L 11 R 3751/12 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 18 R 2706/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 3751/12 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 26.07.2012 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Verfahren in erster Instanz in Höhe von 35.277,43 Euro und für das Beschwerdeverfahren auf 29.044,68 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde der Antragstellerin ist zwar zulässig, jedoch unbegründet. Das Sozialgericht Freiburg (SG) hat dem Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage vom 24.05.2012 gegen den Bescheid vom 02.08.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.05.2012 anzuordnen, zu Recht nicht in Bezug auf die Beitragsnachforderung (58.089,36 Euro) stattgegeben.

Die Voraussetzungen für eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 86b Abs 1 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind nicht erfüllt. Dies hat das SG in den Gründen des mit der Beschwerde angegriffenen Beschlusses vom 26.07.2012 zutreffend dargelegt. Der Senat macht sich diese Ausführungen aufgrund eigener Überzeugungsbildung vollinhaltlich zu eigen und sieht zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen gemäß § 142 Abs 2 Satz 3 SGG von der Darstellung (weiterer) eigener Entscheidungsgründe ab.

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der Senat in ständiger Rechtsprechung davon ausgeht, dass bei Beitragsstreitigkeiten ernstliche Zweifel in Sinne des § 86a Abs 3 Satz 2 SGG nur dann vorliegen, wenn ein Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als ein Unterliegen (vgl auch Beschluss des Senats vom 28.06.2010, L 11 R 1903/10 ER-B, nv). Andernfalls wäre in Beitragsangelegenheiten angesichts der vielfach in vorläufigen Rechtsschutzverfahren noch ungeklärten Verhältnisse eine Aussetzung der Vollziehung häufig durchsetzbar, was die Funktionsfähigkeit der Sozialversicherungsträger beeinträchtigen könnte (ebenso LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.07.2004, L 5 B 2/04 KR ER mwN, juris). Insoweit müssen erhebliche Gründe für ein Obsiegen in der Hauptsache sprechen, damit die in § 86a Abs 2 Nr 1 SGG vorgenommene gesetzliche Risikoverteilung geändert werden kann.

Nach dem gegenwärtigen Stand der Sachlage ist es für den Senat nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 02.08.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.05.2012 Erfolg haben wird.

Rechtsgrundlage für den streitgegenständlichen Bescheid ist § 28p Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Nach Abs 1 dieser Vorschrift prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen. Die Träger der Rentenversicherung erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern. Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw Beitragspflicht (§ 5 Abs 1 Nr 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch, § 20 Abs 1 Satz 2 Nr 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch, § 1 Satz 1 Nr 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch, § 25 Abs 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG 20.05.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung (st Rspr BSG, vgl ua Urteil vom 28.05.2005, B 12 KR 13/07 R, juris).

Nach im Eilverfahren gebotener, aber auch ausreichender summarischer Prüfung bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes. Die darin genannten Personen, G. B., D. Bl., Di. G., B. Sch., V. W., A. Wa. und Gr. War., waren im Zeitraum vom 28.02.2008 bis 30.09.2009 bei der Antragstellerin abhängig beschäftigt. Zwar haben die genannten Personen Gewerbe angemeldet und ihre Vergütung der Antragstellerin (teilweise unter Ansatz von Mehrwertsteuer) in Rechnung gestellt. Diese Gesichtspunkte sind jedoch für die Abgrenzung zwischen abhängiger und selbständiger Tätigkeit allein nicht entscheidend. Die Anmeldung eines Gewerbes und die Vergütung in Form von Rechnungen setzen eine selbständige Tätigkeit voraus, begründen aber für sich allein keine Selbständigkeit. Entscheidend ist auch nicht, an wie vielen verschiedenen Vorhaben der Betreffende teilgenommen hat und ob er auch für andere Auftraggeber tätig war (Urteil des Senats vom 14.02.2012, L 11 KR 3007/11, juris, mit Verweis auf die Rechtsprechung des BAG). Erforderlich ist selbst im Rahmen eines Dauerrechtsverhältnisses stets eine Bewertung der einzelnen Arbeitseinsätze (BSG 28.05.2008, B 12 KR 13/07 R, juris RdNr 26). Maßgeblich ist dabei das Gesamtbild, das sich nach den tatsächlichen Verhältnissen bestimmt. Danach überwiegen nach derzeitiger Sachlage die Indizien für eine abhängige Beschäftigung der genannten Personen.

