Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AL 2772/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 1872/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 24.11.2010 geändert. Der Tenor des Urteils wird wie folgt gefasst: Der Bescheid der Beklagten vom 11.03.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.07.2008 wird abgeändert. Die Beklagte wird dem Grunde nach verurteilt, der Klägerin Arbeitslosengeld für die Zeit vom 23.06.2008 bis 03.07.2008 und vom 08.08.2008 bis 18.02.2009 zu gewähren. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Die Beklagte erstattet der Klägerin 2/3 ihrer außergerichtlichen Kosten im Verfahren vor dem Sozialgericht und 7/8 ihrer außergerichtlichen Kosten im Berufungsverfahren.
Tatbestand:
Die Beklagte wendet sich gegen ihre Verurteilung, der Klägerin Arbeitslosengeld für die Zeit vom 23.06.2008 bis 18.02.2009 zu zahlen.
Die im Jahr 1949 geborene Klägerin ist verheiratet. Sie war zuletzt mit einem Umfang von 31,65 Stunden als Krankenpflegehelferin tätig (Arbeitsbescheinigung Klinikum Landkreis T. vom 22.01.2008). Seit 24.07.2006 war sie arbeitsunfähig erkrankt und bezog seit 04.09.2006 Krankengeld (Bescheinigung der AOK S.-B.-H. vom 07.01.2008). Ein Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung vom 26.03.2007 hatte zunächst keinen Erfolg (Bescheid der Deutschen Rentenversicherung B. - DRV - vom 05.09.2007 und Widerspruchsbescheid vom 07.10.2008). Im Rahmen eines Rechtsstreits mit der DRV (Sozialgericht Reutlingen, S 8 R 3651/08) einigte sich die Klägerin vergleichsweise auf die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung mit einem Leistungsfall am 19.02.2009. Für die Zeit vom 01.09.2009 bis wenigstens 30.06.2011 bezog die Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung.
Am 04.01.2008 meldete die Klägerin sich bei der Beklagten und beantragte die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab 22.01.2008. Sie teilte mit, dass sie von der Krankenkasse zum 21.01.2008 ausgesteuert worden sei. Sie habe Anfang 2007 einen Arbeitsversuch auf ihrem bisherigen Arbeitsplatz gemacht, der fehlgeschlagen sei. Sie könne die rechte Hand wegen Beschwerden an der Rotatorenmanschette nicht mehr heben. Sie sei weiterhin arbeitsunfähig und krankgeschrieben und könne nicht mehr arbeiten. Der Beklagte teilte ihr am 15.01.2008 mündlich mit, dass sie keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld habe, weil sie nicht verfügbar sei, nachdem sie selbst angebe, nicht mehr arbeiten zu können, und verwies sie an den Grundsicherungsträger. Sie könne erst wieder Arbeitslosengeld beziehen, wenn sie sich im Rahmen des Leistungsbildes des Ablehnungsbescheids der DRV (sechs Stunden pro Tag für fünf Tage pro Woche für leichte Arbeiten) zur Verfügung stellen könne.
Seit 22.01.2008 bezog die Klägerin Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende. Der Landkreis T. machte Erstattungsansprüche bei der Beklagten geltend.
Mit Bescheid vom 11.03.2008 lehnte die Beklagte die Gewährung von Arbeitslosengeld ab 22.01.2008 ab, weil die Klägerin den Vermittlungsbemühungen nicht zur Verfügung stehe. Sie könne und dürfe keine mindestens 15 Stunden umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts aufnehmen.
Dagegen erhob die Klägerin am 19.03.2008 Widerspruch, zu dessen Begründung sie ausführte, dass sie ein Verfahren um Gewährung einer Erwerbsminderungsrente vor dem Sozialgericht betreibe. Es könne nur entweder der Rentenversicherungsträger Recht haben, dann müsse die Beklagte Unrecht haben und sie deshalb einen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben. Oder die Beklagte habe Recht, dann müsse sie eine Rente wegen (voller) Erwerbsminderung erhalten. Sie werde die Entscheidung notfalls bis zum Bundesverfassungsgericht durchfechten, weil es ohnehin klärungsbedürftig sei, wie widersprüchliche Entscheidungen gegenüber Beklagter und DRV zu vermeiden seien.
Die Beklagte veranlasste nach telefonischer Rücksprache die Begutachtung der Klägerin durch den ärztlichen Dienst. Dr. R. stellte am 27.05.2008 fest, dass die Klägerin an einer Funktionseinschränkung des rechten Arms bei degenerativer Erkrankung des Schultergelenks und der Halswirbelsäule (HWS) sowie an einer rezidivierenden depressiven Verstimmung leide. Die Klägerin könne vollschichtig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eingesetzt werden. Ihre letzte Tätigkeit könne sie nicht mehr verrichten.
Mit Schreiben vom 13.06.2008 (Eingang Beklagte 17.06.2008) teilte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin der Beklagten mit, dass ihm eine Einladung vom 08.06.2008 vorliege. Dort sei von Bewerberangebot und beruflicher Situation die Rede. Das könne ja nicht Gegenstand sein. Zunächst müsse mal das Leistungsvermögen abgeklärt werden.
In einem persönlichen Gespräch am 23.06.2008 stellte sich die Klägerin nach Rücksprache mit ihrer Schwiegertochter und entsprechendem Zögern sowie mit dem Hinweis, dass sie das ihr an diesem Tag eröffnete Gutachten des Ärztlichen Dienstes noch mit ihrem Rechtsanwalt besprechen müsse, im Rahmen der Feststellungen des Ärztlichen Gutachtens den Vermittlungsbemühungen der Beklagten zur Verfügung. Die Beteiligten unterzeichneten eine entsprechende Zielvereinbarung. Die Beklagte gab zu erkennen, dass eine Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt nicht wahrscheinlich erscheine.
In einem Telefongespräch am 01.07.2008 teilte die Schwiegertochter der Klägerin mit, dass die Klägerin den Antrag auf Arbeitslosengeld nicht stellen werde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 03.07.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Klägerin sei trotz der festgestellten gesundheitlichen Beeinträchtigungen noch in der Lage mindestens 15 Stunden wöchentlich arbeiten. Dazu sei sie jedoch nicht bereit. Deshalb bestehe kein Anspruch auf Arbeitslosengeld. Auch am 15.01.2008 habe sie unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass sie weiterhin krankgeschrieben sei und deshalb auch keine Beschäftigung aufnehmen könne. Sie stehe den Vermittlungsbemühungen deshalb nicht zur Verfügung.
Mit Schreiben vom 03.07.2008 (Eingang Beklagte 04.07.2008) führte die Klägerin ergänzend aus, sie akzeptiere die am 23.06.2008 getroffene Zielvereinbarung nicht. Das Gutachten von Dr. R. vom 27.05.2008 sei oberflächlich und ungenügend, weil es ihre Beschwerden nicht vollständig wiedergebe. Es sei nicht nur der rechte Arm mit Schultergelenk betroffen, sondern auch die linke Körperhälfte. Ihr Leistungsvermögen betrage unter drei Stunden täglich. Das bedeute, dass sie dem Arbeitsmarkt auch weiterhin nicht zur Verfügung stehe. Jegliche Vermittlungstätigkeit sei vor diesem Hintergrund unnötig.
Am 01.08.2008 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG), zu deren Begründung sie in der Klageschrift ausführte, dass sie den Vermittlungsbemühungen der Beklagten zur Verfügung stehe. Sie bemühe sich nach Kräften um Wiederbeschäftigung. Es habe trotz beidseitigen Bemühens eine Arbeitsstelle nicht gefunden werden können, die für sie in Betracht gekommen wäre. Sie sei wegen erheblicher Gesundheitsstörungen nur eingeschränkt leistungstauglich. Die Ablehnung des falschen Gutachtenergebnisses habe die Beklagte zur unrichtigen Feststellung veranlasst, dass sie den Vermittlungsbemühungen gar nicht mehr zur Verfügung stehe. Sie berufe sich auf die Anspruchsgrundlage des § 125 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III). Die Deutsche Rentenversicherung habe noch nicht bindend festgestellt, dass sie nicht erwerbsgemindert sei, weil der Rechtsstreit noch nicht beendet sei. Wenn sie das Ergebnis des Gutachtens des ärztlichen Dienstes akzeptiere, hieße das gegen ihre Überzeugung zu akzeptieren, keinen Anspruch auf Rente zu haben. Die Klageschrift ging am 08.08.2008 bei der Beklagten ein.
Parallel zum laufenden Rechtsstreit versuchten die Beteiligten eine einvernehmliche Lösung zu finden. Die Beklagte veranlasste die erneute Begutachtung des Gesundheitszustands der Klägerin durch ihren ärztlichen Dienst. Am 17.11.2008 fand ein weiteres Gespräch zwischen den Beteiligten über ein ärztliches Gutachten vom 05.11.2008 statt. Die dabei formulierte Eingliederungsvereinbarung unterzeichnete die Klägerin nicht. Am 02.12.2008 übersandte sie der Beklagten ein Schreiben, in dem sie es ablehnte, eine Vereinbarung zu unterschreiben, dass sie den Vermittlungsbemühungen nicht mehr zur Verfügung stehe. Das sei falsch, weil sie sich weiterhin bemühe, eine neue Arbeit zu finden. Eine falsche Eingliederungsvereinbarung werde sie auch weiterhin nicht unterzeichnen. Am 23.02.2009 teilte sie dem SG mit, dass sie weiterhin krankheitsbedingt dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehe. Jedwede Arbeitsvermittlung scheitere. Das gleiche gelte für Wiedereingliederungsmaßnahmen. Am 10.03.2009 wies die Beklagte die Klägerin schriftlich darauf hin, dass sie weiterhin verpflichtet sei, ihre Eigenbemühungen nachzuweisen. Eine Wiedereingliederungsmaßnahme werde aus gesundheitlichen Gründen abgebrochen. In der Folge legte die Klägerin Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vom 24.04.2009 bis 30.10.2009 vor.
