Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 13 AL 2049/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 367/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 3. Januar 2011 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld in der Zeit vom 1. Februar 2010 bis 29. Mai 2010 wegen Erhalts einer Entlassungsentschädigung geruht hat.
Die 1952 geborene Klägerin war seit 1. Februar 1995 bei der Bibliographisches Institut AG (im Folgenden Arbeitgeberin) als Sachbearbeiterin im Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zuletzt in Teilzeit mit 22 Wochenstunden versicherungspflichtig beschäftigt. Grundlage des Arbeitsverhältnisses war der Anstellungsvertrag vom 3. Mai 1995, geändert durch Anstellungsänderungsvertrag vom 4. Juni 2007. Im Anstellungsvertrag wurde u. a. vereinbart, dass beiderseits eine Kündigungsfrist von 6 Wochen zum Quartalsschluss gelte (§ 10 Beendigung des Arbeitsverhältnisses/Kündigung), ergänzend die Tarifverträge für die Arbeitnehmer/-innen des herstellenden Buchhandels in Baden-Württemberg Anwendung finden sollten (§ 3 Tarife), die Unwirksamkeit einzelner Bestimmungen die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen nicht berühre (§ 11 Sonstige Vereinbarungen). Im Anstellungsänderungsvertrag vom 4. Juni 2007 wurde neben Änderungen bezüglich der Arbeitszeit und der Vergütung (Ziffern 1 und 2) u.a. vereinbart, dass im Übrigen die Regelungen des Anstellungsvertrags ihre Gültigkeit behalten und ergänzend die Bestimmungen des Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer/innen des herstellenden Buchhandels in Baden-Württemberg in der Fassung vom 19. September 2005 (MTV) Anwendung finden sollten (Ziffer 3). Nach § 17 Nr. 2 MTV beträgt die für den Arbeitgeber maßgebliche Kündigungsfrist bei Arbeitnehmern mit einer Beschäftigungsdauer von zwölf Jahren sechs Monate jeweils zum Schluss eines Kalendervierteljahres. Nach § 17 Nr. 7 Abs. 1 Satz 1 MTV kann Arbeitnehmern/-innen, die das 53. Lebensjahr, aber noch nicht das 65. Lebensjahr vollendet haben und dem Betrieb, Unternehmen oder Konzern 9 Jahre angehören, nur aus wichtigem Grund gekündigt werden. Die tarifliche Alterssicherung gilt nach § 17 Nr. 7 Abs. 3 MTV nicht bei Kündigungen wegen Betriebsänderungen nach § 111 BetrVG, unabhängig vom Bestehen eines Betriebsrats, sofern im Betrieb/Unternehmen/Konzern kein zumutbarer Arbeitsplatz vorhanden ist oder wenn ein solcher angeboten und von dem/der Arbeitnehmer/-in abgelehnt wurde. In § 18 MTV befinden sich Regelungen über zu leistende Abfindungen bei Kündigungen aus betriebsbedingten Gründen.
Im Jahr 2009 übernahm der Medienkonzern B. den B. Verlag. Im Hinblick darauf nahm die Arbeitgeberin umfangreiche Umstrukturierungen vor, bei denen der Arbeitsplatz der Klägerin weggefallen ist. Anlässlich dieser Betriebsänderung schloss die Arbeitgeberin mit dem Betriebsrat am 29. Mai 2009 eine Betriebsvereinbarung über das freiwillige Ausscheiden von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auf der Grundlage von Aufhebungsverträgen und vereinbarte am 26. Juni 2009 einen Interessenausgleich sowie einen gesonderten Sozialplan gemäß §§ 111,112 BetrVG. Die Klägerin und ihre Arbeitgeberin vereinbarten am 19. Juni 2009 die einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Januar 2010. Im Rahmen der Betriebsänderung entfalle der Arbeitsplatz der Klägerin. Nach Maßgabe der Betriebsvereinbarung erhalte die Klägerin im Austrittsmonat eine einmalige Abfindung von 26.040,91 Euro brutto. Die Abfindung werde auf eine etwaige durch Sozialplan oder Tarifvertrag geregelte Abfindung angerechnet. Sollte bis zum Austritt zwischen Betriebsrat und Geschäftsleitung ein Sozialplan vereinbart werden, der für die Klägerin bessere Konditionen vorsehe, vereinbarten die Vertragsparteien, gelte die Sozialplanregelung. Im Sozialplan ist u.a. geregelt, dass Arbeitnehmer, die nach Abschluss des Sozialplans als Folge der Betriebsänderung aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung oder eines durch den Verlag aus betrieblichen Gründen veranlassten Aufhebungsvertrags ausscheiden (Entlassung), eine Sozialplanabfindung erhalten, welche sich anhand der Formel ?Faktor x Betriebszugehörigkeit = Anzahl der Bruttomonatsgehälter? berechne. Der Faktor sei abhängig vom Lebensalter und betrage für Arbeitnehmer ab dem vollendeten 45. Lebensjahr 1. Außerdem erhalte jeder Arbeitnehmer einen Grundbetrag von 2.500 Euro brutto. Auf dieser Grundlage erhielt die Klägerin eine Abfindung von 26.045 Euro.
Die Klägerin meldete sich nach persönlicher Arbeitsuchendmeldung am 1. Oktober 2009 am 7. Januar 2010 mit Wirkung zum 1. Februar 2010 arbeitslos. Sie gab an, das Beschäftigungsverhältnis sei beendet worden, weil B. an B. verkauft worden sei, deshalb diverse Entlassungen und Umstrukturierungen im Verlag erfolgt seien, die Presseabteilung aufgelöst worden sei. In der Arbeitsbescheinigung gab die Arbeitgeberin an, ohne Aufhebungsvertrag hätte sie das Arbeitsverhältnis zum gleichen Zeitpunkt durch betriebsbedingte Kündigung beendet. Die Entschädigung wäre auch bei einer arbeitgeberseitigen Kündigung gezahlt worden. Die Dauer der Betriebszugehörigkeit der Klägerin sei 15 Jahre, die maßgebliche Kündigungsfrist der Arbeitgeberin hätte 6 Monate zum Ende des Vierteljahres betragen. Die ordentliche Kündigung wäre (tarif-)vertraglich nur bei einer Abfindung, Entschädigung oder ähnlichen Leistungen zulässig gewesen. Es hätten nicht gleichzeitig die Voraussetzungen für eine fristgebundene Kündigung aus wichtigem Grund vorgelegen und diese wären auch nicht ohne besondere (tarif)vertragliche Kündigungsregelung gegeben gewesen.
Mit Bescheid vom 10. Februar 2010 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie für die Zeit vom 1. Februar bis 29. Mai 2010 keine Leistungen erhalten könne. Der Anspruch ruhe, da sie wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Leistung von 26.045 Euro erhalten oder zu beanspruchen habe. Die Arbeitgeberin habe nur bei Zahlung einer Abfindung ordentlich kündigen dürfen. Daher werde die Klägerin so behandelt, als hätte sie eine Kündigungsfrist von 12 Monaten. Diese Frist sei nicht eingehalten. Leistungen könne sie daher erst nach dem Ruhenszeitraum erhalten. Der Ruhenszeitraum errechne sich aus 25 Prozent der Arbeitgeberleistung. Der sich so ergebende Betrag werde durch das kalendertägliche Arbeitsentgelt geteilt. Hieraus ergebe sich die Zahl der Ruhenstage. Der Leistungsanspruch ruhe bis 29. Mai 2010. Die Entscheidung beruhe auf § 143 a SGB III. Solange der Anspruch ruhe, sei die Klägerin nicht durch die Beklagte kranken- und pflegeversichert. Mit Bescheid vom 11. Februar 2010 bewilligte die Beklagte Arbeitslosengeld ab 1. Februar 2010 mit einer Anspruchsdauer von 720 Tagen. Der Leistungsbetrag für die Zeit vom 1. Februar 2010 bis 29. Mai 2010 sei 0 Euro, in diesem Zeitraum stehe keine Leistung zu wegen der Entlassungsentschädigung, § 143a SGB III. In der Zeit vom 30. Mai 2010 bis 28. Mai 2012 belaufe sich der tägliche Leistungsbetrag unter Zugrundelegung eines täglichen Arbeitsentgelts von 54,94 Euro auf 17,67 Euro.