Nach den Ermittlungen des Hauptzollamtes L. haben diese Personen verschiedene Helfertätigkeiten im E.park R. verrichtet (zB Seereinigung, Bestuhlung, Bühnenaufbau, -abbau, Dekorationsarbeiten). Hilfstätigkeiten sind in der Regel weisungsabhängig. Dass dies auch vorliegend der Fall war, haben die Ermittlungen des Hauptzollamtes bestätigt. Jeder der befragten Personen gab gegenüber dem Hauptzollamt an, Weisungen hinsichtlich der Ausführung der Tätigkeiten erhalten zu haben. Es handelte sich nicht um hinreichend bestimmte, abgrenzbare und im Vorfeld definierte Aufträge. Es waren vielmehr Vorgaben und damit eine Eingliederung in den Betrieb erforderlich. Dass möglicherweise eine Eingliederung in den Betrieb des E.parks R. stattfand und das Weisungsrecht von den dortigen Mitarbeitern ausgeübt wurde, spricht nicht gegen ein Beschäftigungsverhältnis mit der Antragstellerin. Denn insoweit kommt eine (illegale) Arbeitnehmerüberlassung in Betracht, welche die Antragstellerin ebenfalls zur Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags verpflichtet (vgl § 28e Abs 2 SGB IV). Eine bloße Vermittlung von Beschäftigungsverhältnissen lag erkennbar nicht vor. Andernfalls wäre es nicht erklärlich, warum die Hilfsarbeiter gegenüber der Antragstellerin die Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden nachweisen mussten und ihr gegenüber Rechnungen stellten. Die Tätigkeit der Antragstellerin war nicht auf den Abschluss von Arbeitsverhältnissen zwischen dem E.park und den Hilfsarbeitern ausgerichtet und erschöpfte sich auch nicht in der bloßen Herstellung eines Kontaktes. Nach den Ermittlungen des Hauptzollamtes behandelte die Antragstellerin die genannten Personen wie ihre sonstigen abhängig Beschäftigten. Sie erhielten ein (auch an ?Minijobbler? gerichtetes) Informationsblatt, das Anweisungen zur Wahrnehmung von Terminen, Sicherheit am Arbeitsplatz und Arbeitsbekleidung enthielt. Für eine abhängige Beschäftigung spricht zudem, dass die Tätigkeiten nach Stunden abgerechnet wurden, wobei Arbeitszeitnachweise geführt werden mussten. Nach dem Vortrag der Antragstellerin wurde die Vergütung zwar ausgehandelt, ganz überwiegend erhielten die Helfer jedoch einen Stundensatz zwischen 12,00 Euro und 13,00 Euro. ?In der Probezeit? zahlte die Antragstellerin einen Stundenlohn von 10,00 Euro. Dies entspricht der typischen Vergütungspraxis abhängig Beschäftigter.

Schließlich fehlt es an dem für Selbständige typischen unternehmerischen Risiko. Maßgebliches Kriterium für ein solches Risiko eines Selbstständigen ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der tatsächlichen und sächlichen Mittel also ungewiss ist (vgl zB BSG 28.05.2008, B 12 KR 13/07 R, juris). Die Hilfsarbeiter erhielten für die geleisteten Arbeitsstunden einen festen Stundenlohn. Ein nennenswertes Risiko, dass sie dabei trugen ist nicht erkennbar. Allein das Risiko, nicht durchgehend arbeiten zu können, ist ein Risiko, das jeden Arbeitnehmer trifft, der nur Zeitverträge bekommt oder auf Abruf arbeitet und nach Stunden bezahlt oder unständig Beschäftigter ist. Zum echten Unternehmerrisiko wird dieses Risiko deshalb regelmäßig erst, wenn bei Arbeitsmangel nicht nur kein Einkommen oder Entgelt aus Arbeit erzielt wird, sondern auch Kosten für betriebliche Investitionen und/oder Arbeitnehmer anfallen oder früher getätigte Investitionen brach liegen (LSG Baden-Württemberg 02.09.2011, L 4 R 1036/10, juris, mwN). Es ist nicht erkennbar, dass die genannten Personen eigenes Kapital in Form einer eigenen Betriebsstätte, Material und Werkzeugen in nennenswertem Umfang eingesetzt haben. Keiner der vom Hauptzollamt Befragten gab an, über eine eigene Betriebsstätte zu verfügen. Nur A. Wa. sagte aus, Ausgaben für nicht näher bezeichnetes Arbeitsmaterial zu haben. Den von ihm gestellten Rechnungen können dagegen keine Aufwendungen für Material entnommen werden. G. B. gab ausdrücklich an, weder über eine Betriebsstätte zu verfügen noch Ausgaben im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für die Antragstellerin zu haben. Das Werkzeug werde vom E.park R. gestellt.

Bereits nach summarischer Prüfung überwiegen vorliegend die Indizien für abhängige Beschäftigungsverhältnisse zwischen der Antragstellerin und den im angefochtenen Beitragsbescheid genannten Personen derart eindeutig, dass für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung kein Raum ist. Ungeachtet dessen bleibt die eingehende Würdigung sämtlicher Umstände des vorliegenden Falles dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 197a Abs 1 SGG iVm § 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird nach § 197a SGG iVm §§ 63 Abs 1, 52 Abs 1 und 2 Gerichtskostengesetz (GKG) auf die Hälfte der streitigen Beitragsnachforderung - vorliegend also die Hälfte aus 58.089,36 Euro, mithin 29.044,68 Euro - festgesetzt. Für das Verfahren erster Instanz erhöht sich der Streitwert um die Hälfte der Säumniszuschläge (1/2 x 12.465,50 Euro) auf 35.277,43 Euro.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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