Das Land Baden-Württemberg erkannte in einem Rechtsstreit vor dem SG (S 5 SB 2802/07) einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 ab 15.05.2006 an. Dabei berücksichtigte es ausweislich einer ärztlichen Stellungnahme seines ärztlichen Dienstes (Dr. K., 15.05.2009) eine Depression und seelische Störung mit einem GdB von 30, eine Funktionsbehinderung beider Schultergelenke und eine Fingerpolyarthrose mit einem GdB von 30, eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit einem GdB von 20, Bluthochdruck mit einem GdB von 10 und ein metabolisches Syndrom mit einem GdB von ebenfalls 10. Die Klägerin nahm das Anerkenntnis an.
Im parallel verlaufenden Rentenrechtsstreit unterbreitete die Deutsche Rentenversicherung B. einen Vergleichsvorschlag. Danach sollte ein Leistungsfall am 19.02.2009 eingetreten sein. Ab Beginn des siebten auf den Leistungsfall folgenden Monats bis zum 30.06.2011 könne eine Rente wegen voller Erwerbsminderung gezahlt werden. Diesen Vergleich nahm die Klägerin an.
Die Klägerin trug dann vor, sie müsse zum Bezug von Arbeitslosengeld berechtigt gewesen sein bis 18.02.2009. Später teilte sie mit, sie begrenze den Anspruch im Rechtsstreit gegen die beklagte Bundesagentur für Arbeit auf die Zeit bis zum Beginn der Erwerbsminderungsrente (01.09.2009) und ab 01.07.2011.
Am 24.11.2010 führte das SG einen Termin zur mündlichen Verhandlung durch. Dabei waren die Klägerin persönlich und Rechtsanwalt K. sowie Frau D. für die Beklagte anwesend. Die erste Version der Niederschrift enthielt folgende Urteilsformel: "1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet." Das der Niederschrift angeheftete vorläufige handschriftliche Protokoll weist den gleichen Tenor aus.
Die Niederschrift wurde den Beteiligten am 01.02.2011 übersandt, eine Zustellung gegen Empfangsbekenntnis erfolgte nicht.
In einer ersten – vom Vorsitzenden unterschriebenen - Version des Urteils vom 24.11.2010 wurde ebenfalls dieser klageabweisende Tenor ausgefertigt. Zur Begründung wurde dort ausgeführt, dass die Klägerin subjektiv nicht verfügbar gewesen sei. Die Klägerin sei zu keinem Zeitpunkt arbeitsbereit gewesen. Sie habe insofern erklärt, dass sie nicht mehr arbeiten könne. Sie habe durchgehend betont, aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen nicht mehr arbeiten zu können und auf das objektive Kriterium der Erwerbsfähigkeit verwiesen. Obwohl sie am 23.06.2008 ausführlich über die Konsequenzen und Möglichkeiten belehrt worden sei, habe sie von der Möglichkeit nicht Gebrauch gemacht, sich mit ihrem Restleistungsvermögen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen. Diese Version des Urteils wurde dem Klägervertreter und der Beklagten gegen Empfangsbekenntnis jeweils am 23.02.2011 zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 23.02.2011 wandte sich die Klägerin gegen das Urteil und teilte mit, dass sie kein Urteil erwartet habe. Man habe sich in der mündlichen Verhandlung auf eine anteilige Nachzahlung des streitgegenständlichen Arbeitslosengelds I und eine Verfahrenskosten-aufteilung ¼ zu ¾ verständigt. Weder im Gerichtsprotokoll noch im Urteil sei eine derartige Vergleichsregelung enthalten. Sie beantrage deshalb Protokollberichtigung und Kassation des Urteils. Dieses Schreiben wurde nach den Akten nicht an die Beklagte weitergeleitet.
Der Kammervorsitzende vermerkte am 25.02.2011 handschriftlich in den Akten, er habe in einem Telefongespräch mit dem Klägervertreter klargestellt, dass ein Urteil gefällt und kein Vergleich geschlossen worden sei. Dieser sei lediglich lang und kontrovers diskutiert worden. Das klageabweisende Urteil sei jedoch falsch. Hierbei habe es sich nur um einen Entwurf gehandelt, der versehentlich versandt worden sei. Der Klägervertreter sei gebeten worden, seine Ausfertigung zurückzureichen. Das gleiche solle auch die Beklagte tun.
Am 03.03.2011 führte der Klägervertreter aus, dass nach seiner Erinnerung in der mündlichen Verhandlung am 24.11.2010 das Gericht per Urteil entschieden habe, dass die Beklagte von einem bestimmten Zeitpunkt an bis 31.08.2009 Arbeitslosengeld gewähren müsse. Die Beklagte habe akzeptieren müssen, dass die Klägerin jedenfalls die zweite Eingliederungsvereinbarung vom 17.11.2008 unter Beachtung des Anwaltsschreibens vom 20.11.2008 habe akzeptieren müssen. Er könne sich noch vage erinnern, dass die Beklagte ab November 2008 Arbeitslosengeld zahlen müsse. Auch dieses Schreiben wurde nach den Akten nicht an die Beklagte weitergeleitet.
Beide Ausfertigungen der ersten Version des Urteils vom 24.11.2010 finden sich anschließend in den Akten des SG. Ein Telefonvermerk betreffend ein Telefongespräch mit der Beklagten wurde nicht gefertigt. Die Beklagte übersandte aber mit Schreiben vom 18.03.2011 unter Hinweis auf ein Telefongespräch ihre Ausfertigung des Urteils und die Verwaltungsakten.
In den Akten des SG findet sich dann eine weitere Version des Urteils vom 24.11.2010, in dem die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 11.03.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.07.2008 verurteilt wird, der Klägerin Leistungen in gesetzlicher Höhe für die Zeit vom 23.06.2008 bis 18.02.2009 zu erbringen und die Klage im Übrigen abgewiesen wird. Zur Begründung führte das SG aus, dass die Klägerin infolge einer ausführlichen Beratung am 23.06.2008 eine Eingliederungsvereinbarung unterzeichnet habe und sich den Arbeitsvermittlungen zur Verfügung gestellt habe. Diese Bereitschaft, sich den Vermittlungsbemühungen zur Verfügung zu stellen, sei auch später nicht wieder beseitigt worden. Die nachträgliche Äußerung am 01.07.2008 könne nur im Lichte der Unsicherheit der Klägerin verstanden werden, ob sie sich den Vermittlungsbemühungen zur Verfügung stellen solle. Sie sei dem Wunsch entsprungen, das parallel laufende Rentenverfahren nicht zu gefährden.
Diese Version des Urteils wurde nach den Akten vom Kammervorsitzenden nicht unterschrieben. Es wurde am 21.04.2011 an die Beteiligten abgesandt und beiden ausweislich der in den Akten abgelegten Empfangsbekenntnisse am 27.04.2011 zugestellt.
Mit Beschluss vom 17.05.2011 hat das SG die Niederschrift im Hinblick auf den Tenor des Urteils vom 24.11.2010 wie folgt berichtigt: "1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 11.03.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.07.2008 verurteilt, der Klägerin Leistungen in gesetzlicher Höhe vom 23.06.2008 bis 18.02.2009 zu bewilligen. 2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 3. Die Beklagte erstattet der Klägerin ¾ ihrer außergerichtlichen Kosten." Zur Begründung hat das SG ausgeführt, dass die Niederschrift den tatsächlich verkündeten Tenor nicht richtig wiedergegeben habe. Der Beschluss ist vom Kammervorsitzenden unterschrieben.
Der Beschluss ist ausweislich der Akten am 18.05.2011 formlos an die Beteiligten übersandt worden. Der Klägervertreter hat dem Senat gegenüber angegeben, dass ihm dieser Beschluss am 23.05.2011 zugegangen sei. Der Beklagten hat der Senat den Berichtigungsbeschluss am 19.09.2012 in Fotokopie übersandt, nachdem sie mitgeteilt hatte, dass ihr dieser nicht vorliege.
Am 06.05.2011 hat die Beklagte Berufung gegen das zuletzt zugestellte Urteil des SG vom 24.11.2010 eingelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass das SG zu Unrecht davon ausgehe, dass ab 23.06.2008 Verfügbarkeit bestanden habe. Das gesamte aktenkundige Verhalten lasse eine subjektive Verfügbarkeit der Klägerin nicht erkennen.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgericht Reutlingen vom 24.11.2010 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Sie sei ihren Pflichten nachgekommen und am 23.06.2008 bei der Beklagten gewesen, obwohl man ihr vorher nicht gesagt habe, dass das Gutachten vom 27.05.2008 besprochen werden solle. Sie habe dann ausdrücklich in diesem Besprechungstermin mitgeteilt, dass sie sich gemäß dem Ergebnis des Gutachtens zur Verfügung stelle. Ihr Rechtsanwalt habe lediglich die besondere Problematik und die offenen Fragen in einem Schreiben vom 28.06.2008 formuliert. Darauf habe die Beklagte leider nicht reagiert. Dann hätten Irritationen vermieden werden können. Das Schreiben ihres Rechtsanwalts vom 03.07.2008 sei als anwaltliche Schutzschrift zu sehen, die vor dem Hintergrund der parallel laufenden Streitigkeiten mit der Beklagten und der DRV B. zu sehen sei.
Die Berichterstatterin hat die Beteiligten gebeten, ihre handschriftlichen Notizen über die mündliche Verhandlung am 24.11.2010 vorzulegen. Der Klägervertreter hat auf seine Schreiben vom 23.02.2011 und 28.02.2011 (Eingang beim SG 03.03.2011) hingewiesen und mitgeteilt, dass er sich keine handschriftlichen Notizen zum Ausgang des Verfahrens gemacht habe. Er sei weiterhin der Auffassung, dass man sich vor dem SG auf einen Vergleich geeinigt habe. Der Vorsitzende der zuständigen Kammer habe ihm am Telefon gesagt, dass der Vergleich aufgrund der Kammerdynamik nicht habe protokolliert werden können.