Mit ihrem Widerspruch gegen die Bescheide hinsichtlich des Ruhens des Arbeitslosengeldanspruches trug die Klägerin vor, die Beklagte berufe sich zu Unrecht auf § 143a Abs. 1 Satz 4 SGB III. Diese Vorschrift betreffe nur Arbeitsverhältnisse, die seitens des Arbeitgebers nur unter Zahlung einer Abfindung ordentlich gekündigt werden könnten. Die Zahlung einer Abfindung müsse Bedingung dafür sein, dass überhaupt ordentlich gekündigt werden könne. Dies sei vorliegend gerade nicht der Fall. Auf § 18 MTV, wonach bei betriebsbedingten Kündigungen Abfindungen zu zahlen seien, sei § 143a SGB III gar nicht anwendbar. Im Übrigen sei § 18 MTV vorliegend nicht Grundlage der Abfindung, sondern allein die mit dem Betriebsrat geschlossenen Betriebsvereinbarungen. Nur wenn der MTV Anwendung gefunden hätte, hätte die Abfindung die vom Gesetzgeber gewollte Ausgleichsleistung für den Verlust des Arbeitsplatzes dargestellt. Vorliegend handle es sich bei der Ausgleichsleistung um eine Leistung des Arbeitgebers nach §§ 111 ff. BetrVG, keinesfalls stelle die Zahlung eine Bedingung dar, ohne deren Einhaltung eine betriebsbedingte Kündigung unzulässig wäre.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Mai 2010 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Arbeitgeber habe ausdrücklich bestätigt, dass der Klägerin nur bei Zahlung einer Entlassungsentschädigung habe ordentlich gekündigt werden können. Bei Einhaltung der Kündigungsfrist von einem Jahr hätte das Arbeitsverhältnis am 19. Juni 2010 geendet. Das Arbeitsverhältnis sei vorzeitig beendet worden. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruhe deshalb vom Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tag, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist geendet hätte, längstens für 1 Jahr. § 143a Abs. 2 Sätze 2 und 3 SGB III könnten diesen Zeitraum verkürzen, weil die Entlassungsentschädigung nicht voll, sondern nur anteilig berücksichtigt werde. Der Anteil betrage höchstens 60 Prozent, mindestens aber 25 Prozent der Entlassungsentschädigung und verringere sich um 5 Prozent je 5 Jahre des Arbeitsverhältnisses im selben Betrieb und 5 Prozent je 5 Jahre nach Vollendung des 35. Lebensjahres. Da die Klägerin am Ende des Arbeitsverhältnisses 58 Jahre alt und 15 Jahre im Betrieb gewesen sei, werde die Entschädigung nur zu 25 Prozent entsprechend 6.511,25 Euro berücksichtigt. Dieser Betrag sei dem kalendertäglichen Arbeitsentgelt von 54,99 Euro gegenüber zustellen. Der Anteil der Entlassungsentschädigung entspreche folglich einem Entgelt für 118 Tage. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruhe daher bis 29. Mai 2010. Auf die Gründe, aus denen das Arbeitsverhältnis beendet worden sei, komme es nach dem Willen des Gesetzgebers nicht an.
Hiergegen hat die Klägerin am 7. Juni 2010 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Sie habe den Aufhebungsvertrag unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist geschlossen. Als beiderseitige Kündigungsfrist seien im Anstellungsvertrag sechs Wochen zum Quartalsschluss vereinbart gewesen. Der Aufhebungsvertrag sei mit der Maßgabe zustande gekommen, dass als Beendigungszeitpunkt der 31. Januar 2010 vereinbart worden sei. Damit sei zudem die für Arbeitgeber verlängerte gesetzliche Kündigungsfrist gemäß § 622 Nr. 6 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) von sechs Monaten zum Ende eines Kalendermonats ordnungsgemäß eingehalten.
Mit Gerichtsbescheid vom 3. Januar 2011 hat das SG unter Abänderung des Bescheides vom 11. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 20120 die Beklagte verpflichtet, der Klägerin dem Grunde nach Arbeitslosengeld ab dem 1. Februar 2010 zu gewähren. Den Bescheid vom 10. Februar 2010 hat das SG aufgehoben. Der Klägerin stehe Arbeitslosengeld ab dem 1. Februar 2010 zu. § 143a Abs. 1 Satz 1 SGB III finde keine Anwendung, wenn das Arbeitsverhältnis mit einer der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechenden Frist beendet werde. Vorliegend sei die ordentliche Kündigungsfrist von 6 Wochen nach § 10 des Anstellungsvertrags eingehalten. Daher finde § 143a SGB III hier keine Anwendung. Die vorliegende Fallkonstellation lasse sich auch nicht unter § 143a Abs. 1 Satz 4 SGB III subsumieren. Diese Norm regle den Fall, dass nur bei Zahlung einer Entlassungsentschädigung ordentlich gekündigt werden könne. Dann gelte eine Kündigungsfrist von einem Jahr. Unter Berücksichtigung der Gesetzesbegründung zur weitgehend inhaltsgleichen Vorgängerregelung (BT-Dr. 9/846 S. 44) finde § 143a Abs. 1 Satz 4 SGB III nur Anwendung, wenn ein vertraglicher Ausschluss einer ordentlichen Kündigung im Wege der Entschädigungszahlung durchbrochen werde. So verhalte es sich vorliegend aber nicht. Dass § 18 MTV für den Fall der betriebsbedingten Kündigung eine Abfindung vorsehe, ändere hieran nichts.
Hiergegen richtet sich die am 25. Januar 2011 eingelegte Berufung der Beklagten. Durch den Aufhebungsvertrag sei entgegen der Auffassung des SG gerade nicht die ordentliche Kündigungsfrist eingehalten. Hier trete § 143a Abs. 1 Satz 4 SGB III an die Stelle möglicher arbeitsvertraglich festgelegter Kündigungsfristen. Die rechtliche Grundlage für die Abfindung sei unerheblich (BSG, Urteil vom 19. Dezember 2001 - B 11 AL 53/01 R -). Es genüge somit, dass diese Abfindung aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung zu zahlen sei, wie vorliegend. Der Klägerin habe nur bei Zahlung einer Abfindung ordentlich gekündigt werden können. Somit gelte die fiktive Kündigungsfrist von 1 Jahr. Diese sei nicht eingehalten worden.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 5. Januar 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie verweist auf den Vortrag in erster Instanz sowie die aus ihrer Sicht zutreffenden Ausführungen des SG im angegriffenen Gerichtsbescheid.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verfahrensakten beider Rechtszüge sowie der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.
Die form- und fristgerecht (§ 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) eingelegte Berufung ist angesichts des über 750 Euro liegenden Beschwerdegegenstandes statthaft (§ 143 SGG) und insgesamt zulässig. Sie ist auch in der Sache begründet. Die Bescheide der Beklagten vom 10. und 11. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2010 sind rechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosengeld bereits ab 1. Februar 2010, die Beklagte hat zu Recht festgestellt, dass der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld in der Zeit vom 1. Februar 2010 bis 29. Mai 2010 ruht. Daher ist der der Klage stattgebende Gerichtsbescheid des SG aufzuheben.
Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, ist Streitgegenstand der Ruhensbescheid vom 10. Februar 2010 sowie der Bewilligungsbescheid vom 11. Februar 2010, soweit die Beklagte darin Arbeitslosengeld erst ab 30. Mai 2010 bewilligt hat, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Mai 2010. Beide Bescheide bilden insoweit eine rechtliche Einheit. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig, aber unbegründet.
Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit haben nach §§ 117 Abs. 1 Nr. 1, 118 Abs. 1 SGB III Arbeitslose, die arbeitslos sind, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet haben und die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin in der Zeit vom 1. Februar 2010 bis 29. Mai 2010. Gleichwohl hat sie in diesem Zeitraum keinen Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosengeld, weil ihr Anspruch in dieser Zeit ruht.
