L 4 R 4074/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 5722/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 4074/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 16. August 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die am 1966 geborene Klägerin absolvierte in der Zeit von August 1984 bis Juli 1987 erfolgreich eine Lehre zur Bürokauffrau. Von 1988 bis Ende 2001 war sie auf verschiedenen Stellen als Sekretärin, zuletzt als Chefsekretärin, versicherungspflichtig beschäftigt. Von 2002 an nahm die Klägerin eine versicherungspflichtige Tätigkeit als Sachbearbeiterin beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. wahr. Am 13. Januar 2005 wurde die Klägerin in die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie im F.-krankenhaus in S. eingewiesen, wo sie bis 28. Februar 2005 stationär, darüber hinaus bis 18. März 2005 tagesklinisch behandelt wurde. Mit Bescheid vom 28. April 2005 stellte das Versorgungsamt einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 in Folge von seelischer Erkrankung und u.a. eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule fest. Zum 31. Dezember 2007 wurde der Klägerin in ihrer Tätigkeit als Sachbearbeiterin aus personen- sowie verhaltensbedingten Gründen aufgrund krankheitsbedingter Leistungsminderung sowie erheblicher Fehlzeiten gekündigt. Anschließend bezog die Klägerin Leistungen der Arbeitsförderung und ist seither arbeitslos.

Am 26. März 2008 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Sie gab an, sich seit 2005 aufgrund einer Wirbelsäulenerkrankung einhergehend mit Depressionen für erwerbsgemindert zu halten. Zur Begründung legte sie eine Kopie ihres Schwerbehindertenausweises sowie einen Aufhebungsbescheid vom 08. August 2007 bei, demzufolge der GdB ab 12. August 2007 nur noch 20 betrage.

Die Beklagte veranlasste sozialmedizinische Begutachtungen der Klägerin durch den Orthopäden Dr. W. sowie durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. M.-J ... Dr. W. diagnostizierte in seinem Gutachten vom 28. Mai 2008 aufgrund einer Untersuchung der Klägerin am Vortage ein myogenes Wirbelsäulensyndrom bei funktionell unbedeutender angeborener Blockwirbelbildung C6/C7. Zu vermeiden seien mittelschwere und schwere körperliche Tätigkeiten, häufige Überkopfarbeiten sowie häufiges Bücken, Heben und Tragen von Lasten über fünf bis zehn kg. Weitere wesentliche Funktionseinschränkungen ergäben sich keine. Die Klägerin sei sowohl im erlernten Beruf als Bürokauffrau als auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch sechs Stunden täglich und mehr belastbar. Dr. M.-J. berichtete in seinem Gutachten vom 22. Juni 2008 aufgrund einer Untersuchung der Klägerin am 05. Juni 2008 von einem chronifizierten HWS- und LWS-Syndrom ohne neurologische Ausfälle. Im psychischen Befund hätten sich keine Hinweise auf Depressionsfaktoren wie emotionale Eingeengtheit, Angst und Beklemmungsgefühle, Niedergeschlagenheit oder Ähnliches ergeben. Auch Störungen der höheren kognitiven Funktionen seien bei normalem Durchhaltevermögen und ungestörter Belastbarkeit nicht feststellbar gewesen. Ein wesentlicher Leidensdruck habe im Rahmen der Untersuchung nicht erkannt werden können. Die Klägerin nehme Konsultationen des Orthopäden in größeren Abständen wahr. Eine krankengymnastische Übungsbehandlung werde nicht durchgeführt, ebenso wenig werde eine schmerzspezifische Medikation eingenommen. Auch eine Vorstellung in einer Schmerzambulanz sei bislang nicht erfolgt. Die Klägerin selbst beabsichtige, zum frühestmöglichen Zeitpunkt wieder eine vollschichtige Tätigkeit im Büro /Verwaltungssektor aufzunehmen und bewerbe sich laufend bei verschiedenen Arbeitgebern. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit (Sachbearbeiterin - Verwaltungstätigkeit) sei der Klägerin weiterhin zumutbar. In Bezug auf den allgemeinen Arbeitsmarkt seien der Klägerin leichte körperliche Tätigkeiten vollschichtig zumutbar, die im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen auszuüben seien. Ausschließliches Sitzen vor dem Bildschirm z.B. im Rahmen einer Tätigkeit als Schreibkraft sollte dagegen nicht mehr verrichtet werden.

Die Beklagte ließ diese Gutachten durch die beratende Ärztin Dr. R. auswerten (vgl. Auswertung vom 30. Juni 2008) und lehnte mit Bescheid vom 16. Juli 2008 den Antrag der Klägerin auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung ab.

