L 3 SB 2259/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 18 SB 2794/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 2259/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 13. Mai 2011 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) und der gesundheitlichen Merkmale des Merkzeichens "G" (erhebliche Gehbehinderung). Die Funktionsbeeinträchtigungen der am 26.06.1960 geborenen, deutschen Klägerin hatte das damals zuständige Versorgungsamt zuletzt mit Bescheid vom 11.02.2004 mit einem GdB von 60 seit 09.01.2004 bewertet. Am 07.02.2007 beantragte die Klägerin bei dem nunmehr zuständigen Landratsamt (LRA) die Erhöhung des GdB sowie die Feststellung der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "G". Das LRA holte ärztliche Unterlagen ein, darunter den Entlassungsbericht vom 22.06.2005 über eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme der Klägerin in der Klinik Ü. (chronische rezidivierende Cervicobrachialgien und Cer-vicocephalgien und chronische rezidivierende Lumbo¬ischial¬gien bei leichter Fehlhaltung, muskulärer Dysbalance und kleinem BSV [Band¬scheibenvorfall] L5/S1, depressiv gefärbte Be-fin¬densbeeinträchtigung mit psychosomatischem Beschwerdekomplex, Adipositas bei einem BMI [Body-Mass-Index] von 35), den Befundbericht des HNO-Arztes W. vom 02.08.2007 (Schwerhörigkeit unklaren Ausmaßes bei normalen Funktionen bei mitarbeitsunabhängiger Untersuchung) und die Stellungnahme des Augenarztes Prof. Dr. K. vom 15.08.2007 (Schwachsichtigkeit links, Visus cc 0,8 re und 0,4 li, ansonsten o.B. ). Nach Auswertung der Befundunterlagen durch den versorgungsärztlichen Dienst lehnte der Beklagte den Antrag auf Neufeststellung des GdB und Feststellung der gesundheitlichen Merkmale des Merkzeichens "G" mit Bescheid vom 11.10.2007 ab. Bei der Klägerin lägen folgende Funktionsbeeinträchtigungen vor: eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Schulter-Arm-Syndrom, Bandscheibenschaden, Nervenwurzelreizerscheinungen, chronisches Schmerzsyndrom (Teil-GdB 40); Depression, psychovegetative Störungen (Teil-GdB 30); Verlust von Gebärmutter und Eierstöcken (Teil-GdB 10); Krampfadern (Teil-GdB 10); Hämorrhoiden (Teil-GdB 10); chronische Bronchitis (Teil-GdB 10) und Sehminderung (Teil-GdB 10). Die geltend gemachten Ge¬sund¬heitsstörungen "Funktionsbehinderung beider Kniegelenke", "Harninkontinenz" und "Schwerhörigkeit" bedingten keine Funktions-beeinträchtigung bzw. keinen Einzel-GdB von wenigstens 10. Auch die Voraussetzungen zur Feststellung des Merkzeichens "G" seien nicht erfüllt. Am 14.11.2007 legte die Klägerin dagegen Widerspruch ein. Das LRA habe den auch vorliegenden "Asthma" nicht berücksichtigt. Es bestehe nämlich eine Sturzgefahr, so dass die Klägerin Angst habe, weiter als 500 m zu laufen. Sie könne auch nicht alleine Bus fahren, weil sie dabei schon hingefallen sei. Nach Einholung der Befundberichte des Orthopäden Dr. H. vom 03.01.2008 und des Lungenfacharztes Dr. V. vom 31.01.2008 (zeitweiliges Giemen, keine Lun-gen¬verschattung, normaler Atemwegswiderstand [VK (Vitalkap.) und FEV1 (Einsekunden¬kap.) 85,8 bzw. 85,3 % des Sollwerts], negative Allergietestung) wies das Landesversorgungsamt den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 01.04.2008 zurück. Es führte ergänzend aus: Die psychische Behinderung und das Schmerzsyndrom überschnitten sich. Die Lungenfunktionsprüfung habe keine wesentliche Einschränkung der Lungenfunktion ergeben. Die Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens "G" lägen nicht vor. Der orthopädische Befund vom 03.01.2008 beschreibe das Gangbild als unauffällig. Am 09.04.2008 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Sie hat erneut vorgetragen, ihr Asthma sei nicht berücksichtigt worden. Nachdem der Beklagte der Klage entgegengetreten war, hat das SG zunächst die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen: Dr. H. hat unter dem 25.06.2008 bekundet, bei der Klägerin beständen syndromhafte Beschwerden im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule (Cervicalsyndrom, Lum¬bal-syndrorn), eine dysplastische initial geprägte Coxarthrose, eine Patelladysplasie mit chondro-pa¬thisch-retro¬pa¬tellaren Reizzuständen sowie Senk-Spreiz-Füße mit statischen Beschwerden. Zwar sei ein GdB von 40 in Bezug auf die Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule korrekt. Das Fi¬bro¬myalgie¬¬syndrom müsse aber gesondert bewertet werden. Trotz der orthopädischen Beschwerden müsste die Klägerin die zu fordernde Wegstrecke von 2 km in einer halben Stunde zu Fuß zurücklegen können. Der Hautarzt und Allergologe Dr. S. hat unter dem 08.07.2008 angegeben, bei der Klägerin lägen eine Wespengiftallergie und eine Onychomykose (Nagelpilz) vor. Er teile die Auffassung des Versorgungsärztlichen Dienstes. Der Psychiater Dr. A. hat unter dem 14.10.2008 mitgeteilt, bei der Klägerin bestehe eine Angst und Depression gemischt