Nach § 143a Abs. 1 Satz 1 SGB III in der bis 31. März 2012 geltenden Fassung ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld, wenn der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung (Entlassungsentschädigung) erhalten oder zu beanspruchen hat und das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden ist. Der Anspruch ruht von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tage, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung dieser Frist geendet hätte. Diese Frist beginnt nach Satz 2 mit der Kündigung, die der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorausgegangen ist, bei Fehlen einer solchen Kündigung mit dem Tage der Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Ist die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber ausgeschlossen, so gilt gemäß Satz 3 bei 1. zeitlich unbegrenztem Ausschluss eine Kündigungsfrist von 18 Monaten, 2. zeitlich begrenztem Ausschluss oder bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine fristgebundene Kündigung aus wichtigem Grund die Kündigungsfrist, die ohne den Ausschluss der ordentlichen Kündigung maßgebend gewesen wäre. Kann dem Arbeitnehmer nur bei Zahlung einer Entlassungsentschädigung ordentlich gekündigt werden, so gilt nach Satz 4 eine Kündigungsfrist von einem Jahr. Nach Abs. 2 der Regelung ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld nach Absatz 1 längstens ein Jahr. Er ruht nicht über den Tag hinaus, 1. bis zu dem der Arbeitslose bei Weiterzahlung des während der letzten Beschäftigungszeit kalendertäglich verdienten Arbeitsentgelts einen Betrag in Höhe von sechzig Prozent der nach Absatz 1 zu berücksichtigenden Entlassungsentschädigung als Arbeitsentgelt verdient hätte, 2. an dem das Arbeitsverhältnis infolge einer Befristung, die unabhängig von der Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestanden hat, geendet hätte oder 3. an dem der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grunde ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist hätte kündigen können. Der nach Satz 2 Nr. 1 zu berücksichtigende Anteil der Entlassungsentschädigung vermindert sich sowohl für je fünf Jahre des Arbeitsverhältnisses in demselben Betrieb oder Unternehmen als auch für je fünf Lebensjahre nach Vollendung des fünfunddreißigsten Lebensjahres um je fünf Prozent; er beträgt nicht weniger als fünfundzwanzig Prozent der nach Absatz 1 zu berücksichtigenden Entlassungsentschädigung. Letzte Beschäftigungszeit sind die am Tag des Ausscheidens aus dem Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der letzten zwölf Monate; § 130 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 3 gilt entsprechend. Arbeitsentgeltkürzungen infolge von Krankheit, Kurzarbeit, Arbeitsausfall oder Arbeitsversäumnis bleiben außer Betracht.
Vorliegend ruht der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld in der Zeit vom 1. Februar 2010 bis 29. Mai 2010 (hierzu unter c.), weil sie wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Entlassungsentschädigung erhalten hat (hierzu unter a.) und das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden ist (hierzu unter b.).
a. Die Klägerin hat aufgrund des mit der Arbeitgeberin geschlossenen Aufhebungsvertrags in Verbindung mit der Betriebsvereinbarung, dem Interessenausgleich und dem Sozialplan anlässlich der bei der Arbeitgeberin eingetretenen Betriebsänderung eine Abfindung in Höhe 26.045 Euro erhalten. Die Abfindung wurde wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährt und stellt eine Entlassungsentschädigung im Sinne des § 143a Abs. 1 SGB III dar.
b. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin wurde auch vorzeitig beendet.
Insoweit nicht allein einschlägig ist die Regelung des § 143a Abs. 1 Satz 1 SGB III. Denn das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist beendet worden. Maßgeblich ist insoweit allerdings entgegen der Annahme des SG nicht die im Anstellungsvertrag vom 3. Mai 1995 vereinbarte Frist von sechs Wochen zum Quartalsschluss. Einschlägig ist vielmehr die in § 17 Ziffer 2 MTV geregelte Frist von sechs Monaten zum Ende eines Vierteljahres (siehe unten). Aber auch diese ist vorliegend eingehalten durch die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses durch Vertrag vom 19. Juni 2009 mit Wirkung zum 31. Januar 2010.
Es liegt aber eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Sinne des § 143a Abs. 1 Satz 4 SGB III vor. Der Klägerin konnte nur bei Zahlung einer Entlassungsentschädigung ordentlich gekündigt werden.
aa. Die ordentliche Kündigung der Klägerin war grundsätzlich ausgeschlossen.
Zwar sieht der Anstellungsvertrag vom 3. Mai 1995 und der Anstellungsänderungsvertrag vom 4. Juni 2007 einen solchen Ausschluss nicht vor, die arbeitsvertraglichen Regelungen in Bezug auf die Kündigungsmöglichkeiten finden vorliegend aber keine Anwendung, da sie unwirksam sind.
Der Anstellungsvertrag sieht in § 10 eine Kündigungsmöglichkeit für beide Seiten mit einer Frist von 6 Wochen zum Quartalsschluss vor. Der Anstellungsänderungsvertrag vom 4. Juni 2007 enthält hierzu keine Änderungen. Die Regelung in § 10 des Anstellungsvertrags zur Kündigungsfrist des Arbeitgebers ist wegen Verstoßes gegen § 622 BGB unwirksam. § 622 Abs. 2 Nr. 6 BGB sieht bei der Betriebszugehörigkeit eines Arbeitnehmers von - wie vorliegend - 15 Jahren eine verlängerte Kündigungsfrist des Arbeitgebers von sechs Monaten zum Ende eines Kalendermonats vor. Diese Regelung ist zwingend mit der Folge der Unwirksamkeit der hiervon zum Nachteil der Klägerin abweichenden Vereinbarung in § 10 des Anstellungsvertrages.
Nachdem der Anstellungsvertrag insoweit keine (wirksame) Regelung zu den Kündigungsmöglichkeiten beinhaltet, ist diese Lücke aufgrund der Bezugnahme hierauf in § 3 des Anstellungsvertrages und Ziffer 3 des Änderungsanstellungsvertrages durch die tarifvertragliche Regelung im MTV zu schließen. Dieser sieht grundsätzlich in § 17 Nr. 2 MTV bei einer Betriebszugehörigkeit von 15 Jahren - wie im Falle der Klägerin - eine Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Ende eines Vierteljahres vor.
Die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung unter Einhaltung dieser verlängerten Kündigungsfrist wird jedoch gemäß § 17 Nr. 7 Abs. 1 MTV grundsätzlich ausgeschlossen für ältere Arbeitnehmer mit einer längeren Betriebszugehörigkeit. Danach kann Arbeitnehmer/-innen, die das 53. Lebensjahr, aber noch nicht das 65. Lebensjahr, vollendet haben und dem Betrieb, Unternehmen oder dem Konzern 9 Jahre anhören, nur aus wichtigem Grund gekündigt werden. Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin angesichts ihres Lebensalters von 58 Jahren und einer Betriebszugehörigkeit von 15 Jahren zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
bb. Die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung war vorliegend lediglich aufgrund der erfolgten Betriebsänderung bei Zahlung einer Sozialplanabfindung (wieder) eröffnet.
Der grundsätzliche Ausschluss der ordentlichen Kündigung in § 17 Nr. 7 Abs. 1 MTV wird durch die weiteren Absätze dieser Regelung unter bestimmten Voraussetzungen wieder eingeschränkt. Nach Abs. 3 gilt der Ausschluss nicht bei Kündigungen wegen Betriebsänderungen nach § 111 BetrVG, sofern im Betrieb/Unternehmen/Konzern kein zumutbarer Arbeitsplatz vorhanden ist oder wenn ein solcher angeboten und von dem/der Arbeitnehmer/-in abgelehnt wurde.
