L 8 SB 1229/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 1229/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Das Ablehnungsgesuch der Klägerin gegen den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht K. sowie die Richter am Landessozialgericht F. und L. wegen Besorgnis der Befangenheit wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Im zugrunde liegenden Hauptsacheverfahren wendet sich die Klägerin mit ihrer am 22.03.2012 eingelegten Berufung gegen einen Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg, mit dem ihre Klage auf Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) abgewiesen wurde.

Mit Schreiben vom 12.07.2012 hat der Berichterstatter Richter am Landessozialgericht F. den Bevollmächtigten der Klägerin darauf hingewiesen, dass der Senat zu prüfen habe, ob er als Rentenberater im vorliegenden Rechtsstreit vertretungsbefugt sei. Er bitte deshalb um Stellungnahme, ob im vorliegenden Rechtsstreit eine Annexkompetenz in Betracht komme. Er räumte ihm Gelegenheit zur Stellungnahme bis 31.08.2012 ein.

Hierauf hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin den Richter am Landessozialgericht F. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und zur Begründung vorgetragen, der Richter habe in zwei Beschlüssen vom 26.06.2012 (L 8 SB 537/11 und L 8 SB 553/11) grob gegen das bestehende Zulassungsrecht verstoßen, indem er ihn, den Prozessbevollmächtigten, als Bevollmächtigten zurückgewiesen habe. Der Richter betreibe außerdem Verfahren jahrelang nicht, so dass er sich veranlasst gesehen habe, diese Praxis zu kritisieren. Seine Zurückweisung stelle die Retourkutsche auf diese Kritik dar. Er verstehe die Zurückweisung auch deshalb nicht, weil man seit 12 bis 15 Jahren miteinander verhandele und dem Senat erst jetzt eingefallen sei, dass der Zulassungsumfang nicht gegeben sei. Die Befangenheit gegenüber dem Prozessbevollmächtigten schlage selbstverständlich auf die Klägerin selbst durch, denn die Angelegenheit seiner Mandantschaft interessierten den abgelehnten Richter überhaupt nicht. Er versuche nur die Sachen irgendwie los zu bekommen. Es sei seit einer Entscheidung des Landessozialgerichts vom 04.10.2007 (L 6 SB 6134/06) unmissverständlich klar, dass Rentenberater unumschränkt das Schwerbehindertenrecht vertreten dürften. Außerdem gebe es bei ihm keine Fälle, die keinen Bezug zur Rente hätten.

Mit Fax vom 31.10.2012 hat der Prozessbevollmächtigte seinen Befangenheitsantrag auf den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht K. und den Richter am Landessozialgericht L. erweitert. Zur Begründung hat er ausgeführt, der Richter am Landessozialgericht F. versuche seit 10 Jahren die Verfahren auf andere Art zu erledigen als durch Entscheidung oder Amtsermittlung. Die Beschlüsse vom 26.06.2012 verstießen gegen geltendes Recht, weil das Rechtsdienstleistungsgesetz keine Änderung gegenüber Altzulassungsinhabern gebracht habe. Ihm bleibe letztlich unklar, wer für und wer gegen seine Zurückweisung als Prozessbevollmächtigter gestimmt habe. Er glaube weiterhin, dass Richter am Landessozialgericht F. die Federführung in diesen Verfahren habe, aber die anderen beiden Richter hätten die Beschlüsse ebenfalls gezeichnet und seien deshalb ebenso befangen. Der Richter am Landessozialgericht F. habe ihm unter vier Augen die Freundschaft aufgekündigt, weil er in einer Rechtssache etwas habe vortragen wollen. Er habe immer deutlicher angemahnt, die Verfahren ordentlich zu führen und habe sich schließlich an die Präsidentin des Landessozialgerichts gewandt, danach sei es zu den Zurückweisungsbeschlüssen gekommen. Die Geschäftsverteilung verstoße gegen Art. 101 GG, weil der Verdacht bestehe, dass Richter am Landessozialgericht F. sich selbst in die Position rücke, die Verfahren zu betreuen, in denen er der Prozessbevollmächtigte sei. Er halte es für inadäquat, dass alle Verfahren des SG Freiburg im 8. Senat bei Richter am Landessozialgericht F. landeten. Der Prozessbevollmächtigte hat angekündigt, bis 10.11.2012 weitere Unterlagen betreffend den Umfang seiner Zulassung zum Rentenberater vorzulegen. Da der Senat nicht mehr beschlussfähig sei, sei die bis 31.10.2012 gesetzte Frist hinfällig.

