequartalen (vermutlich im Rahmen der Konvergenzregelung) wieder etwas anzusteigen. Dies entspreche einem Honorarrückgang von 62,7%. Bei den Fallwerten zeige sich ein ähnliches Bild. In den beiden genannten Quartalen betrage die Differenz 46,6%.
II.
Mit Bescheid vom 27.9.2010 lehnte es die Beklagte (die die Widersprüche des Klägers gegen die Honorarbescheide für die Quartale des Jahres 2008 zugleich als Härtefallantrag behandelt hatte) ab, dem Kläger Ausgleichszahlungen wegen Härtefalls für die Quartale 1/08 bis 4/08 zu gewähren. Zur Begründung führte sie aus, die Ausgleichszahlung für Härtefälle sei auf 90 % des Fallwertes der Praxis im jeweiligen Vorjahresquartal, höchstens jedoch auf 90 % des Fallwertes der vergleichbaren Gruppe begrenzt. Da die Fallwerte des Klägers über den Fallwerten seiner Fachgruppe lägen, sei eine Ausgleichszahlung nicht zulässig, auch wenn das Gesamthonorar und der Fallwert des Klägers in den Quartalen 1/08 bis 4/08 um mehr als 20 % zurückgegangen seien.
Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs trug der Kläger vor, die Beklagte habe die einschlägigen Härtefallvoraussetzungen nicht geprüft und sogleich auf die für Härtefälle vorgesehenen Rechtsfolgen abgestellt. Die Härtefallregelung im HVM-V sei unzureichend, da er trotz des erheblichen Honorar- und Fallwertrückganges keine Ausgleichszahlung erhalten solle. Außerdem enthalte der HVM-V keine allgemeine Härtefallregelung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 1.4.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, zum 1.1.2008 sei der landesweit geltende HVM-V in Kraft getreten. Über seine Regelungen seien alle Ärzte schriftlich informiert worden. Mit Beschluss vom 22.10.2008 habe ihr Vorstand eine (ergänzende) allgemeine Härtefallregelung geschaffen; diese sie Grundlage der Ablehnungsentscheidung. Ein Härtefall liege vor, wenn sowohl das Gesamthonorar als auch der Fallwert der Praxis um mehr als 20 % gegenüber dem Vorjahresquartal zurückgegangen sei, dies auf dem EBM 2008 bzw. dem HVM-V 2008 beruhe, die Praxis durch den Fallwertrückgang in ihrer Existenzfähigkeit bedroht sei und alle Möglichkeiten der Betriebskostenreduktion ausgeschöpft worden seien. Ein Härtefall sei regelmäßig nicht anzunehmen, wenn der (Honorar-)Verlust auf anderen Ursachen beruhe (z.B. Krankheit, Urlaub, Leistungs-spektrum) oder die Praxis mit ihrem Fallwert über dem Durchschnitt der vergleichbaren Arztgruppe liege. Bei Härtefällen könne eine Ausgleichszahlung bis zur Höhe von 90 % des Fallwertes der Praxis im jeweiligen Vorjahresquartal gewährt werden, höchstens jedoch bis zu einer Höhe von 90 % des Fallwertes der vergleichbaren Arztgruppe. Honorar und Fallwert des Klägers hätten sich wie folgt entwickelt: Quartal Gesamthonorar/EUR Fallzahl Fallwert/EUR Fallwert Vergleichsgruppe/EUR 1/07 230,613,03 3.354 68,67 1/08 125,185,56 3.117 40,16 30,45 - 45,72 % - 41,59 % 2/07 219.268,44 3.248 67,51 2/08 120.406,63 3.048 39,50 30,60 - 45,09 % - 41,49 % 3/07 194.235,95 2.948 65,89 3/08 120.792,91 2.866 42,15 31,41 - 37,81 % - 36,03 % 4/07 234.088,05 3.312 70,68 4/08 117.878.44 2.776 42,46 27,21 -49,64 % -39,93 %
Zwar habe der Kläger in den Quartalen 1/08 bis 4/08 sowohl einen Gesamthonorarrückgang von mehr als 20 % gegenüber dem jeweiligen Vorjahresquartal als auch einen Fallwertrückgang von mehr als 20 % gegenüber dem jeweiligen Vorjahresquartal erlitten. Sein Fallwert liege jedoch trotzdem über dem Fallwert der Vergleichsgruppe. Dabei habe man als Vergleichsgruppe die Gruppe der "sonstigen Fachärzte" herangezogen. Auch bei Heranziehung der Fachgruppe der Pathologen als Vergleichsgruppe ergebe sich keine Änderung. Die Fallwerte der Pathologen seien niedriger als die Fallwerte der im Honorartopf "sonstige Fachärzte" zusammengefassten Ärzte (Fallwert Pathologen 30,14 EUR im Quartal 1/08, 26,78 EUR im Quartal 2/08 und 25,62 EUR im Quartal 3/08). Für das Quartal 4/08 sei bereits bei der Ermittlung einer etwaigen Ausgleichszahlung auf die Fallwerte der Pathologen zurückgegriffen worden, da diese für den Kläger günstiger seien.
Am 4.5.2011 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Stuttgart. Eine Klagebegründung wurde nicht vorgelegt.