Die Klägerin legte medizinische Unterlagen vor, was die Beklagte als Widerspruch ansah, u.a. aus dem Verfahren über die Feststellung des Grades der Behinderung, insbesondere eine auch im weiteren Verlauf des Rentenverfahrens immer wieder in Kopie zu den Akten gegebene Auskunft des sie behandelnden Orthopäden Dr. M. vom 28. Februar 2008 sowie Kopien von ohne erkennbares Datum gefassten Befundberichten (des Radiologen Dr. H. sowie des Orthopäden Dr. Z.). Sie bitte um Verständnis, dass sie zu einer Erwerbstätigkeit derzeit nicht in der Lage sei.

Die Beklagte holte den Befundbericht des Dr. M. vom 15. Dezember 2008 ein, der über seit einigen Monaten zunehmende und anhaltende Schmerzen der Lendenwirbelsäule mit Ausstrahlung in das Bein sowie eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule berichtete, sowie den Befundbericht bei der die Klägerin behandelnden Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Kr.-R. ein (Befundbericht vom 28. Dezember 2008). Diese gab an, im letzten Arbeitsverhältnis habe die Klägerin die Arbeitszeiten selbst bestimmen können, dort sei sie jedoch wegen mangelnder Pünktlichkeit, inadäquatem Auftreten und Verhalten aufgefallen. Eine Kündigung sei trotz Einsatz des Schwerbehindertenvertreters wegen fehlender Kooperation und Anpassungsfähigkeit erfolgt. Die Klägerin sei seit 18. April 2005 in ihrer Behandlung, seit 2007 zunehmend unzuverlässig. Sie habe 2008 Zypreka ohne Absprache abgesetzt. 1996 habe sich die Klägerin nach einem schweren Suizidversuch mit Fleckenwasser und Verbrennung bei Verfolgungswahn gegenüber ihrem Chef im Zentrum für Psychiatrie C./H. befunden. Zuvor habe sie ihre Stellung als Chefsekretärin mangels Belastbarkeit aufgeben müssen. Bei der Klägerin liege eine paranoid-halluzinatorische Schizophrenie vor. Sie habe sich vom 13. Januar bis 18. März 2005 in stationärer psychiatrischer Behandlung befunden. Überdies habe die Klägerin über mehrere Jahre in einer psychiatrischen Institutsambulanz Behandlungen wahrgenommen. Ihre Krankheitseinsicht sei sehr eingeschränkt, sie führe alles auf eine Wirbelsäulenproblematik zurück und leugne weitgehend das Bestehen einer Psychose. Die Klägerin habe paranoide Ideen, könne sich in ein Arbeitsverhältnis nicht mehr einordnen, die Anpassungsfähigkeit sei nicht mehr ausreichend, sie trete eigenwillig-maniriert auf und sei in ihrem Ausdrucksverhalten sehr auffällig.

Auf diese Arztauskunft hin durch die Beklagte veranlasste Begutachtungstermine (Termin zur Begutachtung beim Arzt für Nervenheilkunde Prof. Dr. T. am 19. März 2009 sowie beim Arzt für Psychiatrie Dr. A. am 30. April 2009) nahm die Klägerin unter Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen durch Facharzt für Allgemeinmedizin G. nicht wahr. Ausweislich eines Vermerks der Beklagten vom 17. Juni 2009 teilte Arzt G. hierzu telefonisch mit, dass die Klägerin nur ganz selten in seiner Praxis erscheine und er deswegen keinen Befundbericht über die Klägerin erstellten könne. Die Beklagte veranlasste daraufhin eine Begutachtung der Klägerin im Rahmen eines Hausbesuches durch Arzt für Psychiatrie Ar ... Der am 16. September 2009 nach Ankündigung bei der Klägerin vorsprechende Arzt traf diese jedoch nicht zu Hause an. Die Beklagte holte daraufhin eine nervenärztliche Stellungnahme des Nervenarztes Schönberger nach Aktenlage vom 13. November 2009 ein. Dieser regte an, frühere Befund- und Entlassberichte beizuziehen. In der Folgezeit legte die Klägerin fortlaufend neue Kopien bereits bei der Akte befindlicher Arztberichte vor.

