L 4 R 3294/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 10 R 4160/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 3294/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 19. Juli 2012 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Kläger die Gerichtskosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert für beide Rechtszüge wird endgültig auf Euro 1.122,00 festgesetzt.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt als Rechtsnachfolger seiner am 1913 geborenen und am 2010 in T. verstorbenen Mutter H. A (im Folgenden: H. A.) die Gewährung von Witwenrente für H. A ...

H. A. war mit dem am 1920 geborenen und am 2010 in Spanien, wo die Eheleute seit 1999 lebten, verstorbenen Stiefvater des Klägers A. A. (im Folgenden: A. A.) verheiratet. A. A. bezog von der Beklagten eine Altersrente in Höhe von zuletzt Euro 940,08 monatlich. Die Zahlung der Altersrente wurde zum 31. Juli 2010 eingestellt.

Am 21. Mai 2010 teilte der Kläger der Beklagten zunächst telefonisch und am selben Tag noch unter Vorlage von Kopien der am 30. März und 11. Mai 2010 ausgestellten Sterbeurkunden mit, dass A. A. und H. A. verstorben seien. Gleichzeitig beantragte er Witwenrente für H.A. für die Zeit vom 29. März bis zum 03. Mai 2010.

Mit Bescheid vom 06. Juli 2010 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Witwenrente für H. A. ab. Witwenrenten würden als Leistungen in der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 19 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) auf Antrag erbracht, da sich aus § 46 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nichts Abweichendes ergebe. Ein Antrag vor dem Tod von H. A. sei jedoch nicht gestellt worden. Ansprüche auf Geldleistungen würden gemäß § 59 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) erlöschen, wenn sie im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten weder festgestellt seien noch ein Verwaltungsverfahren über sie anhängig sei.

Am 25. August 2010 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Überprüfungsantrag. Er trug vor, H. A. habe keinen Antrag auf Witwenrente gestellt, weil sie dazu wegen Demenz nicht in der Lage gewesen sei und es noch keinen Bevollmächtigten gegeben habe. Ein Entmündigungsverfahren in Spanien sei zwar beantragt gewesen, aber noch nicht durchgeführt worden. Auch habe H. A. mit Blick auf die Rente keine Informationen erhalten. Deshalb bestehe gemäß § 115 Abs. 6 SGB VI eine Ausnahme vom Antragsprinzip (Verweis auf Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 14. November 2002 - B 13 RJ 39/01 R - und Urteil vom 22. Oktober 1996 - 13 RJ 23/95 -, jeweils in juris). Gerade bei einer Hinterbliebenenrente sei der Beklagten voll umfänglich bekannt, wie die Verhältnisse ausgestaltet seien und welche Renten gewährt werden könnten. Dass H. A. einen klaren Anspruch auf Hinterbliebenenrente gehabt habe, sei offensichtlich gewesen. Der Beklagten hätten alle Unterlagen vorgelegen. Dies führe im Übrigen auch zu einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch, der auch von ihm, dem Kläger, geltend gemacht werden könne. Aufgrund der fehlenden Beratung und der fehlenden Selbstvornahme durch die Beklagte sei der Antrag zu fingieren und auf einen rechtzeitigen Zeitpunkt zurückzuversetzen. Anträge in diesem Verfahren hätten eine Rückwirkung von drei Monaten. Somit sei zumindest für den Monat April 2010 eine Hinterbliebenenrente zu bezahlen. Dies entspreche auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. H. A. sei auf die Versorgung durch die Rente des A. A. angewiesen gewesen. Für die Erben seien auch erhebliche Kosten für die Pflege und Medikamente angefallen.