Mit Urteil vom 20.10.2011 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Honorarbescheide für die Quartale 1/08 bis 4/08 seien rechtmäßig (vgl. Urteil vom 14.4.2011, - S 11 KA 7346/09 -; Berufungsverfahren L 5 KA 2198/11). Dem Kläger sei höheres Honorar für die genannten Quartale auch nicht im Wege einer Ausgleichszahlung für Härtefälle zu gewähren. Die - ggf. erweiternd auszulegende - Härtefallregelung des HVM-V sei rechtsgültig (vgl. etwa BSG, Urt. v. 8.2.2006, - B 6 KA 25/05 R -; Urt. v. 9.12.2004, - B 6 KA 84/03 R -). Gem. § 5 Nr. 10.6 HVM-V könnten Auszahlungspunktwerte erhöht werden, § 6 HVM-V enthalte eine allgemeine Anpassungsbestimmung. Für Fälle existenzgefährdender Honorarentwicklung habe der Vorstand der Beklagten mit Beschluss vom 22.10.2008 Aufgreifkriterien für einzelfallbezogene Härtefallentscheidungen festgelegt. Auch diese Regelung sei rechtmäßig; die Grenzen des normgeberischen Gestaltungsspielraums seien gewahrt. Das gelte auch für die Begrenzung einer etwaigen Ausgleichszahlung auf 90 % des Fallwerts der vergleichbaren Arztgruppe. Damit sei sichergestellt, dass der Härtefallausgleich nicht losgelöst von der Honorarentwicklung der jeweiligen Arztgruppe vollzogen werde. Der Kläger habe trotz zurückgegangenem Honorar und niedrigerem Fallwert im Jahr 2008 immer noch Fallwerte erzielt, die deutlich über dem Niveau der Vergleichsgruppen (Ärzte des Honorartopfs "sonstige Fachärzte" bzw. Pathologen) lägen. Es sei ihm offenbar gelungen, Honorarverluste infolge der EBM- und HVM-V-Änderung zu kompensieren. Ein Härtefall liege daher nicht vor. Der Kläger habe, wie die anderen Pathologen, überdurchschnittlich vom Inkrafttreten des EBM 2000plus profitiert bis hin zu einer Honorarverdoppelung in den Jahren 2006 und 2007 gegenüber (etwa) dem Jahr 2004. Er habe keinen Anspruch darauf, dieses hohe Honorarniveau dauerhaft behalten zu dürfen. Nach Inkrafttreten des HVM-V 2008 und des EBM 2008 sei sein Honorar letztlich (nur) auf ein Niveau zurückgeführt worden, welches zwar deutlich unter dem sehr hohen Niveau der Jahre 2006 und 2007, aber immer noch über dem Niveau der Jahre 2004 und 2005 liege.
Auf das ihm am 31.10.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 30.11.2011 Berufung eingelegt. Eine Berufungsbegründung ist nicht vorgelegt worden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 20.10.2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 27.9.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.4.2011 zu verurteilen, über seinen Antrag auf Gewährung einer Ausgleichszahlung für die Quartale 1/2008 bis 4/2008 wegen Härtefalls unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist gem. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch sonst zulässig, jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat die Gewährung einer Ausgleichszahlung wegen Härtefalls für die Quartale 1/08 bis 4/08 zu Recht abgelehnt. Der Kläger hat darauf keinen Anspruch.
I. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs auf eine Ausgleichszahlung wegen Härtefalls sind die Härtefallregelungen des HVM-V in Verbindung mit dem Beschluss des Vorstands der Beklagten vom 22.10.2008.
Der HVM-V muss auch unter Geltung der Regelleistungsvolumina neben besonderen Härteklauseln auch eine allgemeine Härtefallregelung enthalten. Besondere Härteklauseln regeln Aufschläge auf die Fallpunktzahl des (im Rahmen der Regelleistungsvolumina festgesetzten) Punktzahlgrenzvolumens. Voraussetzung ist regelmäßig, dass die Anpassung aus Gründen der Sicherstellung einer ausreichenden Versorgung erforderlich ist. Die Ermächtigungsgrundlage hierfür findet sich in Nr. 3.1 des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 29.10.2004 (DÄBl. 2004, A 3129). Danach können im HVM-V Anpassungen des Regelleistungsvolumens (u.a.) zur Sicherstellung einer ausreichenden medizinischen Versorgung vorgenommen werden (zur Auslegung solcher Härteklauseln BSG, Urt. v. 29.6.2011, - B 6 KA 17/10 R -; auch Senatsurteil vom 26.10.2011, - L 5 KA 4867/09 -; vgl. auch § 87b Abs. 3 Satz 3 SGB V für die Zeit ab 1.1.2009). Zusätzlich zu besonderen Härteklauseln dieser Art muss der HVM-V eine allgemeine Härtefallregelung enthalten, da auch und gerade bei einem Honorarsystem, das sich mit den Regelleistungsvolumina in seinen Grundlagen am Durchschnitt der Arztgruppe, und nicht (mehr) an individuellen, am Abrechnungsvolumen von Vorquartalen ausgerichteten Bemessungsgrundlagen orientiert und damit notwendig nivelliert, zu berücksichtigen ist, dass in besonderen Einzelfällen Härtesituationen entstehen können. Die Voraussetzungen für die Annahme eines Härtefalles sind aber eng zu ziehen, wenn der HVM-V bereits Regelungen enthält, mit denen einerseits besondere Versorgungsstrukturen und andererseits existenzbedrohende Honorarminderungen berücksichtigt werden. Ein Härtefall kann daher nur noch im seltenen Ausnahmefall in Betracht kommen, wenn trotz dieser Mechanismen im HVM-V durch Umstände, die der Vertragsarzt nicht zu vertreten hat, ein unabweisbarer Stützungsbedarf entsteht. Es müssten hier sowohl die wirtschaftliche Existenz der Praxis gefährdet sein als auch ein spezifischer Sicherstellungsbedarf bestehen. Ansonsten könnten allenfalls noch gravierende Verwerfungen der regionalen Versorgungsstruktur zur Anerkennung einer Härte führen (BSG, Urt. v. 29.6.2011, - B 6 KA 17/10 R -). Sieht der HVM-V eine allgemeine Härtefallregelung nicht vor oder ist diese zu eng gefasst, ist im Hinblick auf den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit im Wege der ergänzenden gesetzeskonformen Auslegung eine ungeschriebene generelle Härteklausel in die Honorarverteilungsbestimmungen hineinzuinterpretieren, da der Normgeber des HVM-V nicht alle denkbaren besonderen Konstellationen vorhersehen kann. Die generellen Vorgaben des Bewertungsausschusses (in seinem Beschluss vom 29.10.2004, a. a. O.) stehen dem nicht entgegen (BSG, Urt. v. 29.6.2011, - B 6 KA 17/10 R -).