Diese Einschränkung greift vorliegend ein. Es erfolgte eine Betriebsänderung nach § 111 BetrVG. Der Arbeitsplatz der Klägerin ist dadurch weggefallen, ein anderer zumutbarer Arbeitsplatz war nicht vorhanden. Dies haben die Arbeitgeberin und die Klägerin übereinstimmend angegeben. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, an diesen Angaben zu zweifeln. Damit wurde im Fall der Klägern die grundsätzlich durch § 17 Nr. 7 Abs. 1 MTV ausgeschlossene Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung über die Regelung des § 17 Nr. 7 Abs. 3 MTV wieder eröffnet. Die Kündigung war nur mit einer Sozialplanabfindung möglich und damit nur bei Zahlung einer Entlassungsentschädigung im Sinne des § 143a Abs. 1 Satz 1, Satz 4 SGB III. Die erfolgte Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG erforderte einen Sozialplan im Sinne des § 112 BetrVG. Nach dem von der Arbeitgeberin mit dem Betriebsrat auf dieser Grundlage vereinbarten Sozialplan erhielt jeder betroffene Arbeitnehmer eine Sozialplanabfindung. Die Klägerin ist betroffene Arbeitnehmerin. D.h. eine ordentliche Kündigung aus betriebsbedingten Gründen als Folge der Betriebsänderung ohne Abfindung wäre im Falle der Klägerin nicht möglich gewesen.
Kann - wie vorliegend- einem Arbeitnehmer auf Grund einer tarifvertraglichen Regelung nur noch bei Vorliegen einer Betriebsänderung ordentlich gekündigt werden, und ist auf Grund der konkreten Verhältnisse in dem betroffenen Betrieb bei einer Betriebsänderung die Aufstellung eines Sozialplans erforderlich, so führt auch die danach im Sozialplan vereinbarte Entlassungsentschädigung zum Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld, wenn die arbeitsförderungsrechtlich vorgesehenen fiktiven Kündigungsfristen nicht eingehalten worden sind (BSG, Urteil vom 9. Februar 2006 - B 7a AL 44/05 R - BSGE 96, 64 = SozR 4-4300 § 143a Nr. 1). Die vorliegende Regelung in § 17 Nr. 7 Abs. 3 MTV, die die Aufhebung des Sonderkündigungsschutzes aus § 17 Nr. 7 Abs. 1 MTV bei Kündigungen wegen Betriebsänderungen nach § 111 BetrVG bei Fehlen eines zumutbaren Arbeitsplatzes ermöglicht, ist einer tarifvertraglichen Regelung vergleichbar, die den Wiedereintritt in die ordentliche Kündbarkeit an das ?Vorliegen eines für den betroffenen Arbeitnehmer geltenden Sozialplans? knüpft (vgl. BSG, Urteil vom 29. Januar 2001 - B 7 AL 62/99 R - BSGE 87, 250 = SozR 3-4100 § 117 Nr. 22 und vom 9. Februar 2006, a.a.O.). Deshalb ist die Klägerin ebenso zu behandeln wie ein Arbeitnehmer, dem nur noch bei Vorliegen eines Sozialplans gekündigt werden kann.
Damit liegen zu Lasten der Klägerin die Voraussetzungen des § 143a Abs. 1 Satz 4 SGB III vor mit der Folge, dass für sie die fiktive gesetzliche Kündigungsfrist von einem Jahr gilt.
cc. Das BSG hat bereits im Einzelnen begründet, dass es keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Regelung des § 117 Abs. 2 Satz 4 AFG hat, der § 143a Abs. 1 Satz 4 SGB III im Wesentlichen entspricht (Urteil vom 29. Januar 2001, a.a.O.) Dies hat es zu § 143a Abs. 1 Satz 4 SGB III bestätigt (Urteil vom 9. Februar 2006, a.a.O.). Danach verstößt es auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wenn bei einem sonst nicht mehr ordentlich kündbaren Arbeitnehmer die ordentliche Kündigung unter Zahlung einer Abfindung wie eine ?vorzeitige? Beendigung des Arbeitsverhältnisses behandelt wird, selbst wenn ansonsten die arbeitsrechtlich geltende Kündigungsfrist gewahrt wurde. Auch sieht das BSG insoweit keine Benachteiligung von Arbeitnehmern, die in Großbetrieben tätig sind bzw. die dem Geltungsbereich des § 111 BetrVG unterliegen gegenüber solchen Arbeitnehmern, die in Kleinbetrieben tätig sind bzw. in denen kein Betriebsrat etabliert wurde und § 111 BetrVG mithin nicht eingreift (BSG a.a.O.). Dieser Auffassung schließt sich der Senat in vollem Umfang an.
dd. Die fiktive Kündigungsfrist ist nicht auf eine Dauer von unter einem Jahr zu begrenzen. Aus verfassungsrechtlichen Gründen ist es nicht möglich, die fiktive Kündigungsfrist von einem Jahr gemäß § 143a Abs. 1 Satz 4 SGB III auf einen Sachverhalt anzuwenden, wenn gleichzeitig die Möglichkeit bestanden hätte, den betroffenen Arbeitnehmer außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zu kündigen. Für diesen Fall sieht § 143a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SGB III vor, dass dann die ordentliche Kündigungsfrist gilt, mit der Folge, dass ein Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs nicht in Frage kommt, wenn tatsächlich die ordentliche Kündigungsfrist - wie vorliegend - eingehalten wurde. Die Voraussetzungen einer fristgebundenen Kündigung aus wichtigem Grund waren vorliegend aber nicht gegeben. Dies folgt zur Überzeugung der Kammer aus den übereinstimmenden Angaben der Klägerin und der Arbeitgeberin unter Berücksichtigung auch der Ausführungen in den anlässlich der Betriebsänderung erfolgten Betriebsvereinbarung sowie dem Sozialplan.
ee. Die Anwendbarkeit des § 143a Abs. 1 Satz 4 SGB III ist nicht im Hinblick auf etwaige sonstige Möglichkeiten der ordentlichen Kündigung ohne Abfindung ausgeschlossen. Solche realisierbare alternative Möglichkeiten bestanden nicht. Die Regelung in § 17 Nr. 7 MTV sieht zwar weitere Möglichkeiten zur ordentlichen Kündigung in Abweichung von dessen Abs. 1 Satz 1 vor. Nach Abs. 1 Satz 2 gilt der besondere Kündigungsschutz nicht nach Eintritt der Erwerbsunfähigkeit sowie nach Erreichung der Altersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach Satz 3 ferner nicht für eine Änderungskündigung gegenüber Beziehern von Rente wegen Berufsunfähigkeit, auch wenn diese Änderungskündigung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt. Nach Abs. 2 der Regelung kann der Arbeitgeber bei Wegfall des Arbeitsplatzes aus betrieblichen Gründen eine sozial gerechtfertigte betriebsbedingte Änderungskündigung zur Versetzung auf einen zumutbaren und gleichwertigen Arbeitsplatz innerhalb des Betriebes, Unternehmens oder Konzerns aussprechen, wobei sich diese nicht auf Vergütungsbestandteile beziehen darf.
Keine dieser Möglichkeiten ist vorliegend einschlägig. Im Übrigen wären sie, soweit betriebsbedingt, ebenfalls - nach § 18 MTV - mit einer Abfindung verbunden. Die Arbeitgeberin hätte keine solche Kündigungsmöglichkeit im konkreten Fall ohne Abfindung realisieren können.
Der am 19. Juni 2009 abgeschlossene Aufhebungsvertrag beendete das Arbeitsverhältnis zum 31. Januar 2010. Damit ist die fiktive Frist von einem Jahr nicht eingehalten.
c. Als Rechtsfolge ruht der Anspruch vom Ende des Arbeitsverhältnisses, mithin vom 1. Februar 2010 an. Der Ruhenszeitraum dauert bis zu dem Tag, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung der fiktiven Jahresfrist geendet hätte. Beginn der Frist ist der Tag der Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, mithin der 19. Juni 2009, Ende ist hiernach der 18. Juni 2010. Begrenzt wird der Ruhenszeitraum jedoch durch § 143a Abs. 2 SGB III auf die Zeit bis zum 29. Mai 2010. Zur Berechnung dieser Frist wird auf die Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid Bezug genommen. Fehler in der Berechnung sind insoweit weder ersichtlich noch vorgetragen.