mit zusätzlichem somatischem Beschwerdebild. Die Symptomatik könne durch die psychiatrische medikamentöse Behandlung lediglich geringfügig und unzureichend gemindert werden. Bei der Chronizität und Schwere der psychiatrischen Erkrankungen sei von einem GdB von 50 auszugehen. Chirurg Dr. E. hat am 15.12.2008 mitgeteilt, er habe die Klägerin lediglich einmalig am 11.10.2004 wegen Verdachts auf Varikosis und Ausschlusses einer Venenthrombose behandelt. Das SG hat Dr. P. mit der Erstattung eines orthopädischen Gutachtens beauftragt. In dem Gutachten vom 30.03.2009 hat dieser Sachverständige ausgeführt, bei der Klägerin beständen - jeweils mit eingeschätztem Einzel-GdB - Cervicobrachialgien mit geringer Funktionseinschränkung und heftigem muskulärem Hartspann bei leichter rechtskonvexer Fehlhaltung und multisegmentalen Bandscheiben¬protusionen (20), Lumboischialgien rechts mit linkskonvexer Torsionsskoliose 10° und erheblicher schmerzhafter Bewegungseinschränkung bei Bandscheibenvorfall L5/S1 rechts mit geringer Verlagerung der S1-Wurzel ohne akute Wurzelreizzeichen (30), ein geringgradiges retropatellares Schmerzsyndrom bei leichter Patelladysplasie rechts mehr als links (10), ein chronisches Schmerzsyndrom bei sekundärer Fibromyalgie (30), eine gering¬gra¬dige Hüftpfannendysplasie beidseits ohne funktionelle Auswirkungen (GdB unter 10) sowie Senk-Spreiz-Füße mit statischen Fußbeschwerden (unter 10). Insgesamt bedingten die orthopädischen Gesundheitsstörungen einen GdB von 40. Zwar seien nach den anzuwendenden Versorgungsmedizinischen Grundsätzen die objektivierbaren klinischen und radiologischen Veränderungen an der unteren Bewertungsskala bei einem GdB von 30 anzusiedeln. Dennoch seien Funktionsstörungen vorhanden, wie beispielsweise die Unfähigkeit, in die Hocke zu gehen, oder sich vornüber zu beugen, die eher der somatoformen Schmerzstörung zugesprochen werden müssten und bekanntermaßen schwer zu objektivieren und zu bewerten seien. So finde sich beispielsweise keine Umfangsminderung des rechten Beines, die auf einen schmerzbedingten Mindergebrauch oder eine Minderinnervation hindeuten würden. In einer Zusammenschau sei daher der GdB mit 40 einschließlich des chronischen Schmerzsyndroms ausreichend bewertet. Weder die Veränderungen auf orthopädischem noch auf nicht-orthopädischem Fachgebiet rechtfertigten eine Anerkennung des Merkzeichens "G". Danach hat das SG Dr. G. mit der Erstattung eines nervenärztlichen Gutachtens beauftragt. Diese Sachverständige hat in dem schriftlichen Gutachten vom 18.09.2009 die Diagnosen Angst und depressive Störung gemischt und somatoforme Störung gestellt. Aufgrund der chronischen Ängste und Verstimmung beständen bei der Klägerin ein Rückzugsverhalten und eine eingeschränkte soziale Kompetenz. Die psychiatrischen Erkrankungen seien leicht bis mittelschwer. Die Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit sei mäßig eingeschränkt. Im vorliegenden Fall, bei dem sowohl depressive Symptome als auch Ängste und somatoforme Symptome chronisch vorlägen, sei der GdB auf 40 einzuschätzen, auch seit Februar 2007. Unter Berücksichtigung der Behinderungen auf orthopädischem Fachgebiet mit (weiteren) Einzel-GdB von 40 bzw. 10 bestehe durch die stärkere Berücksichtigung der psychischen Erkrankungen ein Gesamt-GdB von 70. Merkzeichen zusätzlich lägen nicht vor. Die Klägerin hat weitere ärztliche Unterlagen eingereicht, darunter die Arztbriefe des Klinikums S., Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, über den stationären Aufenthalt vom 14.04.2010 bis 19.04.2010, des Internisten und Gastroenterologen Dr. M. vom 28.04.2010, einer Radiologischen Gemeinschaftspraxis vom 31.05.2010, des Neurochirurgen Dr. J. vom 02.09.2010 und der Sportklinik S. vom 14.01.2011. Mit Gerichtsbescheid vom 13.05.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule hat das SG mit einem GdB von 40 nach Teil B Nr. 18.9 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VG) bewertet. Nach dem Gutachten von Dr. P. lägen bei der Klägerin an Hals- und Lendenwirbelsäule Funktionsbeeinträchtigungen vor, mithin in zwei Wirbelsäulenabschnitten. Bei Berücksichtigung des chronischen Schmerz-syndroms bei sekundärer Fibromyalgie seien diese Funktionsbeeinträchtigungen als mittelgradig bis schwer einzustufen. Neurologische Ausfallerscheinungen, welche zusätzlich zu bewerten wären, ergäben sich weder aus dem Gutachten des Dr. P. noch aus den sonstigen vorliegenden medizinischen Befundunterlagen. Auch Dr. H. habe solche nicht beschrieben. Eine radikuläre Kompression liege nicht vor. Auch nach dem Bericht der Sportklinik Stuttgart vom 14.01.2010 bestehe nach der perkutanen Epiduralkatheterimplantation postoperativ und nach der Entfernung des Katheters ein neurologisch unauffälliger Befund. Die psychische Erkrankung sei mit einem GdB von 40 ebenfalls ausreichend bewertet. Die Klägerin leide an Angst und