Am 29. September 2009 beantragte die Klägerin erneut Rente wegen Erwerbsminderung und reichte erneut Kopien von Arztbriefen zu den Akten. Die Beklagte holte daraufhin weitere medizinische Unterlagen, insbesondere den Entlassungsbericht des Dr. E., Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des F.-krankenhauses S., vom 18. April 2005 über die stationäre Behandlung der Klägerin dort vom 13. Januar bis 18. März 2005 ein. Darin berichtete er vom Vorliegen einer akuten psychotischen Dekompensation bei bekannter paranoid-halluzinatorischer Psychose. Die Klägerin sei nach telefonischer Vorankündigung in die Klinik eingewiesen worden. Wegen suizidaler Äußerungen habe die Polizei nach ihr gefahndet. Zuvor habe die Patientin dem Hausmeister ihres Wohnheims gegenüber geäußert, sich vom Balkon stürzen zu wollen. In den Tagen zuvor sei sie mehrfach aufgefallen, indem sie nur mit einem Slip bekleidet im Wohnheim unterwegs gewesen und dann lange vor Türen gestanden habe. Erstmals sei die Klägerin 1996 nach schwerem Suizidversuch mit Fleckenwasser und Verbrennungen zweiten Grades im Hals- und Thoraxbereich in stationäre psychiatrische Behandlung gekommen. Damals habe sie sich von ihrem Chef verfolgt gefühlt und sei mit der beruflichen Situation überlastet gewesen. 2002 habe die Klägerin ihre damalige Stelle als Chefsekretärin aufgegeben, weil ihr die Arbeit zu viel geworden sei. Zu diesem Zeitpunkt habe sie sich auch von ihrem Ehemann getrennt, weil sie sich nicht mehr verstanden hätten, die Ehe sei zwischenzeitlich geschieden. Zu Therapie und Verlauf wird ausgeführt, obwohl die Klägerin gegenüber Personal und Behandlern zunächst sehr zurückhaltend erschienen sei, habe sie zügig in die Therapie intergiert werden können. Sie habe während der Dauer ihrer Behandlung zunächst an der täglichen Morgenrunde, dann an der Beschäftigungs- und Bewegungstherapie und später auch an der Kochgruppe und den Freizeitaktivitäten teilgenommen. Im Verlaufe ihrer Behandlung habe sich ihr Misstrauen verringert. Allerdings sei sie in Wahrnehmung und Schilderung ihrer Probleme eher oberflächlich und bagatellisierend und damit letztlich ohne tiefgreifende Einsicht in ihre psychische Erkrankung geblieben. Nach sechswöchiger Behandlungsdauer habe sich die Klägerin soweit stabilisiert, dass sie in den Tagesklinikstatus habe verlegt werden können. Anschließend sei eine Wiedereingliederung am alten Arbeitsplatz geplant gewesen. Nach erfolgreichem Verlauf dieses Arbeitsversuches habe die Klägerin am 18. März 2005 wie geplant entlassen werden können. Bei Entlassung habe sich die Klägerin von der Notwendigkeit der Medikamenteneinnahme überzeugt, habe jedoch die Hoffnung geäußert, mit Hilfe einer ambulanten Psychotherapie ihre Probleme soweit in den Griff zu bekommen, dass sie irgendwann keine Medikamente mehr brauche.

Die Beklagte zog überdies das Gutachten der Agentur für Arbeit Stuttgart vom 08. Juli 2008 bei. Gutachter Dr. F. berichtete in diesem Gutachten vom Vorliegen einer auffälligen Persönlichkeit. Im Vordergrund stehe die psychische Symptomatik. Eine spezifische Behandlung finde nicht statt. Die Klägerin selbst sehe sich aufgrund der psychischen Belastungssituation nicht wesentlich eingeschränkt und stelle sich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung. Ein aufgehobenes Leistungsvermögen lasse sich nicht erkennen. Im Rahmen gewisser qualitativer Leistungseinschränkungen sei die Klägerin noch vollschichtig belastbar. Die Klägerin könne lediglich Arbeiten mit besonderem Zeitdruck oder in Nachtschichten sowie Arbeiten verbunden mit dem Heben und Tragen schwerer Lasten ohne mechanische Hilfsmittel nicht verrichten. Es sei von einer mäßiggradig eingeschränkten körperlichen und psychomentalen Belastbarkeit auszugehen. Eine schwerwiegende Leistungseinschränkung, die die Aussichten, am Arbeitsleben teilzuhaben, nicht nur vorübergehend wesentlich mindere, liege jedoch nicht vor.