Die Berufung der Beklagten hat daher Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld in der Zeit vom 1. Februar 2010 bis 29. Mai 2010 wegen Erhalts einer Entlassungsentschädigung geruht hat.
Die 1952 geborene Klägerin war seit 1. Februar 1995 bei der Bibliographisches Institut AG (im Folgenden Arbeitgeberin) als Sachbearbeiterin im Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zuletzt in Teilzeit mit 22 Wochenstunden versicherungspflichtig beschäftigt. Grundlage des Arbeitsverhältnisses war der Anstellungsvertrag vom 3. Mai 1995, geändert durch Anstellungsänderungsvertrag vom 4. Juni 2007. Im Anstellungsvertrag wurde u. a. vereinbart, dass beiderseits eine Kündigungsfrist von 6 Wochen zum Quartalsschluss gelte (§ 10 Beendigung des Arbeitsverhältnisses/Kündigung), ergänzend die Tarifverträge für die Arbeitnehmer/-innen des herstellenden Buchhandels in Baden-Württemberg Anwendung finden sollten (§ 3 Tarife), die Unwirksamkeit einzelner Bestimmungen die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen nicht berühre (§ 11 Sonstige Vereinbarungen). Im Anstellungsänderungsvertrag vom 4. Juni 2007 wurde neben Änderungen bezüglich der Arbeitszeit und der Vergütung (Ziffern 1 und 2) u.a. vereinbart, dass im Übrigen die Regelungen des Anstellungsvertrags ihre Gültigkeit behalten und ergänzend die Bestimmungen des Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer/innen des herstellenden Buchhandels in Baden-Württemberg in der Fassung vom 19. September 2005 (MTV) Anwendung finden sollten (Ziffer 3). Nach § 17 Nr. 2 MTV beträgt die für den Arbeitgeber maßgebliche Kündigungsfrist bei Arbeitnehmern mit einer Beschäftigungsdauer von zwölf Jahren sechs Monate jeweils zum Schluss eines Kalendervierteljahres. Nach § 17 Nr. 7 Abs. 1 Satz 1 MTV kann Arbeitnehmern/-innen, die das 53. Lebensjahr, aber noch nicht das 65. Lebensjahr vollendet haben und dem Betrieb, Unternehmen oder Konzern 9 Jahre angehören, nur aus wichtigem Grund gekündigt werden. Die tarifliche Alterssicherung gilt nach § 17 Nr. 7 Abs. 3 MTV nicht bei Kündigungen wegen Betriebsänderungen nach § 111 BetrVG, unabhängig vom Bestehen eines Betriebsrats, sofern im Betrieb/Unternehmen/Konzern kein zumutbarer Arbeitsplatz vorhanden ist oder wenn ein solcher angeboten und von dem/der Arbeitnehmer/-in abgelehnt wurde. In § 18 MTV befinden sich Regelungen über zu leistende Abfindungen bei Kündigungen aus betriebsbedingten Gründen.
Im Jahr 2009 übernahm der Medienkonzern B. den B. Verlag. Im Hinblick darauf nahm die Arbeitgeberin umfangreiche Umstrukturierungen vor, bei denen der Arbeitsplatz der Klägerin weggefallen ist. Anlässlich dieser Betriebsänderung schloss die Arbeitgeberin mit dem Betriebsrat am 29. Mai 2009 eine Betriebsvereinbarung über das freiwillige Ausscheiden von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auf der Grundlage von Aufhebungsverträgen und vereinbarte am 26. Juni 2009 einen Interessenausgleich sowie einen gesonderten Sozialplan gemäß §§ 111,112 BetrVG. Die Klägerin und ihre Arbeitgeberin vereinbarten am 19. Juni 2009 die einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Januar 2010. Im Rahmen der Betriebsänderung entfalle der Arbeitsplatz der Klägerin. Nach Maßgabe der Betriebsvereinbarung erhalte die Klägerin im Austrittsmonat eine einmalige Abfindung von 26.040,91 Euro brutto. Die Abfindung werde auf eine etwaige durch Sozialplan oder Tarifvertrag geregelte Abfindung angerechnet. Sollte bis zum Austritt zwischen Betriebsrat und Geschäftsleitung ein Sozialplan vereinbart werden, der für die Klägerin bessere Konditionen vorsehe, vereinbarten die Vertragsparteien, gelte die Sozialplanregelung. Im Sozialplan ist u.a. geregelt, dass Arbeitnehmer, die nach Abschluss des Sozialplans als Folge der Betriebsänderung aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung oder eines durch den Verlag aus betrieblichen Gründen veranlassten Aufhebungsvertrags ausscheiden (Entlassung), eine Sozialplanabfindung erhalten, welche sich anhand der Formel ?Faktor x Betriebszugehörigkeit = Anzahl der Bruttomonatsgehälter? berechne. Der Faktor sei abhängig vom Lebensalter und betrage für Arbeitnehmer ab dem vollendeten 45. Lebensjahr 1. Außerdem erhalte jeder Arbeitnehmer einen Grundbetrag von 2.500 Euro brutto. Auf dieser Grundlage erhielt die Klägerin eine Abfindung von 26.045 Euro.
Die Klägerin meldete sich nach persönlicher Arbeitsuchendmeldung am 1. Oktober 2009 am 7. Januar 2010 mit Wirkung zum 1. Februar 2010 arbeitslos. Sie gab an, das Beschäftigungsverhältnis sei beendet worden, weil B. an B. verkauft worden sei, deshalb diverse Entlassungen und Umstrukturierungen im Verlag erfolgt seien, die Presseabteilung aufgelöst worden sei. In der Arbeitsbescheinigung gab die Arbeitgeberin an, ohne Aufhebungsvertrag hätte sie das Arbeitsverhältnis zum gleichen Zeitpunkt durch betriebsbedingte Kündigung beendet. Die Entschädigung wäre auch bei einer arbeitgeberseitigen Kündigung gezahlt worden. Die Dauer der Betriebszugehörigkeit der Klägerin sei 15 Jahre, die maßgebliche Kündigungsfrist der Arbeitgeberin hätte 6 Monate zum Ende des Vierteljahres betragen. Die ordentliche Kündigung wäre (tarif-)vertraglich nur bei einer Abfindung, Entschädigung oder ähnlichen Leistungen zulässig gewesen. Es hätten nicht gleichzeitig die Voraussetzungen für eine fristgebundene Kündigung aus wichtigem Grund vorgelegen und diese wären auch nicht ohne besondere (tarif)vertragliche Kündigungsregelung gegeben gewesen.
Mit Bescheid vom 10. Februar 2010 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie für die Zeit vom 1. Februar bis 29. Mai 2010 keine Leistungen erhalten könne. Der Anspruch ruhe, da sie wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Leistung von 26.045 Euro erhalten oder zu beanspruchen habe. Die Arbeitgeberin habe nur bei Zahlung einer Abfindung ordentlich kündigen dürfen. Daher werde die Klägerin so behandelt, als hätte sie eine Kündigungsfrist von 12 Monaten. Diese Frist sei nicht eingehalten. Leistungen könne sie daher erst nach dem Ruhenszeitraum erhalten. Der Ruhenszeitraum errechne sich aus 25 Prozent der Arbeitgeberleistung. Der sich so ergebende Betrag werde durch das kalendertägliche Arbeitsentgelt geteilt. Hieraus ergebe sich die Zahl der Ruhenstage. Der Leistungsanspruch ruhe bis 29. Mai 2010. Die Entscheidung beruhe auf § 143 a SGB III. Solange der Anspruch ruhe, sei die Klägerin nicht durch die Beklagte kranken- und pflegeversichert. Mit Bescheid vom 11. Februar 2010 bewilligte die Beklagte Arbeitslosengeld ab 1. Februar 2010 mit einer Anspruchsdauer von 720 Tagen. Der Leistungsbetrag für die Zeit vom 1. Februar 2010 bis 29. Mai 2010 sei 0 Euro, in diesem Zeitraum stehe keine Leistung zu wegen der Entlassungsentschädigung, § 143a SGB III. In der Zeit vom 30. Mai 2010 bis 28. Mai 2012 belaufe sich der tägliche Leistungsbetrag unter Zugrundelegung eines täglichen Arbeitsentgelts von 54,94 Euro auf 17,67 Euro.
