L 1 U 474/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 8 U 1441/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 474/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 09.01.2012 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger eine höhere Verletztenrente zusteht.

Der 1955 geborene Kläger erlitt am 29.03.2007 im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Gipser einen Arbeitsunfall, als er beim Aufräumen der Baustelle beim Aufstehen aus der Hocke die rechte Schulter gegen einen Treppenunterboden stieß. Durchgangsarzt Prof. Dr. G. diagnostizierte am 02.04.2007 eine AC-Gelenksprellung Tossy III. Im Zwischenbericht des Orthopäden Prof. Dr. S. vom 02.04.2007 wird als Diagnose eine Rockwood-V-Verletzung an der Schulter rechts genannt. Am 11.04.2007 erfolgte eine offene Reposition und Implantation einer Hakenplatte. Der Kläger wurde deshalb im Universitätsklinikum F. vom 11. bis 13.04.2007 stationär behandelt (Zwischenbericht des Prof. Dr. S. vom 18.05.2007; Diagnose: ACG-Luxation Typ Rockwood V rechts). Eine intensive Krankengymnastik bei bestehender Arbeitsunfähigkeit wurde empfohlen. Am 11.07.2007 erfolgte die Metallentfernung der Hakenplatte rechts. Nach Durchführung einer Arbeits- und Belastungserprobung holte die Beklagte den Untersuchungsbericht des Chirurgen Dr. A. (BG-Unfallklinik T.) vom 12.10.2007 ein, wonach eine manifeste Instabilität im Bereich des rechten AC-Gelenkes (Tossy II-III) vorliege. Der Kläger sei weiter arbeitsfähig.

Zur Feststellung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) holte die Beklagte das erste Rentengutachten des Orthopäden Prof. Dr. H. vom 22.01.2008 ein, wonach an der rechten Schulter am Schultergelenk eine deutliche Ausrenkung und deutliche mehrdirektionale Instabilität des äußeren Schlüsselbeinendes nach erfolgloser operativer Behandlung einer Schultergelenkszerreißung gemäß Tossy III bestehe. Die MdE betrage bis 30.07.2008 20 vom Hundert (v. H.).

Mit Bescheid vom 04.07.2008 bewilligte die Beklagte dem Kläger eine Rente als vorläufige Entschädigung ab dem 01.10.2007 nach einer MdE von 20 v. H ... Als Unfallfolge wurde anerkannt: Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenkes, Instabilität des Schlüsselbeinendes in der Horizontal- und Sakitalebene nach operativ versorgter Kapsel-Band-Zerreißung des Schultergelenkes (Typ Tossy III) mit Hochstand des seitlichen Schlüsselbeinendes.

Nachdem der Kläger zunächst im Jahr 2008 weiter gearbeitet hatte, stellte er sich wegen Zunahme der Beschwerden Anfang 2009 erneut in der Uniklinik F. sowie in der BG-Unfallklinik T. vor. Das am 21.04.2009 gefertigte MRT der rechten Schulter ergab eine Tendinose der M. Supraspinatussehne bei Impingement-Sydrom (keine Ruptur), eine AC-Gelenksarthrose (ohne Aktivierungszeichen), eine minimale Bursitis-Subacromialis sowie metallische Artefakte des AC-Gelenks. Chirurg Dr. A. gab in seinem Untersuchungsbericht vom 21.04.2009 an, dass weiterhin eine deutliche Instabilität im Bereich des rechten AC-Gelenkes vorliege (Tossy II-III). Am 13.05.2009 erfolgte beim Kläger in der BG-Unfallklinik T. eine arthroskopische Refixation und Plastik am Kapselbandapparat des rechten Schultergelenkes, eine Erweiterung des subacromialen Raumes sowie eine Acromioplastik bei AC-Gelenksteilresektion. Der Kläger befand sich deshalb bis zum 29.05.2009 in stationärer Behandlung. Aufgrund von Schmerzen musste eine begonnene Arbeits- und Belastungserprobung im September 2009 abgebrochen werden. Daraufhin wurde ein weiteres stationäres Heilverfahren in der BG-Unfallklinik T. vom 29.09. bis 21.10.2009 durchgeführt. Im Entlassungsbericht stellte Prof. Dr. K. fest, der Kläger werde seinen Beruf als Stukkateur nicht mehr wettbewerbsfähig ausüben können. Es bestehe ein medizinischer Endzustand. Der Kläger erhielt bis zum 02.09.2010 Verletztengeld (Einstellungsbescheid vom 29.07.2010).