Der Vorsitzende Richter am Landessozialgericht K. und die Richter am Landessozialgericht F. und L. haben mitgeteilt, dass sie sich nicht für befangen halten.

II.

Die Ablehnungsgesuche gegen den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht K. und die Richter am Landessozialgericht F. und L. sind unbegründet.

Der Senat ist durch die Ablehnung dreier Berufsrichter nicht mehr beschlussfähig. Es treten deshalb als Vorsitzender der Vorsitzende des 9. Senats gemäß Teil II Nr. 3 des Geschäftsverteilungsplans des Landessozialgerichts Baden-Württemberg und der im Geschäftsverteilungsplan am Ende der Liste der Berufsrichter des 9. Senats stehende Beisitzende entsprechend der Regelung in Teil II 2. des Geschäftsverteilungsplans des Landessozialgerichts Baden-Württemberg ein. Damit ist die Beschlussfähigkeit des Senats hergestellt.

Der Senat sah sich nicht an einer Entscheidung gehindert, weil der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mitgeteilt hat, bis 10.11.2012 weiter vortragen zu wollen. Er hat bereits einmal eine Fristverlängerung bis 31.10.2012 erhalten und ist mehrfach darauf hingewiesen worden, dass der Senat nach Ablauf der zuletzt gesetzten Frist eine Entscheidung über das Befangenheit treffen werde. Das implizierte Verlängerungsgesuch des Prozessbevollmächtigten der Klägerin bezog sich darüber hinaus nicht auf die Frist zur Stellungnahme im Hinblick auf die Befangenheitsgesuche, sondern auf die Frist zur Stellungnahme betreffend seine mögliche Zurückweisung, denn er hat eine weitere Stellungnahme und Vorlage von Unterlagen zu seiner Vertretungsberechtigung, aber keine weitere Stellungnahme betreffend die behauptete Befangenheit der abgelehnten Richter angekündigt. Über seine Zurückweisung kann der Senat aber erst befinden, wenn über die Befangenheitsgesuche der Klägerin entschieden ist, denn erst nach Abschluss des Verfahrens um die Ablehnungsgesuche der Klägerin steht die für die Entscheidung über die Zurückweisung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin maßgebliche Besetzung des Senats nach dem Geschäftsverteilungsplan des Landessozialgerichts und dem Geschäftsverteilungsplan des Senats fest.

Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 42 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Richter sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung seines Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Die hier allein geltend gemachte Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit findet nach Absatz 2 der Vorschrift statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Eine Besorgnis der Befangenheit liegt nur vor, wenn ein objektiv vernünftiger Grund gegeben ist, der den am Verfahren Beteiligten von seinem Standpunkt aus befürchten lassen kann, der Richter werde nicht unparteiisch und sachlich entscheiden. Eine rein subjektive unvernünftige Vorstellung ist unerheblich. Es kommt allerdings nicht darauf an, ob der Richter tatsächlich befangen ist oder ob er sich selbst für befangen hält. Entscheidend ist ausschließlich, ob ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (vgl. BSG SozR 3-1500 § 60 Nr. 1). Dabei ist zu berücksichtigen, dass Verfahrensverstöße oder fehlerhafte Entscheidungen eines Richters als solche grundsätzlich keinen Ablehnungsgrund darstellen. Etwas anderes kann nur gelten, wenn Gründe dargetan werden, die dafür sprechen, dass die Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegenüber dem ablehnenden Beteiligten oder auf Willkür beruht (vgl. LSG Celle, Beschluss vom 26.06.2001 - L 3 B 133/01 KA). Ein im Rahmen der Gesetze gebotenes Verhalten kann in keinem Fall einen die Ablehnung rechtfertigenden Grund im Sinne des § 42 Abs. 2 ZPO ergeben, weil jeder Richter nach Art. 97 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) dem Gesetz unterworfen ist (vgl. BSG SozR 1500 § 60 Nr. 3 Seite 4). Der Ablehnungsgrund ist konkret vorzubringen und gemäß § 44 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen.