In der Folge forderte die Beklagte die Klägerin nochmals zur Teilnahme an der Durchführung einer psychiatrischen Begutachtung durch Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. A. auf. Den dort anberaumten Begutachtungstermin nahm die Klägerin wahr. Dr. A. erstattete nach Untersuchung der Klägerin am Tag zuvor sein Gutachten vom 17. März 2010. Er diagnostizierte eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung sowie einen Zustand nach akuter psychotischer Dekompensation bei bekannter paranoid-halluzinatorischer Psychose im Jahr 2005. Im psychischen Befund wird geschildert, der Kontakt habe sich vertraulich gestaltet, die Klägerin sei sehr stark bemüht gewesen, keinerlei psychische Probleme zu haben. Emotional offen habe die Klägerin über ihre Lebensumstände und Beschwerdeerlebnisweisen berichtet. Relevante Hinweise auf Simulation, Aggravation oder Bagatellisieren hätten sich nicht gefunden, was von einer offensichtlichen Abwehr problematischer innerpsychischer Prozesse abzugrenzen sei. Psychopathologisch sei die Klägerin bewusstseinsklar, wach und voll orientiert, gewesen. Die Stimmungslage habe bewusst heiter und maniriert gewirkt. Der Antrieb hätte in der Untersuchungssituation keine wesentlichen Auffälligkeiten gezeigt. Das Denken sei darauf eingeengt gewesen, dass die Wirbelsäule seit frühester Kindheit ihr einziges Problem sei. Diese primär somatisiert erlebten körperlichen Beschwerden seien sehr dramatisch geschildert worden. Konzentration und Aufmerksamkeit hätten sich hiervon immer wieder gefangen mit nur schwerer Ablenkbarkeit gezeigt. Relevante Hinweise auf eine akute Suizidgefährdung hätten sich nicht gefunden. Weder der Suizidversuch im Jahr 1996 noch der fremdanamnestische Suizidversuch 2005 mit Tablettenintoxikation seien von der Klägerin erwähnt worden. Hinweise auf eine persistierende Beschwerdesymptomatik der früheren paranoid-halluzinatorischen Psychose hätten sich hier jedoch nicht gefunden. Jetzt stehe die Klägerin unter Zyprexa und sei betont bemüht gewesen, keine psychischen Erkrankungen zu haben. Eine ambulante psychotherapeutische Auseinandersetzung mit innerpsychisch problematischen Erlebnisweisen unter Verarbeitung des chronischen Schmerzerlebens wäre an sich sinnvoll, hierfür bestehe jedoch bei der Klägerin keine Motivation. Bei einer weiteren Chronifizierung der Störung wäre zumindest eine Bedrohung der Erwerbsfähigkeit wahrscheinlich. Grundsätzlich könne davon ausgegangen werden, dass die Klägerin im Moment in mittelschweren Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes und in ihrer zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Sachbearbeiterin vollschichtig belastbar sei.

Auf Antrag der Klägerin vom 15. April 2010 bewilligte die Beklagte ihr eine medizinische Reha-Maßnahme in der T.-klinik B. K. (Bescheid vom 03. Juni 2010), an der die Klägerin vom 24. Juni 2010 bis 14. Juli 2010 teilnahm. Leitender Arzt Dr. He. berichtete in seinem Entlassungsbericht vom 19. Juli 2010 von einem chronisch myostatisch dysfunktionellen Wirbelsäulensyndrom auf dem Boden einer massiven Bauchmuskelschwäche, einem chronischen Schmerzsyndrom, einer depressiven Episode, einem atopischen endogenen Exzem an der rechten Ferse sowie von Osteopenie. In der klinischen Epikrise wird mitgeteilt, dass die Klägerin bei der Abschlussuntersuchung weniger depressiv, aufgehellter, lebensfroher und zuversichtlicher hinsichtlich der Alltagsbewältigung gezeigt habe. Die gesteckten Ziele seien weitgehend erreicht worden, wenngleich noch eine recht deutlich imponierende Bauchmuskelschwäche sowie ein wechselhaft offenes Exzem weiter zu behandeln sei. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien wechselnde Arbeitshaltungen Voraussetzung. Eingeschränkt seien das Heben und Tragen von Gewichten, das Heben aus ungünstigen Positionen, Arbeiten über Schulterhöhe, Überkopfarbeiten und Arbeiten mit Armvorhalte. Ebenso seien Kälte- und Nässeexposition sowie wechselnde Temperaturen zu vermeiden. Es sei aber durchaus möglich, dass bei weiterem konsequenten Muskeltraining eine Verbesserung mittel- bis langfristig einsetzen könne. Die Klägerin werde sowohl in ihrer letzten Tätigkeit als auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit einer Belastungsfähigkeit von täglich drei bis unter sechs Stunden entlassen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13. August 2010 wies die bei der Beklagten gebildete Widerspruchsstelle den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Auch der zusätzlich eingeholte psychiatrische Befundbericht von Dr. Kr.-R. und das psychiatrische Gutachten von Dr. A. hätten keine Einschränkungen des festgestellten Leistungsvermögens ergeben. Erwerbsminderung liege daher bei der Klägerin nicht vor.