Mit Bescheid vom 31. August 2010 lehnte die Beklagte den Antrag auf Rücknahme des Bescheids vom 06. Juli 2010 ab. Die Überprüfung des Bescheids vom 06. Juli 2010 habe ergeben, dass weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Die Rente sei in zutreffender Höhe festgestellt worden. Es seien weder neue Beweismittel vorgelegt noch neue Tatsachen vorgetragen worden, die geeignet wären, eine für den Kläger günstigere Entscheidung zu treffen. Sie, die Beklagte, habe erst durch den Telefonanruf des Klägers und sein Schreiben vom 21. Mai 2010 vom Tod der Eheleute A. erfahren, so dass sie nicht in der Lage gewesen sei, vor dem Tod der H. A. beratend tätig zu werden. Es sei weder der Tod des A. A. noch der Umstand, dass eine Witwe überhaupt existiert habe, bekannt gewesen. Hierüber sei sie, die Beklagte, nicht informiert worden und ihr hätten hierüber auch keine Unterlagen vorgelegen. Ein Beratungsmangel liege damit nicht vor. Aus der Tatsache, dass H. A. unbedingt auf die Rente angewiesen gewesen sei und für die Erben erhebliche Kosten angefallen seien, könne kein Rentenanspruch hergeleitet werden, da weder durch H. A. noch durch die späteren Erben zu Lebzeiten von H. A. ein Leistungsantrag gestellt worden sei.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Die gesetzliche Regelung sei unverhältnismäßig und berücksichtige nicht, dass Unwägbarkeiten des Lebens dazu führten, dass in ungerechter Weise Leistungsansprüche durch den Tod vernichtet würden. Durch die Regelung werde der grundrechtliche Eigentumsschutz gemäß Art. 14 Grundgesetz (GG) verletzt. Im Übrigen sei auch vom Bestehen eines fiktiven und anhängigen Verwaltungsverfahren auszugehen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Dezember 2010 wies die bei der Beklagten gebildete Widerspruchsstelle den Widerspruch zurück. Da der Antrag auf Witwenrente erst nach dem Tod von H.A. gestellt worden sei, sei die Gewährung einer Witwenrente nicht mehr möglich. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch komme nicht in Betracht, da kein Beratungsmangel vorliege.

Hiergegen erhob der Kläger unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens am 29. Dezember 2010 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG).

Die Beklagte trat der Klage entgegen und führte auf Nachfrage des SG aus, dass sich für den Zeitraum vom 01. April bis 31. Mai 2010 mit Blick auf die Hinterbliebenenrente ein Zahlbetrag in Höhe von Euro 1.880,67 (Euro 940,08 × zwei Monate) ergebe.

Mit Gerichtsbescheid vom 19. Juli 2012 wies das SG die Klage ab. Die Voraussetzungen des § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) seien nicht erfüllt, so dass kein Anspruch auf Aufhebung der Ablehnungsentscheidung vom 06. Juli 2010 und die Gewährung von Witwenrente für die Zeit vom 29. März bis 03. Mai 2010 aus der Versicherung des A. A. an den Kläger als Rechtsnachfolger der verstorbenen H. A. bestehe. Die von der Beklagten in der Ausgangsentscheidung getroffene Ablehnungsentscheidung erweise sich bezugnehmend auf die Bescheide vom 06. Juli und 31. August 2010 und insbesondere auch auf den Widerspruchsbescheid vom 14. Dezember 2010 als rechtmäßig. Für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch sei kein Raum. Eine Beratung könne erst dann erfolgen, wenn die Beklagte von den maßgeblichen Umständen Kenntnis erlange. Die verspätete Mitteilung des Todesfalles von A. A. durch den Kläger könne und dürfe nicht zum Nachteil der Beklagten gereichen. Ein Beratungsmangel der Beklagten sei nicht ansatzweise zu erblicken. Verfassungsrechtliche Bedenken bestünden weder im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit noch in Bezug auf Art. 14 GG. Ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG komme schon deshalb nicht in Betracht, weil der Anspruch auf Hinterbliebenenrente nicht auf einer dem die Rente beanspruchenden Antragssteller zurechenbaren Eigenleistung beruhe und ebenso nicht auf einer dem Versicherten selbst zurechenbaren Leistung. Die Hinterbliebenenrente sei eine vorwiegend fürsorgerisch motivierte Leistung (Verweis auf Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 30. September 1987 - 2 BvR 933/82 in BVerfGE 76, 256 ff; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 05. August 2010 - L 14 R 364/10 - in juris).