Die Beklagte hat einen handschriftlichen Terminbericht von Frau D. vorgelegt, die eine teilweise Stattgabe der Klage notiert hatte, dass nämlich vom 22.01.2008 bis 19.02.2009 Arbeitslosengeld zu gewähren sei. Grund dafür sei die Erklärung des Rechtsanwalts für die Anerkennung der Verfügbarkeit gewesen. Das handschriftliche Protokoll schließt mit der Empfehlung, das Urteil mittels Rechtsmitteln anzufechten.
Die Beteiligten sind auf die prozessuale Situation der verschiedenen Versionen des Urteils des SG vom 24.11.2010 hingewiesen worden. Der Senat hat sie weiterhin darauf hingewiesen, dass die Beweiskraft des berichtigten Protokolls hier ausschlaggebend sein könne.
Die Klägerin hat mitgeteilt, dass nach dem handschriftlichen Protokoll der Beklagtenvertreterin im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 24.11.2010 ein voller Erfolg eingetreten sein müsse, weil sie eine Verurteilung für die Zeit vom 22.01.2008 bis 19.02.2009 notiert habe. Auch sei dieser Vermerk unter der Rubrik "Anerkenntnis/Vergleich" niedergelegt worden, so dass kein Zweifel bestehen könne, dass ein Vergleich geschlossen worden sei. Sie, die Klägerin, habe aber konkludent die letzte Version des Urteils akzeptiert. Der Sachverhalt sei hinreichend aufgeklärt, die Klägerin teile die von der Berichterstatterin geäußerte Auffassung, dass die Unterschrift nicht mehr nachgeholt werden könne. Insofern sei der Rechtsstreit entscheidungsreif.
Die Beklagte hat ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach Kenntnisnahme des Berichtigungsbeschlusses vom 17.05.2011 bekundet. Sie hat darauf hingewiesen, dass der Beschluss vom 17.05.2011 ihr nicht zugestellt worden sei.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die beigezogenen Akten des Sozialgerichts Reutlingen mit den Aktenzeichen S 8 R 3651/08, S 5 SB 2802/07 und S 5 AL 2272/08 sowie die beim Senat angefallenen Akten.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet ausschließlich über die Berufung der Beklagten, mithin über den Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld in der Zeit vom 23.06.2008 bis 18.02.2009. Die Klägerin hat keine Berufung gegen das Urteil des SG eingelegt. Zwar findet sich im Schriftsatz vom 23.02.2011 der Hinweis, dass man notfalls Berufung einlegen werde, wenn das klageabweisende Urteil (erste Version) so bestehen bleiben solle. Allerdings ist dieses Urteil nicht bestehen geblieben, sondern später durch die von der Beklagten angefochtene Version ersetzt worden. Die Klägerin hat durch ihren Schriftsatz an den Senat vom 11.09.2012 klargestellt, dass sie den klageabweisenden Teil der letzten Version des Urteils akzeptiere. Daraus lässt sich mit hinreichender Klarheit entnehmen, dass die Klägerin keine Berufung gegen diese letzte Version erheben wollte und ihren Schriftsatz vom 23.02.2011 auch nicht als Berufung verstanden wissen möchte. Das bedeutet, dass im Berufungsverfahren nur noch der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld für die Zeit vom 23.06.2008 bis 18.02.2009 streitig ist. Dem entspricht auch der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag.
Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig. Die Berufung ist nicht deshalb unzulässig, weil die Beklagte durch das Urteil vom 24.11.2010 nicht beschwert ist. Die erste – klageabweisende und als solche die Beklagte nicht beschwerende - Version des Urteils vom 24.11.2010 ist nicht wirksam geworden. Die Wirksamkeit eines Urteils setzt nach § 132 Abs. 1 Satz 2 SGG seine Verkündung voraus (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 8. Aufl. § 132 Rn. 2). Der Nachweis der Verkündung wird durch die Niederschrift über die mündliche Verhandlung geführt, § 122 SGG i.V.m. §§ 160 Abs. 3 Nr. 7, 165 Zivilprozessordnung (ZPO) (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer ebenda Rn. 8). Im Termin zur mündlichen Verhandlung wurde kein klagabweisendes Urteil verkündet. Es wurde zwischen den Beteiligten auch kein Vergleich geschlossen. Das Urteil ist auch nicht durch Zustellung wirksam geworden, denn die Verkündung war nicht durch Zustellung ersetzbar (§ 133 SGG), weil das Urteil nicht ohne mündliche Verhandlung ergangen ist.
Am 24.11.2010 wurde vielmehr ein Urteil mit folgendem Tenor verkündet: "1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 11.03.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.07.2008 verurteilt, der Klägerin Leistungen in gesetzlicher Höhe vom 23.06.2008 bis 18.02.2009 zu bewilligen. 2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 3. Die Beklagte erstattet der Klägerin ¾ ihrer außergerichtlichen Kosten".
Das steht zur Überzeugung des Senats aufgrund des öffentlichen Glaubens (§ 415 ZPO) des mit Berichtigungsbeschluss vom 17.05.2011 berichtigten Protokolls über die mündliche Verhandlung fest. Allein durch den Inhalt des Protokolls kann die Beachtung der vorgeschriebenen Förmlichkeiten bewiesen werden, §§ 165 Satz 1 ZPO, 122 SGG. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass weder der klägerische Vortrag noch die handschriftlichen Aufzeichnungen der im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 24.11.2010 anwesenden Vertreterin der Beklagten geeignet sind, die Beweiskraft der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 24.11.2010 zu erschüttern. Die Beweiskraft des Protokolls ist nach §§ 415 Abs. 2, 165 Satz 2 ZPO, 122 SGG nur durch den Nachweis seiner Fälschung zu erschüttern. Diesen Nachweis hat keiner der Beteiligten erbracht oder auch nur behauptet.
Die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 24.11.2010 beweist nicht einen klageabweisenden Tenor, denn sie wurde durch Beschluss vom 17.05.2011 wirksam berichtigt. Unrichtigkeiten im Protokoll können nach §§ 164 Abs. 1 ZPO, 122 SGG jederzeit berichtigt werden. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Ob die Beklagte vor Berichtigung der Niederschrift mit Beschluss vom 17.05.2011 gehört wurde, ist den Akten nicht zu entnehmen. Nach dem Schreiben der Beklagten vom 18.03.2011 fand zumindest ein Telefongespräch zwischen dem SG und der Beklagten statt, das zur Folge hatte, dass die Beklagte ihre Ausfertigung des Urteils vom 24.11.2010 zurücksandte. Es ist insofern davon auszugehen, dass die Beklagte zumindest Kenntnis davon hatte, dass der Kammervorsitzende diese Version des Urteils für nicht mit der Verkündung im Termin vom 24.11.2010 vereinbar erachtete. Jedenfalls aber hat die Beklagte auch nach dem Hinweis der Berichterstatterin auf die vorliegende besondere Problematik und Übersendung einer Abschrift des Berichtigungsbeschlusses vom 17.05.2011 ihre fehlende Anhörung nicht gerügt.
Der Berichtigungsbeschluss vom 17.05.2011 ist auch wirksam geworden, denn er wurde vom Kammervorsitzenden des SG unterschrieben und ist dem Klägervertreter am 23.05.2011 und der Beklagten spätestens am 26.09.2012 durch Übersendung des Senats zugegangen. Für den öffentlichen Glauben kommt es insofern auf die Existenz des Beschlusses an, die auch die Beklagte nicht bezweifelt.
Die Berufung ist auch nicht im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung an das SG begründet. Nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG in der seit 01.01.2012 geltenden Fassung des Vierten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund des Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. In der bis 31.12.2011 geltenden Fassung war Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ebenfalls das Vorliegen eines wesentlichen Verfahrensmangels.
Das Urteil des SG leidet zwar an einem wesentlichen Mangel, dieser Mangel führt aber mangels Rüge der Beteiligten nicht zur Aufhebung und Zurückverweisung. Das Urteil des Sozialgerichts leidet insofern an einem Mangel als es vom Kammervorsitzenden entgegen § 134 Abs. 3 SGG nicht unterschrieben worden ist. Maßgeblich ist insofern - entgegen der Ansicht der Klägerin - das in den Akten abgelegte Original der letzten Version des Urteils vom 24.11.2010 und nicht die den Beteiligten übersandten Ausfertigungen (vgl. § 137 Satz 1 SGG).
Die fehlende Unterschrift kann nach Ablauf der Absetzungsfrist nicht mehr nachgeholt werden (§§ 151, 66 SGG, § 134 Abs. 2 SGG, Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 27.04.1993 - GmS-OGB 1/92, BVerwGE 92, 377, BGH, Urteil vom 27.01.2006 - V ZR 243/04, v. 16.10.2006 - II ZR 101/05, v. 11.07.2007 - XII ZR 164/03). Es ist deshalb nicht vollständig abgesetzt worden (vgl. BSG, Urteil vom 20.11.2003 - B 13 RJ 41/03 R).
Die fehlende Unterschrift führt allerdings nicht zur Unwirksamkeit des Urteils vom 24.11.2010, denn für die Wirksamkeit eines Urteils ist allein die durch den öffentlichen Glauben der berichtigten Niederschrift bewiesene Verkündung desselben maßgeblich (vgl. BGH, Urteil vom 24.06.2003 - VI ZR 309/02, NJW 2003, 3057, v. 27.01.2006 - V ZR 243/04 sowie Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 10. Aufl. § 134 Rn. 2c). Vielmehr führt das Fehlen der Unterschrift nur zur Aufhebbarkeit des Urteils. Voraussetzung für die Aufhebung eines nicht vollständig rechtzeitig abgesetzten Urteils ist eine entsprechende Rüge der Beteiligten (Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes a.a.O., Juris Rn. 18). Daran fehlt es hier.