Die Voraussetzungen für eine Richterablehnung sind hier nicht gegeben.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin trägt gegen den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht K. und den Richter am Landessozialgericht L. nur vor, dass sie an zwei Beschlüssen vom 26.06.2012 mitgewirkt haben, in denen er als Prozessbevollmächtigter der dortigen Klägerin zurückgewiesen worden ist. Dagegen trägt der Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Wesentlichen vor, dass sie rechtswidrig seien, weil ihnen die Entscheidung des. 6. Senats vom 04.10.2007 entgegenstehen. Darauf kommt es aber für die Frage der Befangenheit der abgelehnten Richter nicht an, denn allein die Rechtswidrigkeit einer richterlichen Entscheidung begründet noch nicht die Besorgnis der Befangenheit. Weder hat die Klägerin vorgetragen, dass diese Beschlüsse willkürlich seien noch ergeben sich dafür Anhaltspunkte. Insbesondere zeigt die vom Prozessbevollmächtigten zitierte Entscheidung des 6. Senats, dass die Frage der Vertretungsberechtigung von Rentenberatern in Verfahren um die Feststellung eines GdB durchaus umstritten ist und unterschiedlich gesehen wird. Schon deshalb scheidet eine Willkürlichkeit der Entscheidung im vorliegenden Fall aus. Auch eine unsachliche Einstellung gegen den Prozessbevollmächtigten oder die Klägerin selbst hat der ablehnende Rentenberater nicht vorgetragen und eine solche ist auch sonst nicht ersichtlich.

Auch gegen den Richter am Landessozialgericht F. hat der Prozessbevollmächtigte nichts vorgetragen, das an seiner Unparteilichkeit im Verfahren des hiesigen Klägers Zweifel aufkommen lässt. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin stützt seine Besorgnis der Befangenheit im Wesentlichen darauf, dass er glaubt, auch in diesem Rechtsstreit als Prozessbevollmächtigter zurückgewiesen zu werden. Damit macht er eine unsachliche Haltung des Richters am Landessozialgerichts F. ihm selbst gegenüber geltend. Allein eine unsachliche Haltung gegenüber Dritten begründet grundsätzlich keine Befangenheit, die eine Parteilichkeit bei der Entscheidung in der Sache erwarten lässt. Erst wenn im Einzelfall ausnahmsweise weitere Umstände vorliegen, die die Erstreckung einer unsachlichen Einstellung gegenüber Dritten auf Prozessbeteiligte oder der von ihnen verfolgten Rechtssache mit guten Gründen erwarten lassen, ist eine Befangenheit im Sinne des § 42 ZPO anzunehmen. Lehnt daher der Prozessbevollmächtigte eines Beteiligten einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit aus Gründen ab, die sich aus dem Verhalten des abgelehnten Richter ihm gegenüber ergeben, vermag dies bei dem allein ablehnungsberechtigten Beteiligten nur dann die Besorgnis der Befangenheit zu begründen, wenn die ablehnende Einstellung des Richters zum Prozessbevollmächtigten gegenüber dem Beteiligten in Erscheinung getreten ist (Urteile des BFH vom 09.09.1998 - I B 47/98, BFH/NV 1999, 786, v. 24.03.1998 - I B 137/97, BFH/NV 1998, 1362, v. 22.05.1991 - IV B 48/90, BGH/NV 1992, 395, veröffentlicht in Juris, Beschluss des Senats vom 15.02.2011 - L 8 SF 5748/10 AB veröffentlicht in Juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de). Diese Voraussetzungen liegen hier erkennbar nicht vor. Der Prozessbevollmächtigte hat im Wesentlichen vorgetragen, dass die von ihm als rechtswidrig beanstandeten Beschlüsse des Senats vom 26.06.2012 eine Retourkutsche des Richters am Landessozialgericht F. gegen sein Drängen auf Beschleunigung der von ihm betreuten Verfahren und damit gegen ihn selbst sei. Er hat nicht vorgetragen, warum mit seiner Zurückweisung auch die Besorgnis der fehlenden Unparteilichkeit des Richters am Landessozialgericht F. gegenüber der hiesigen Klägerin selbst begründet sein soll. Das gilt insbesondere als es der Klägerin freisteht, einen zur Vertretung berechtigten Prozessbevollmächtigten - gegebenenfalls unter Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe, sofern die Voraussetzungen vorliegen - in Anspruch zu nehmen, der für sie das Verfahren führt.