In dem von der Beklagten veranlassten unfallchirurgischen Gutachten des Prof. Dr. S. teilte dieser mit, die Beweglichkeit im Bereich des rechten Schultergelenkes habe sich mittelgradig im Vergleich zum Vorbefund geändert. Insbesondere die Abduktion und die Anteversion hätten sich etwas verschlechtert. Insgesamt sei jedoch die MdE mit 20 v. H. korrekt eingeschätzt. Als unfallunabhängige Gesundheitsstörungen seien ein unklarer Schwindel sowie Kopfschmerzen zu verzeichnen. Es sei von einem Dauerzustand auszugehen.

Mit Bescheid vom 07.02.2011 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die Rente sei nicht zu erhöhen. Die dem Bescheid vom 07.04.2008 zugrundeliegenden Verhältnisse hätten sich nicht wesentlich geändert. Seinen Widerspruch hiergegen begründete der Kläger damit, dass die Beklagte das Ausmaß seiner Bewegungseinschränkungen und die hierdurch bedingte Kraftminderung nicht genügend berücksichtigt habe. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16.03.2011 zurück und führte unter Berufung auf das Gutachten des Prof. Dr. S. vom 28.12.2010 zur Begründung weiter aus, nach Auswertung der erhobenen Befunde bestehe weiterhin nur eine MdE von 20 v. H ... Bei einer Schulterversteifung werde eine MdE von 30 v. H. anerkannt. Bei geringeren Bewegungseinschränkungen hingegen nur eine MdE von 10 bzw. von 20 v. H ... Der Gutachter sei nachvollziehbar von 20 v. H. ausgegangen und habe die Einschätzung des Prof. Dr. H. im ersten Rentengutachten bestätigt.

Hiergegen hat der Kläger am 18.03.2011 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und geltend gemacht, er leide unter belastungsunabhängigen Schmerzen im Bereich des rechten Schultergelenks. Diese Beschwerden bestünden im Ruhezustand und verstärkten sich bei geringster Belastung. Insbesondere bei Rotationsbewegungen im Schultergelenk seien die Schmerzen stark ausgeprägt und strahlten in den gesamten Nackenbereich aus. Die Verletzungsfolgen hätten zu einer massiven Kraftminderung im Bereich der rechten Schulter und zu einer erheblichen Bewegungseinschränkung geführt.

Das SG hat Beweis erhoben durch Vernehmung sachverständiger Zeugen. Facharzt für Orthopädie Dr. M. teilte mit (Auskunft vom 05.08.2011), aufgrund der vorhandenen funktionellen Einschränkungen der rechten Schulter (konzentrische Bewegungseinschränkung um ca. 1/3) sei die MdE auf 20 v. H. einzuschätzen. Die Auffassung des Prof. Dr. S. sei korrekt, da sie den Empfehlungen der Literatur entspreche. Eine höhere MdE sei nur bei einem stärkeren funktionellen Defizit, nämlich bei einer zumindest hälftigen Einsteifung der Schulter, zu rechtfertigen. Prof. Dr. S. gab an (Auskunft vom 03.09.2011), beim Kläger liege eine chronische Instabilität des AC-Gelenkes rechts nach AC-Gelenkssprengung, Reposition und Hakenplattenosteosynthese sowie ein Zustand nach Acromioplastik und AC-Gelenksteilresektion vom Mai 2009 vor. Des Weiteren bestehe ein Impingement-Sydrom der rechten Schulter mit chronischer Bursitis subacromialis rechts. Diese Gesundheitsstörungen führten erfahrungsgemäß zu einer Bewegungseinschränkung der Schulter und konsekutiver Kraftminderung im Bereich des Schultergürtels. Die unfallbedingten Gesundheitsstörungen ergäben eine MdE von 20 v. H ... Die Einschätzung des Prof. Dr. S. sei zutreffend.