Die Klägerin erhob am 13. September 2010 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG). Laut Schreiben ihres Rechtsanwalts habe sie eine Erwerbsunfähigkeitsrente zu beziehen. Sie legte zur Begründung bereits bei den Verwaltungsakten befindliche Befundberichte sowie ein Schreiben des Rechtsanwalts Mathias Bauer, Stuttgart, vom 12. August 2009 vor, dem zufolge ?es, falls noch nicht geschehen, sicherlich sinnvoll wäre, einen Antrag auf Erwerbsunfähigkeitsrente zu stellen?. Sie bitte um Befragung ihrer Ärzte.

Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf den Widerspruchsbescheid entgegen.

Das SG hörte den die Klägerin behandelnden Orthopäden Dr. Z. schriftlich als sachverständigen Zeugen (Auskunft vom 17. März 2011). Dr. Z. gab an, die Klägerin sei seit Dezember 2002 bei ihm in Behandlung. Sie habe sich zuletzt im Februar 2010 bei ihm vorgestellt. Er habe eine leichte muskuläre Verspannung der HWS-Schulter- Nacken und paravertebralen BWS Muskulatur, eine teilfixierte Brustkyphose, eine endgradig bewegungseingeschränkte Halswirbelsäule, neurologisch-orientierend ohne Nachweis radikulär zuordenbarer Ausfälle diagnostiziert. Aus seiner Sicht könne die Klägerin noch leichte körperliche Tätigkeiten sowie ihre Tätigkeit als Sachbearbeiterin noch mindestens vollschichtig (acht Stunden am Tag) verrichten.

Mit Gerichtsbescheid vom 16. August 2011 wies das SG die Klage ab. Nach der Überzeugung der Kammer sei die Klägerin mit gewissen Funktionseinschränkungen noch in der Lage, zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig auszuüben. Mit diesem Leistungsvermögen sei die Klägerin weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Dies stütze die Kammer auf die im Wege des Urkundenbeweises verwerteten Gutachten von Dr. W., Dr. M.-J. sowie Dr. A. sowie auf die Angaben des behandelnden Orthopäden Dr. Z. vom 17. März 2011. Die Klägerin leide auf orthopädischem Gebiet an einem Wirbelsäulensyndrom bei funktionell unbedeutender angeborener Blockwirbelsäulenbildung C6/C7. Aufgrund dessen lägen bei ihr gewisse qualitative Leistungseinschränkungen vor. Psychiater Dr. A. habe in seinem Gutachten vom 17. März 2010 keine Hinweise auf eine persistierende Beschwerdesymptomatik einer im Jahr 2005 beschriebenen paranoid-halluzinatorischen Psychose gefunden. Er habe damit auf psychiatrischem Gebiet keine weiteren Leistungseinschränkungen festgestellt. Auf dieser Grundlage sei die Kammer der Überzeugung, dass die Klägerin jedenfalls leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig verrichten könne. Soweit die Klägerin wiederholt darauf hinweise, dass ihr früherer Rechtsanwalt Bauer ihr im Jahr 2008 empfohlen habe, einen Antrag auf eine Erwerbsminderungsrente zu stellen, ergebe sich hierdurch nichts anderes. Aus dieser Empfehlung folge nicht, dass die Klägerin tatsächlich erwerbsgemindert sei. Ein Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit scheide schon aufgrund des Geburtsdatums der Klägerin aus.

Gegen diesen ihr am 08. September 2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 19. September 2011 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt. Sie bitte um die Auszahlung ihrer Erwerbsminderungsrente. Zur Begründung hat sie erneut das Schreiben ihres Rechtsanwaltes Herrn Bauer erwähnt, welches sie nochmals beigefügt hat. Diverse medizinische Unterlagen belegten, dass in ihrem Fall ein Wirbelsäulenleiden vorliege. Leider sei dies in allen Schriften unerwähnt geblieben. Es werde nochmals um Durchsicht bzw. Prüfung der Unterlagen gebeten. Zur Begründung hat die Klägerin im Wesentlichen nochmals bereits bei den Verwaltungsakten befindliche Arztbriefe aus den Jahren 2008 und 2009, ein ärztliches Attest des Dr. W. vom 02. Februar 2012, in dem dieser die Diagnosen Arthralgie linkes Knie, Wirbelsäulensyndrom, Dorsalgie, Skoliose, cervikale Migräne, Hals- und Brustwirbelsäulensyndrom, Gonalgie links, Blockierung, Zervikobrachial-Syndrom, Lumboischialgie und Somatisierungsstörung gestellt hat, die Kopie eines Vergleichsangebots des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 04. November 2009, ausweislich dessen der Grad der Behinderung ab dem Herabsetzungszeitpunkt (12. August 2007) wieder 50 v.H. betrage, den Bescheid einer Krankenkasse über die Bewilligung von Krankengeld ab 25. September 2007 sowie zahlreiche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 16. August 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. August 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung ab 01. März 2008 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Zu der durch die damalige Berichterstatterin anberaumten nichtöffentlichen Sitzung vom 10. November 2011 ist die Klägerin unter Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht erschienen, ebenso zur mündlichen Verhandlung am 27. Januar 2012.