Der HVM-V muss die Härtefallvoraussetzungen nicht selbst abschließend festlegen. Die abstrakt-generellen Regelungen des HVM-V können nicht alle Fälle erfassen, die eine Anpassung erfordern. Daher darf der HVM-V den Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung zu konkretisierenden Regelungen und Einzelfallentscheidungen, insbesondere zur Beurteilung der Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Freistellung von Obergrenzen, ermächtigen (BSG, Urt. v. 29.6.2011, - B 6 KA 17/10 R -; auch Urt. v. 3.2.2010, - B 6 KA 1/09 R -; Beschl. v. 19.12.2000, - B 6 KA 56/00 B -).
Im Hinblick auf diese Rechtsgrundsätze haben die Vertragspartner des HVM-V in § 5 Nr. 10.6 und § 6 HVM-V besondere Härtefallregelungen getroffen. Das Fehlen einer (ausdrücklichen) allgemeinen Härtefallregelung ist nach dem Gesagten unschädlich. Ergänzende Härtefallbestimmungen hat der Vorstand schließlich in seinem Beschluss vom 22.10.2008 festgelegt. Gem. Nr. 2 Satz 1 des Vorstandsbeschluss ist Voraussetzung für die Anerkennung als Härtefall, dass sowohl das Gesamthonorar als auch der Fallwert der Praxis im Bereich der Gesetzlichen Krankenversicherung um mehr als 20 % gegenüber dem Vorjahresquartal zurückgeht. Voraussetzung für die Anerkennung als Härtefall ist weiterhin, dass Gesamthonorar- und Fallwertrückgang auf den ab 1.1.2008 geltenden EBM bzw. HVM-V zurückzuführen ist, die antragstellende Praxis durch den Fallwertrückgang in ihrer Existenzfähigkeit bedroht ist und alle Möglichkeiten der Betriebskostenreduktion ausgeschöpft worden sind. Ein Zusammenhang mit der EBM-Reform bzw. der Neugestaltung des HVM-V sowie eine Bedrohung der Existenzfähigkeit der Praxis ist dabei in der Regel dann nicht anzunehmen, wenn der Verlust auf andere Ursachen zurückzuführen ist (z.B. Krankheit, Urlaub, Leistungsspektrum) oder die betreffende Praxis mit ihrem Fallwert über dem Durchschnitt der vergleichbaren Gruppe liegt (Nr. 3 Satz 1 und 3 des Vorstandsbeschlusses). Die Praxis muss die für eine Überprüfung der wirtschaftlichen Lage erforderlichen Unterlagen (insbesondere den Jahresabschluss 2007 und betriebswirtschaftliche Auswertungen der Gesamtpraxis inklusive Privatpraxis aus dem Jahr 2008) zur Verfügung stellen (Nr. 4 Satz 1 des Vorstandsbeschlusses). Gem. Nr. 5 des Vorstandsbeschlusses kann eine Ausgleichszahlung im Rahmen der Härtefallregelung bis zu einer Höhe von 90 v.H. des Fallwerts der Praxis im jeweiligen Vorjahresquartal erfolgen, höchstens jedoch bis zu einer Höhe von 90 v.H. des Fallwerts der vergleichbaren Gruppe.
Rechtliche Bedenken gegen die Härtefallbestimmungen im Vorstandsbeschluss vom 22.10.2008 bestehen nicht (vgl. auch Senatsurteil vom 26.3.2003, - L 5 KA 1909/00 - zu den Härtefallvoraussetzungen). Das gilt insbesondere für den Ausschluss eines Härtefalls für Praxen, deren Fallwert über dem Durchschnitt ihrer Arztgruppe liegt. Diese Regelung ist sachlich gerechtfertigt. Sie gewährleistet, dass Ausgleichszahlungen wegen Härtefalls nicht losgelöst von den Honorarverhältnissen der Arztgruppe erfolgen. Härtefälle stellen hinsichtlich der Honorarverhältnisse atypische Sonderfälle dar. Davon kann aber keine Rede sein, wenn der Fallwert der Praxis dem Durchschnittsfallwert der Arztgruppe entspricht oder diesen sogar übersteigt.