Depression gemischt und einer somatoformen Störung. Die Bewertung psychischer Störungen mit Einschränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit und eventuellen sozialen Anpassungsschwierigkeiten richte sich nach Teil B Nr. 3.7 VG. Nach diesen Kriterien liege bei der Klägerin eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, welche einen GdB von 40 rechtfertige, vor. Dies ergebe sich aus dem Gutachten der Dr. G ... Die Sachverständige habe ein Rückzugsverhalten und eine eingeschränkte soziale Kompetenz beschrieben. Eine schwere Störung, welche im Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung einer schweren Zwangskrankheit entspreche und mit mindestens mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten verbunden sei, lasse sich aus den erhobenen Befunden nicht ableiten. Insbesondere ergebe sich aus dem von Dr. G. erhobenen Tagesablauf, dass die Klägerin Kontakt mit früheren Kollegen, auch in der Nachbarschaft, habe und ihre Eltern in der Türkei besucht habe. Die weiteren bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen bedingten jeweils keinen GdB von mehr als 10. Auf gynäkologischem Gebiet bestehe bei der Klägerin nach dem Bericht der Radiologischen Gemeinschaftspraxis vom 26.08.2010 ein unauffälliger Scheidenstumpf nach Hys¬te¬rek¬tomie; im Adnexbereich habe sich beidseits keine Raumforderung gefunden. Die Krampfadern der Klägerin verursachten keine wesentlichen Funktionsbeeinträchtigungen. Der Bericht des Klinikums Stuttgart über den Aufenthalt vom 14.04.2010 bis 19.04.2010 halte lediglich eine Varikosis an beiden Unterschenkeln fest. Der Bericht des P.-Kranken¬hauses vom 20.11.2008 führe belastungsabhängige Schmerzen auf. Das Hämorrhoidalleiden führe bei der Klägerin nicht zu mehr als geringen funktionellen Auswirkungen. Die chronische Bronchitis sei nach den Berichten des Dr. V. vom 31.01.2008, vom 03.05.2006 und vom 13.02.2006 als leicht einzustufen. Aus den Berichten ergebe sich ein lediglich zeitweilig verstärkter Husten. Eine Ventilationsstörung sei nicht festgestellt worden. Bei der Lungenfunktionsprüfung sei eine Obstruktion nicht nachweisbar gewesen; die Volumina hätten sich im unteren Normbereich bewegt; es hätten normale Flow-Werte bestanden. Bei Restsehschärfen von 0,8 rechts und 0,4 links ergebe sich ein GdB von 10. Weitere Gesundheitsstörungen, die einen GdB von mindestens 10 bedingten, lägen bei der Klägerin nicht vor. Insgesamt, so das SG, ergebe sich ein GdB von 60. Ein Gesamt-GdB von 70, wie von Dr. G. vorgeschlagen, könne aus den führenden Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule und der seelischen Störung mit jeweils Teil-GdB von 40 nicht abgeleitet werden, da der Teil-GdB von 40 für die seelische Störung auch eine Somatisierungskomponente enthalte und die Bewertung der Funktionsbehinderung der Wirbelsäule ebenfalls die chronifizierte Schmerzsymptomatik berücksichtige und insoweit Überschneidungen vorlägen. Einen Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "G" habe die Klägerin nach den hierfür einschlägigen Vorgaben aus § 145 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) nicht. Die Klägerin könne noch ohne erhebliche Schwierigkeiten und ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurücklegen, die üblicherweise zu Fuß zurückgelegt würden. Nach den Ausführungen von Dr. H. sei die Klägerin trotz der vorliegenden Gesundheitsstörungen in der Lage, die Gehstrecke von 2 km in einer halben Stunde zu Fuß zurückzulegen, das Gangbild sei unauffällig. Auch nach dem Gutachten von Dr. P. lägen die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" nicht vor. Dr. G. habe auf neurologischem Fachgebiet keine Störungen des Ganges oder eine Einschränkung der Gehstrecke festgestellt. Nach dem Entlassungsbericht der Reha-Klinik Ü. sei die Klägerin zwar mit zwei Krücken gekommen, welche sie jedoch kaum richtig eingesetzt habe; Gehen und Stehen sei auch ohne Krücken möglich gewesen. Gegen diesen Gerichtsbescheid, der ihrem Prozessbevollmächtigten am 19.05.2011 zugestellt worden ist, hat die Klägerin am 01.06.2011 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Würt-tem¬berg eingelegt. Sie behauptet, sie könne nur ca. 500 m allein laufen. Sie trägt vor, sie leide an einer Spondylarthrose. Sie sei deswegen im Mai 2011 in der Sportklinik S. operiert worden (perkutane Radiofrequenzdenervierung medial L3 bis L5 bds.). Ferner habe sie Muskel- und Gelenkschmerzen und Oberbauchschmerzen. Sie leide an Sodbrennen, weswegen sie eine Magenspiegelung habe durchführen müssen. Die depressive Erkrankung sei stärker ausgeprägt als Dr. G. und das SG angenommen hätten. Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 13. Mai 2011 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 11. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. April 2008 zu verurteilen, bei der Klägerin einen höheren Grad der Behinderung sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Merkmale des Merkzeichens "G" festzustellen. Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Auf Antrag und Kostenrisiko der Klägerin hat der Senat das psychiatrisch-psychotherapeutische Gutachten vom 16.02.2012 bei Prof. Dr. T. eingeholt. Dieser Sachverständige hat ausgeführt, bei der Klägerin handle es sich um eine chronifizierte depressive Störung in gegenwärtig leichtgradiger Episode und eine somatoforme Schmerzstörung. Es bestehe V.a. (Verdacht auf) eine psychogene Sensibilitätsstörung der Haut. Das ängstlich-depressive Syndrom habe sich vor mehr als zehn Jahren entwickelt. Die Klägerin berichte zwar von Einschränkungen in Bezug auf Alltagsarbeiten wie Haushaltsarbeiten. Sie könne aber noch leichte Hausarbeiten wie z. B. die Essenszubereitung durchführen. Auch habe sie im vergangenen Jahr in die Türkei reisen können. Eine konsequente psychiatrische bzw. psychotherapeutische Behandlung habe nicht stattgefunden. Eine stationär-psychiatrische Behandlung werde abgelehnt. Die eher geringe Inanspruchnahme von Hilfe widerspreche den ausgeprägt geschilderten Beschwerden und verstärke den Eindruck der Aggravation. Die Behinderungen auf psychiatrischem Gebiet seien den stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit mit einem GdB von 30 bis 40 zuzuordnen. Auf Grund des chronischen Schmerzsyndroms werde der GdB auf 40 geschätzt. Unter Berücksichtigung der Behinderungen auf orthopädischem Gebiet sei der Gesamt-GdB mit 60 anzunehmen. Auf psychiatrischem Fachgebiet lasse sich keine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr nachweisen. Die Klägerin hat weitere ärztliche Unterlagen vorgelegt, auf die verwiesen wird, unter anderem über eine Kolonoskopie (Koloskopie, Darmspiegelung) am 13.02.2012 bei Dr. M. von der IKG Schwerpunktpraxis in L. Der Senat hat noch den Entlassungsbericht der Reha-Klinik Ö, Baden-Baden, vom 23.08.2011 über eine stationäre Rehabilitation der Klägerin mit Schwerpunkt Orthopädie/Rheumatologie vom 01. bis 22.08.2012 beigezogen. Darin werden die Diagnosen pseudoradikuläres LWS-Syndrom mit lumbosacraler Dysfunktion, Nucleus-Pulpusus-Prolaps an den Segmenten L5/S1, pseudoradikuläres HWS-Syndrom, Angst und Depression gemischt und somatisierte Trauer gestellt; die Klägerin wurde als vollschichtig leistungsfähig für leichte und mittelschwere Tätigkeiten als Hausfrau und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit einigen qualitativen Leistungseinschränkungen aus orthopädischen Gründen entlassen. Im Übrigen wird auf den Bericht verwiesen. Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist statthaft (§ 105 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 143 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) und auch sonst zulässig (§§ 151 ff. SGG), aber nicht begründet. Das SG hat die kombiniere Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zu Recht abgewiesen (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG). Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Feststellung eines höheren GdB als 60 oder der Voraussetzungen des Merkzeichens "G". Daher sind die angefochtenen Bescheide rechtmäßig. 1. Die rechtlichen Voraussetzungen einer Neufeststellung eines GdB nach § 69 Abs. 1 SGB IX i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) sowie der für die Ermittlung des konkreten GdB relevanten Vorgaben der VG aus der Anl. zu § 2 der nach § 30 Abs. 17 Bundesversorgungsgesetz (BVG) erlassenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2008 bzw. - bis zum 31.12.2008 - der im Wesentlichen gleichlautenden "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP)" hat das SG in dem angegriffenen Gerichtsbescheid zutreffend dargestellt. Das Gleiche gilt für die Voraussetzung der Zuerkennung des Merkzeichens "G" nach § 145 Abs. 1 SGB IX. In diesem Bereich hat das SG auch zutreffend darauf hingewiesen, dass für dieses Merkzeichen nicht die in den VG aufgestellten Grundsätze gelten, nachdem eine gesetzliche Verordnungsermächtigung hinsichtlich der Merkzeichen weder in § 30 Abs. 17 BVG noch in anderen Regelungen des BVG oder des SGB IX enthalten ist, sondern dass insoweit allein die gesetzlichen Bestimmungen und die hierzu in ständiger Rechtsprechung zulässig anzuwendenden Verwaltungsvorschriften heranzuziehen sind (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 17.12.2010, L 8 SB 6013/09 m. w. N.). Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf diese Ausführungen des SG verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG). 