Der Senat hat die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Arzt für Orthopädie Dr. W. hat in seiner Auskunft vom 22. Februar 2012 angegeben, die Klägerin seit 27. Mai 2008, zuletzt am 31. Januar 2012 behandelt zu haben. Sie leide unter multiplen Wirbelsäulenbeschwerden. Aus rein orthopädischer Sicht sei die Klägerin noch in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verrichten. Allerdings sei eine Überlagerung zu berücksichtigen und ggf. neurologisch zu begutachten. Er hat u.a. beigefügt Befundberichte des Facharztes für Diagnostische Radiologie Dr. St. vom 14. Juli 2009 über ein Röntgen des linken Knies (keine Gelenkspaltverschmälerung, keine Arthrosezeichen und altersentsprechender Befund) und des Facharztes für Diagnostische Radiologie Dr. Sc. vom 29. September 2009 über ein MRT des linken Knies (Riss des Innenmeniskus am Hinterhorn, ansonsten kein relevanter Befund). Arzt für Allgemeinmedizin G. hat in seiner Auskunft vom 25. April 2012 angegeben, die Klägerin sei von Dezember 2006 bis Januar 2012 in seiner Behandlung gewesen. Zuletzt habe er im Januar 2012 an drei Behandlungstagen die Diagnosen Hypertonie, Bronchitis, Asthma bronchiale und HWS-/BWS-/LWS-Syndrom gestellt, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 17. bis 23. Januar 2012 und Überweisungen an Neurologen, Orthopäden und HNO-Arzt ausgestellt. Facharztberichte lägen ihm nicht vor, das Leistungsvermögen könne er nicht beurteilen. Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. M. hat in seiner Auskunft vom 07. Mai 2012 angegeben, er habe die Klägerin zuletzt am 19. Dezember 2008 behandelt. Angaben zum aktuellen Leistungsvermögen könne er daher nicht machen.

Der Senat hat die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie - Psychotherapie Dr. G.-P. mit der Erstattung eines Gutachtens von Amts wegen nach Untersuchung der Klägerin beauftragt und die Klägerin darauf hingewiesen, dass sie den Begutachtungstermin unbedingt wahrnehmen müsse, da ansonsten der Nachweis der Erwerbsminderung nicht geführt sei. Dennoch ist sie nicht zum Begutachtungstermin erschienen. Auf den Hinweis, dass nunmehr keine weiteren Ermittlungen beabsichtigt seien, hat die Klägerin mit Schreiben vom 09. Oktober 2012 Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vom 04. Oktober und vom 09. Oktober 2012, die weder Aussteller noch Diagnose erkennen lassen, über eine voraussichtlich bis zum 03. November 2012 bestehende Arbeitsunfähigkeit in Kopie übersandt und um Verständnis gebeten, dass sie für etwaige Termine bis vorläufig 03. November 2012 zu entschuldigen sei.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten in beiden Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, und, da wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr begehrt werden, auch statthaft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Sie ist jedoch unbegründet. Mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid vom 16. August 2011 hat das SG die Klage zu Recht abgewiesen. Die Ablehnung des Antrags auf Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung durch den Bescheid der Beklagten vom 16. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. August 2010 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung.

Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Nach dem Ergebnis der im gesamten Verfahren durchgeführten medizinischen Ermittlungen konnte weder eine volle noch eine teilweise Erwerbsminderung festgestellt werden.