Nach Anhörung der Beteiligten wies das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 09.01.2012 ab und stützte sich hierbei auf die Begründung des angefochtenen Bescheids in der Gestalt des Widerspruchsbescheids. Ergänzend führte es aus, die Auffassung des Prof. Dr. S. sei durch Prof. Dr. S. und Dr. M. bestätigt worden. Eine höhere MdE sei nur bei einem stärkeren funktionellen Defizit, nämlich bei einer zumindest hälftigen Einsteifung der Schulter zu rechtfertigen. Hierauf habe die Beklagte bereits in ihrem Widerspruchsbescheid hingewiesen.

Hiergegen richtet sich die am 19.01.2012 beim SG zum Landessozialgericht (LSG) erhobene Berufung des Klägers, mit der er im Wesentlichen geltend macht, die Beklagte habe einseitig auf die Bewegungseinschränkung abgestellt. Dies sei vorliegend jedoch nicht sachgerecht. Die Folgen der Verletzung hätten sich in den vergangenen Monaten erheblich verschlimmert. Mittlerweile habe er seinen Arbeitsplatz verloren und beziehe Leistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Er leide unter erheblichen belastungsunabhängigen Schmerzen im gesamten Bereich des rechten Schultergelenks und müsse deshalb auch ständig schmerzstillende Medikamente einnehmen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 09.01.2012 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 07.02.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.03.2011 zu verurteilen, ihm aufgrund des Unfalls vom 29.03.2007 eine Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 30 v. H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Auf Antrag des Klägers hat der Senat gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Gutachten des Orthopäden Dr. H. vom 13.08.2012 eingeholt. Dieser hat bei der Befunderhebung angegeben, die Beschwerdeangaben seien nicht immer konstant und durch Ablenkungsmanöver oder wiederholtes Nachfragen veränderbar gewesen. Insgesamt habe eine auffällige Diskrepanz zwischen Schmerzerleben und körperlichen Befunden bestanden. Es liege eine sogenannte Verdeutlichungstendenz vor. Die Armhebung nach vorne rechts sei mit 155 und links mit 175 Grad, die Außenrotation mit angelegten Oberarmen mit je 45 Grad und die Abduktion rechts mit 140 und links mit 160 Grad möglich. In 90-Grad-Abduktion sei die Innen-/Außenrotation links mit 100/0/90, rechts 70/0/75, in Bauchlage fast 80/0/90 möglich. Insgesamt bestehe eine Verschleißsymptomatik im Glenohumeralgelenk. Auch im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule bestehe eine Verschleißsymptomatik. Als Folge des Unfalls vom 29.03.2007 sei die Instabilität des rechten AC-Gelenkes und die Bursitis subacromialis rechts anzusehen. Die operative Behandlung der rechten Schulter habe grundsätzlich zu einer Besserung geführt. Der Kläger leide an degenerativen Veränderungen in der unteren Halswirbelsäule und an einer beginnenden Arthrose im Schulterhauptgelenk, welche ebenfalls zu einer Verstärkung der Funktionseinbuße der rechten Schulter führe. Die Arthrose der Schulterhauptgelenke sei aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht unfallbedingt, da sie seitengleich ausgeprägt sei. Die MdE sei ab dem 01.10.2007 mit 20 v. H. einzuschätzen. Den Aussagen von Prof. Dr. S., Prof. Dr. S. und Dr. M. zur unfallbedingten MdE sei zu zustimmen. Eine direkte Verursachung einer gegebenenfalls vorliegenden depressiven Symptomatik durch den Unfall scheide aus.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 07.02.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.03.2011 (§ 95 SGG) ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, dem Kläger aufgrund seines Arbeitsunfalls vom 29.03.2007 eine höhere Verletztenrente als einer solchen nach einer MdE um 20 v. H. zu gewähren.