Selbst unterstellt, dass eine Besorgnis der Befangenheit gegenüber dem prozessbevollmächtigten Rentenberater bereits eine Besorgnis der Befangenheit gegenüber der Klägerin selbst darstellt, liegen die Voraussetzungen der §§ 60 SGG, 42 ZPO nicht vor. Die vom Klägerbevollmächtigten vorgetragene Rechtswidrigkeit der Beschlüsse vom 26.06.2012 allein begründet auch gegen Richter am Landessozialgericht F. nicht die Besorgnis der Befangenheit. Soweit er insofern vorträgt, dass der Richter sich dabei von seinem Drängen auf Beschleunigung habe leiten lassen und dass das ein unsachlicher Grund sei, sieht der Senat keine Anhaltspunkte für einen unsachlichen Grund, widerspricht sich der Prozessbevollmächtigte hier doch selbst. Einerseits trägt er vor, Richter am Landessozialgericht F. versuche, Verfahren so schnell wie möglich unstreitig abzuschließen, andererseits wirft er ihm vor, dass er diese lange liegen lasse. Inwiefern sich daraus ein unsachlicher Grund ergeben soll, erklärt er nicht.

Soweit der Prozessbevollmächtigte vorträgt, der Richter habe bereits seit Jahren mit ihm "zusammengearbeitet", ohne seine Vertretungsbefugnis zu hinterfragen, ergibt sich daraus ebenfalls kein unsachlicher Grund. Der Senat hat nach § 73 Abs. 3 SGG in jedem einzelnen Verfahren zu prüfen, ob ein Prozessbevollmächtigter zur Vertretung befugt ist. Insbesondere seit dem Inkrafttreten des Rechtsdienstleistungsgesetzes zum 01.07.2008 gelten neue Regelungen, so dass im Einzelfall die Prüfung z.B. des Fortgeltens von Alterlaubnissen nach § 1 Einführungsgesetz zum Rechtsdienstleistungsgesetz jedenfalls nicht unsachlich ist. Das gilt insbesondere als der abgelehnte Richter dem Klägerbevollmächtigten gerade die Möglichkeit eingeräumt hat, seine Annexkompetenz darzulegen.

Das vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin vorgetragene Bemühen des Richters am Landessozialgericht F., Verfahren möglichst zügig und ohne streitige Entscheidung durchzuführen, begründet ebenfalls keine Besorgnis der Befangenheit, denn dieses Bemühen entspricht dem Gesetz, § 278 ZPO.

Soweit der Prozessbevollmächtigte sich gegen die Geschäftsverteilung des Landessozialgerichts und des Senats wendet und einen Verstoß gegen Art. 101 GG rügt, liegt darin erkennbar kein Grund für die Besorgnis der Befangenheit des Richters am Landessozialgericht F ...

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht.

Der Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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