2. Der Gesamt-GdB der Klägerin ist mit 60 zutreffend bewertet. a) Auf orthopädischem Gebiet leidet die Klägerin an Behinderungen der Wirbelsäule. Hierfür ist ein GdB von 40 anzunehmen. Der GdB für Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule bestimmt sich nach Teil B Nr. 18.9 VG. Maßgebend sind bei Wirbelsäulenschäden in erster Linie das Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung und Wirbelsäuleninstabilität sowie aus die Anzahl der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte. Danach bedingen Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) einen GdB von 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) einen GdB von 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) einen GdB von 30, mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten einen GdB von 30 bis 40 und mit besonders schweren Auswirkungen (z. B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst [z. B. Milwaukee-Korsett] schwere Skoliose [ab ca. 70° nach Cobb]) einen GdB von 50 bis 70. Bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis hin zur Geh- und Stehunfähigkeit beträgt der GdB 80 bis 100. Anhaltende Funktionsstörungen infolge Wurzelkompressionen mit motorischen Ausfallerscheinungen - oder auch die intermittierenden Störungen bei Spinalkanalstenose - sowie Auswirkungen auf innere Organe (z. B. Atemfunktionsstörungen) sind zusätzlich zu berücksichtigen. Bei außergewöhnlichen Schmer-zen kann auch ohne nachweisbare neurologische Ausfallerscheinungen (z. B. Post¬dis¬ko¬to¬mie-syndrom) ein GdB von über 20 in Betracht kommen. Bei der Klägerin bestehen im Bereich der Halswirbelsäule und Lendenwirbelsäule mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen, mithin in zwei Wirbelsäulenabschnitten. Bei dieser Einschätzung stützt sich der Senat im Wesentlichen auf die Ausführungen des Gerichtssachverständigen Dr. P. vom 30.03.2009, die die Klägerin in der Sache nicht in Zweifel gezogen hat. Dieser Sachverständige hat im Bereich der Halswirbelsäule ausgeprägte Myogelosen des Musculus Trapezius beidseits bei freier Beweglichkeit festgestellt. Lediglich die endgradige Neigung war schmerzauslösend über dem Musculus Trapezius. Es bestand ein Druckschmerz im Bereich des cer¬vicothorakalen Übergangs über der Dornfortsatzreihe. Die Beweglichkeit der Schultergelenke war mit den angegebenen Bewegungsmaßen von 40-0-160° bei Vorwärts-/Rückwärtsbewegung, 180-0-30° bei der Seitwärts- und Körperwärtsbewegung und 90-0-45° bei Einwärts- und Auswärts¬drehung bei anliegendem Oberarm und vollständig vorführbarem Schürzen- und Nackengriff nicht eingeschränkt. Ein kräftiger Faustschluss war möglich. Lediglich bei Abduktion wurden beidseits endgradig im Achselbereich Schmerzen angegeben. Ein Faustschluss war beidseits kräftig möglich. Lediglich im Bereich des linken Armes wurden von der Klägerin diffuse Hy¬pästhe¬sien angegeben. Im Bereich der Lendenwirbelsäule hat der Gutachter einen erheblichen Klopfschmerz lumbosacral und in Bauchlage einen Druckschmerz über L4/L5 erhoben. Der Schober-Index war mit 10/12 cm eingeschränkt. Der Lasaguè war negativ. Bei Berücksichtigung des chronischen Schmerzsyndroms bei sekundärer Fibromyalgie entsprechen die vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten, welche bei besonderer Berücksichtigung des chronischen Schmerzsyndroms mit dem oberen Wert aus der für solche Beeinträchtigungen vorgesehenen GdB von 30 bis 40, mithin mit 40, bewertet werden kann. Neurologische Ausfallerscheinungen, welche zusätzlich zu bewerten wären, ergeben sich weder aus dem Gutachten des Dr. P. noch aus den sonstigen vorliegenden medizinischen Befundunterlagen. Auch der behandelnde Orthopäde Dr. H. hat solche nicht beschrieben. Vielmehr hat dieser Zeuge in seiner Aussage vom 25.06.2008 ebenfalls einen GdB von 40 für die Wirbelsäulenschäden vorgeschlagen. Er hat lediglich eine gesonderte Bewertung des aus seiner Sicht unabhängig zu beurteilenden Fibromyalgiesyndroms gefordert. Weitergehende Beschwerde ergeben sich auch nicht aus dem Bericht der Reha-Klinik Ö vom 23.08.2012. Darin werden lediglich pseudoradikuläre Sypmptome an LWS und HWS beschrieben, also ebenfalls keine echten Nervenwurzelreizerscheinungen. Die dort mitgeteilten Bewegungsmaße sind nur geringfügig eingeschränkt. Die Klägerin wurde trotz ihrer orthopädischen Beschwerden als vollschichtig leistungsfähig für den allgemeinen Arbeitsmarkt eingestuft. b) Die psychische Erkrankung der Klägerin ist mit einem GdB von 40 ebenfalls ausreichend bewertet. Auf psychiatrischem Fachgebiet besteht bei der Klägerin eine Angst und Depression gemischt sowie eine somatoforme Störung. Diese Diagnosen haben übereinstimmend die behandelnden Ärzte, vor allem der Psychiater Dr. A. in seiner Aussage vom 14.10.2008, und die beiden Sachverständigen Dr. G. (Gutachten vom 18.09.2009) und Prof. Dr. T. (Gutachten vom 16.02.2012) gestellt, wobei letzterer den depressiven Anteil der Krankheit als rezidivierend und zurzeit leichtgradig ausgeprägt beschrieben hat. Psychische Störungen mit Einschränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit und eventuellen sozialen Anpassungsschwierigkeiten sind nach Teil B Nr. 3.7 VG zu bewerten. Danach bedingen leichtere psychovegetative oder psychische Störungen einen GdB von 0 bis 20. Bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) beträgt der ¬GdB 30 bis 40, je nachdem, ob eine Tendenz zu einer schweren Störung besteht (dann 40) oder nicht (30). Liegt eine schwere Störung (z. B. schwere Zwangskrankheit) vor, so ist bei mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten ein GdB von 50 bis 70 und bei schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten eine GdB von 80 bis 100 anzusetzen. Bei der Klägerin besteht in diesem Sinne eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit. Dies ergibt sich im Wesentlichen aus den Feststellungen der beiden Sachverständigen Dr. G. und Prof. Dr. T ... Beide beschreiben ein Rückzugsverhalten und eine eingeschränkte soziale Kompetenz. Eine schwere Störung, die im Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung einer schweren Zwangskrankheit entspricht, und mit mindestens mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten verbunden ist, lässt sich dagegen aus den erhobenen Befunden nicht ableiten. Wie auch Prof. Dr. T. in dem aktuellen Gutachten ermittelt hat, verfügt die Klägerin noch über einen strukturierten Tagesablauf, sie hat Kontakt mit früheren Kollegen, auch in der Nachbarschaft. Sie war in der Lage, ihre Eltern in der Türkei zu besuchen und hierfür einen langen Flug und, wie sie gegenüber Dr. G. angegeben hatte, eine 20-stündige Busfahrt zu absolvieren. Zeitweise in der Ehe auftretende Probleme wurden damit begründet, dass der Ehemann der Klägerin wenig spreche und sehr ruhig sei. Auch dass die Klägerin eine adäquate und konsequente psychiatrische und vor allem psychotherapeutische Behandlung nicht durchführt, worauf insbesondere Prof. Dr. T. hingewiesen hat, spricht für einen geringen Leidensdruck und damit gegen stärkere Einschränkungen der Lebensführung. Die Klägerin hat zwar auch von weitreichenden Merk- und Konzentrationsstörungen berichtet. Prof. Dr. T. hat diese jedoch überzeugend als Aggravation eingestuft. So hat er zutreffend darauf hingewiesen, dass es widersprüchlich ist, wenn die Klägerin bei der ersten Untersuchung Namen und Wohnort ihrer Söhne nennen konnte, bei der Nachuntersuchung kurze Zeit später aber nicht mehr. Wenn beide Sachverständigen die psychische Störung der Klägerin mit einem GdB von 40 bewerten, dann ist dies vertretbar, es beruht aber vor allem auf der Einbeziehung der somatoformen Störung, also der Schmerzkrankheit. Insbesondere die Befunde auf psychiatrischem Fachgebiet allein, die Prof. Dr. T. erhoben hat, ließen es nicht zu, die psychische Krankheit allein, ohne Berücksichtigung der Schmerzkrankheit, mit einem GdB höher als 30 zu bewerten. Bei der Untersuchung durch Prof. Dr. T. war der depressive Anteil der Krankheit leichtgradig ausgeprägt. c) Aus diesen beiden führenden Beeinträchtigungen ist für die Klägerin ein Gesamt-GdB von 60 zu bilden. In dieser Einschätzung folgt der Senat dem orthopädischen Gutachter Dr. P. und dem zuletzt, nach § 109 SGG, gehörten Gutachter Prof. Dr. T ... Dem Vorschlag der Gutachterin Dr. G. und auch des behandelnden Orthopäden Dr. H., einen höheren GdB, etwa von 70, anzunehmen, kann der Senat dagegen nicht folgen. Liegen, wie im vorliegenden Fall, mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vor, so ist gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX der GdB entsprechend den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Gemäß Teil A Nr. 3 VG dürfen die Einzel-GdB bei der Ermittlung des GdB nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. Vielmehr ist bei der Beurteilung des Gesamt-GdB in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob, und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Dabei ist darauf abzustellen, ob und wie sich die Auswirkungen von einzelnen Beeinträchtigungen einander verstärken, überschneiden oder aber auch gänzlich voneinander unabhängig sein können. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass von Ausnahmefällen abgesehen, leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen, auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander stehen. Die GdB von 40 für die Wirbelsäule und die psychische Beeinträchtigung entsprechen beide dem jeweils höheren Spannenwert der für diese Behinderungen vorgesehenen Bewertung. Die höhere Bewertung ist in beiden Bereichen - nur - wegen der Einbeziehung der Schmerzerkrankung der Klägerin gerechtfertigt, sei es, dass diese als - psychisch bedingte - somatoforme Störung, sei es, dass sie - also somatisch, ggfs. rheumatologisch bedingte - "Fibromyalgie" eingestuft wird. Die Auswirkungen der beiden Behinderungsbereiche auf das Alltagsleben der Klägerin überschneiden sich daher erheblich. Es ist daher zwar vertretbar, den zu Grunde liegenden höchsten Einzel-GdB von 40 nicht nur um 10, sondern um 20 Punkte zu erhöhen. Eine noch höhere Bewertung scheidet dagegen aus. d) Der Senat sieht davon ab, die Schmerzerkrankung der Klägerin