II. Davon ausgehend hat die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Ausgleichszahlung rechtsfehlerfrei abgelehnt. Der Kläger erfüllt zwar die Voraussetzungen der Nr. 2 Satz 1 des Vorstandsbeschlusses vom 22.10.2008; Gesamthonorar und Fallwert sind in den Quartalen 1/08 bis 4/08 gegenüber den Vorjahresquartalen um über 20 % zurückgegangen (Gesamthonorarrückgänge zwischen 37,81 % und 49,64 %, Fallwertrückgänge zwischen 36,03 % und 41,49 %). Allerdings hat der Kläger in den Quartalen des Jahres 2008 dennoch Fallwerte erzielt, die über den Fallwerten der im Honorartopf der "sonstigen Fachärzte" zusammengefassten Ärzte und auch der Pathologen liegen (Fallwerte Kläger: 40,16 EUR, 39,52 EUR, 42,16 EUR, 42,16 EUR, Fallwerte "sonstige Fachärzte": 30,45 EUR, 30,60 EUR, 31,41 EUR, 27,21 EUR; die Fallwerte der Pathologen liegen im Durchschnitt noch unter den Fallwerten der "sonstigen Ärzte"). Die Beklagte hat das im Widerspruchsbescheid vom 1.4.2011 näher dargelegt; der Kläger hat dem nicht widersprochen. Damit sind die Härtefallvoraussetzungen der Nr. 3 Satz 3 des Vorstandsbeschlusses vom 22.10.2008 nicht erfüllt. Ein Härtefall kann deswegen nicht angenommen werden.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. § 154 Abs. 2 VwGO.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 und 2 GKG (Auffangstreitwert von 5.000 EUR für jedes Quartal des Jahres 2008).
Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 20.000 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt eine Ausgleichszahlung für die Quartale 1/08 bis 4/08 wegen Härtefalls.
I. Der Kläger ist als Facharzt für Pathologie mit Sitz in F. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er erhob jeweils Widerspruch gegen die Honorarbescheide für die Quartale 1/08 bis 4/08 (vom 14.7.2008, 15.10.2008, 15.1.2009 und 15.4.2009); die Einbeziehung der Pathologen ab 2008 in den Honorartopf der "sonstigen Ärzte" habe zu einer massiven Verminderung des Punktwerts geführt. Seine Leistung werde jetzt nicht mehr angemessen vergütet und es drohe Existenzvernichtung. Eine Vertragsarztpraxis, die mit einem hohen personellen und apparativen Aufwand die histopathologische Versorgung gewährleisten solle (Anteil Kassenleistungen 70%) könne einen Umsatzrückgang von 40 % von einem Quartal zum anderen nicht auffangen. Das Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit sei verletzt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21.10.2009 wies die Beklagte die Widersprüche zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Honorarbescheide für die Quartale des Jahres 2008 seien auf der Grundlage rechtsgültiger Regelungen (insbesondere) des Vertrags über den Honorarverteilungsmaßstab (HVM-V) erlassen worden; die Bildung eines Honorartopfs "sonstige Ärzte" und die Einbeziehung der Pathologen in diesen Honorartopf sei rechtmäßig. Aus dem Vergleich der Honorarergebnisse des Klägers in den Quartalen 1/08 bis 4/08 mit den jeweiligen Vorjahresquartalen gehe hervor, dass sein Fallwert mit Einführung des EBM 2000plus (ab dem Quartal 2/05) angestiegen und nach der Abwertung pathologischer Leistungen durch den EBM 2008, insbesondere der Gebührennummer (GNR) 19312 EBM (Zuschlag nach der GNR 19312 EBM zu den GNRN 19310 und 19311 für die histologische oder zytologische Untersuchung eines Materials unter Anwendung von Sonderverfahren) von 280 auf 145 Punkte, wieder zurückgegangen sei. Honorar- und Fallwert hätten sich wie folgt entwickelt:
Quartal Fallzahl Honorar Fallwert
1/2004 3.845 114.153,23 EUR 29,69 EUR 1/2005 2.830 76.530,10 EUR 27,06 EUR 1/2006 3.374 226.335,38 EUR 67,08 EUR 1/2007 3.354 230.613,03 EUR 68,76 EUR 1/2008 3.117 125.185,56 EUR 40,16 EUR
Am 4.11.2009 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Stuttgart (Verfahren S 11 KA 7346/09); der EBM 2008 und der HVM-V verletzten höherrangiges Recht, insbesondere weil kein gesonderter Honorartopf für die Pathologen gebildet worden sei. Bei ihm sei es zu einem massiven Honorarverlust von bis zu 49,64 % im Jahr 2008 im Vergleich zu 2007 gekommen. Sein Honorar habe sich wie folgt entwickelt:
Quartal Honorar in EUR Fallzahl Fallwert in EUR Verlust zum Vorjahresquartal 1/07 230.613,03 3354 68,76 2/07 219.268,44 3247 67,53 3/07 194.235,95 2948 65,89 4/07 234.088,05 3311 70,70 1/08 125.185,56 3117 40,16 minus 45,72 % 2/08 120.406,63 3047 39,52 minus 45,09 % 3/08 120.792,91 2865 42,16 minus 37,81 % 4/08 117.878,44 2776 42,16 minus 49,64 %
Daher liege jedenfalls ein Härtefall vor (vgl. § 6 Abs. 1 HVM-V). Davon sei nicht erst bei einem Rückgang sowohl des Gesamthonorars wie des Fallwerts um mehr als 20 % gegenüber dem Vorjahresquartal auszugehen. Härtefälle müssten auch in jedem Einzelfall geprüft werden; abstrakte Vorgaben des Vorstandes sein insoweit nicht zulässig. Die 20%-Grenze der Beklagten sei willkürlich, zumal der Gewinn nach Steuern angesichts der Steuersätze bei einem Honorarrückgang von 20 % um 43,4 % zurückgehen könne. Er liege mit seiner Praxis ohnehin jenseits der 20%-Grenze.