Gegen diesen ihm am 24. Juli 2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 01. August 2012 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt. Er wiederholt sein bisheriges Vorbringen. Gemäß § 115 Abs. 6 SGB VI sei eine Ausnahme vom Antragsprinzip anzunehmen. Außerdem bestehe ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch und es wäre zudem unverhältnismäßig, wenn man sich hier auf den Fristablauf bzw. einen fehlenden Antrag berufen würde. Die zeitlichen Abläufe seien für die Beteiligten völlig unvorhersehbar gewesen und dürften ihnen nicht zum Nachteil gereichen. Der Kläger hat den Erbschein des Notariats T. IV vom 10. August 2010 sowie die gegenüber einer Bank erteilte Erbschaftsvollmacht vom 12. August 2010 vorgelegt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 19. Juli 2012 und den Bescheid der Beklagten vom 31. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Dezember 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 06. Juli 2010 zurückzunehmen und ihm als Rechtsnachfolger der verstorbenen H. A. Witwenrente für die Zeit vom 29. März 2010 bis 03. Mai 2010 aus der Versicherung des A. A. zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf ihr bisheriges Vorbringen und die ergangenen Bescheide sowie den Gerichtsbescheid des SG vom 19. Juli 2012.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten in beiden Instanzenzügen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und auch statthaft. Sie ist nicht gemäß § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgeschlossen. Der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 N. 1 SGG von Euro 750,00 ist überschritten. Der Kläger begehrt Witwenrente für die Zeit vom 29. März bis 03. Mai 2010. Ausgehend von dem monatlichen Zahlbetrag von Euro 940,08 ergibt sich für diesen Zeitraum ein Betrag von insgesamt Euro 1.122,00 (29. bis 31. März 2010: drei Tage à 30,32 [Euro 940,08 dividiert durch 31 Tage] = Euro 90,96; April 2010: Euro 940,08; 01. bis 03. Mai 2010: drei Tage à Euro 30,32 = Euro 90,96).

Der Kläger ist auch aktiv legitimiert. Nach dem Erbschein des Notariats T. IV vom 10. August 2010 ist er mit einem Erbteil von 1/2 (Mit-)Erbe der verstorbenen H. A. und damit deren Rechtsnachfolger geworden. Der Senat geht davon aus, dass der Kläger den Anspruch auf Witwenrente für alle Erben gemeinschaftlich geltend macht (§ 2039 Bürgerliches Gesetzbuch BGB -). Aus den Sonderregelungen des Sozialgesetzbuchs ergibt sich nichts Anderes. Nach § 58 Satz 1 SGB I werden fällige Ansprüche auf Geldleistungen nach den Vorschriften des BGB vererbt, wenn sie nicht nach den §§ 56 und 57 SGB I einem Sonderrechtsnachfolger zustehen. Sonderrechtsnachfolger sind nach dem hier allein in Betracht kommenden § 56 Abs. 1 Nr. 2 SGB I Kinder, wenn diese mit dem Berechtigten zur Zeit seines Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt haben oder von ihm wesentlich unterhalten worden sind. Dies war hier nicht der Fall. Der Kläger hatte zur Zeit des Todes von H. A. weder einen gemeinsamen Haushalt noch wurde er von ihr wesentlich unterhalten. Ein gemeinsamer Haushalt des Klägers mit H. A. folgt nicht daraus, dass der Kläger nach seiner Behauptung in der mündlichen Verhandlung des Senats in den beiden Monaten vor dem Tod der H. A. u.a. in deren Wohnung in Spanien gepflegt habe. Unter einem gemeinsamen Haushalt ist das Zusammenleben mit gemeinschaftlicher Lebens- und Wirtschaftsführung für eine gewisse Dauer zu verstehen (Wagner in: jurisPK-SGB I, 2. Aufl. 2011, § 56 SGB I). Eine gewisse Dauer des Zusammenlebens vermag der Senat nicht festzustellen, zumal H. A. alsbald nach dem Tod des A. A. nach Deutschland zurückkehrte mit dem Plan, sie in einem Pflegeheim unterzubringen. Eine Sonderrechtsnachfolge hat hier deshalb nicht stattgefunden. Der geltend gemachte Anspruch auf Witwenrente ist deshalb nach den Vorschriften des BGB auf den Kläger übergegangen.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid vom 19. Juli 2012 die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 31. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Dezember 2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheids vom 06. Juli 2010 und Zahlung von Witwenrente.