gesondert zu bewerten. Zwar trifft es zu, dass die Fibromyalgie bzw. somatoforme Schmerzstörung zumindest seit 2010 ein eigenständiges, grundsätzlich getrennt zu bewertendes Krankheitsbild darstellt. Die Fibro¬my¬al¬gie (ebenso wie das chronische Müdigkeitssyndrom und die multiple Chemikalienunverträglichkeit) war nach Nr. 26.18 AHP und zunächst auch noch nach Teil B Nr. 18.4 VG als "Somatisie¬rungs¬syndrom" eingestuft. Bereits damals schrieben die AHP bzw. die VG aber vor, dass diese Syndrome nach ihren "funktionellen" Auswirkungen zu beurteilen seien und nicht etwa nur nach ihren psychischen. Zu den funktionellen Auswirkungen gehörten auch nach den früheren Regelungen auch körperliche Beschwerden (vgl. Rohr/Sträßer/Dahm, BVG, Bd. III, Kommentierung zur VersMedV, Teil B, S. 108 [Stand Oktober 2010]). Auch um die Selbstständigkeit der Schmerzerkrankungen zu betonen, wurde daher durch Art. 1 Nr. 2 lit. d der Ersten Verordnung zur Änderung der VersMedV (1. VersMedV-ÄndV) vom 01.03.2010 (BGBl I S. 249) die Bezeichnung als "So¬ma¬tisie¬rungssyndrom" in Teil B Nr. 18.4 VG gestrichen. Mit dieser Änderung sollte unter anderem deutlich gemacht werden, dass das Fibromyalgie-Syndrom eine rheumatische und keine psychische Krankheit sei (BR-Drs. 891/09 S. 5).

Jedoch geben die VG - ebenso wie schon die AHP 2008 - nach wie vor keine eigenen GdB-Werte für diese Erkrankungen vor. Es kann daher dabei verbleiben, dass für die Bewertung der Fibro¬my¬al¬gie die GdB-Werte für psychische Störungen analog herangezogen werden (vgl. im Einzelnen Rohr/Sträßer/Dahm, a.a.O., S. 109 f.). Dies gilt umso mehr, als die Fibromyalgie und die ggfs. parallel bestehende psychische Erkrankung, in der Regel eine depressive Erkrankung, starke Überschneidungen in ihren Auswirkungen aufweisen.

Isoliert betrachtet wäre die Schmerzerkrankung der Klägerin nicht mit einem GdB von mehr als 20 zu bewerten. Es stehen deutlich die Folgen der depressiven Erkrankung im Vordergrund, wie z. B. Ein- und Durchschlafstörungen. Die Klägerin hat auch gegenüber Prof. Dr. T. von lokal begrenzten und auch nicht dauerhaft auftretenden Schmerzen berichtet, vor allem in den Beinen und Armen, die sie auf die orthopädischen Beeinträchtigungen zurückführt.

Würde man die Schmerzerkrankung in diesem Sinne mit einem GdB von 20 bewerten, so müssten konsequenterweise die Beeinträchtigungen der Psyche und der Wirbelsäule jeweils einen GdB von nur 30 bedingen, nachdem die dort angenommenen GdB von 40 jeweils auf der Einbeziehung der Schmerzkrankheit beruhten. An der Gesamt-GdB-Bildung würde sich dann nichts ändern. Nur der Gesamt-GdB ist aber Gegenstand des Rechtsstreits, nur auf seine Feststellung hat der behinderte Mensch einen Anspruch. e) Weitere Erkrankungen, die einen GdB von mehr als 10 bedingten, liegen bei der Klägerin nicht vor. Die Gesundheitsstörungen der weiblichen Geschlechtsorgane sind mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten. Gesundheitsstörungen der weiblichen Geschlechtsorgane werden nach Teil B Nr. 14 VG bewertet. Nach Teil B Nr. 14.2 VG bedingt ein Verlust der Gebärmutter und/oder Sterilität keinen GdB. Der Verlust oder Ausfall beider Eierstöcke, ohne Kinderwunsch und ohne wesentliche Auswirkung auf den Hormonhaushalt - immer in der Postmenopause - rechtfertigt nach Teil B Nr. 14.3 VG einen GdB von 10. Anhaltspunkte für das Vorliegen von Funktionsbeeinträchtigungen, die einen höheren GdB als 10 rechtfertigen, bestehen vorliegend nicht. Nach dem Bericht der Radiologischen Gemeinschaftspraxis vom 26.08.2010 bestand ein unauffälliger Scheidenstumpf nach Hysterektomie; im Adnexbereich fand sich beidseits keine Raumforderung. Entsprechende Funktionsbeeinträchtigungen wurden von der Klägerin auch nicht geltend gemacht. Das bei der Klägerin bestehende Krampfaderleiden ist mit einem GdB von 10 ebenfalls ausreichend bewertet. Nach Teil B Nr. 9.2.3 VG bedingen unkomplizierte Krampfadern keinen GdB. Eine chronisch-venöse Insuffizienz (z. B. bei Krampfadern) bzw. ein postthrombotisches Syndrom ein- oder beidseitig rechtfertigt bei geringem belastungsabhängigem Ödem, nicht ulzerösen Hautveränderungen, ohne wesentliche Stauungsbeschwerden einen GdB von 0 bis 10, mit erheblicher Ödembildung, häufig rezidivierenden Entzündungen einen GdB von 20 bis 30 und mit chronischen rezidivierenden Geschwüren, je nach Ausdehnung und Häufigkeit einen GdB von 30 bis 50. Anhaltspunkte für wesentliche Funktionsbeeinträchtigungen aufgrund der Krampfadern ergeben sich aus den vorliegenden Befundunterlagen nicht. Im Bericht des Klinikums Stuttgart über den Aufenthalt vom 14.04.2010 bis 19.04.2010 ist lediglich eine Varikosis an beiden Unterschenkeln festgehalten. In dem Bericht des P.