Die Beklagte verteidigte insbesondere die Topfbildung und trug – zur hier streitigen Härtefallfrage - vor, die Annahme eines Härtefalls setze nach den vom Vorstand festgelegten Kriterien zunächst voraus, dass sowohl das Gesamthonorar als auch der Fallwert der Praxis um mehr als 20% gegenüber dem Vorjahresquartal zurückgegangen sei. Dabei müsse der Rückgang auf den ab 1.1.2008 geltenden EBM bzw. HVM-V zurückzuführen sein, die Praxis durch den Fallwertrückgang in ihrer Existenzfähigkeit bedroht und alle Möglichkeiten der Betriebskostenreduktion ausgeschöpft worden sein. Hierzu müsse die antragstellende Praxis die für die Überprüfung ihrer wirtschaftlichen Lage erforderlichen Unterlagen zur Verfügung stellen. Der Vorstand dürfe Aufgreifkriterien für die Anerkennung von Härtefällen beschließen. Das sei aus Gleichheitsgründen sogar geboten, begründe eine entsprechende Verwaltungsübung und bewirke die Selbstbindung der Verwaltung. Inhaltlich entsprächen die Aufgreifkriterien der Rechtsprechung des LSG Baden-Württemberg, das einen Härtefall regelmäßig auch erst bei einer Honorarminderung von 20 % des Gesamtumsatzes in Betracht ziehe (Urt. v. 26.2.2003, - L 5 KA 1909/00 -). Die vom Vorstand getroffene Regelung sei auch in der Kombination - Fallwertverlust und Gesamthonorarverlust in Höhe von 20 % - sachgerecht, da ein Fallwertverlust (in EUR) von 20 % für sich allein nicht unbedingt eine erhebliche Honorarminderung bewirken müsse, etwa wenn die Fallzahlen im Vergleich zum Vorjahresquartal gestiegen seien. Umgekehrt könne das Gesamthonorar um 20 % sinken, obwohl der Fallwert gleich geblieben oder nur in geringerem Maße gesunken sei. Der Kläger erfülle in den streitigen Quartalen die beiden ersten Härtefallkriterien (Fallwertverlust und Verlust im Gesamthonorar über 20% im Vergleich zum Vorjahresquartal). Ob auch die weiteren Voraussetzungen der Härtefallregelung vorlägen, müsse man in einem gesonderten Verfahren prüfen.
Mit Urteil vom 14.4.2011 (S 11 KA 7346/09) wies das Sozialgericht die Klage ab. Auf das ihm am 29.4.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am (Montag, dem) 30.5.2011 Berufung eingelegt (Verfahren L 5 KA 2198/11). Über die Berufung hat der Senat mit Urteil vom gleichen Tag entschieden.
Im Berufungsverfahren L 5 KA 2198/11 hatte der Kläger u.a. vorgetragen, er habe 2008 über die GNR 19312 EBM zwischen 56,5 und 58,9% seiner Gesamtpunkte abgerechnet. Eine annähernde Halbierung der GNR durch den EBM 2008 habe daher zu massiven Honorarverlusten führen müssen. Auch 2009 sei sein Honorar dramatisch abgesunken. Innerhalb von 2 ½ Jahren sei sein Honorar von 233.896,51 EUR im Quartal 1/2007 auf 87.139,36 EUR im Quartal 3/09 zurückgegangen, um dann in den Folgequartalen (vermutlich im Rahmen der Konvergenzregelung) wieder etwas anzusteigen. Dies entspreche einem Honorarrückgang von 62,7%. Bei den Fallwerten zeige sich ein ähnliches Bild. In den beiden genannten Quartalen betrage die Differenz 46,6%.
II.
Mit Bescheid vom 27.9.2010 lehnte es die Beklagte (die die Widersprüche des Klägers gegen die Honorarbescheide für die Quartale des Jahres 2008 zugleich als Härtefallantrag behandelt hatte) ab, dem Kläger Ausgleichszahlungen wegen Härtefalls für die Quartale 1/08 bis 4/08 zu gewähren. Zur Begründung führte sie aus, die Ausgleichszahlung für Härtefälle sei auf 90 % des Fallwertes der Praxis im jeweiligen Vorjahresquartal, höchstens jedoch auf 90 % des Fallwertes der vergleichbaren Gruppe begrenzt. Da die Fallwerte des Klägers über den Fallwerten seiner Fachgruppe lägen, sei eine Ausgleichszahlung nicht zulässig, auch wenn das Gesamthonorar und der Fallwert des Klägers in den Quartalen 1/08 bis 4/08 um mehr als 20 % zurückgegangen seien.
Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs trug der Kläger vor, die Beklagte habe die einschlägigen Härtefallvoraussetzungen nicht geprüft und sogleich auf die für Härtefälle vorgesehenen Rechtsfolgen abgestellt. Die Härtefallregelung im HVM-V sei unzureichend, da er trotz des erheblichen Honorar- und Fallwertrückganges keine Ausgleichszahlung erhalten solle. Außerdem enthalte der HVM-V keine allgemeine Härtefallregelung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 1.4.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, zum 1.1.2008 sei der landesweit geltende HVM-V in Kraft getreten. Über seine Regelungen seien alle Ärzte schriftlich informiert worden. Mit Beschluss vom 22.10.2008 habe ihr Vorstand eine (ergänzende) allgemeine Härtefallregelung geschaffen; diese sie Grundlage der Ablehnungsentscheidung. Ein Härtefall liege vor, wenn sowohl das Gesamthonorar als auch der Fallwert der Praxis um mehr als 20 % gegenüber dem Vorjahresquartal zurückgegangen sei, dies auf dem EBM 2008 bzw. dem HVM-V 2008 beruhe, die Praxis durch den Fallwertrückgang in ihrer Existenzfähigkeit bedroht sei und alle Möglichkeiten der Betriebskostenreduktion ausgeschöpft worden seien. Ein Härtefall sei regelmäßig nicht anzunehmen, wenn der (Honorar-)Verlust auf anderen Ursachen beruhe (z.B. Krankheit, Urlaub, Leistungs-spektrum) oder die Praxis mit ihrem Fallwert über dem Durchschnitt der vergleichbaren Arztgruppe liege. Bei Härtefällen könne eine Ausgleichszahlung bis zur Höhe von 90 % des Fallwertes der Praxis im jeweiligen Vorjahresquartal gewährt werden, höchstens jedoch bis zu einer Höhe von 90 % des Fallwertes der vergleichbaren Arztgruppe. Honorar und Fallwert des Klägers hätten sich wie folgt entwickelt: Quartal Gesamthonorar/EUR Fallzahl Fallwert/EUR Fallwert Vergleichsgruppe/EUR 1/07 230,613,03 3.354 68,67 1/08 125,185,56 3.117 40,16 30,45 - 45,72 % - 41,59 % 2/07 219.268,44 3.248 67,51 2/08 120.406,63 3.048 39,50 30,60 - 45,09 % - 41,49 % 3/07 194.235,95 2.948 65,89 3/08 120.792,91 2.866 42,15 31,41 - 37,81 % - 36,03 % 4/07 234.088,05 3.312 70,68 4/08 117.878.44 2.776 42,46 27,21 -49,64 % -39,93 %
Zwar habe der Kläger in den Quartalen 1/08 bis 4/08 sowohl einen Gesamthonorarrückgang von mehr als 20 % gegenüber dem jeweiligen Vorjahresquartal als auch einen Fallwertrückgang von mehr als 20 % gegenüber dem jeweiligen Vorjahresquartal erlitten. Sein Fallwert liege jedoch trotzdem über dem Fallwert der Vergleichsgruppe. Dabei habe man als Vergleichsgruppe die Gruppe der "sonstigen Fachärzte" herangezogen. Auch bei Heranziehung der Fachgruppe der Pathologen als Vergleichsgruppe ergebe sich keine Änderung. Die Fallwerte der Pathologen seien niedriger als die Fallwerte der im Honorartopf "sonstige Fachärzte" zusammengefassten Ärzte (Fallwert Pathologen 30,14 EUR im Quartal 1/08, 26,78 EUR im Quartal 2/08 und 25,62 EUR im Quartal 3/08). Für das Quartal 4/08 sei bereits bei der Ermittlung einer etwaigen Ausgleichszahlung auf die Fallwerte der Pathologen zurückgegriffen worden, da diese für den Kläger günstiger seien.
Am 4.5.2011 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Stuttgart. Eine Klagebegründung wurde nicht vorgelegt.
Mit Urteil vom 20.10.2011 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Honorarbescheide für die Quartale 1/08 bis 4/08 seien rechtmäßig (vgl. Urteil vom 14.4.2011, - S 11 KA 7346/09 -; Berufungsverfahren L 5 KA 2198/11). Dem Kläger sei höheres Honorar für die genannten Quartale auch nicht im Wege einer Ausgleichszahlung für Härtefälle zu gewähren. Die - ggf. erweiternd auszulegende - Härtefallregelung des HVM-V sei rechtsgültig (vgl. etwa BSG, Urt. v. 8.2.2006, - B 6 KA 25/05 R -; Urt. v. 9.12.2004, - B 6 KA 84/03 R -). Gem. § 5 Nr. 10.6 HVM-V könnten Auszahlungspunktwerte erhöht werden, § 6 HVM-V enthalte eine allgemeine Anpassungsbestimmung. Für Fälle existenzgefährdender Honorarentwicklung habe der Vorstand der Beklagten mit Beschluss vom 22.10.2008 Aufgreifkriterien für einzelfallbezogene Härtefallentscheidungen festgelegt. Auch diese Regelung sei rechtmäßig; die Grenzen des normgeberischen Gestaltungsspielraums seien gewahrt. Das gelte auch für die Begrenzung einer etwaigen Ausgleichszahlung auf 90 % des Fallwerts der vergleichbaren Arztgruppe. Damit sei sichergestellt, dass der Härtefallausgleich nicht losgelöst von der Honorarentwicklung der jeweiligen Arztgruppe vollzogen werde. Der Kläger habe trotz zurückgegangenem Honorar und niedrigerem Fallwert im Jahr 2008 immer noch Fallwerte erzielt, die deutlich über dem Niveau der Vergleichsgruppen (Ärzte des Honorartopfs "sonstige Fachärzte" bzw. Pathologen) lägen. Es sei ihm offenbar gelungen, Honorarverluste infolge der EBM- und HVM-V-Änderung zu kompensieren. Ein Härtefall liege daher nicht vor. Der Kläger habe, wie die anderen Pathologen, überdurchschnittlich vom Inkrafttreten des EBM 2000plus profitiert bis hin zu einer Honorarverdoppelung in den Jahren 2006 und 2007 gegenüber (etwa) dem Jahr 2004. Er habe keinen Anspruch darauf, dieses hohe Honorarniveau dauerhaft behalten zu dürfen. Nach Inkrafttreten des HVM-V 2008 und des EBM 2008 sei sein Honorar letztlich (nur) auf ein Niveau zurückgeführt worden, welches zwar deutlich unter dem sehr hohen Niveau der Jahre 2006 und 2007, aber immer noch über dem Niveau der Jahre 2004 und 2005 liege.