Mit ihrem Widerspruch gegen die Bescheide hinsichtlich des Ruhens des Arbeitslosengeldanspruches trug die Klägerin vor, die Beklagte berufe sich zu Unrecht auf § 143a Abs. 1 Satz 4 SGB III. Diese Vorschrift betreffe nur Arbeitsverhältnisse, die seitens des Arbeitgebers nur unter Zahlung einer Abfindung ordentlich gekündigt werden könnten. Die Zahlung einer Abfindung müsse Bedingung dafür sein, dass überhaupt ordentlich gekündigt werden könne. Dies sei vorliegend gerade nicht der Fall. Auf § 18 MTV, wonach bei betriebsbedingten Kündigungen Abfindungen zu zahlen seien, sei § 143a SGB III gar nicht anwendbar. Im Übrigen sei § 18 MTV vorliegend nicht Grundlage der Abfindung, sondern allein die mit dem Betriebsrat geschlossenen Betriebsvereinbarungen. Nur wenn der MTV Anwendung gefunden hätte, hätte die Abfindung die vom Gesetzgeber gewollte Ausgleichsleistung für den Verlust des Arbeitsplatzes dargestellt. Vorliegend handle es sich bei der Ausgleichsleistung um eine Leistung des Arbeitgebers nach §§ 111 ff. BetrVG, keinesfalls stelle die Zahlung eine Bedingung dar, ohne deren Einhaltung eine betriebsbedingte Kündigung unzulässig wäre.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Mai 2010 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Arbeitgeber habe ausdrücklich bestätigt, dass der Klägerin nur bei Zahlung einer Entlassungsentschädigung habe ordentlich gekündigt werden können. Bei Einhaltung der Kündigungsfrist von einem Jahr hätte das Arbeitsverhältnis am 19. Juni 2010 geendet. Das Arbeitsverhältnis sei vorzeitig beendet worden. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruhe deshalb vom Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tag, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist geendet hätte, längstens für 1 Jahr. § 143a Abs. 2 Sätze 2 und 3 SGB III könnten diesen Zeitraum verkürzen, weil die Entlassungsentschädigung nicht voll, sondern nur anteilig berücksichtigt werde. Der Anteil betrage höchstens 60 Prozent, mindestens aber 25 Prozent der Entlassungsentschädigung und verringere sich um 5 Prozent je 5 Jahre des Arbeitsverhältnisses im selben Betrieb und 5 Prozent je 5 Jahre nach Vollendung des 35. Lebensjahres. Da die Klägerin am Ende des Arbeitsverhältnisses 58 Jahre alt und 15 Jahre im Betrieb gewesen sei, werde die Entschädigung nur zu 25 Prozent entsprechend 6.511,25 Euro berücksichtigt. Dieser Betrag sei dem kalendertäglichen Arbeitsentgelt von 54,99 Euro gegenüber zustellen. Der Anteil der Entlassungsentschädigung entspreche folglich einem Entgelt für 118 Tage. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruhe daher bis 29. Mai 2010. Auf die Gründe, aus denen das Arbeitsverhältnis beendet worden sei, komme es nach dem Willen des Gesetzgebers nicht an.
Hiergegen hat die Klägerin am 7. Juni 2010 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Sie habe den Aufhebungsvertrag unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist geschlossen. Als beiderseitige Kündigungsfrist seien im Anstellungsvertrag sechs Wochen zum Quartalsschluss vereinbart gewesen. Der Aufhebungsvertrag sei mit der Maßgabe zustande gekommen, dass als Beendigungszeitpunkt der 31. Januar 2010 vereinbart worden sei. Damit sei zudem die für Arbeitgeber verlängerte gesetzliche Kündigungsfrist gemäß § 622 Nr. 6 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) von sechs Monaten zum Ende eines Kalendermonats ordnungsgemäß eingehalten.
Mit Gerichtsbescheid vom 3. Januar 2011 hat das SG unter Abänderung des Bescheides vom 11. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 20120 die Beklagte verpflichtet, der Klägerin dem Grunde nach Arbeitslosengeld ab dem 1. Februar 2010 zu gewähren. Den Bescheid vom 10. Februar 2010 hat das SG aufgehoben. Der Klägerin stehe Arbeitslosengeld ab dem 1. Februar 2010 zu. § 143a Abs. 1 Satz 1 SGB III finde keine Anwendung, wenn das Arbeitsverhältnis mit einer der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechenden Frist beendet werde. Vorliegend sei die ordentliche Kündigungsfrist von 6 Wochen nach § 10 des Anstellungsvertrags eingehalten. Daher finde § 143a SGB III hier keine Anwendung. Die vorliegende Fallkonstellation lasse sich auch nicht unter § 143a Abs. 1 Satz 4 SGB III subsumieren. Diese Norm regle den Fall, dass nur bei Zahlung einer Entlassungsentschädigung ordentlich gekündigt werden könne. Dann gelte eine Kündigungsfrist von einem Jahr. Unter Berücksichtigung der Gesetzesbegründung zur weitgehend inhaltsgleichen Vorgängerregelung (BT-Dr. 9/846 S. 44) finde § 143a Abs. 1 Satz 4 SGB III nur Anwendung, wenn ein vertraglicher Ausschluss einer ordentlichen Kündigung im Wege der Entschädigungszahlung durchbrochen werde. So verhalte es sich vorliegend aber nicht. Dass § 18 MTV für den Fall der betriebsbedingten Kündigung eine Abfindung vorsehe, ändere hieran nichts.
Hiergegen richtet sich die am 25. Januar 2011 eingelegte Berufung der Beklagten. Durch den Aufhebungsvertrag sei entgegen der Auffassung des SG gerade nicht die ordentliche Kündigungsfrist eingehalten. Hier trete § 143a Abs. 1 Satz 4 SGB III an die Stelle möglicher arbeitsvertraglich festgelegter Kündigungsfristen. Die rechtliche Grundlage für die Abfindung sei unerheblich (BSG, Urteil vom 19. Dezember 2001 - B 11 AL 53/01 R -). Es genüge somit, dass diese Abfindung aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung zu zahlen sei, wie vorliegend. Der Klägerin habe nur bei Zahlung einer Abfindung ordentlich gekündigt werden können. Somit gelte die fiktive Kündigungsfrist von 1 Jahr. Diese sei nicht eingehalten worden.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 5. Januar 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie verweist auf den Vortrag in erster Instanz sowie die aus ihrer Sicht zutreffenden Ausführungen des SG im angegriffenen Gerichtsbescheid.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verfahrensakten beider Rechtszüge sowie der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.
Die form- und fristgerecht (§ 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) eingelegte Berufung ist angesichts des über 750 Euro liegenden Beschwerdegegenstandes statthaft (§ 143 SGG) und insgesamt zulässig. Sie ist auch in der Sache begründet. Die Bescheide der Beklagten vom 10. und 11. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2010 sind rechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosengeld bereits ab 1. Februar 2010, die Beklagte hat zu Recht festgestellt, dass der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld in der Zeit vom 1. Februar 2010 bis 29. Mai 2010 ruht. Daher ist der der Klage stattgebende Gerichtsbescheid des SG aufzuheben.
Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, ist Streitgegenstand der Ruhensbescheid vom 10. Februar 2010 sowie der Bewilligungsbescheid vom 11. Februar 2010, soweit die Beklagte darin Arbeitslosengeld erst ab 30. Mai 2010 bewilligt hat, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Mai 2010. Beide Bescheide bilden insoweit eine rechtliche Einheit. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig, aber unbegründet.
Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit haben nach §§ 117 Abs. 1 Nr. 1, 118 Abs. 1 SGB III Arbeitslose, die arbeitslos sind, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet haben und die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin in der Zeit vom 1. Februar 2010 bis 29. Mai 2010. Gleichwohl hat sie in diesem Zeitraum keinen Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosengeld, weil ihr Anspruch in dieser Zeit ruht.