Die Klägerin leidet an rentenrelevanten Gesundheitsstörungen vorrangig auf orthopädischem sowie nervenfachärztlichem Gebiet. Sie leidet unter einem Wirbelsäulen-Syndrom und einer Somatisierungsstörung wechselnden Schweregrades. Dies entnimmt der Senat der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. W. am 22. Februar 2012. Im Februar 2010 bestanden nach Auskunft des behandelnden Facharztes für Orthopädie Dr. Z. vom 17. März 2011 an das SG nur leichte muskuläre Verspannungen der HWS-, Schulter-, Nacken- und BWS-Muskulatur ohne Nachweis radikulärer Ausfälle. Im Juli 2010 bestand nach dem Entlassungsbericht des Dr. He. vom 19. Juli 2010 ein chronisch myostatisch dysfunktionelles Wirbelsäulensyndrom auf dem Boden einer massiven Bauchmuskelschwäche, der die Klägerin nach ihrer Beschwerdeschilderung an längerem Stehen oder Sitzen hinderte. Das Wirbelsäulensyndrom bestand nach den Feststellungen des Dr. W. in seinem Gutachten vom 28. Mai 2008 bereits zu diesem Zeitpunkt. Dies entspricht auch dem Bericht des Dr. M. vom 28. Februar 2008. Ferner besteht eine Arthralgie am linken Knie. Dies entnimmt der Senat dem Attest des Arztes für Orthopädie Dr. W. vom 02. Februar 2012. Dies findet sich auch im Entlassungsbericht des Dr. He. vom 19. Juli 2010 als von der Klägerin angegebene gelegentliche Schmerzen im linken Knie.

Auf psychiatrischen Gebiet besteht bei der Klägerin eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und ein Zustand nach akuter psychischer Dekompensation bei bekannter paranoid-halluzinatorischer Psychose 2005, die sowohl vom Gutachter Dr. A. in seinem Gutachten an die Beklagte vom 17. März 2010 diagnostiziert wurde als auch von Dr. He. in seinem Entlassungsbericht vom 19. Juli 2010 und von Dr. F. in seinem Gutachten nach körperlicher Untersuchung vom 15. Juli 2008 für die Bundesagentur für Arbeit und zuletzt von Dr. W. in seiner Auskunft an den Senat vom 22. Februar 2012, der dies als psychische Überlagerung bezeichnete. Darüber hinaus treten depressive Episoden auf, wie sowohl im Entlassungsbericht von Dr. He. als auch vom Hausarzt, Arzt für Allgemeinmedizin G. - jeweils ohne Angabe über deren Schweregrad - berichtet.

Eine Überzeugung über das Vorliegen schwerwiegender psychischer Störungen konnte der Senat sich hingegen nicht bilden. Ob als Residuum der 2005 stattgehabten schweren Psychose, die zu einem stationären Aufenthalt in der F.-klinik und einer anschließend tagesklinischen Behandlung geführt hatte, weiterhin eine schwere psychische Erkrankung bei der Klägerin vorliegt, konnte im Verfahren nicht geklärt werden, weil die Klägerin den Termin für die von Amts wegen angeordnete Begutachtung bei Dr. G.-P. nicht wahrnahm. Zwar wurde im Rentenverfahren von der damaligen Behandlerin, Dr. Kr.-R. in ihrem Bericht an die Beklagte vom 28. Dezember 2008 die Diagnose einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie (F 20.5) gestellt. Zu diesem Zeitpunkt bestand aber nur noch loser Kontakt zur Klägerin, die die verordnete Medikation im Februar 2008 abgebrochen hatte. Dr. Kr.-R. schildert eigenwillig-maniriertes Auftreten und Ausdrucksverhalten bei Verleugnung der Psychose und schließt paranoide und halluzinatorische Ideen nicht aus. Abgesehen von Verhaltensauffälligkeiten ist dem ein gesicherter Befund nicht zu entnehmen. Ein entsprechender Befund findet sich weder beim Arzt für Psychiatrie Dr. A. im März 2010, der Hinweise auf eine persistierende Beschwerdesymptomatik der früheren paranoid-halluzinatorischen Psychose, wie sie im Jahre 2005 beschrieben sei, nicht fand noch im Entlassungsbericht des Dr. He. vom 19. Juli 2010, der die Klägerin bei der Abschlussuntersuchung als weniger depressiv, aufgehellter, lebensfroher und zuversichtlicher hinsichtlich der Alltagsbewältigung beschrieb. Auch Dr. Z. weiß nach seiner Auskunft an das SG vom 04. März 2011 nichts über Krankheiten auf anderen Fachgebieten. Dr. W. deutet in seiner Auskunft an den Senat vom 22. Februar 2012 eine psychische Überlagerung der geklagten Wirbelsäulenbeschwerden an. Dies entspricht jedoch eher dem Krankheitsbild einer somatoformen Schmerzstörung als einer Psychose bzw. Schizophrenie.