Auf das ihm am 31.10.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 30.11.2011 Berufung eingelegt. Eine Berufungsbegründung ist nicht vorgelegt worden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 20.10.2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 27.9.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.4.2011 zu verurteilen, über seinen Antrag auf Gewährung einer Ausgleichszahlung für die Quartale 1/2008 bis 4/2008 wegen Härtefalls unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist gem. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch sonst zulässig, jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat die Gewährung einer Ausgleichszahlung wegen Härtefalls für die Quartale 1/08 bis 4/08 zu Recht abgelehnt. Der Kläger hat darauf keinen Anspruch.
I. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs auf eine Ausgleichszahlung wegen Härtefalls sind die Härtefallregelungen des HVM-V in Verbindung mit dem Beschluss des Vorstands der Beklagten vom 22.10.2008.
Der HVM-V muss auch unter Geltung der Regelleistungsvolumina neben besonderen Härteklauseln auch eine allgemeine Härtefallregelung enthalten. Besondere Härteklauseln regeln Aufschläge auf die Fallpunktzahl des (im Rahmen der Regelleistungsvolumina festgesetzten) Punktzahlgrenzvolumens. Voraussetzung ist regelmäßig, dass die Anpassung aus Gründen der Sicherstellung einer ausreichenden Versorgung erforderlich ist. Die Ermächtigungsgrundlage hierfür findet sich in Nr. 3.1 des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 29.10.2004 (DÄBl. 2004, A 3129). Danach können im HVM-V Anpassungen des Regelleistungsvolumens (u.a.) zur Sicherstellung einer ausreichenden medizinischen Versorgung vorgenommen werden (zur Auslegung solcher Härteklauseln BSG, Urt. v. 29.6.2011, - B 6 KA 17/10 R -; auch Senatsurteil vom 26.10.2011, - L 5 KA 4867/09 -; vgl. auch § 87b Abs. 3 Satz 3 SGB V für die Zeit ab 1.1.2009). Zusätzlich zu besonderen Härteklauseln dieser Art muss der HVM-V eine allgemeine Härtefallregelung enthalten, da auch und gerade bei einem Honorarsystem, das sich mit den Regelleistungsvolumina in seinen Grundlagen am Durchschnitt der Arztgruppe, und nicht (mehr) an individuellen, am Abrechnungsvolumen von Vorquartalen ausgerichteten Bemessungsgrundlagen orientiert und damit notwendig nivelliert, zu berücksichtigen ist, dass in besonderen Einzelfällen Härtesituationen entstehen können. Die Voraussetzungen für die Annahme eines Härtefalles sind aber eng zu ziehen, wenn der HVM-V bereits Regelungen enthält, mit denen einerseits besondere Versorgungsstrukturen und andererseits existenzbedrohende Honorarminderungen berücksichtigt werden. Ein Härtefall kann daher nur noch im seltenen Ausnahmefall in Betracht kommen, wenn trotz dieser Mechanismen im HVM-V durch Umstände, die der Vertragsarzt nicht zu vertreten hat, ein unabweisbarer Stützungsbedarf entsteht. Es müssten hier sowohl die wirtschaftliche Existenz der Praxis gefährdet sein als auch ein spezifischer Sicherstellungsbedarf bestehen. Ansonsten könnten allenfalls noch gravierende Verwerfungen der regionalen Versorgungsstruktur zur Anerkennung einer Härte führen (BSG, Urt. v. 29.6.2011, - B 6 KA 17/10 R -). Sieht der HVM-V eine allgemeine Härtefallregelung nicht vor oder ist diese zu eng gefasst, ist im Hinblick auf den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit im Wege der ergänzenden gesetzeskonformen Auslegung eine ungeschriebene generelle Härteklausel in die Honorarverteilungsbestimmungen hineinzuinterpretieren, da der Normgeber des HVM-V nicht alle denkbaren besonderen Konstellationen vorhersehen kann. Die generellen Vorgaben des Bewertungsausschusses (in seinem Beschluss vom 29.10.2004, a. a. O.) stehen dem nicht entgegen (BSG, Urt. v. 29.6.2011, - B 6 KA 17/10 R -).
Der HVM-V muss die Härtefallvoraussetzungen nicht selbst abschließend festlegen. Die abstrakt-generellen Regelungen des HVM-V können nicht alle Fälle erfassen, die eine Anpassung erfordern. Daher darf der HVM-V den Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung zu konkretisierenden Regelungen und Einzelfallentscheidungen, insbesondere zur Beurteilung der Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Freistellung von Obergrenzen, ermächtigen (BSG, Urt. v. 29.6.2011, - B 6 KA 17/10 R -; auch Urt. v. 3.2.2010, - B 6 KA 1/09 R -; Beschl. v. 19.12.2000, - B 6 KA 56/00 B -).