Gemäß § 26 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte Anspruch auf Entschädigungsleistungen u. a. in Form von Heilbehandlung (§ 27 SGB VII) oder Geldleistungen (Verletztengeld (§ 45 SGB VII) und Rente (§ 56 SGB VII)). Insbesondere nach § 56 Abs. 1 SGB VII erhalten Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, eine Rente. Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 SGB VII; versicherte Tätigkeit).

Erforderlich ist, dass sowohl ein kausaler Zusammenhang zwischen der in innerem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehenden Verrichtung und dem Unfall als auch zwischen dem Unfall und dem Gesundheitsschaden besteht. Diese so genannte doppelte Kausalität wird nach herkömmlicher Dogmatik bezeichnet als die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität. Für beide Bereiche der Kausalität gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung sowie der Beweismaßstab der - überwiegenden - Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R - , SozR 4-2700 § 8 Nr. 12). Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (grundlegend: Reichsversicherungsamt, AN 1912, S 930 f; übernommen vom BSG in BSGE 1, 72, 76; BSGE 1, 150, 156 f; st.Rspr. vgl. BSG vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15, jeweils RdNr 11). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76).

Bei dem Unfall des Klägers am 29.03.2007, bei dem er sich beim Aufräumen der Baustelle beim Aufstehen aus der Hocke die rechte Schulter gegen einen Treppenunterboden stieß, handelt es sich um einen Arbeitsunfall in diesem Sinne. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig. Die Beklagte hat dieses Ereignis im Bescheid vom 07.04.2008 und in dem Bescheid vom 07.02.2011 selbst als Versicherungsfall bezeichnet und es damit als Arbeitsunfall angesehen. Streitig ist zwischen den Beteiligten lediglich, ob eine höhere MdE als eine solche um 20 v. H. gerechtfertigt ist.

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d.h. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSGE 1, 174, 178; BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22). Für die Bewertung einer unfallbedingten MdE kommt es auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an. Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen oder geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfall- bzw. Berufskrankheitsfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet (BSG, Urt. vom 26.06.1985 - 2 RU 60/84 -, in: SozR 2200 § 581 RVO Nr. 23 m.w.N.; BSG, Urt. vom 19.12.2000 - B 2 U 49/99 R -, in: HVBG-Info 2001, 499). Die Sachkunde des ärztlichen Sachverständigen bezieht sich in erster Linie darauf, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Folgen des Unfalls oder der Berufskrankheit beeinträchtigt sind. Schlüssige ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind zwar bedeutsame Anhaltspunkte, besitzen aber keine bindende Wirkung, auch wenn sie eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE darstellen (BSG, Urteil vom 05.09.2006, - B 2 U 25/05 R - SozR 4-2700 § 56 Nr. 2; Beschluss vom 22.08.1989, - 2 BU 101/89 -, in: HVBG-Info 1989 S. 2268). Bei der Bewertung der MdE sind schließlich auch die in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung und dem versicherungsrechtlichen oder versicherungsmedizinischen Schrifttum ausgearbeiteten Erfahrungssätze zu beachten, um eine gerechte und gleiche Bewertung der zahlreichen Parallelfälle der täglichen Praxis zu gewährleisten.

Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist davon auszugehen, dass beim Kläger im Hinblick auf das rechte Schultergelenk ein Dauerzustand mit einer unfallbedingten MdE um 20 v. H. vorliegt. Der Senat stützt sich hierbei auf das Gutachten des Prof. Dr. S. vom 28.12.2010 sowie auf die Auskünfte des Dr. M. vom 05.08.2011 und des Prof. Dr. S. vom 03.09.2011. Prof. Dr. S. hat in seinem Gutachten nachvollziehbar und schlüssig dargelegt, dass die Bewegungseinschränkung der rechten Schulter und die damit zusammenhängende Kraftminderung im Bereich des rechten Schultergelenkes zu einer MdE um 20 v. H. führen. Dr. M. und Prof. Dr. S. haben sich in ihrer Auskunft dieser Einschätzung ausdrücklich angeschlossen. Schließlich hat auch Dr. H. die Einschätzung des Prof. Dr. S. bestätigt. In seinem ebenfalls nachvollziehbaren und schlüssigen Gutachten vom 13.08.2012 hat Dr. H. folgende Bewegungsmaße angegeben: Armhebung nach vorne rechts 155 und links 175 Grad, Außenrotation mit angelegten Oberarmen je 45 Grad, Abduktion rechts 140 und links 160 Grad. In 90-Grad-Abduktion betrug die Innen-/Außenrotation links 100/0/90, rechts 70/0/75 und in der Bauchlage fast 80/0/90. Eine Bewegungseinschränkung, die mit einer Schultergelenkversteifung (30 Grad Abduktion) vergleichbar wäre und die zu einer MdE um 30 v. H. führen könnte, liegt demnach nicht vor (vgl. hierzu Schönberger/Mertens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, S. 523).

Soweit der Kläger sein Berufungsvorbringen darauf stützt, dass zu Unrecht auf die Bewegungseinschränkung abgestellt werde und die Schmerzsymptomatik nicht hinreichend berücksichtigt werde, weist der Senat daraufhin, dass der vom Kläger geltend gemachten Schmerzproblematik vorliegend kein maßgebliches Gewicht beigemessen werden kann. Denn in den einschlägigen MdE-Richtwerten sind die "üblicherweise vorhandenen Schmerzen" bereits berücksichtigt (vgl. nur Schönberger/Mertens/Valentin, a.a.O., S. 221). Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Kläger darüber hinausgehend Schmerzen hat, die in außergewöhnlicher Weise Auswirkungen auf seine Erwerbsfähigkeit haben. Der Senat stützt sich hierbei auf die Angabe des Dr. H., wonach die Beschwerdeangaben des Klägers aufgrund einer Verdeutlichungstendenz nicht konstant waren, sondern vielmehr durch Ablenkungsmanöver oder wiederholtes Nachfragen bei gleichzeitiger Untersuchung veränderbar waren. Darüber hinaus hat Dr. H. in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine auffällige Diskrepanz zwischen dem Schmerzerleben und den körperlichen Befunden besteht. Hinzukommt, dass die vom Kläger angegebenen Schmerzen seine Bewegungsfähigkeit nicht derart limitieren, dass eine Bewegungseinschränkung vorliegt, die mit einer Schultergelenksversteifung (30 Grad Abduktion) vergleichbar wäre. Diesbezüglich wird auf die von Dr. H. erhobenen und bereits dargestellten Bewegungsmaße Bezug genommen. Soweit dieser im Hinblick auf die bereits genannte Verdeutlichungstendenz im Zusammenhang mit einer Verringerung des Selbstwertgefühls den Verdacht einer depressiven Symptomatik äußert, hat er bereits ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine direkte Verursachung durch den Unfall ausscheidet. Insofern sieht der Senat keinen Anlass, von der überzeugenden Einschätzung des Prof. Dr. S., die durch die im Klage- und Berufungsverfahren durchgeführte Beweisaufnahme bestätigt wurde, anzuzweifeln. Es ist daher - wie bereits dargelegt - auch weiterhin davon auszugehen, dass eine MdE um 20 v. H. vorliegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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