Aus den bei der Klägerin als rentenrelevant zu berücksichtigenden Gesundheitsstörungen ergeben sich nach Überzeugung des Senats qualitative Leistungseinschränkungen. Die Klägerin kann leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnden Arbeitshaltungen verrichten. Aufgrund der orthopädischen Gesundheitseinschränkungen können ihr dabei das Heben und Tragen von Lasten, Heben aus ungünstigen Positionen, Arbeiten über Schulterhöhe, Überkopfarbeiten, Arbeiten mit Armvorhalte nicht zugemutet werden. Ebenso sind Kälte- und Nässe-Exposition und starke Temperaturschwankungen zu vermeiden. Der Senat folgt insoweit der Einschätzung des Dr. He. im Entlassungsbericht vom 19. Juli 2010, der diese qualitativen Leistungseinschränkungen für den Senat überzeugend aus der Diagnose eines chronisch myostatisch dysfunktionellen Wirbelsäulensyndroms auf dem Boden einer massiven Bauchmuskelschwäche und eines chronischen Schmerzsyndroms abgeleitet hat. Aus psychiatrischen Befunden ergeben sich nach den Feststellungen des Dr. A. keine qualitativen Leistungseinschränkungen.

Die bei der Klägerin festgestellten Gesundheitsstörungen, die zu den beschriebenen qualitativen Leistungseinschränkungen führen, bedingen indes nach Überzeugung des Senats keine Einschränkung des Leistungsvermögens in quantitativer Hinsicht. Die Klägerin ist in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten mit der Möglichkeit zu Haltungswechseln in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Der Senat stützt dies auf die vorliegenden Leistungsbeurteilungen der behandelnden Ärzte Dr. W., Dr. M. und Dr. Z. sowie der Gutachter Dr. A., Dr. W. und Dr. M.-J ...

Zunächst lassen sich quantitative Leistungseinschränkungen nicht auf der Grundlage der bei der Klägerin bestehenden orthopädischen Gesundheitsstörungen herleiten. Insoweit folgt der Senat nicht der Leistungsbeurteilung des Dr. He. im Entlassungsbericht vom 19. Juli 2010. Das dort angegebene, auf drei bis sechs Stunden täglich eingeschränkte Leistungsvermögen korreliert nämlich nicht mit den dort erhobenen Befunden. Dort wurde ein unauffälliges Gangbild, Schulter- und Beckengeradestand, alle Gelenke frei beweglich gefunden, Zehen- und Fersengang gut möglich, eine gute Beweglichkeit der Wirbelsäule mit einem Finger-Boden-Abstand von 0 cm sowie keine neurologischen Ausfälle. Ausdrücklich wird berichtet, dass sich während des Aufnahmegesprächs und der Untersuchung keine Hinweise auf gravierende Fähigkeitsstörungen ergaben, die Klägerin sich ohne Hilfe problemlos aus- und ankleiden konnte. Die Medikation bei Entlassung bestand nur aus Voltaren, Omeprazol und Calcium. Als weitere Therapie wurde nur eine allgemeine Kräftigung zur Rumpfstabilisierung empfohlen, verbunden mit der Einschätzung, dass bei weiterem konsequenten Muskeltraining eine Verbesserung mittel- bis langfristig einsetzen könne. Aufgrund der erhobenen Befunde, der Medikation und der Therapieempfehlung ist ein quantitativ eingeschränktes Leistungsvermögen daher nicht plausibel.

Auch eine Einschränkung der Wegefähigkeit der Klägerin resultiert aus ihren Gesundheitseinschränkungen nicht. Zwar gehört neben der zeitlich ausreichenden Einsetzbarkeit des Versicherten am Arbeitsplatz zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen. Eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die es dem Versicherten nicht erlaubt, täglich viermal eine Fußstrecke von mehr als 500 Metern in jeweils weniger als 20 Minuten zurückzulegen, stellt bei dem anzuwendenden generalisierenden Maßstab eine derart schwere Leistungseinschränkung dar, dass der Arbeitsmarkt bei vorhandenem vollschichtigen Leistungsvermögen als verschlossen anzusehen ist (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG -, vgl. z.B. Urteil vom 21. März 2006 - Az. B 5 RJ 51/04 R - Juris). Anhand der erhobenen Befunde ergeben sich für den Senat indes keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin die vom BSG zugrundegelegten Maßstäbe für eine Wegefähigkeit nicht erfüllt. Auch insoweit ist für den Senat relevant, dass Dr. He. das Gangbild der Klägerin im Entlassungsbericht vom 19. Juli 2010 als unauffällig schilderte und keine Hinweise auf gravierende Fähigkeitsstörungen fand. Vor diesem Hintergrund geht der Senat davon aus, dass sich eine Einschränkung der Wegstrecke in einem nach der Rechtsprechung des BSG maßgeblichen Ausmaß aus den bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen nicht ableiten lässt.

Eine weitere Aufklärung im Hinblick auf die vorhandenen Hinweise auf schwerwiegende psychische Beeinträchtigungen, insbesondere die Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens, war mangels Mitwirkung der Klägerin nicht möglich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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