Im Hinblick auf diese Rechtsgrundsätze haben die Vertragspartner des HVM-V in § 5 Nr. 10.6 und § 6 HVM-V besondere Härtefallregelungen getroffen. Das Fehlen einer (ausdrücklichen) allgemeinen Härtefallregelung ist nach dem Gesagten unschädlich. Ergänzende Härtefallbestimmungen hat der Vorstand schließlich in seinem Beschluss vom 22.10.2008 festgelegt. Gem. Nr. 2 Satz 1 des Vorstandsbeschluss ist Voraussetzung für die Anerkennung als Härtefall, dass sowohl das Gesamthonorar als auch der Fallwert der Praxis im Bereich der Gesetzlichen Krankenversicherung um mehr als 20 % gegenüber dem Vorjahresquartal zurückgeht. Voraussetzung für die Anerkennung als Härtefall ist weiterhin, dass Gesamthonorar- und Fallwertrückgang auf den ab 1.1.2008 geltenden EBM bzw. HVM-V zurückzuführen ist, die antragstellende Praxis durch den Fallwertrückgang in ihrer Existenzfähigkeit bedroht ist und alle Möglichkeiten der Betriebskostenreduktion ausgeschöpft worden sind. Ein Zusammenhang mit der EBM-Reform bzw. der Neugestaltung des HVM-V sowie eine Bedrohung der Existenzfähigkeit der Praxis ist dabei in der Regel dann nicht anzunehmen, wenn der Verlust auf andere Ursachen zurückzuführen ist (z.B. Krankheit, Urlaub, Leistungsspektrum) oder die betreffende Praxis mit ihrem Fallwert über dem Durchschnitt der vergleichbaren Gruppe liegt (Nr. 3 Satz 1 und 3 des Vorstandsbeschlusses). Die Praxis muss die für eine Überprüfung der wirtschaftlichen Lage erforderlichen Unterlagen (insbesondere den Jahresabschluss 2007 und betriebswirtschaftliche Auswertungen der Gesamtpraxis inklusive Privatpraxis aus dem Jahr 2008) zur Verfügung stellen (Nr. 4 Satz 1 des Vorstandsbeschlusses). Gem. Nr. 5 des Vorstandsbeschlusses kann eine Ausgleichszahlung im Rahmen der Härtefallregelung bis zu einer Höhe von 90 v.H. des Fallwerts der Praxis im jeweiligen Vorjahresquartal erfolgen, höchstens jedoch bis zu einer Höhe von 90 v.H. des Fallwerts der vergleichbaren Gruppe.
Rechtliche Bedenken gegen die Härtefallbestimmungen im Vorstandsbeschluss vom 22.10.2008 bestehen nicht (vgl. auch Senatsurteil vom 26.3.2003, - L 5 KA 1909/00 - zu den Härtefallvoraussetzungen). Das gilt insbesondere für den Ausschluss eines Härtefalls für Praxen, deren Fallwert über dem Durchschnitt ihrer Arztgruppe liegt. Diese Regelung ist sachlich gerechtfertigt. Sie gewährleistet, dass Ausgleichszahlungen wegen Härtefalls nicht losgelöst von den Honorarverhältnissen der Arztgruppe erfolgen. Härtefälle stellen hinsichtlich der Honorarverhältnisse atypische Sonderfälle dar. Davon kann aber keine Rede sein, wenn der Fallwert der Praxis dem Durchschnittsfallwert der Arztgruppe entspricht oder diesen sogar übersteigt.
II. Davon ausgehend hat die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Ausgleichszahlung rechtsfehlerfrei abgelehnt. Der Kläger erfüllt zwar die Voraussetzungen der Nr. 2 Satz 1 des Vorstandsbeschlusses vom 22.10.2008; Gesamthonorar und Fallwert sind in den Quartalen 1/08 bis 4/08 gegenüber den Vorjahresquartalen um über 20 % zurückgegangen (Gesamthonorarrückgänge zwischen 37,81 % und 49,64 %, Fallwertrückgänge zwischen 36,03 % und 41,49 %). Allerdings hat der Kläger in den Quartalen des Jahres 2008 dennoch Fallwerte erzielt, die über den Fallwerten der im Honorartopf der "sonstigen Fachärzte" zusammengefassten Ärzte und auch der Pathologen liegen (Fallwerte Kläger: 40,16 EUR, 39,52 EUR, 42,16 EUR, 42,16 EUR, Fallwerte "sonstige Fachärzte": 30,45 EUR, 30,60 EUR, 31,41 EUR, 27,21 EUR; die Fallwerte der Pathologen liegen im Durchschnitt noch unter den Fallwerten der "sonstigen Ärzte"). Die Beklagte hat das im Widerspruchsbescheid vom 1.4.2011 näher dargelegt; der Kläger hat dem nicht widersprochen. Damit sind die Härtefallvoraussetzungen der Nr. 3 Satz 3 des Vorstandsbeschlusses vom 22.10.2008 nicht erfüllt. Ein Härtefall kann deswegen nicht angenommen werden.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. § 154 Abs. 2 VwGO.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 und 2 GKG (Auffangstreitwert von 5.000 EUR für jedes Quartal des Jahres 2008).
Rechtskraft
Aus
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