Verfahrensrechtliche Grundlage des geltend gemachten Überprüfungsanspruchs ist § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die Beklagte ist, dies trägt auch der Kläger nicht vor, weder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen noch hat sie das Recht bei Erlass des Bescheids vom 06. Juli 2010 unrichtig angewandt. Vielmehr hat die Beklagte zu Recht den Antrag des Klägers auf Zahlung von Witwenrente an ihn für seine verstorbene Mutter H. A. abgelehnt, weil vor deren Tod am 03. Mai 2010 noch kein Antrag auf Witwenrentenrente gestellt worden war und auch kein Verwaltungsverfahren anhängig war und Ansprüche auf Geldleistungen - wozu die Witwenrente gehört - gemäß § 59 SGB I erlöschen, wenn solche zu dem Zeitpunkt des Todes des Berechtigten weder festgestellt sind noch ein Verwaltungsverfahren über sie anhängig war. Im Rahmen des § 59 Satz 2 SGB I kommt es auf die tatsächliche Anhängigkeit des Verwaltungsverfahrens an, nicht darauf, ob das Verfahren bei korrekter Sachbehandlung hätte anhängig sein müssen (BSG, Urteil vom 25. Oktober 1984 - 11 RA 18/84 - in juris).

Nach § 46 Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 2 Satz 1 SGB VI haben Witwen, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf kleine bzw. große Witwenrente, wenn der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Die allgemeine Wartezeit beläuft sich gemäß § 50 Abs. 1 SGB VI auf fünf Jahre. Sie gilt nach § 50 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI bei einer Hinterbliebenenrente als erfüllt, wenn der verstorbene Versicherte bis zum Tod eine Rente bezogen hat. Gemäß § 46 Abs. 2a SGB VI haben keinen Anspruch auf Witwenrente, Witwen, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Nach § 99 Abs. 2 SGB VI wird eine Hinterbliebenenrente von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind. Sie wird gemäß § 99 Abs. 2 Satz 2 SGB VI bereits vom Todestag an geleistet, wenn an den Versicherten eine Rente im Sterbemonat nicht zu leisten ist. Wenn aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen die Anspruchsvoraussetzungen für eine Rente wegfallen, endet die Rentenzahlung mit dem Beginn des Kalendermonats, zu dessen Beginn der Wegfall wirksam ist (§ 100 Abs. 3 Satz 1 SGB VI).

Soweit der Kläger Witwenrente für die Zeit vom 29. bis 31. März 2010 begehrt, scheitert ein Anspruch bereits daran, dass A. A. am 28. März 2010, dem Tag seines Todes Rente bezog, weshalb gemäß § 99 Abs. 2 SGB VI Witwenrente erst ab dem Monat April 2010, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt waren, zu leisten gewesen wäre.

Unter Zugrundelegung der genannten rechtlichen Vorgaben sind zwar die Voraussetzungen für einen Anspruch der verstorbenen H. A. auf Witwenrente für die Zeit vom 01. April bis 31. Mai 2010 vorliegend grundsätzlich erfüllt. A. A. hatte, abgesehen davon, dass bei ihm aufgrund des Bezugs einer Rente bis zu seinem Tod die allgemeine Wartezeit bereits als erfüllt gilt, die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren auch tatsächlich erfüllt. Dies geht daraus hervor, dass er Regelaltersrente bezog und hierfür ebenfalls die allgemeine Wartezeit erfüllt sein muss. H. A. hatte nach den Tod des A. A. auch nicht wieder geheiratet. Dies stützt der Senat darauf, dass in ihrer Sterbeurkunde vom 11. Mai 2010 ihr Familienstand als verwitwet angegeben ist. Davon, dass A. A. und H. A. über ein Jahr verheiratet waren, geht der Senat aus.

Dem Anspruch des Klägers auf Zahlung von Witwenrente steht aber entgegen, dass H. A. nach dem Tod des A. A. am 28. März 2010 und bis zu ihrem eigenen Tod am 03. Mai 2010 nicht den, da sich aus § 46 SGB VI nichts Abweichendes ergibt und § 115 Abs. 1 Satz 1 SGB VI für das Rentenverfahren ebenfalls grundsätzlich einen Antrag voraussetzt, gemäß § 19 SGB IV auch für eine Hinterbliebenenrente zwingend erforderlichen Antrag auf Witwenrente gestellt hat. Der Kläger kann diesen Antrag nach dem Tod der H. A. auch nicht nachholen. Nachdem gemäß § 59 Satz 2 SGB I Ansprüche auf Geldleistungen mit dem Tode des Berechtigten erlöschen, wenn sie - wie hier - zum Zeitpunkt des Todes des Berechtigten weder festgestellt sind noch ein Verwaltungsverfahren über sie anhängig ist, geht der diesbezügliche Antrag des Klägers auf Gewährung von Witwenrente für H. A. vom 21. Mai 2010 ins Leere. Ein Anspruch auf Witwenrente nach dem Tod von H. A. existiert nicht mehr.