Nach § 143a Abs. 1 Satz 1 SGB III in der bis 31. März 2012 geltenden Fassung ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld, wenn der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung (Entlassungsentschädigung) erhalten oder zu beanspruchen hat und das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden ist. Der Anspruch ruht von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tage, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung dieser Frist geendet hätte. Diese Frist beginnt nach Satz 2 mit der Kündigung, die der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorausgegangen ist, bei Fehlen einer solchen Kündigung mit dem Tage der Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Ist die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber ausgeschlossen, so gilt gemäß Satz 3 bei 1. zeitlich unbegrenztem Ausschluss eine Kündigungsfrist von 18 Monaten, 2. zeitlich begrenztem Ausschluss oder bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine fristgebundene Kündigung aus wichtigem Grund die Kündigungsfrist, die ohne den Ausschluss der ordentlichen Kündigung maßgebend gewesen wäre. Kann dem Arbeitnehmer nur bei Zahlung einer Entlassungsentschädigung ordentlich gekündigt werden, so gilt nach Satz 4 eine Kündigungsfrist von einem Jahr. Nach Abs. 2 der Regelung ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld nach Absatz 1 längstens ein Jahr. Er ruht nicht über den Tag hinaus, 1. bis zu dem der Arbeitslose bei Weiterzahlung des während der letzten Beschäftigungszeit kalendertäglich verdienten Arbeitsentgelts einen Betrag in Höhe von sechzig Prozent der nach Absatz 1 zu berücksichtigenden Entlassungsentschädigung als Arbeitsentgelt verdient hätte, 2. an dem das Arbeitsverhältnis infolge einer Befristung, die unabhängig von der Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestanden hat, geendet hätte oder 3. an dem der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grunde ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist hätte kündigen können. Der nach Satz 2 Nr. 1 zu berücksichtigende Anteil der Entlassungsentschädigung vermindert sich sowohl für je fünf Jahre des Arbeitsverhältnisses in demselben Betrieb oder Unternehmen als auch für je fünf Lebensjahre nach Vollendung des fünfunddreißigsten Lebensjahres um je fünf Prozent; er beträgt nicht weniger als fünfundzwanzig Prozent der nach Absatz 1 zu berücksichtigenden Entlassungsentschädigung. Letzte Beschäftigungszeit sind die am Tag des Ausscheidens aus dem Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der letzten zwölf Monate; § 130 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 3 gilt entsprechend. Arbeitsentgeltkürzungen infolge von Krankheit, Kurzarbeit, Arbeitsausfall oder Arbeitsversäumnis bleiben außer Betracht.
Vorliegend ruht der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld in der Zeit vom 1. Februar 2010 bis 29. Mai 2010 (hierzu unter c.), weil sie wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Entlassungsentschädigung erhalten hat (hierzu unter a.) und das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden ist (hierzu unter b.).
a. Die Klägerin hat aufgrund des mit der Arbeitgeberin geschlossenen Aufhebungsvertrags in Verbindung mit der Betriebsvereinbarung, dem Interessenausgleich und dem Sozialplan anlässlich der bei der Arbeitgeberin eingetretenen Betriebsänderung eine Abfindung in Höhe 26.045 Euro erhalten. Die Abfindung wurde wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährt und stellt eine Entlassungsentschädigung im Sinne des § 143a Abs. 1 SGB III dar.
b. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin wurde auch vorzeitig beendet.
Insoweit nicht allein einschlägig ist die Regelung des § 143a Abs. 1 Satz 1 SGB III. Denn das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist beendet worden. Maßgeblich ist insoweit allerdings entgegen der Annahme des SG nicht die im Anstellungsvertrag vom 3. Mai 1995 vereinbarte Frist von sechs Wochen zum Quartalsschluss. Einschlägig ist vielmehr die in § 17 Ziffer 2 MTV geregelte Frist von sechs Monaten zum Ende eines Vierteljahres (siehe unten). Aber auch diese ist vorliegend eingehalten durch die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses durch Vertrag vom 19. Juni 2009 mit Wirkung zum 31. Januar 2010.
Es liegt aber eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Sinne des § 143a Abs. 1 Satz 4 SGB III vor. Der Klägerin konnte nur bei Zahlung einer Entlassungsentschädigung ordentlich gekündigt werden.
aa. Die ordentliche Kündigung der Klägerin war grundsätzlich ausgeschlossen.
Zwar sieht der Anstellungsvertrag vom 3. Mai 1995 und der Anstellungsänderungsvertrag vom 4. Juni 2007 einen solchen Ausschluss nicht vor, die arbeitsvertraglichen Regelungen in Bezug auf die Kündigungsmöglichkeiten finden vorliegend aber keine Anwendung, da sie unwirksam sind.
Der Anstellungsvertrag sieht in § 10 eine Kündigungsmöglichkeit für beide Seiten mit einer Frist von 6 Wochen zum Quartalsschluss vor. Der Anstellungsänderungsvertrag vom 4. Juni 2007 enthält hierzu keine Änderungen. Die Regelung in § 10 des Anstellungsvertrags zur Kündigungsfrist des Arbeitgebers ist wegen Verstoßes gegen § 622 BGB unwirksam. § 622 Abs. 2 Nr. 6 BGB sieht bei der Betriebszugehörigkeit eines Arbeitnehmers von - wie vorliegend - 15 Jahren eine verlängerte Kündigungsfrist des Arbeitgebers von sechs Monaten zum Ende eines Kalendermonats vor. Diese Regelung ist zwingend mit der Folge der Unwirksamkeit der hiervon zum Nachteil der Klägerin abweichenden Vereinbarung in § 10 des Anstellungsvertrages.
Nachdem der Anstellungsvertrag insoweit keine (wirksame) Regelung zu den Kündigungsmöglichkeiten beinhaltet, ist diese Lücke aufgrund der Bezugnahme hierauf in § 3 des Anstellungsvertrages und Ziffer 3 des Änderungsanstellungsvertrages durch die tarifvertragliche Regelung im MTV zu schließen. Dieser sieht grundsätzlich in § 17 Nr. 2 MTV bei einer Betriebszugehörigkeit von 15 Jahren - wie im Falle der Klägerin - eine Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Ende eines Vierteljahres vor.
Die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung unter Einhaltung dieser verlängerten Kündigungsfrist wird jedoch gemäß § 17 Nr. 7 Abs. 1 MTV grundsätzlich ausgeschlossen für ältere Arbeitnehmer mit einer längeren Betriebszugehörigkeit. Danach kann Arbeitnehmer/-innen, die das 53. Lebensjahr, aber noch nicht das 65. Lebensjahr, vollendet haben und dem Betrieb, Unternehmen oder dem Konzern 9 Jahre anhören, nur aus wichtigem Grund gekündigt werden. Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin angesichts ihres Lebensalters von 58 Jahren und einer Betriebszugehörigkeit von 15 Jahren zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
bb. Die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung war vorliegend lediglich aufgrund der erfolgten Betriebsänderung bei Zahlung einer Sozialplanabfindung (wieder) eröffnet.
Der grundsätzliche Ausschluss der ordentlichen Kündigung in § 17 Nr. 7 Abs. 1 MTV wird durch die weiteren Absätze dieser Regelung unter bestimmten Voraussetzungen wieder eingeschränkt. Nach Abs. 3 gilt der Ausschluss nicht bei Kündigungen wegen Betriebsänderungen nach § 111 BetrVG, sofern im Betrieb/Unternehmen/Konzern kein zumutbarer Arbeitsplatz vorhanden ist oder wenn ein solcher angeboten und von dem/der Arbeitnehmer/-in abgelehnt wurde.