Das angefochtene Urteil ist auch nicht deshalb aufzuheben und der Rechtsstreit an das Sozialgericht zurück zu verweisen, weil es dem Urteil in der angefochtenen Version an der Begründung mangelt. Nach § 136 Abs. 1 Nr. 6 SGG muss das Urteil die Entscheidungsgründe enthalten. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Das angefochtene Urteil geht zwar nicht auf seine prozessuale Wirksamkeit gegenüber einem anderen, in gleicher Sache verlautbarten Urteil ein. Es setzt sich nicht mit der Frage auseinander, ob die ersten Ausfertigungen, die auf der Grundlage eines in den Akten vorliegenden, vom Kammervorsitzenden unterschriebenen Originalurteils von der Geschäftsstelle unterschrieben und versandt wurden (§ 137 Satz 1 SGG), bereits Ausdruck eines rechtlich existenten Urteils waren und dieses nur aufgrund des Berichtigungsantrags der Klägerin vom 23.02.2011 gemäß §§ 138 ff. SGG berichtigt wurde - ausdrücklich berichtigt wurde nur die Sitzungsniederschrift -, weil es nicht mit dem nach der berichtigten Niederschrift verkündeten Tenor übereinstimmte, oder ob es sich insofern um eine Nichturteil handelt. Diese fehlenden Ausführungen führen aber nicht zu einem Mangel im Sinne des § 136 Abs. 1 Nr. 6 SGG, denn damit fehlt lediglich ein Begründungselement und es fehlen nicht die gesamten Entscheidungsgründe.
Die Berufung der Beklagten ist teilweise begründet. Der Klägerin steht nicht im gesamten vom SG ausgeurteilten Zeitraum Arbeitslosengeld zu. Nach §§ 117, 118 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in der hier noch maßgeblichen im Jahr 2008 geltenden Version des Gesetzes vom 20.04.2007 (BGBl 2007 I 554) (a.F.) setzt der Anspruch auf Arbeitslosengeld Arbeitslosigkeit, die Meldung bei der Beklagten und die Erfüllung der Anwartschaftszeit voraus. Arbeitslosigkeit erfordert nach § 119 Abs. 1 SGB III a.F. die Beschäftigungslosigkeit, das Bemühen, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden und Verfügbarkeit. Den Vermittlungsbemühungen der Beklagten steht zur Verfügung, wer (1) eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden allgemeinen Arbeitsmarkts ausüben kann und darf § 119 Abs. 5 Nr. 1 SGB III a.F. und (2) bereit ist, jede Beschäftigung im Sinne der Nr. 1 anzunehmen und auszuüben, § 119 Abs. 5 Nr. 3 SGB III a.F. sowie weitere –auch nach Ansicht der Beklagten hier vorliegende– Voraussetzungen erfüllt.
Die Voraussetzungen des § 119 Abs. 5 Nr. 1 SGB III a.F. sind im gesamten im Berufungsverfahren noch streitigen Zeitraum (23.06.2008 bis 18.02.2009) erfüllt. Die Klägerin war in diesem Zeitraum in der Lage, eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von mindestens 15 Stunden wöchentlich auszuüben. Das durfte sie auch. Nach den Feststellungen des ärztlichen Diensts der Beklagten und entsprechend dem Vergleich der Klägerin mit der DRV Bund trat der Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung, d.h. die Unfähigkeit der Klägerin, mindestens drei Stunden täglich zu arbeiten (§ 43 Abs. 2 Satz 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – SGB VI), am 19.02.2009 ein. Das bedeutet, dass die Klägerin bis zu diesem Zeitpunkt in der Lage war, mindestens 3 x 5 = 15 Stunden wöchentlich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Tätigkeiten mit den im ärztlichen Gutachten von Dr. R. vom 27.05.2008 festgestellten Einschränkungen betreffend körperliche Anforderungen auszuüben. Das bestreitet auch die Klägerin letztlich nicht mehr, denn sie hat selbst geltend gemacht, dass sie sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten um eine Wiederbeschäftigung bemüht habe.
Die Voraussetzungen des § 119 Abs. 3 Nr. 3 SGB III a.F. waren nicht im gesamten ab 23.06.2008 noch streitigen Zeitraum erfüllt, denn die Klägerin war in der Zeit vom 04.07.2008 bis 31.07.2008 nicht bereit, sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten den Vermittlungsbemühungen der Beklagten zur Verfügung zu stellen. Am 23.06.2008 erklärte sich die Klägerin durch Unterschrift auf der Vereinbarung vom gleichen Tag und nach einigem Zögern auch mündlich gegenüber dem Sachbearbeiter bereit, sich im Rahmen ihrer im ärztlichen Gutachten festgestellten Fähigkeiten den Vermittlungsbemühungen zur Verfügung zu stellen.
Das Telefongespräch mit ihrer Schwiegertochter am 01.07.2008 beseitigte diese Bereitschaft nicht, denn die Schwiegertochter hatte keine Vollmacht der Klägerin zur Abgabe entsprechender Erklärungen. Eine solche Vollmacht ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass die Schwiegertochter sie zu dem Gespräch am 23.06.2008 begleitete und sie nach dem in den Akten der Beklagten abgelegten Vermerk dazu überredete, sich im Rahmen des Gutachtens zunächst zur Verfügung zu stellen. Damit wirkte sie auf die Klägerin ein, der Beklagten gegenüber selbst eine bestimmte Erklärung abzugeben. Sie erhielt aber keine Vollmacht, ihrerseits für die Klägerin gegenüber der Beklagten zu handeln. Sie war deshalb rechtlich nicht befugt, die Bereitschaft der Klägerin, sich den Vermittlungsbemühungen der Beklagten zur Verfügung zu stellen, zu beseitigen. Eine nachträgliche Genehmigung der Verfahrenshandlungen der Schwiegertochter am 01.07.2008 ist von der Klägerin nicht erkennbar erklärt worden.
Anders verhält es sich jedoch mit dem am 04.07.2008 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin. Dieser hatte nicht nur die allgemeine Vollmacht, Erklärungen mit Wirkung für die Klägerin abzugeben, sondern die Klägerin hatte auch sowohl im Gespräch als auch in der Vereinbarung vom 23.06.2008 angegeben, dass sie erst Rücksprache mit ihrem Rechtsanwalt halten müsse, und damit zu erkennen gegeben, dass sie dem Rat und den Ausführungen ihres Prozessbevollmächtigten folgen werde, er also auch die Vollmacht hatte, mit Wirkung für sie ihre Bereitschaft, sich den Vermittlungsbemühungen der Beklagten zur Verfügung zu stellen, wieder zu beseitigen. Das hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in seinem Schreiben vom 03.07.2008 auch getan. Er hat in diesem Schreiben ausgeführt, dass die Klägerin dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehe und auch Vermittlungsbemühungen nicht getätigt werden sollten. Aus dieser Erklärung geht eindeutig hervor, dass die Klägerin sich – auch im Rahmen ihrer gesundheitlich eingeschränkten Möglichkeiten – dem Arbeitsmarkt und den Vermittlungsbemühungen nicht zur Verfügung stellen wollte.
Mit ihrer am 01.08.2008 erhobenen Klage hat die Klägerin, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten dann wieder ihre Bereitschaft erklärt, sich den Vermittlungsbemühungen der Beklagten soweit wie möglich zur Verfügung zu stellen. Damit stellte sie die Voraussetzungen des § 119 Abs. 5 Nr. 3 SGB III a.F. wieder her und erfüllte damit die Voraussetzungen zur Gewährung von Arbeitslosengeld nach §§ 117, 118 Abs. 1, 119 Abs. 1 SGB III a.F. Die Erklärung ging bei der Beklagten mit Zugang der Klageschrift am 08.08.2008 ein. Ab diesem Zeitpunkt hat die Beklagte objektiv und eindeutig Kenntnis von der (Wieder-) Verfügbarkeit der Klägerin erlangt und war in der Lage Vermittlungsbemühungen aufzunehmen.
Der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld für die Zeit vom 23.06.2008 bis 03.07.2008 und vom 08.08.2008 bis 18.02.2009 scheitert auch nicht an der fehlenden Arbeitslosmeldung der Klägerin. Die Erklärung vom 23.06.2008, dass sie grundsätzlich bereit sei, sich den Vermittlungsbemühungen der Beklagten zur Verfügung zu stellen, genügte den Anforderungen an eine Arbeitslosmeldung nach § 122 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F. Die Wirkung der Meldung war nicht nach § 122 Abs. 2 SGB III a.F. erloschen, weil die Arbeitslosigkeit der Klägerin nach § 119 Abs. 1 SGB III nicht für mehr als sechs Wochen unterbrochen war.
Die Verfügbarkeit der Klägerin wurde nach dem 08.08.2008 nicht beseitigt. Insbesondere die Weigerung der Klägerin im November 2008, eine Vereinbarung zu unterzeichnen, dass sie nicht mehr verfügbar sei, beseitigte die Verfügbarkeit der Klägerin nicht. Nach dem von ihrem Prozessbevollmächtigten vorgelegten Schreiben vom 02.12.2008 weigerte die Klägerin sich ausdrücklich zu unterschreiben, dass sie den Vermittlungsbemühungen nicht zur Verfügung stehe. Damit machte sie deutlich, dass sie – soweit es ihr Gesundheitszustand zuließ – vermittelt werden wollte. Diese Erklärung genügt den Anforderungen des § 119 Abs. 5 Nr. 3 SGB III a.F. wie das SG im Ergebnis zutreffend ausgeführt hat.
Der Berufung war deshalb nur in einem geringen Teil stattzugeben und der Tenor des Urteils des SG zur Klarstellung im Hinblick auf die prozessrechtlichen Besonderheiten des Verfahrens neu zu fassen. Dabei war zu berücksichtigen, dass die Beklagte nur dem Grunde nach zur Gewährung von Arbeitslosengeld verurteilt werden kann. Die Klägerin hat nach den Akten im gesamten noch streitigen Zeitraum Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende erhalten, die – soweit sie gewährt wurden – als nachrangige Leistung nach § 107 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) den Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld erfüllt haben. Insofern kann die Klägerin die Auszahlung des Arbeitslosengelds nur insoweit verlangen als es die bereits gewährten und ausgezahlten Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende der Beklagten und des Landkreises T. übersteigt.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Die Beklagte erstattet der Klägerin 2/3 ihrer außergerichtlichen Kosten im Verfahren vor dem Sozialgericht und 7/8 ihrer außergerichtlichen Kosten im Berufungsverfahren.
