L 13 AS 3156/12 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 25 AS 413/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 3156/12 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 7. Juni 2012 aufgehoben.

Der Klägerin wird unter Beiordnung von Rechtsanwältin R. Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsanordnung für das Klageverfahren S 25 AS 413/12 bewilligt.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde der Klägerin hat Erfolg; sie ist zulässig und begründet.

Die Beschwerde ist statthaft (§ 172 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), frist- und formgerecht eingelegt (§ 173 SGG) und damit zulässig. Sie ist auch begründet; der Klägerin ist für das Klageverfahren S 25 AS 413/12 Prozesskostenhilfe (PKH) ohne Ratenzahlungsanordnung zu bewilligen. Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Ist - wie in den Tatsacheninstanzen der Sozialgerichtsbarkeit - eine Vertretung durch Rechtsanwälte nicht vorgeschrieben, wird auf Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt beigeordnet, wenn diese Vertretung erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs. 2 ZPO). Bei der Prüfung der Erfolgsaussicht ist zu berücksichtigen, dass die Anwendung des § 114 ZPO dem aus Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz abzuleitenden verfassungsrechtlichen Gebot entsprechen soll, die Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes weitgehend anzugleichen. Daher dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden; hinreichende Erfolgsaussicht ist z. B. zu bejahen, wenn eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil der die PKH begehrenden Partei ausgehen wird (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 29. September 2004 - 1 BvR 1281/04, Beschluss vom 14. April 2003 - 1 BvR 1998/02 und Beschluss vom 12. Januar 1993 - 2 BvR 1584/92 - alle veröffentlicht in Juris; Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 17. Februar 1998 - B 13 RJ 83/97 - SozR 3-1500 § 62 Nr. 19, veröffentlicht auch in Juris; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 73a Rdnr. 7a m.w.N.) Wirft der Rechtsstreit hingegen eine Rechtsfrage auf, die in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt, aber klärungsbedürftig ist, liegt hinreichende Erfolgsaussicht ebenfalls vor; in diesem Fall muss PKH bewilligt werden (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 73a Rdnr. 7b unter Hinweis auf die Rspr. des BVerfG). Die Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH liegen vor; die Klägerin ist nach ihren sich zuletzt aus der Erklärung vom 24. September 2012 ergebenden persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung auch nur zum Teil oder in Raten aufzubringen. Darüber hinaus ist unter Beachtung obiger Maßstäbe auch eine hinreichende Erfolgsaussicht der Klage gegeben. Die Klägerin begehrt im Hauptsacheverfahren die Bescheidung ihres Widerspruchs vom 16. Januar 2009 gegen den Bescheid des Beklagten vom 11. Dezember 2008. Der Beklagte tritt der Untätigkeitsklage (vgl. § 88 Abs. 2 SGG) entgegen und bestreitet, dass die Klägerin gegen den Bescheid vom 11. Dezember 2008 Widerspruch erhoben hat. Ein solcher Widerspruch sei bei ihm nicht eingegangen. Das Vorliegen eines Sendeberichts mit "OK"-Vermerk genüge insoweit nicht als Nachweis. Außerdem wäre der Widerspruch verfristet gewesen, da der angegriffene Bescheid gemäß § 37 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) bereits am 14. Dezember 2008 bekannt gegeben worden sei.

Trotz des Vorbringens des Beklagten ist zumindest von einem offenen Verfahrensausgang, der hier für eine Bejahung der hinreichenden Erfolgsaussicht genügt, auszugehen. Ob sich der Beklagte mit Aussicht auf Erfolg darauf berufen kann, gegen den Bescheid vom 11. Dezember 2008 sei ein Widerspruch überhaupt nicht erhoben worden, erscheint zumindest als zweifelhaft. Das Bundessozialgericht (BSG) hat in seinem Beschluss vom 20. Oktober 2009 (B 5 R 84/09 B ? veröffentlicht in Juris) unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 1995, 665, 666 f.) ausgeführt, das Vorliegen eines "OK"-Vermerks im Sendebericht belege zunächst das Zustandekommen der Verbindung, falls eine Manipulation des Sendeberichts auszuschließen ist. Für den Fall des Vorliegens eines solchen nicht manipulierten Sendeberichts ? im Fall der Klägerin sind keinerlei Anhaltspunkte für eine Manipulation ersichtlich ? hat das BSG auf die Rechtsprechung des Oberlandesgericht Karlsruhe (Urteil vom 30. September 2008 ? 12 U 65/08 ? veröffentlicht in Juris) hingewiesen, nach der bei Vorliegen eines ?OK?-Vermerks generell davon ausgegangen werden könne, die Faxübertragung sei im Speicher des Empfängergeräts angekommen. Demgegenüber vertritt der BGH die Auffassung, die ordnungsgemäße, durch einen "OK"-Vermerk unterlegte Absendung eines Schreibens begründe über ein bloßes Indiz hinaus nicht den Anscheinsbeweis für dessen tatsächlichen Zugang bei dem Empfänger. Der "OK"-Vermerk gebe dem Absender keine Gewissheit über den Zugang der Sendung, weil er nur das Zustandekommen der Verbindung, aber nicht die erfolgreiche Übermittlung belege. Dem ?OK?-Vermerk komme dann aber im Rahmen der Prüfung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Bedeutung zu (BGH, Beschluss vom 21. Juli 2011 ? IX ZR 148/10 ? veröffentlicht in Juris). Der Rechtsstreit wirft dementsprechend eine schwierige, in der Rechtsprechung uneinheitlich beurteilte Rechtsfrage auf. Allein dies rechtfertigt es, eine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne der Vorschriften über die Bewilligung von PKH anzunehmen.

Der Beklagte kann sich darüber hinaus nicht mit Erfolg darauf berufen, selbst bei Eingang eines Widerspruchs am 16. Januar 2009 sie dieser verfristet und deshalb ohne Aussicht auf Erfolg. Gemäß § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB X findet die Zugangsfiktion keine Anwendung, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang zu beweisen. Hier hat die Klägerin den mit einem auf den 16. Dezember 2008 lautenden Eingangsstempel versehenen Bescheid vom 11. Dezember 2008 zum Nachweis dafür vorgelegt, dass der Bescheid erst am 16. Dezember 2008 wirksam bekannt gegeben worden ist. Anhaltspunkte dafür, dass der Bescheid zu einem früheren Zeitpunkt zugegangen wäre, sind nicht ersichtlich; der Beklagte hat zudem den ihm obliegenden Zugangsnachweis nicht erbracht. Dementsprechend begann die Widerspruchsfrist am 17. Dezember 2008 zu laufen; Fristende war der 16. Januar 2009. Damit wäre ein am 16. Januar 2009 per Telefax erhobener Widerspruch noch fristgerecht beim Beklagten eingegangen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO.

Diese Entscheidung kann mit der Beschwerde nicht gefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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