Von der Notwendigkeit eines Antrags ist hier entgegen des Vorbringens des Klägers auch nicht deshalb abzuweichen, weil nach § 115 Abs. 6 Satz 1 SGB VI die Träger der Rentenversicherung die Berechtigten in geeigneten Fällen darauf hinweisen sollen, dass sie eine Leistung erhalten können, wenn sie diese beantragen, H. A. vor ihrem Tod jedoch kein entsprechender Hinweis erteilt wurde. Sinn und Zweck des § 115 Abs. 6 SGB VI ist es, die nicht ausreichend informierten Versicherten von Nachteilen aus dem Antragsprinzip zu bewahren. Die Vorschrift wurde durch das Rentenreformgesetz 1992 (RRG 1992) zugleich mit § 99 SGB VI, welcher die Auswirkungen des Antragszeitpunktes für den Rentenbeginn regelt, eingeführt. Durch § 99 SGB VI werden gravierendere Folgen an die Antragstellung bzw. deren Zeitpunkt geknüpft als nach dem alten Recht der Reichsversicherungsordnung. Als Korrelat ist hierfür die Regelung des § 115 Abs. 6 SGB VI vorgesehen. Die Hinweispflicht besteht jedoch nicht generell. Die Regelung bezweckt den Schutz des Einzelnen. Voraussetzung für die Hinweispflicht ist damit, dass die Adressaten derartiger Hinweise aufgrund des beim Rentenversicherungsträger gespeicherten und aufgrund allgemeiner Kriterien abrufbaren Datenbestands bestimmbar sind (BSG, Urteil vom 14. November 2002 - B 13 RJ 39/01 R - in juris). Dies wird auch schon aus dem Wortlaut des § 115 Abs. 6 SGB VI deutlich, wonach die Träger der Rentenversicherung den Berechtigten ?in geeigneten Fällen? Hinweise erteilen sollen. Daraus folgt, dass die Beklagte im vorliegenden Fall keine Hinweispflicht nach § 115 Abs. 6 SGB VI traf. Es kann insoweit dahingestellt bleiben, ob der Beklagten bekannt war, dass A. A. und H. A. verheiratet waren, eine Hinweispflicht der Beklagten scheitert jedenfalls daran, dass die Beklagte bis zum 21. Mai 2010 keine Kenntnis vom Tod des A. A. hatte. Der Kläger hat der Beklagten das Versterben des A. A. erst am 21. Mai 2010 zunächst telefonisch und sodann schriftlich unter Vorlage der Sterbeurkunde mitgeteilt. Dass der Beklagten das Versterben des A. A. nicht bekannt war, wird auch daraus deutlich, dass sie die Bezahlung der Altersrente erst zum 31. Juli 2010 einstellte. Wenn nun die Beklagte aber keine Kenntnis davon hatte, dass A. A. am 28. März 2010 verstorben war und H. A. damit grundsätzlich einen Anspruch auf Witwenrente hatte, konnte sie H. A. auch keinen Hinweis erteilen, dass sie, H.A., Witwenrente erhalten könnte, wenn sie diese beantragen würde. Bis zum 21. Mai 2010 verfügte die Beklagte über keine Kenntnisse, die eine Beratung als erforderlich hätten erscheinen lassen können. Sie hat damit gegenüber der Witwe H. A. ihre Hinweispflicht nicht verletzt. Ein Antrag auf Witwenrente ist deshalb unter dem Aspekt der Verletzung der Hinweispflicht nach § 115 Abs. 6 SGB VI nicht entbehrlich.

Aus Vorstehendem ergibt sich, dass auch die Voraussetzungen für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch hier nicht vorliegen. Voraussetzung für das Eingreifen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ist, dass der Sozialleistungsträger eine ihm aufgrund Gesetzes oder eines Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht, insbesondere zu Beratung und Auskunft (§§ 14, 15 SGB I ), verletzt hat, dass zwischen der Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem Nachteil des Betroffenen ein ursächlicher Zusammenhang besteht und dass der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden kann. Die Korrektur durch den Herstellungsanspruch darf dem jeweiligen Gesetzeszweck nicht widersprechen (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 31. Oktober 2007 - B 14/11b AS 63/06 R - SozR 4-1200 § 14 Nr. 10). Hier fehlt es bereits an der Verletzung der Beratungspflicht der Beklagten H. A. gegenüber. Die Beklagte hatte - wie ausgeführt - bis zum 21. Mai 2010 keine Kenntnis vom Versterben des A. A. und damit davon, dass bei H. A. die Voraussetzungen für eine Leistung, hier eine Witwenrente, vorliegen könnten. Sie traf damit auch keine Beratungspflicht nach §§ 14, 15 SGB I.