Tatbestand:
Die Beklagte wendet sich gegen ihre Verurteilung, der Klägerin Arbeitslosengeld für die Zeit vom 23.06.2008 bis 18.02.2009 zu zahlen.
Die im Jahr 1949 geborene Klägerin ist verheiratet. Sie war zuletzt mit einem Umfang von 31,65 Stunden als Krankenpflegehelferin tätig (Arbeitsbescheinigung Klinikum Landkreis T. vom 22.01.2008). Seit 24.07.2006 war sie arbeitsunfähig erkrankt und bezog seit 04.09.2006 Krankengeld (Bescheinigung der AOK S.-B.-H. vom 07.01.2008). Ein Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung vom 26.03.2007 hatte zunächst keinen Erfolg (Bescheid der Deutschen Rentenversicherung B. - DRV - vom 05.09.2007 und Widerspruchsbescheid vom 07.10.2008). Im Rahmen eines Rechtsstreits mit der DRV (Sozialgericht Reutlingen, S 8 R 3651/08) einigte sich die Klägerin vergleichsweise auf die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung mit einem Leistungsfall am 19.02.2009. Für die Zeit vom 01.09.2009 bis wenigstens 30.06.2011 bezog die Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung.
Am 04.01.2008 meldete die Klägerin sich bei der Beklagten und beantragte die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab 22.01.2008. Sie teilte mit, dass sie von der Krankenkasse zum 21.01.2008 ausgesteuert worden sei. Sie habe Anfang 2007 einen Arbeitsversuch auf ihrem bisherigen Arbeitsplatz gemacht, der fehlgeschlagen sei. Sie könne die rechte Hand wegen Beschwerden an der Rotatorenmanschette nicht mehr heben. Sie sei weiterhin arbeitsunfähig und krankgeschrieben und könne nicht mehr arbeiten. Der Beklagte teilte ihr am 15.01.2008 mündlich mit, dass sie keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld habe, weil sie nicht verfügbar sei, nachdem sie selbst angebe, nicht mehr arbeiten zu können, und verwies sie an den Grundsicherungsträger. Sie könne erst wieder Arbeitslosengeld beziehen, wenn sie sich im Rahmen des Leistungsbildes des Ablehnungsbescheids der DRV (sechs Stunden pro Tag für fünf Tage pro Woche für leichte Arbeiten) zur Verfügung stellen könne.
Seit 22.01.2008 bezog die Klägerin Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende. Der Landkreis T. machte Erstattungsansprüche bei der Beklagten geltend.
Mit Bescheid vom 11.03.2008 lehnte die Beklagte die Gewährung von Arbeitslosengeld ab 22.01.2008 ab, weil die Klägerin den Vermittlungsbemühungen nicht zur Verfügung stehe. Sie könne und dürfe keine mindestens 15 Stunden umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts aufnehmen.
Dagegen erhob die Klägerin am 19.03.2008 Widerspruch, zu dessen Begründung sie ausführte, dass sie ein Verfahren um Gewährung einer Erwerbsminderungsrente vor dem Sozialgericht betreibe. Es könne nur entweder der Rentenversicherungsträger Recht haben, dann müsse die Beklagte Unrecht haben und sie deshalb einen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben. Oder die Beklagte habe Recht, dann müsse sie eine Rente wegen (voller) Erwerbsminderung erhalten. Sie werde die Entscheidung notfalls bis zum Bundesverfassungsgericht durchfechten, weil es ohnehin klärungsbedürftig sei, wie widersprüchliche Entscheidungen gegenüber Beklagter und DRV zu vermeiden seien.
Die Beklagte veranlasste nach telefonischer Rücksprache die Begutachtung der Klägerin durch den ärztlichen Dienst. Dr. R. stellte am 27.05.2008 fest, dass die Klägerin an einer Funktionseinschränkung des rechten Arms bei degenerativer Erkrankung des Schultergelenks und der Halswirbelsäule (HWS) sowie an einer rezidivierenden depressiven Verstimmung leide. Die Klägerin könne vollschichtig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eingesetzt werden. Ihre letzte Tätigkeit könne sie nicht mehr verrichten.
Mit Schreiben vom 13.06.2008 (Eingang Beklagte 17.06.2008) teilte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin der Beklagten mit, dass ihm eine Einladung vom 08.06.2008 vorliege. Dort sei von Bewerberangebot und beruflicher Situation die Rede. Das könne ja nicht Gegenstand sein. Zunächst müsse mal das Leistungsvermögen abgeklärt werden.
In einem persönlichen Gespräch am 23.06.2008 stellte sich die Klägerin nach Rücksprache mit ihrer Schwiegertochter und entsprechendem Zögern sowie mit dem Hinweis, dass sie das ihr an diesem Tag eröffnete Gutachten des Ärztlichen Dienstes noch mit ihrem Rechtsanwalt besprechen müsse, im Rahmen der Feststellungen des Ärztlichen Gutachtens den Vermittlungsbemühungen der Beklagten zur Verfügung. Die Beteiligten unterzeichneten eine entsprechende Zielvereinbarung. Die Beklagte gab zu erkennen, dass eine Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt nicht wahrscheinlich erscheine.
In einem Telefongespräch am 01.07.2008 teilte die Schwiegertochter der Klägerin mit, dass die Klägerin den Antrag auf Arbeitslosengeld nicht stellen werde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 03.07.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Klägerin sei trotz der festgestellten gesundheitlichen Beeinträchtigungen noch in der Lage mindestens 15 Stunden wöchentlich arbeiten. Dazu sei sie jedoch nicht bereit. Deshalb bestehe kein Anspruch auf Arbeitslosengeld. Auch am 15.01.2008 habe sie unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass sie weiterhin krankgeschrieben sei und deshalb auch keine Beschäftigung aufnehmen könne. Sie stehe den Vermittlungsbemühungen deshalb nicht zur Verfügung.
Mit Schreiben vom 03.07.2008 (Eingang Beklagte 04.07.2008) führte die Klägerin ergänzend aus, sie akzeptiere die am 23.06.2008 getroffene Zielvereinbarung nicht. Das Gutachten von Dr. R. vom 27.05.2008 sei oberflächlich und ungenügend, weil es ihre Beschwerden nicht vollständig wiedergebe. Es sei nicht nur der rechte Arm mit Schultergelenk betroffen, sondern auch die linke Körperhälfte. Ihr Leistungsvermögen betrage unter drei Stunden täglich. Das bedeute, dass sie dem Arbeitsmarkt auch weiterhin nicht zur Verfügung stehe. Jegliche Vermittlungstätigkeit sei vor diesem Hintergrund unnötig.
Am 01.08.2008 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG), zu deren Begründung sie in der Klageschrift ausführte, dass sie den Vermittlungsbemühungen der Beklagten zur Verfügung stehe. Sie bemühe sich nach Kräften um Wiederbeschäftigung. Es habe trotz beidseitigen Bemühens eine Arbeitsstelle nicht gefunden werden können, die für sie in Betracht gekommen wäre. Sie sei wegen erheblicher Gesundheitsstörungen nur eingeschränkt leistungstauglich. Die Ablehnung des falschen Gutachtenergebnisses habe die Beklagte zur unrichtigen Feststellung veranlasst, dass sie den Vermittlungsbemühungen gar nicht mehr zur Verfügung stehe. Sie berufe sich auf die Anspruchsgrundlage des § 125 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III). Die Deutsche Rentenversicherung habe noch nicht bindend festgestellt, dass sie nicht erwerbsgemindert sei, weil der Rechtsstreit noch nicht beendet sei. Wenn sie das Ergebnis des Gutachtens des ärztlichen Dienstes akzeptiere, hieße das gegen ihre Überzeugung zu akzeptieren, keinen Anspruch auf Rente zu haben. Die Klageschrift ging am 08.08.2008 bei der Beklagten ein.
Parallel zum laufenden Rechtsstreit versuchten die Beteiligten eine einvernehmliche Lösung zu finden. Die Beklagte veranlasste die erneute Begutachtung des Gesundheitszustands der Klägerin durch ihren ärztlichen Dienst. Am 17.11.2008 fand ein weiteres Gespräch zwischen den Beteiligten über ein ärztliches Gutachten vom 05.11.2008 statt. Die dabei formulierte Eingliederungsvereinbarung unterzeichnete die Klägerin nicht. Am 02.12.2008 übersandte sie der Beklagten ein Schreiben, in dem sie es ablehnte, eine Vereinbarung zu unterschreiben, dass sie den Vermittlungsbemühungen nicht mehr zur Verfügung stehe. Das sei falsch, weil sie sich weiterhin bemühe, eine neue Arbeit zu finden. Eine falsche Eingliederungsvereinbarung werde sie auch weiterhin nicht unterzeichnen. Am 23.02.2009 teilte sie dem SG mit, dass sie weiterhin krankheitsbedingt dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehe. Jedwede Arbeitsvermittlung scheitere. Das gleiche gelte für Wiedereingliederungsmaßnahmen. Am 10.03.2009 wies die Beklagte die Klägerin schriftlich darauf hin, dass sie weiterhin verpflichtet sei, ihre Eigenbemühungen nachzuweisen. Eine Wiedereingliederungsmaßnahme werde aus gesundheitlichen Gründen abgebrochen. In der Folge legte die Klägerin Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vom 24.04.2009 bis 30.10.2009 vor.
Das Land Baden-Württemberg erkannte in einem Rechtsstreit vor dem SG (S 5 SB 2802/07) einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 ab 15.05.2006 an. Dabei berücksichtigte es ausweislich einer ärztlichen Stellungnahme seines ärztlichen Dienstes (Dr. K., 15.05.2009) eine Depression und seelische Störung mit einem GdB von 30, eine Funktionsbehinderung beider Schultergelenke und eine Fingerpolyarthrose mit einem GdB von 30, eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit einem GdB von 20, Bluthochdruck mit einem GdB von 10 und ein metabolisches Syndrom mit einem GdB von ebenfalls 10. Die Klägerin nahm das Anerkenntnis an.
Im parallel verlaufenden Rentenrechtsstreit unterbreitete die Deutsche Rentenversicherung B. einen Vergleichsvorschlag. Danach sollte ein Leistungsfall am 19.02.2009 eingetreten sein. Ab Beginn des siebten auf den Leistungsfall folgenden Monats bis zum 30.06.2011 könne eine Rente wegen voller Erwerbsminderung gezahlt werden. Diesen Vergleich nahm die Klägerin an.
Die Klägerin trug dann vor, sie müsse zum Bezug von Arbeitslosengeld berechtigt gewesen sein bis 18.02.2009. Später teilte sie mit, sie begrenze den Anspruch im Rechtsstreit gegen die beklagte Bundesagentur für Arbeit auf die Zeit bis zum Beginn der Erwerbsminderungsrente (01.09.2009) und ab 01.07.2011.
Am 24.11.2010 führte das SG einen Termin zur mündlichen Verhandlung durch. Dabei waren die Klägerin persönlich und Rechtsanwalt K. sowie Frau D. für die Beklagte anwesend. Die erste Version der Niederschrift enthielt folgende Urteilsformel: "1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet." Das der Niederschrift angeheftete vorläufige handschriftliche Protokoll weist den gleichen Tenor aus.
Die Niederschrift wurde den Beteiligten am 01.02.2011 übersandt, eine Zustellung gegen Empfangsbekenntnis erfolgte nicht.
In einer ersten – vom Vorsitzenden unterschriebenen - Version des Urteils vom 24.11.2010 wurde ebenfalls dieser klageabweisende Tenor ausgefertigt. Zur Begründung wurde dort ausgeführt, dass die Klägerin subjektiv nicht verfügbar gewesen sei. Die Klägerin sei zu keinem Zeitpunkt arbeitsbereit gewesen. Sie habe insofern erklärt, dass sie nicht mehr arbeiten könne. Sie habe durchgehend betont, aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen nicht mehr arbeiten zu können und auf das objektive Kriterium der Erwerbsfähigkeit verwiesen. Obwohl sie am 23.06.2008 ausführlich über die Konsequenzen und Möglichkeiten belehrt worden sei, habe sie von der Möglichkeit nicht Gebrauch gemacht, sich mit ihrem Restleistungsvermögen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen. Diese Version des Urteils wurde dem Klägervertreter und der Beklagten gegen Empfangsbekenntnis jeweils am 23.02.2011 zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 23.02.2011 wandte sich die Klägerin gegen das Urteil und teilte mit, dass sie kein Urteil erwartet habe. Man habe sich in der mündlichen Verhandlung auf eine anteilige Nachzahlung des streitgegenständlichen Arbeitslosengelds I und eine Verfahrenskosten-aufteilung ¼ zu ¾ verständigt. Weder im Gerichtsprotokoll noch im Urteil sei eine derartige Vergleichsregelung enthalten. Sie beantrage deshalb Protokollberichtigung und Kassation des Urteils. Dieses Schreiben wurde nach den Akten nicht an die Beklagte weitergeleitet.
Der Kammervorsitzende vermerkte am 25.02.2011 handschriftlich in den Akten, er habe in einem Telefongespräch mit dem Klägervertreter klargestellt, dass ein Urteil gefällt und kein Vergleich geschlossen worden sei. Dieser sei lediglich lang und kontrovers diskutiert worden. Das klageabweisende Urteil sei jedoch falsch. Hierbei habe es sich nur um einen Entwurf gehandelt, der versehentlich versandt worden sei. Der Klägervertreter sei gebeten worden, seine Ausfertigung zurückzureichen. Das gleiche solle auch die Beklagte tun.
Am 03.03.2011 führte der Klägervertreter aus, dass nach seiner Erinnerung in der mündlichen Verhandlung am 24.11.2010 das Gericht per Urteil entschieden habe, dass die Beklagte von einem bestimmten Zeitpunkt an bis 31.08.2009 Arbeitslosengeld gewähren müsse. Die Beklagte habe akzeptieren müssen, dass die Klägerin jedenfalls die zweite Eingliederungsvereinbarung vom 17.11.2008 unter Beachtung des Anwaltsschreibens vom 20.11.2008 habe akzeptieren müssen. Er könne sich noch vage erinnern, dass die Beklagte ab November 2008 Arbeitslosengeld zahlen müsse. Auch dieses Schreiben wurde nach den Akten nicht an die Beklagte weitergeleitet.
Beide Ausfertigungen der ersten Version des Urteils vom 24.11.2010 finden sich anschließend in den Akten des SG. Ein Telefonvermerk betreffend ein Telefongespräch mit der Beklagten wurde nicht gefertigt. Die Beklagte übersandte aber mit Schreiben vom 18.03.2011 unter Hinweis auf ein Telefongespräch ihre Ausfertigung des Urteils und die Verwaltungsakten.
In den Akten des SG findet sich dann eine weitere Version des Urteils vom 24.11.2010, in dem die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 11.03.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.07.2008 verurteilt wird, der Klägerin Leistungen in gesetzlicher Höhe für die Zeit vom 23.06.2008 bis 18.02.2009 zu erbringen und die Klage im Übrigen abgewiesen wird. Zur Begründung führte das SG aus, dass die Klägerin infolge einer ausführlichen Beratung am 23.06.2008 eine Eingliederungsvereinbarung unterzeichnet habe und sich den Arbeitsvermittlungen zur Verfügung gestellt habe. Diese Bereitschaft, sich den Vermittlungsbemühungen zur Verfügung zu stellen, sei auch später nicht wieder beseitigt worden. Die nachträgliche Äußerung am 01.07.2008 könne nur im Lichte der Unsicherheit der Klägerin verstanden werden, ob sie sich den Vermittlungsbemühungen zur Verfügung stellen solle. Sie sei dem Wunsch entsprungen, das parallel laufende Rentenverfahren nicht zu gefährden.
Diese Version des Urteils wurde nach den Akten vom Kammervorsitzenden nicht unterschrieben. Es wurde am 21.04.2011 an die Beteiligten abgesandt und beiden ausweislich der in den Akten abgelegten Empfangsbekenntnisse am 27.04.2011 zugestellt.
Mit Beschluss vom 17.05.2011 hat das SG die Niederschrift im Hinblick auf den Tenor des Urteils vom 24.11.2010 wie folgt berichtigt: "1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 11.03.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.07.2008 verurteilt, der Klägerin Leistungen in gesetzlicher Höhe vom 23.06.2008 bis 18.02.2009 zu bewilligen. 2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 3. Die Beklagte erstattet der Klägerin ¾ ihrer außergerichtlichen Kosten." Zur Begründung hat das SG ausgeführt, dass die Niederschrift den tatsächlich verkündeten Tenor nicht richtig wiedergegeben habe. Der Beschluss ist vom Kammervorsitzenden unterschrieben.
Der Beschluss ist ausweislich der Akten am 18.05.2011 formlos an die Beteiligten übersandt worden. Der Klägervertreter hat dem Senat gegenüber angegeben, dass ihm dieser Beschluss am 23.05.2011 zugegangen sei. Der Beklagten hat der Senat den Berichtigungsbeschluss am 19.09.2012 in Fotokopie übersandt, nachdem sie mitgeteilt hatte, dass ihr dieser nicht vorliege.
Am 06.05.2011 hat die Beklagte Berufung gegen das zuletzt zugestellte Urteil des SG vom 24.11.2010 eingelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass das SG zu Unrecht davon ausgehe, dass ab 23.06.2008 Verfügbarkeit bestanden habe. Das gesamte aktenkundige Verhalten lasse eine subjektive Verfügbarkeit der Klägerin nicht erkennen.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgericht Reutlingen vom 24.11.2010 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Sie sei ihren Pflichten nachgekommen und am 23.06.2008 bei der Beklagten gewesen, obwohl man ihr vorher nicht gesagt habe, dass das Gutachten vom 27.05.2008 besprochen werden solle. Sie habe dann ausdrücklich in diesem Besprechungstermin mitgeteilt, dass sie sich gemäß dem Ergebnis des Gutachtens zur Verfügung stelle. Ihr Rechtsanwalt habe lediglich die besondere Problematik und die offenen Fragen in einem Schreiben vom 28.06.2008 formuliert. Darauf habe die Beklagte leider nicht reagiert. Dann hätten Irritationen vermieden werden können. Das Schreiben ihres Rechtsanwalts vom 03.07.2008 sei als anwaltliche Schutzschrift zu sehen, die vor dem Hintergrund der parallel laufenden Streitigkeiten mit der Beklagten und der DRV B. zu sehen sei.
Die Berichterstatterin hat die Beteiligten gebeten, ihre handschriftlichen Notizen über die mündliche Verhandlung am 24.11.2010 vorzulegen. Der Klägervertreter hat auf seine Schreiben vom 23.02.2011 und 28.02.2011 (Eingang beim SG 03.03.2011) hingewiesen und mitgeteilt, dass er sich keine handschriftlichen Notizen zum Ausgang des Verfahrens gemacht habe. Er sei weiterhin der Auffassung, dass man sich vor dem SG auf einen Vergleich geeinigt habe. Der Vorsitzende der zuständigen Kammer habe ihm am Telefon gesagt, dass der Vergleich aufgrund der Kammerdynamik nicht habe protokolliert werden können.
Die Beklagte hat einen handschriftlichen Terminbericht von Frau D. vorgelegt, die eine teilweise Stattgabe der Klage notiert hatte, dass nämlich vom 22.01.2008 bis 19.02.2009 Arbeitslosengeld zu gewähren sei. Grund dafür sei die Erklärung des Rechtsanwalts für die Anerkennung der Verfügbarkeit gewesen. Das handschriftliche Protokoll schließt mit der Empfehlung, das Urteil mittels Rechtsmitteln anzufechten.
Die Beteiligten sind auf die prozessuale Situation der verschiedenen Versionen des Urteils des SG vom 24.11.2010 hingewiesen worden. Der Senat hat sie weiterhin darauf hingewiesen, dass die Beweiskraft des berichtigten Protokolls hier ausschlaggebend sein könne.
Die Klägerin hat mitgeteilt, dass nach dem handschriftlichen Protokoll der Beklagtenvertreterin im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 24.11.2010 ein voller Erfolg eingetreten sein müsse, weil sie eine Verurteilung für die Zeit vom 22.01.2008 bis 19.02.2009 notiert habe. Auch sei dieser Vermerk unter der Rubrik "Anerkenntnis/Vergleich" niedergelegt worden, so dass kein Zweifel bestehen könne, dass ein Vergleich geschlossen worden sei. Sie, die Klägerin, habe aber konkludent die letzte Version des Urteils akzeptiert. Der Sachverhalt sei hinreichend aufgeklärt, die Klägerin teile die von der Berichterstatterin geäußerte Auffassung, dass die Unterschrift nicht mehr nachgeholt werden könne. Insofern sei der Rechtsstreit entscheidungsreif.
Die Beklagte hat ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach Kenntnisnahme des Berichtigungsbeschlusses vom 17.05.2011 bekundet. Sie hat darauf hingewiesen, dass der Beschluss vom 17.05.2011 ihr nicht zugestellt worden sei.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die beigezogenen Akten des Sozialgerichts Reutlingen mit den Aktenzeichen S 8 R 3651/08, S 5 SB 2802/07 und S 5 AL 2272/08 sowie die beim Senat angefallenen Akten.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet ausschließlich über die Berufung der Beklagten, mithin über den Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld in der Zeit vom 23.06.2008 bis 18.02.2009. Die Klägerin hat keine Berufung gegen das Urteil des SG eingelegt. Zwar findet sich im Schriftsatz vom 23.02.2011 der Hinweis, dass man notfalls Berufung einlegen werde, wenn das klageabweisende Urteil (erste Version) so bestehen bleiben solle. Allerdings ist dieses Urteil nicht bestehen geblieben, sondern später durch die von der Beklagten angefochtene Version ersetzt worden. Die Klägerin hat durch ihren Schriftsatz an den Senat vom 11.09.2012 klargestellt, dass sie den klageabweisenden Teil der letzten Version des Urteils akzeptiere. Daraus lässt sich mit hinreichender Klarheit entnehmen, dass die Klägerin keine Berufung gegen diese letzte Version erheben wollte und ihren Schriftsatz vom 23.02.2011 auch nicht als Berufung verstanden wissen möchte. Das bedeutet, dass im Berufungsverfahren nur noch der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld für die Zeit vom 23.06.2008 bis 18.02.2009 streitig ist. Dem entspricht auch der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag.
Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig. Die Berufung ist nicht deshalb unzulässig, weil die Beklagte durch das Urteil vom 24.11.2010 nicht beschwert ist. Die erste – klageabweisende und als solche die Beklagte nicht beschwerende - Version des Urteils vom 24.11.2010 ist nicht wirksam geworden. Die Wirksamkeit eines Urteils setzt nach § 132 Abs. 1 Satz 2 SGG seine Verkündung voraus (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 8. Aufl. § 132 Rn. 2). Der Nachweis der Verkündung wird durch die Niederschrift über die mündliche Verhandlung geführt, § 122 SGG i.V.m. §§ 160 Abs. 3 Nr. 7, 165 Zivilprozessordnung (ZPO) (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer ebenda Rn. 8). Im Termin zur mündlichen Verhandlung wurde kein klagabweisendes Urteil verkündet. Es wurde zwischen den Beteiligten auch kein Vergleich geschlossen. Das Urteil ist auch nicht durch Zustellung wirksam geworden, denn die Verkündung war nicht durch Zustellung ersetzbar (§ 133 SGG), weil das Urteil nicht ohne mündliche Verhandlung ergangen ist.
Am 24.11.2010 wurde vielmehr ein Urteil mit folgendem Tenor verkündet: "1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 11.03.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.07.2008 verurteilt, der Klägerin Leistungen in gesetzlicher Höhe vom 23.06.2008 bis 18.02.2009 zu bewilligen. 2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 3. Die Beklagte erstattet der Klägerin ¾ ihrer außergerichtlichen Kosten".
Das steht zur Überzeugung des Senats aufgrund des öffentlichen Glaubens (§ 415 ZPO) des mit Berichtigungsbeschluss vom 17.05.2011 berichtigten Protokolls über die mündliche Verhandlung fest. Allein durch den Inhalt des Protokolls kann die Beachtung der vorgeschriebenen Förmlichkeiten bewiesen werden, §§ 165 Satz 1 ZPO, 122 SGG. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass weder der klägerische Vortrag noch die handschriftlichen Aufzeichnungen der im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 24.11.2010 anwesenden Vertreterin der Beklagten geeignet sind, die Beweiskraft der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 24.11.2010 zu erschüttern. Die Beweiskraft des Protokolls ist nach §§ 415 Abs. 2, 165 Satz 2 ZPO, 122 SGG nur durch den Nachweis seiner Fälschung zu erschüttern. Diesen Nachweis hat keiner der Beteiligten erbracht oder auch nur behauptet.
Die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 24.11.2010 beweist nicht einen klageabweisenden Tenor, denn sie wurde durch Beschluss vom 17.05.2011 wirksam berichtigt. Unrichtigkeiten im Protokoll können nach §§ 164 Abs. 1 ZPO, 122 SGG jederzeit berichtigt werden. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Ob die Beklagte vor Berichtigung der Niederschrift mit Beschluss vom 17.05.2011 gehört wurde, ist den Akten nicht zu entnehmen. Nach dem Schreiben der Beklagten vom 18.03.2011 fand zumindest ein Telefongespräch zwischen dem SG und der Beklagten statt, das zur Folge hatte, dass die Beklagte ihre Ausfertigung des Urteils vom 24.11.2010 zurücksandte. Es ist insofern davon auszugehen, dass die Beklagte zumindest Kenntnis davon hatte, dass der Kammervorsitzende diese Version des Urteils für nicht mit der Verkündung im Termin vom 24.11.2010 vereinbar erachtete. Jedenfalls aber hat die Beklagte auch nach dem Hinweis der Berichterstatterin auf die vorliegende besondere Problematik und Übersendung einer Abschrift des Berichtigungsbeschlusses vom 17.05.2011 ihre fehlende Anhörung nicht gerügt.
Der Berichtigungsbeschluss vom 17.05.2011 ist auch wirksam geworden, denn er wurde vom Kammervorsitzenden des SG unterschrieben und ist dem Klägervertreter am 23.05.2011 und der Beklagten spätestens am 26.09.2012 durch Übersendung des Senats zugegangen. Für den öffentlichen Glauben kommt es insofern auf die Existenz des Beschlusses an, die auch die Beklagte nicht bezweifelt.
Die Berufung ist auch nicht im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung an das SG begründet. Nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG in der seit 01.01.2012 geltenden Fassung des Vierten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund des Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. In der bis 31.12.2011 geltenden Fassung war Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ebenfalls das Vorliegen eines wesentlichen Verfahrensmangels.
Das Urteil des SG leidet zwar an einem wesentlichen Mangel, dieser Mangel führt aber mangels Rüge der Beteiligten nicht zur Aufhebung und Zurückverweisung. Das Urteil des Sozialgerichts leidet insofern an einem Mangel als es vom Kammervorsitzenden entgegen § 134 Abs. 3 SGG nicht unterschrieben worden ist. Maßgeblich ist insofern - entgegen der Ansicht der Klägerin - das in den Akten abgelegte Original der letzten Version des Urteils vom 24.11.2010 und nicht die den Beteiligten übersandten Ausfertigungen (vgl. § 137 Satz 1 SGG).
Die fehlende Unterschrift kann nach Ablauf der Absetzungsfrist nicht mehr nachgeholt werden (§§ 151, 66 SGG, § 134 Abs. 2 SGG, Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 27.04.1993 - GmS-OGB 1/92, BVerwGE 92, 377, BGH, Urteil vom 27.01.2006 - V ZR 243/04, v. 16.10.2006 - II ZR 101/05, v. 11.07.2007 - XII ZR 164/03). Es ist deshalb nicht vollständig abgesetzt worden (vgl. BSG, Urteil vom 20.11.2003 - B 13 RJ 41/03 R).
Die fehlende Unterschrift führt allerdings nicht zur Unwirksamkeit des Urteils vom 24.11.2010, denn für die Wirksamkeit eines Urteils ist allein die durch den öffentlichen Glauben der berichtigten Niederschrift bewiesene Verkündung desselben maßgeblich (vgl. BGH, Urteil vom 24.06.2003 - VI ZR 309/02, NJW 2003, 3057, v. 27.01.2006 - V ZR 243/04 sowie Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 10. Aufl. § 134 Rn. 2c). Vielmehr führt das Fehlen der Unterschrift nur zur Aufhebbarkeit des Urteils. Voraussetzung für die Aufhebung eines nicht vollständig rechtzeitig abgesetzten Urteils ist eine entsprechende Rüge der Beteiligten (Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes a.a.O., Juris Rn. 18). Daran fehlt es hier.
Das angefochtene Urteil ist auch nicht deshalb aufzuheben und der Rechtsstreit an das Sozialgericht zurück zu verweisen, weil es dem Urteil in der angefochtenen Version an der Begründung mangelt. Nach § 136 Abs. 1 Nr. 6 SGG muss das Urteil die Entscheidungsgründe enthalten. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Das angefochtene Urteil geht zwar nicht auf seine prozessuale Wirksamkeit gegenüber einem anderen, in gleicher Sache verlautbarten Urteil ein. Es setzt sich nicht mit der Frage auseinander, ob die ersten Ausfertigungen, die auf der Grundlage eines in den Akten vorliegenden, vom Kammervorsitzenden unterschriebenen Originalurteils von der Geschäftsstelle unterschrieben und versandt wurden (§ 137 Satz 1 SGG), bereits Ausdruck eines rechtlich existenten Urteils waren und dieses nur aufgrund des Berichtigungsantrags der Klägerin vom 23.02.2011 gemäß §§ 138 ff. SGG berichtigt wurde - ausdrücklich berichtigt wurde nur die Sitzungsniederschrift -, weil es nicht mit dem nach der berichtigten Niederschrift verkündeten Tenor übereinstimmte, oder ob es sich insofern um eine Nichturteil handelt. Diese fehlenden Ausführungen führen aber nicht zu einem Mangel im Sinne des § 136 Abs. 1 Nr. 6 SGG, denn damit fehlt lediglich ein Begründungselement und es fehlen nicht die gesamten Entscheidungsgründe.
Die Berufung der Beklagten ist teilweise begründet. Der Klägerin steht nicht im gesamten vom SG ausgeurteilten Zeitraum Arbeitslosengeld zu. Nach §§ 117, 118 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in der hier noch maßgeblichen im Jahr 2008 geltenden Version des Gesetzes vom 20.04.2007 (BGBl 2007 I 554) (a.F.) setzt der Anspruch auf Arbeitslosengeld Arbeitslosigkeit, die Meldung bei der Beklagten und die Erfüllung der Anwartschaftszeit voraus. Arbeitslosigkeit erfordert nach § 119 Abs. 1 SGB III a.F. die Beschäftigungslosigkeit, das Bemühen, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden und Verfügbarkeit. Den Vermittlungsbemühungen der Beklagten steht zur Verfügung, wer (1) eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden allgemeinen Arbeitsmarkts ausüben kann und darf § 119 Abs. 5 Nr. 1 SGB III a.F. und (2) bereit ist, jede Beschäftigung im Sinne der Nr. 1 anzunehmen und auszuüben, § 119 Abs. 5 Nr. 3 SGB III a.F. sowie weitere –auch nach Ansicht der Beklagten hier vorliegende– Voraussetzungen erfüllt.
Die Voraussetzungen des § 119 Abs. 5 Nr. 1 SGB III a.F. sind im gesamten im Berufungsverfahren noch streitigen Zeitraum (23.06.2008 bis 18.02.2009) erfüllt. Die Klägerin war in diesem Zeitraum in der Lage, eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von mindestens 15 Stunden wöchentlich auszuüben. Das durfte sie auch. Nach den Feststellungen des ärztlichen Diensts der Beklagten und entsprechend dem Vergleich der Klägerin mit der DRV Bund trat der Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung, d.h. die Unfähigkeit der Klägerin, mindestens drei Stunden täglich zu arbeiten (§ 43 Abs. 2 Satz 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – SGB VI), am 19.02.2009 ein. Das bedeutet, dass die Klägerin bis zu diesem Zeitpunkt in der Lage war, mindestens 3 x 5 = 15 Stunden wöchentlich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Tätigkeiten mit den im ärztlichen Gutachten von Dr. R. vom 27.05.2008 festgestellten Einschränkungen betreffend körperliche Anforderungen auszuüben. Das bestreitet auch die Klägerin letztlich nicht mehr, denn sie hat selbst geltend gemacht, dass sie sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten um eine Wiederbeschäftigung bemüht habe.
Die Voraussetzungen des § 119 Abs. 3 Nr. 3 SGB III a.F. waren nicht im gesamten ab 23.06.2008 noch streitigen Zeitraum erfüllt, denn die Klägerin war in der Zeit vom 04.07.2008 bis 31.07.2008 nicht bereit, sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten den Vermittlungsbemühungen der Beklagten zur Verfügung zu stellen. Am 23.06.2008 erklärte sich die Klägerin durch Unterschrift auf der Vereinbarung vom gleichen Tag und nach einigem Zögern auch mündlich gegenüber dem Sachbearbeiter bereit, sich im Rahmen ihrer im ärztlichen Gutachten festgestellten Fähigkeiten den Vermittlungsbemühungen zur Verfügung zu stellen.
Das Telefongespräch mit ihrer Schwiegertochter am 01.07.2008 beseitigte diese Bereitschaft nicht, denn die Schwiegertochter hatte keine Vollmacht der Klägerin zur Abgabe entsprechender Erklärungen. Eine solche Vollmacht ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass die Schwiegertochter sie zu dem Gespräch am 23.06.2008 begleitete und sie nach dem in den Akten der Beklagten abgelegten Vermerk dazu überredete, sich im Rahmen des Gutachtens zunächst zur Verfügung zu stellen. Damit wirkte sie auf die Klägerin ein, der Beklagten gegenüber selbst eine bestimmte Erklärung abzugeben. Sie erhielt aber keine Vollmacht, ihrerseits für die Klägerin gegenüber der Beklagten zu handeln. Sie war deshalb rechtlich nicht befugt, die Bereitschaft der Klägerin, sich den Vermittlungsbemühungen der Beklagten zur Verfügung zu stellen, zu beseitigen. Eine nachträgliche Genehmigung der Verfahrenshandlungen der Schwiegertochter am 01.07.2008 ist von der Klägerin nicht erkennbar erklärt worden.
Anders verhält es sich jedoch mit dem am 04.07.2008 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin. Dieser hatte nicht nur die allgemeine Vollmacht, Erklärungen mit Wirkung für die Klägerin abzugeben, sondern die Klägerin hatte auch sowohl im Gespräch als auch in der Vereinbarung vom 23.06.2008 angegeben, dass sie erst Rücksprache mit ihrem Rechtsanwalt halten müsse, und damit zu erkennen gegeben, dass sie dem Rat und den Ausführungen ihres Prozessbevollmächtigten folgen werde, er also auch die Vollmacht hatte, mit Wirkung für sie ihre Bereitschaft, sich den Vermittlungsbemühungen der Beklagten zur Verfügung zu stellen, wieder zu beseitigen. Das hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in seinem Schreiben vom 03.07.2008 auch getan. Er hat in diesem Schreiben ausgeführt, dass die Klägerin dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehe und auch Vermittlungsbemühungen nicht getätigt werden sollten. Aus dieser Erklärung geht eindeutig hervor, dass die Klägerin sich – auch im Rahmen ihrer gesundheitlich eingeschränkten Möglichkeiten – dem Arbeitsmarkt und den Vermittlungsbemühungen nicht zur Verfügung stellen wollte.
Mit ihrer am 01.08.2008 erhobenen Klage hat die Klägerin, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten dann wieder ihre Bereitschaft erklärt, sich den Vermittlungsbemühungen der Beklagten soweit wie möglich zur Verfügung zu stellen. Damit stellte sie die Voraussetzungen des § 119 Abs. 5 Nr. 3 SGB III a.F. wieder her und erfüllte damit die Voraussetzungen zur Gewährung von Arbeitslosengeld nach §§ 117, 118 Abs. 1, 119 Abs. 1 SGB III a.F. Die Erklärung ging bei der Beklagten mit Zugang der Klageschrift am 08.08.2008 ein. Ab diesem Zeitpunkt hat die Beklagte objektiv und eindeutig Kenntnis von der (Wieder-) Verfügbarkeit der Klägerin erlangt und war in der Lage Vermittlungsbemühungen aufzunehmen.
Der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld für die Zeit vom 23.06.2008 bis 03.07.2008 und vom 08.08.2008 bis 18.02.2009 scheitert auch nicht an der fehlenden Arbeitslosmeldung der Klägerin. Die Erklärung vom 23.06.2008, dass sie grundsätzlich bereit sei, sich den Vermittlungsbemühungen der Beklagten zur Verfügung zu stellen, genügte den Anforderungen an eine Arbeitslosmeldung nach § 122 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F. Die Wirkung der Meldung war nicht nach § 122 Abs. 2 SGB III a.F. erloschen, weil die Arbeitslosigkeit der Klägerin nach § 119 Abs. 1 SGB III nicht für mehr als sechs Wochen unterbrochen war.
Die Verfügbarkeit der Klägerin wurde nach dem 08.08.2008 nicht beseitigt. Insbesondere die Weigerung der Klägerin im November 2008, eine Vereinbarung zu unterzeichnen, dass sie nicht mehr verfügbar sei, beseitigte die Verfügbarkeit der Klägerin nicht. Nach dem von ihrem Prozessbevollmächtigten vorgelegten Schreiben vom 02.12.2008 weigerte die Klägerin sich ausdrücklich zu unterschreiben, dass sie den Vermittlungsbemühungen nicht zur Verfügung stehe. Damit machte sie deutlich, dass sie – soweit es ihr Gesundheitszustand zuließ – vermittelt werden wollte. Diese Erklärung genügt den Anforderungen des § 119 Abs. 5 Nr. 3 SGB III a.F. wie das SG im Ergebnis zutreffend ausgeführt hat.
Der Berufung war deshalb nur in einem geringen Teil stattzugeben und der Tenor des Urteils des SG zur Klarstellung im Hinblick auf die prozessrechtlichen Besonderheiten des Verfahrens neu zu fassen. Dabei war zu berücksichtigen, dass die Beklagte nur dem Grunde nach zur Gewährung von Arbeitslosengeld verurteilt werden kann. Die Klägerin hat nach den Akten im gesamten noch streitigen Zeitraum Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende erhalten, die – soweit sie gewährt wurden – als nachrangige Leistung nach § 107 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) den Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld erfüllt haben. Insofern kann die Klägerin die Auszahlung des Arbeitslosengelds nur insoweit verlangen als es die bereits gewährten und ausgezahlten Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende der Beklagten und des Landkreises T. übersteigt.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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