Diese Einschränkung greift vorliegend ein. Es erfolgte eine Betriebsänderung nach § 111 BetrVG. Der Arbeitsplatz der Klägerin ist dadurch weggefallen, ein anderer zumutbarer Arbeitsplatz war nicht vorhanden. Dies haben die Arbeitgeberin und die Klägerin übereinstimmend angegeben. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, an diesen Angaben zu zweifeln. Damit wurde im Fall der Klägern die grundsätzlich durch § 17 Nr. 7 Abs. 1 MTV ausgeschlossene Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung über die Regelung des § 17 Nr. 7 Abs. 3 MTV wieder eröffnet. Die Kündigung war nur mit einer Sozialplanabfindung möglich und damit nur bei Zahlung einer Entlassungsentschädigung im Sinne des § 143a Abs. 1 Satz 1, Satz 4 SGB III. Die erfolgte Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG erforderte einen Sozialplan im Sinne des § 112 BetrVG. Nach dem von der Arbeitgeberin mit dem Betriebsrat auf dieser Grundlage vereinbarten Sozialplan erhielt jeder betroffene Arbeitnehmer eine Sozialplanabfindung. Die Klägerin ist betroffene Arbeitnehmerin. D.h. eine ordentliche Kündigung aus betriebsbedingten Gründen als Folge der Betriebsänderung ohne Abfindung wäre im Falle der Klägerin nicht möglich gewesen.
Kann - wie vorliegend- einem Arbeitnehmer auf Grund einer tarifvertraglichen Regelung nur noch bei Vorliegen einer Betriebsänderung ordentlich gekündigt werden, und ist auf Grund der konkreten Verhältnisse in dem betroffenen Betrieb bei einer Betriebsänderung die Aufstellung eines Sozialplans erforderlich, so führt auch die danach im Sozialplan vereinbarte Entlassungsentschädigung zum Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld, wenn die arbeitsförderungsrechtlich vorgesehenen fiktiven Kündigungsfristen nicht eingehalten worden sind (BSG, Urteil vom 9. Februar 2006 - B 7a AL 44/05 R - BSGE 96, 64 = SozR 4-4300 § 143a Nr. 1). Die vorliegende Regelung in § 17 Nr. 7 Abs. 3 MTV, die die Aufhebung des Sonderkündigungsschutzes aus § 17 Nr. 7 Abs. 1 MTV bei Kündigungen wegen Betriebsänderungen nach § 111 BetrVG bei Fehlen eines zumutbaren Arbeitsplatzes ermöglicht, ist einer tarifvertraglichen Regelung vergleichbar, die den Wiedereintritt in die ordentliche Kündbarkeit an das ?Vorliegen eines für den betroffenen Arbeitnehmer geltenden Sozialplans? knüpft (vgl. BSG, Urteil vom 29. Januar 2001 - B 7 AL 62/99 R - BSGE 87, 250 = SozR 3-4100 § 117 Nr. 22 und vom 9. Februar 2006, a.a.O.). Deshalb ist die Klägerin ebenso zu behandeln wie ein Arbeitnehmer, dem nur noch bei Vorliegen eines Sozialplans gekündigt werden kann.
Damit liegen zu Lasten der Klägerin die Voraussetzungen des § 143a Abs. 1 Satz 4 SGB III vor mit der Folge, dass für sie die fiktive gesetzliche Kündigungsfrist von einem Jahr gilt.
cc. Das BSG hat bereits im Einzelnen begründet, dass es keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Regelung des § 117 Abs. 2 Satz 4 AFG hat, der § 143a Abs. 1 Satz 4 SGB III im Wesentlichen entspricht (Urteil vom 29. Januar 2001, a.a.O.) Dies hat es zu § 143a Abs. 1 Satz 4 SGB III bestätigt (Urteil vom 9. Februar 2006, a.a.O.). Danach verstößt es auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wenn bei einem sonst nicht mehr ordentlich kündbaren Arbeitnehmer die ordentliche Kündigung unter Zahlung einer Abfindung wie eine ?vorzeitige? Beendigung des Arbeitsverhältnisses behandelt wird, selbst wenn ansonsten die arbeitsrechtlich geltende Kündigungsfrist gewahrt wurde. Auch sieht das BSG insoweit keine Benachteiligung von Arbeitnehmern, die in Großbetrieben tätig sind bzw. die dem Geltungsbereich des § 111 BetrVG unterliegen gegenüber solchen Arbeitnehmern, die in Kleinbetrieben tätig sind bzw. in denen kein Betriebsrat etabliert wurde und § 111 BetrVG mithin nicht eingreift (BSG a.a.O.). Dieser Auffassung schließt sich der Senat in vollem Umfang an.
dd. Die fiktive Kündigungsfrist ist nicht auf eine Dauer von unter einem Jahr zu begrenzen. Aus verfassungsrechtlichen Gründen ist es nicht möglich, die fiktive Kündigungsfrist von einem Jahr gemäß § 143a Abs. 1 Satz 4 SGB III auf einen Sachverhalt anzuwenden, wenn gleichzeitig die Möglichkeit bestanden hätte, den betroffenen Arbeitnehmer außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zu kündigen. Für diesen Fall sieht § 143a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SGB III vor, dass dann die ordentliche Kündigungsfrist gilt, mit der Folge, dass ein Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs nicht in Frage kommt, wenn tatsächlich die ordentliche Kündigungsfrist - wie vorliegend - eingehalten wurde. Die Voraussetzungen einer fristgebundenen Kündigung aus wichtigem Grund waren vorliegend aber nicht gegeben. Dies folgt zur Überzeugung der Kammer aus den übereinstimmenden Angaben der Klägerin und der Arbeitgeberin unter Berücksichtigung auch der Ausführungen in den anlässlich der Betriebsänderung erfolgten Betriebsvereinbarung sowie dem Sozialplan.
ee. Die Anwendbarkeit des § 143a Abs. 1 Satz 4 SGB III ist nicht im Hinblick auf etwaige sonstige Möglichkeiten der ordentlichen Kündigung ohne Abfindung ausgeschlossen. Solche realisierbare alternative Möglichkeiten bestanden nicht. Die Regelung in § 17 Nr. 7 MTV sieht zwar weitere Möglichkeiten zur ordentlichen Kündigung in Abweichung von dessen Abs. 1 Satz 1 vor. Nach Abs. 1 Satz 2 gilt der besondere Kündigungsschutz nicht nach Eintritt der Erwerbsunfähigkeit sowie nach Erreichung der Altersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach Satz 3 ferner nicht für eine Änderungskündigung gegenüber Beziehern von Rente wegen Berufsunfähigkeit, auch wenn diese Änderungskündigung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt. Nach Abs. 2 der Regelung kann der Arbeitgeber bei Wegfall des Arbeitsplatzes aus betrieblichen Gründen eine sozial gerechtfertigte betriebsbedingte Änderungskündigung zur Versetzung auf einen zumutbaren und gleichwertigen Arbeitsplatz innerhalb des Betriebes, Unternehmens oder Konzerns aussprechen, wobei sich diese nicht auf Vergütungsbestandteile beziehen darf.
Keine dieser Möglichkeiten ist vorliegend einschlägig. Im Übrigen wären sie, soweit betriebsbedingt, ebenfalls - nach § 18 MTV - mit einer Abfindung verbunden. Die Arbeitgeberin hätte keine solche Kündigungsmöglichkeit im konkreten Fall ohne Abfindung realisieren können.
Der am 19. Juni 2009 abgeschlossene Aufhebungsvertrag beendete das Arbeitsverhältnis zum 31. Januar 2010. Damit ist die fiktive Frist von einem Jahr nicht eingehalten.
c. Als Rechtsfolge ruht der Anspruch vom Ende des Arbeitsverhältnisses, mithin vom 1. Februar 2010 an. Der Ruhenszeitraum dauert bis zu dem Tag, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung der fiktiven Jahresfrist geendet hätte. Beginn der Frist ist der Tag der Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, mithin der 19. Juni 2009, Ende ist hiernach der 18. Juni 2010. Begrenzt wird der Ruhenszeitraum jedoch durch § 143a Abs. 2 SGB III auf die Zeit bis zum 29. Mai 2010. Zur Berechnung dieser Frist wird auf die Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid Bezug genommen. Fehler in der Berechnung sind insoweit weder ersichtlich noch vorgetragen.
Die Berufung der Beklagten hat daher Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
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Aus
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