-Krankenhauses vom 20.11.2008 sind belastungsabhängige Schmerzen aufgeführt. Daraus, dass nach dem Bericht eine Krampfaderoperation stattgefunden hat, lässt sich ein höherer Teil-GdB als 10 nicht ableiten. Das Hämorrhoidalleiden bedingt keinen höheren GdB als 10. Nach Teil B Nr. 10.2.4 VG bedingen Hämorrhoiden ohne erhebliche Beschwerden und mit nur geringer Blutungsneigung einen GdB von 0 bis 10, mit häufigen rezidivierenden Entzündungen, Thrombosierungen oder stärkeren Blutungen einen GdB von 20. Mehr als geringe funktionelle Auswirkungen aufgrund der Hämorrhoiden ergeben sich aus den vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht und wurden von der Klägerin auch nicht geltend gemacht. Die chronische Bronchitis rechtfertigt keinen höheren GdB als 10. Nach Teil B Nr. 8.2 VG führt eine chronische Bronchitis als eigenständige Krankheit - ohne dauernde Einschränkung der Lungenfunktion - in leichter Form (symptomfreie Intervalle über mehrere Monate, wenig Husten, geringer Auswurf) zu einem GdB von 0 bis 10, in schwerer Form (fast kontinuierlich ausgiebiger Husten und Auswurf, häufige akute Schübe) zu einem GdB von 20 bis 30. Nach den vorliegenden Berichten des Dr. V. besteht bei der Klägerin lediglich eine leichte Form der chronischen Bronchitis. Aus den Berichten ergibt sich ein lediglich zeitweilig verstärkter Husten. Eine Ventilationsstörung wurde nicht festgestellt. Im Schreiben vom 31.01.2008 hat Dr. V. zeitweilig giemende und brummende Nebengeräusche, einen normalen Atemwegswiderstand und eine sich im Normbereich bewegende Lungenfunktion bestätigt. Die Sehminderung ist ebenfalls mit einem GdB von 10 zu bewerten. Nach Teil B Nr. 4.3 VG umfasst die augenärztliche Untersuchung die Prüfung der einäugigen und beidäugigen Sehschärfe. Sind die Ergebnisse beider Prüfungsarten unterschiedlich, so ist bei der Bewertung die beidäugige Sehschärfe als Sehschärfewert des besseren Auges anzusetzen. Nach den Angaben von Prof. Dr. K. gegenüber dem LRA unter dem 15.08.2007 besteht bei der Klägerin keine Sehbehinderung. Die Sehschärfe mit Brille beträgt hinsichtlich des besseren, rechten Auges 0,8, hinsichtlich des linken Auges 0,4. Nach der Tabelle der DOG zu Teil B Nr. 4.3 VG ergibt sich aufgrund der bei der Klägerin danach vorliegenden Restsehschärfe ein GdB von 10. Weitere Gesundheitsstörungen, die einen GdB von mindestens 10 bedingen, liegen nicht vor. Die Beschwerden im Bereich der Kniegelenke rechtfertigen keinen GdB von 10. Nach dem Gutachten des Dr. P. liegt bei der Klägerin ein geringgradig retropatellares Schmerzsyndrom bei leichter Patelladysplasie rechts mehr als links vor. Die Beweglichkeit der Kniegelenke war mit 120-0-10° Flexion/Extension im Bereich beider Kniegelenke nicht eingeschränkt. Ausgeprägte Knorpelschäden der Kniegelenke mit anhaltenden Reizerscheinungen, die nach Teil B Nr. 18.14 VG einen GdB von mindestens 10 rechtfertigen könnten, ergeben sich daraus nicht. Die Erkrankung im Bereich der Hüfte in Form der Hüftpfannendysplasie bedingt ebenfalls keinen GdB von 10. Funktionelle Auswirkungen hat Dr. P. nicht festgestellt. Dies ist nach den erhobenen Befunden schlüssig. Im Bereich der Hüftgelenke fand sich kein Stauchungsschmerz, die Beweglichkeit war nach den von Dr. P. angegebenen Bewegungsmaßen nicht eingeschränkt. Auch aus sonstigen Befundunterlagen ergeben sich keine Funktionsbeeinträchtigungen aufgrund der Erkrankung im Bereich der Hüftgelenke. Eine dauerhafte Gesundheitsstörung im Bereich der Verdauungsorgane ergibt sich nicht. Dies hatte bereits Dr. M. in seinem Bericht vom 28.04.2010 ausgeführt. Etwas anderes folgt auch nicht aus seinem aktuellen Bericht über die Kolonoskopie vom 13.02.2012. Dort hat Dr. M. angegeben, er habe eine Knospe ent¬fernt und Teile des Darms seien nicht adäquat beurteilbar gewesen. Funktionsbeeinträchtigungen hat er nicht genannt. f) Da demnach keine weiteren GdB von wenigstens 20 bei der Klägerin vorliegen, verbleibt es bei dem Gesamt-GdB von 60 auf Grund der orthopädischen und der psychischen Erkrankungen einschließlich der Schmerzerkrankung. 3. Ein Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des Merkzeichens "G" steht der Klägerin ebenfalls nicht zu. Die Klägerin ist noch in der Lage, ohne erhebliche Schwierigkeiten und ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen, die üblicherweise zu Fuß zurückgelegt werden. Dies ergibt sich aus der sachverständigen Zeugenaussage des Dr. H. sowie den eingeholten Gutachten und den vorliegenden Befundunterlagen. Nach den Ausführungen des Dr. H. ist die Klägerin trotz der vorliegenden Gesundheitsstörungen in der Lage, die Gehstrecke von 2 km in einer halben Stunde zu Fuß zurückzulegen. Auch nach dem Gutachten des Dr. P. liegen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" nicht vor. Dr. G. und auch Prof. Dr. T. haben auf neurologischem Fachgebiet keine Störungen des Ganges oder eine Einschränkung der Gehstrecke festgestellt. 4. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG. 5. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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