Der Senat sieht in den angefochtenen Bescheiden der Beklagten und den diesen zugrundeliegenden gesetzlichen Bestimmungen auch keinen Verstoß gegen Verfassungsrecht, namentlich Art. 14 GG. Ein Anspruch auf Witwenrente beruht nicht auf einer dem die Rente beanspruchenden Antragsteller zurechenbaren Eigenleistung und auch nicht auf einer dem Versicherten selbst zurechenbaren Leistung. Es handelt sich insoweit um eine vorwiegend fürsorgerisch motivierte Leistung, weil sie ohne eigene Beitragsleistung des Rentenempfängers und ohne erhöhte Beitragsleistung des Versicherten gewährt wird (BVerfG, Beschluss vom 30. September 1987 a.a.O.). Jeder Versicherte trägt über seinen Beitrag gleichermaßen zur Versorgung aller Hinterbliebenen bei, ohne dass der verheiratete oder Kinder habende Versicherte - trotz der erhöhten Wahrscheinlichkeit des Rentenbezugs seiner Hinterbliebenen - einen an diesem Risiko ausgerichteten Beitrag leisten muss. Von einem Eingriff in die Eigentumsrechte der Rentner kann also keine Rede sein.

Auch ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist für den Senat nicht erkennbar. Die Witwenrente entfällt nicht deshalb, weil H. A. kurz nach A. A. starb, sondern weil H. A. zu Lebzeiten keinen Antrag gestellt hatte und auch kein Verwaltungsverfahren eingeleitet wurde. Ein Entfallen der Rente unter diesem Aspekt ist nicht unverhältnismäßig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1 und 162 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Vorliegend handelt es sich um ein kostenpflichtiges Verfahren nach § 197a SGG, denn weder der Kläger noch der Beklagte gehören zu dem in § 183 Satz 1 SGG genannten Personenkreis, für den das Verfahren vor den Sozialgerichten kostenfrei ist. Dort sind nummerativ aufgezählt Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, Behinderte oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 SGB I, soweit sie in dieser Eigenschaft als Kläger oder Beklagter beteiligt sind. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Der Kläger ist am Verfahren insbesondere nicht als Hinterbliebenenleistungsempfänger beteiligt, vielmehr macht er einen Anspruch seiner verstorbenen Mutter auf Witwenrente geltend. Er ist - wie bereits ausgeführt - auch nicht Sonderrechtsnachfolger, weshalb die Kostenentscheidung nicht nach § 193 SGG, sondern nach § 197a SGG zu erfolgen hat.

Der Kostentenor des Gerichtsbescheids des SG war von Amts wegen zu korrigieren, da auch im erstinstanzlichen Verfahren die Kostenentscheidung nach § 197a SGG zu erfolgen hatte. Das SG entschied nur über die außergerichtlichen Kosten (§ 193 SGG), nicht jedoch über die Gerichtskosten. Da die Monatsfrist des § 140 SGG abgelaufen ist, kann das Urteil des SG nicht ergänzt werden. Die unterbliebene Entscheidung über die Gerichtskoten erster Instanz kann durch den Senat nachgeholt werden (vgl. BSG, Beschluss vom 09. Juli 1997 - 3 BS 3/96 - SozR 3-1500 § 140 Nr. 2). In der Sache sind dem Kläger auch die Gerichtskosten der ersten Instanz aufzuerlegen, weil er unterlegen war (§§ 197a Abs. 1 SGG, 154 Abs. 1 VwGO). Der Senat kann insoweit die Kostenentscheidung zu Ungunsten des Klägers ändern, denn das Verbot der reformatio in peius gilt hier nicht (vgl. BSG, Urteil vom 10. September 1987 - 10 RAr 10/86 - BSGE 62, 131 ff.).

Den Streitwert setzt der Senat gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) endgültig auf Euro 1.122,00 (zur Berechnung siehe oben) für beide Rechtszüge fest.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved