Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 1082/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 4153/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 26.07.2011 wird zurückgewiesen und die Klage gegen den Bescheid vom 29.04.2009 abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Feststellung ihrer Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für den Zeitraum 01.01.2009 bis 31.12.2010.
Die 1970 geborene Klägerin war vom 01.02.2000 bis 31.12.2008 Beamtin des Landes Baden-Württemberg mit Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall und auf Beihilfe und zusätzlich privat krankenversichert. Ihr Bruttoarbeitslohn betrug im Jahr 2006 36.772,68 Euro, im Jahr 2007 36.672,68 Euro und im Jahr 2008 36.855,38 Euro. Seit dem 01.01.2009 ist die Klägerin beim S. St. zu einem monatlichen Bruttogehalt von 4.230,- Euro abhängig beschäftigt.
Mit Schreiben vom 12.02.2009 begrüßte die Beklagte die Klägerin als neues Mitglied und sandte ihr eine Aufnahmebestätigung zu. Die Klägerin erhob dagegen mit Schreiben vom 08.03.2009 Widerspruch und beantragte zugleich die Befreiung von der Versicherungspflicht. Mit Schreiben vom 29.04.2009 wies die Beklagte darauf hin, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für Versicherungsfreiheit nach § 6 Abs 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) nicht erfüllt seien und auch die in § 8 Abs 1 SGB V aufgeführten Befreiungstatbestände auf die Klägerin nicht zuträfen. Die Klägerin sei ab 01.01.2009 versicherungspflichtig in der Krankenversicherung geworden. Zur weiteren Begründung ihres Widerspruchs führte die Klägerin aus, dass die Regelung des § 6 Abs 1 Nr 1 SGB V verfassungswidrig sei. Wie aus den Befreiungstatbeständen in § 6 und § 8 SGB V deutlich hervorgehe, solle aus Gründen der Kontinuität ua auch die Möglichkeit einer bisherigen, weiteren Versicherung in der privaten Krankenversicherung erhalten bleiben. Insoweit sei aus Gründen des Vertrauensschutzes auf die Übergangsregelung in § 6 Abs 9 SGB V abzustellen. Danach gelte aus Gründen des Vertrauensschutzes die Neuregelung in § 6 Abs 1 Nr 1 nicht für Beschäftigte, die am 02.02.2007 wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze in der privaten Krankenversicherung versichert gewesen seien. Diese Regelung wäre bei Hochrechnung des bisherigen Beamtengehaltes einschlägig. Nach der Übergangsregelung in § 6 Abs 9 Satz 2 SGB V gelte die Versicherungsfreiheit aus Gründen des Vertrauensschutzes auch für Beschäftigte, welche am Stichtag nach § 8 Abs 1 Nr 1a, 2 und 3 SGB V von der Versicherungspflicht befreit gewesen seien. Die Klägerin sei während ihrer Beamtentätigkeit gemäß § 6 Abs 1 Nr 2 SGB V versicherungsfrei gewesen, auch insoweit sei die Regelung einschlägig. Eine andere Rechtsfolge wäre aufgrund der langjährigen Befreiung von der gesetzlichen Versicherungspflicht grob unbillig. Die Klägerin habe im Rahmen der privaten Krankenversicherung erhebliche Anwartschaften erworben, die bei gesetzlicher Versicherungspflicht für mehrere Jahre verlustig gingen. Zudem würde dem gesetzgeberischen Aspekt der Kontinuität und des Vertrauensschutzes zuwider gehandelt. Vorsorglich werde auch der hilfsweise gestellte Antrag auf Befreiung weiter verfolgt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.02.2010 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch wegen Feststellung der Krankenversicherungspflicht der Klägerin seit 01.01.2009 zurück. Unter ausführlicher Darstellung der gesetzlichen Grundlagen wies die Beklagte darauf hin, dass bei der Klägerin am 01.01.2009 Krankenversicherungspflicht eingetreten sei. Ein Ausscheiden aus der Versicherungspflicht komme frühestens zum 31.12.2011 in Betracht, wenn das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenzen der Jahre 2009, 2010 und 2011 sowie bei vorausschauender Betrachtungsweise ebenfalls die für 2012 geltende Jahresarbeitsentgeltgrenze übersteige. Ein Bestandsschutz könne der Klägerin aufgrund der am 02.02.2007 bestehenden privaten Krankenversicherung nicht zugebilligt werden, denn die Klägerin habe am Stichtag nicht zum Personenkreis der wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfreien Arbeitnehmer gezählt und eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 8 SGB V habe zu diesem Zeitpunkt nicht vorgelegen. Der Gesetzgeber habe eine gesetzliche Regelung über die ?Hochrechnung? der Beamtenbezüge nicht vorgesehen. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe entschieden, dass die auf drei Jahre verlängerte Versicherungspflicht von Arbeitnehmern mit einem die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschreitenden Jahreseinkommen verfassungsrechtlich gerechtfertigt sei, da hier durch die Finanzgrundlage der gesetzlichen Krankenkassen gestärkt werde (10.06.2009, 1 BvR 706/08 ua, BVerfGE 123, 186 = SozR 4 - 2500 § 6 Nr 8).
Hiergegen richtet sich die am 12.03.2010 zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobene Klage, mit welcher die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Die Beklagte habe bislang offen gelassen, wie das Jahresarbeitsentgelt eines Beamten konkret zu ermitteln sei. Das Bruttoentgelt aus der Zeit der Beamtentätigkeit spiegele nicht das tatsächliche Entgelt wieder. Vielmehr handele es sich bei den Beamtenbezügen um eine verkappte Nettolohnberechnung, da insoweit lediglich der Steueranteil ausgewiesen sei, nicht aber die für die Alterssicherung und die Sicherung im Krankheitsfall effektiv zu berücksichtigenden Entgeltanteile. Entsprechend der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Nettolohnvereinbarung sei auch vorliegend ein fiktives Bruttoarbeitsentgelt zu ermitteln.
Mit Urteil vom 26.07.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V versicherungspflichtige Klägerin sei in der Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 weder nach § 6 Abs 1 Nr 1 SGB V noch unter Beachtung der Bestandsschutzregel des § 6 Abs 9 SGB V versicherungsfrei gewesen. Nach § 6 Abs 1 Nr 1 Erster Halbsatz, Abs 4 SGB V seien Arbeiter und Angestellte versicherungsfrei, deren regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze nach den Abs 6 und 7 übersteige und in drei aufeinanderfolgenden Kalenderjahren überstiegen habe. Auch die Besoldung eines Beamten sei Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Die Klägerin habe ab 01.01.2009 die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritten; ihr Arbeitsentgelt aus der versicherungsfreien Beschäftigung als Beamtin habe in den Jahren 2006 bis 2008 die jeweilige Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht überschritten. Der Einwand der Klägerin, bei der Ermittlung des Arbeitsentgelts sei entsprechend der Rechtsprechung des BSG zur Nettolohnvereinbarung ein fiktives Bruttoentgelt zu berechnen, rechtfertige kein davon abweichendes Ergebnis. Die Entscheidung des BSG (19.12.1995, 12 RK 39/94) sei auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar, denn dem entschiedenen Fall habe bereits ein vereinbartes Nettoentgelt zugrunde gelegen. Der Umstand, dass in den Bezügen eines Beamten weder Abzüge für die Alterssicherung noch für die Sicherung im Krankheitsfall abgebildet seien, beruhe dagegen auf dem Alimentationsprinzip, welches seinen Ursprung in Art 33 Abs 5 Grundgesetz (GG) habe und sich grundlegend von der beitragsfinanzierten Absicherung im Sozialversicherungsrecht unterscheide. Eine Vergleichbarkeit durch eine fiktive Bruttolohnberechnung sei vor diesem Hintergrund nicht möglich. Die Klägerin könne sich auch nicht auf die Bestandsschutzregelung des § 6 Abs 9 SGB V berufen. Beamte seien vom Wortlaut des § 6 Abs 9 Satz 1 und 2 SGB V nicht erfasst. Auch der Gesetzgeber habe hierzu klargestellt, dass die Bestandsschutzregelung nur für Arbeitnehmer gelte, die bereits als Arbeiter oder Angestellte wegen des Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltsgrenze mit ihrem Arbeitsentgelt versicherungsfrei gewesen seien. Eine erweiternde Auslegung auf Personen, die zuvor wegen ihres Status als Beamte von der Versicherungspflicht befreit gewesen seien, sei nach Ansicht des SG vom Gesetzgeber nicht gewollt gewesen. Aus der Gesetzesbegründung gehe hervor, dass auch Personen, die zuvor privat krankenversichert gewesen seien, der dreijährigen Wartefrist unterfielen. Überdies habe der Gesetzgeber klargestellt, dass eine Versicherungsfreiheit nur bei unveränderten Lebensverhältnissen dauerhaft sein könne. Aus den gleichen Erwägungen komme auch eine analoge Anwendung der maßgebenden Befreiungstatbestände nicht in Betracht.
Gegen das dem Bevollmächtigten der Klägerin am 22.08.2011 zugestellte Urteil richtet sich die am 22.09.2011 eingelegte Berufung der Klägerin. Nach der aktuellen Gesetzeslage wäre die Klägerin versicherungsfrei geblieben, denn die im streitgegenständlichen Zeitraum noch im Gesetz festgeschriebene Mindestzeit von drei Jahren des Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze habe der Gesetzgeber ersatzlos gestrichen und somit selbst jene Regelung nicht als tragfähig erachtet. Für den Fall der Klägerin seien die seinerzeitigen Vertrauensschutzregelungen extensiv auszulegen. Mit diesen Regelungen sei beabsichtigt gewesen, dass die Versicherten bei einem bereits bestehenden privaten Krankenversicherungsverhältnis grundsätzlich versicherungsfrei bleiben könnten, wenn die Versicherungsfreiheit auf deren zuvor bestehenden wirtschaftlichen Verhältnissen beruht habe. Vordergründig habe die Versicherungsfreiheit der Klägerin zwar darauf beruht, dass sie Beamtin gewesen sei. Im Hinblick auf die wirtschaftliche Situation sei aber der Gedanke des BSG zu Nettolohnabreden heranzuziehen. Zweifellos habe die Versorgungszusage des Dienstherren einen erheblichen wirtschaftlichen Wert, der mit den Entgeltbestandteilen, die bei einem Angestellten auf Altersvorsorge, Krankenversicherungsschutz etc entfallen, vergleichbar sei. Wie in etwa der Wert zu taxieren sei, ergebe sich indirekt aus der Lohnzusage des SWR, denn die Tätigkeit der Klägerin habe sich überhaupt nicht verändert. Würden die entsprechenden Entgeltbestandteile hinzugerechnet, hätte die Klägerin zweifellos die Entgeltgrenzen zur Versicherungsfreiheit überschritten. Im Übrigen dürfte auch von einer unbeabsichtigten Regelungslücke auszugehen sein, die verständig im Wege der Analogie zu schließen sei. Aus den Gesetzestexten und Begründungen ergebe sich doch recht eindeutig, dass der Bestandsschutz gewahrt bleiben sollte. Nur für diejenigen, die schutzbedürftig seien (also diejenigen, die unterhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenzen verdienten), habe die Versicherungspflicht begründet werden sollen. Selbst für diese Gruppe habe der Gesetzgeber zwischenzeitlich die verschärften Voraussetzungen für den Zugang zu den privaten Krankenversicherern wieder fallengelassen. Wenn nun aber Beamte ihren Beamtenstatus aufgäben und in ein Angestelltenverhältnis überwechselten, die Beamten aber von ihrer wirtschaftlichen Stellung her den Angestellten vergleichbar seien, die vor der Gesetzesänderung versicherungsfrei gewesen seien, werde man im Wege der Analogie jedenfalls auf diesem Weg zur Versicherungsfreiheit der Klägerin gelangen. Es sei nichts dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber diese Gruppe plötzlich trotz fehlender Schutzbedürftigkeit in die Versicherungspflicht habe zwingen wollen. Offenbar habe sich der Gesetzgeber lediglich nur nicht vorstellen können, dass ein Beamter seinen Beamtenstatus aufgibt.
Die Klägerin beantragt (teilweise sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 26.07.2011 aufzuheben und unter Aufhebung der Bescheide vom 12.02.2009 und 29.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.02.2010 festzustellen, dass die Klägerin in der Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 versicherungsfrei gewesen ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie macht die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils zum Gegenstand ihrer Berufungserwiderung und schließt sich den dortigen Ausführungen an.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), hat keinen Erfolg.
Die nach §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, in der Sache aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung ihrer Versicherungsfreiheit in der GKV im Zeitraum 01.01.2009 bis 31.12.2010.
Gegenstand des Verfahrens ist allein die Frage der Versicherungspflicht bzw Versicherungsfreiheit der Klägerin in der GKV. Soweit die Klägerin zunächst zusätzlich die Befreiung von der Versicherungspflicht beantragt hatte, hat sie dieses Begehren schon im Klageverfahren nicht mehr weiter verfolgt und in der mündlichen Verhandlung vor dem SG nur noch die Feststellung der Versicherungsfreiheit beantragt. Dies war auch sachgerecht, da ein Befreiungstatbestand nach § 8 SGB V oder einer anderen Norm ersichtlich nicht vorliegt und es der Klägerin inhaltlich von Anfang an um die Feststellung der Versicherungsfreiheit ging. Dieses Begehren verfolgt die Klägerin zulässig mit der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Abs 1 Satz 1, 1. Alt, 55 Abs 1 Nr 1 SGG).
Die Beklagte hat mit Bescheid vom 29.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.02.2010 zutreffend die Versicherungspflicht der Klägerin in der GKV ab 01.01.2009 festgestellt. Sie hat insoweit nicht als Einzugsstelle nach § 28h Abs 2 Satz 1 SGB IV gehandelt, sondern (nur) als Versicherungsträger ihres eigenen Versicherungszweiges. Dies ist zulässig (BSG 27.06.2012, B 12 KR 6/10 R, juris). Das Begrüßungsschreiben vom 12.02.2009 selbst, welches keine verbindliche Regelung und damit keine Verfügung enthält, stellt ebenso wie eine Mitgliedsbescheinigung nach der Rechtsprechung des BSG keinen Verwaltungsakt dar (BSG 16.10.1968, 3 RK 8/65, SozR Nr 61 zu § 165 RVO; BSG 21.05.1996, 12 RK 67/94, SozR 3-2200 § 306 Nr 2; BSG 27.06.2012, B 12 KR 11/10 R, SozR 4-2500 § 175 Nr 4). Insoweit handelt es sich auch nicht um einen formalen Verwaltungsakt, weil das Schreiben nach Form und Inhalt nicht den Anschein erweckt, die Beklagte habe eine der Bindungswirkung unter den Beteiligten zugängliche Regelung über die Versicherungspflicht getroffen. Die Anfechtungsklage gegen dieses Schreiben ist nicht zulässig, eine Klagebefugnis nach § 54 Abs 1 Satz 2 SGG besteht nicht (BSG 20.12.2001, B 4 RA 6/01 R, SozR 3-8570 § 8 Nr 7). Anders stellt sich dagegen das als Aufklärungsschreiben verfasste Hinweisschreiben vom 29.04.2009 dar. In diesem Schreiben hat die Beklagte bezogen auf den Einzelfall eine verbindliche Regelung getroffen, wie sich schon aus den Formulierungen in dem Schreiben entnehmen lässt (?Die aufgeführten Befreiungstatbestände im § 8 Abs 1 SGB V treffen auf Sie nicht zu, da Sie sich aufgrund ihres Beamtenstatus privat versichert haben. Da dieser Status endete, tritt aufgrund der Anstellung als Arbeitnehmer eine Kranken- und Pflegeversicherungspflicht ein, von der eine Befreiung nicht möglich ist.?). Der Sache nach hat die Klägerin auch diesen Bescheid angefochten. Ihr tatsächliches Begehren ist daher dahin auszulegen (§ 123 SGG), den Bescheid vom 29.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.02.2010, mit dem die Beklagte in der Sache über das Bestehen der Versicherungspflicht entschieden hat, mit der Anfechtungsklage anzugreifen. Da das SG den Bescheid vom 29.04.2009, der bereits Gegenstand des Klageverfahrens war, nicht berücksichtigt hat, ist hierüber im Wege der Klage zu befinden (BSG 12.02.1980, 7 RAr 107/78, SozR 4100 § 119 Nr 12 S 53).
Die Klägerin hat ab 01.01.2009 eine Beschäftigung aufgenommen und wurde deshalb dem Grunde nach gemäß § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V iVm § 7 Abs 1 SGB IV versicherungspflichtig. Sie war von diesem Zeitpunkt an nicht nach § 6 Abs 1 Nr 1, Abs 4 SGB V in der GKV versicherungsfrei. Auch aus der Übergangsvorschrift des § 6 Abs 9 SGB V kann die Klägerin für sich keine Versicherungsfreiheit herleiten.
Nach § 6 Abs 1 Nr 1 (idF des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes (GKV-WSG) vom 26.03.2007, BGBl I 378; auch im Folgenden) sind in der GKV versicherungsfrei Arbeiter und Angestellte, deren regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze nach den Absätzen 6 oder 7 übersteigt und in drei aufeinander folgenden Kalenderjahren überstiegen hat; Zuschläge, die mit Rücksicht auf den Familienstand gezahlt werden, bleiben unberücksichtigt. Die Ermittlung der dabei in Bezug genommenen Beträge nach § 6 Abs. 6 SGB V (?allgemeine Jahresarbeitsentgeltgrenze?) und § 6 Abs. 7 SGB V (?besondere Jahresarbeitsentgeltgrenze?) wird in den genannten Regelungen näher umschrieben. Der in § 6 Abs 1 Satz 1 SGB V enthaltene Zusatz ?und in drei aufeinander folgenden Kalenderjahren überstiegen hat? wurde durch Art 1 Nr 3 Buchstabe a des GKV-WSG in das SGB V eingefügt. Zu diesem Zusatz bestimmt § 6 Abs 4 SGB V Näheres. Danach endet dann, wenn die Jahresarbeitsentgeltgrenze in drei aufeinander folgenden Kalenderjahren überschritten wird, die Versicherungspflicht mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, in dem sie überschritten wird (Satz 1). Ein Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze in einem von drei aufeinander folgenden Kalenderjahren liegt vor, wenn das tatsächlich im Kalenderjahr erzielte regelmäßige Jahresarbeitsentgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze überstiegen hat (Satz 4). Für Zeiten, in denen bei fortbestehendem Beschäftigungsverhältnis kein Arbeitsentgelt erzielt worden ist, insbesondere bei Arbeitsunfähigkeit nach Ablauf der Entgeltfortzahlung sowie bei Bezug von Entgeltersatzleistungen, ist ein regelmäßiges Arbeitsentgelt in der Höhe anzusetzen, in der es ohne die Unterbrechung erzielt worden wäre (Satz 5).
Der durch das GKV-WSG eingefügte Zusatz in § 6 Abs 1 Nr 1 SGB V mit dem Erfordernis eines dreijährigen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze erfasst auch Personen mit einem Einkommen oberhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze, die vor Beginn ihrer Beschäftigung wegen einer Tätigkeit als Beamte nicht versicherungspflichtig waren. Auch sie sind (mindestens) drei Jahre lang versicherungspflichtig. Aus welchem vorherigen Status heraus die zur Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V führende entgeltliche Beschäftigung als Arbeiter oder Angestellter aufgenommen wurde, ist für die Anwendung der gesetzlichen Regelung ohne Belang (BSG 27.06.2012, B 12 KR 6/10 R, juris RdNr 15). Der Gesetzgeber wollte insoweit auch Personen, die vor Beginn der Beschäftigung nicht versicherungspflichtig waren, ausdrücklich der Neuregelung unterwerfen. Der Gesetzentwurf führt hierzu aus: ?Die (neue) Regelung gilt für alle Arbeitnehmer, also auch für solche, die zuvor zB als Selbstständige oder Freiberufler tätig waren? (BT-Drs 16/3100 S 96).
Die Klägerin hatte am 01.01.2009 die Jahresarbeitsentgeltgrenze im maßgebenden Dreijahreszeitraum vom 01.01.2006 bis 31.12.2008 nicht überschritten, so dass § 6 Abs 1 Nr 1 SGB V nicht zur Anwendung kommt. Insoweit ist ein rückschauender Vergleich des tatsächlich erzielten Entgelts mit der jeweiligen Jahresarbeitsentgeltgrenze vorzunehmen, wobei auch Entgelt aus einer versicherungsfreien Tätigkeit als Beamter einzubeziehen ist. Mit einem Bruttoverdienst von 36.855,38 Euro (2008), 36.672,68 Euro (2007) und 36.772,68 Euro (2006) hat die Klägerin die hier maßgebliche allgemeine Jahresarbeitsentgeltgrenze nach § 6 Abs 6 SGB V nicht überschritten (2008: 48.150,- Euro; 2007: 47.700,- Euro; 2006: 47.250,- Euro). Die besondere Jahresarbeitsentgeltgrenze nach § 6 Abs 7 SGB V kommt hier nicht zur Anwendung, da sie nur für jene Arbeiter und Angestellten gilt, die am 31.12.2002 wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei und bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen in einer substitutiven Krankenversicherung versichert waren. Die Klägerin war am 31.12.2002 indes allein wegen ihrer Beamtentätigkeit versicherungsfrei. Abgesehen davon übersteigt das erzielte Entgelt der Klägerin auch die besondere Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht (2008: 43.200,-; 2007 und 2006: 42.750,-).
Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, kann bei der Berücksichtigung der von der Klägerin erzielten Entgelte keine Hochrechnung der Bezüge in der Art einer Nettolohnvereinbarung erfolgen. Ist eine Nettoarbeitsentgelt vereinbart, so sieht § 14 Abs 2 SGB IV vor, dass die Einnahmen des Beschäftigten einschließlich der darauf entfallenden Steuern und Arbeitnehmeranteile als Bruttoarbeitsentgelt gelten; dies wird durch Hochrechnung (sog Abtastverfahren) ermittelt (BSG 22.09.1988, 12 RK 36/86, BSGE 64, 110, 112 = SozR 2100 § 14 Nr 22). Eine entsprechende Vereinbarung besteht im Rahmen der Beamtenbesoldung nicht, so dass § 14 Abs 2 SGB IV nicht unmittelbar anwendbar ist. Ansonsten kennt das SGB IV keine Aufstockung von Bruttoarbeitsentgelten, die etwa steuerfrei oder nicht beitragspflichtig waren. Im Rahmen des Leistungsrechts hat das BSG bereits entschieden, dass bei bestehender Lohnsteuerfreiheit das erzielte Bruttoarbeitsentgelt (für die Bemessung von Arbeitslosengeld) nicht um fiktive Steueranteile aufzustocken ist (BSG 10.11.1993, 11 RAr 35/93, SozR 3-4100 § 249e Nr 2). Auch für das Bemessungsentgelt der Arbeitslosenhilfe ist eine solche Aufstockung der tatsächlich erzielten Bruttobezüge von früheren Beamten und Soldaten nicht in Erwägung gezogen worden (BSG 05.05.1970, 7 RAr 13/69, BSGE 31, 156 = SozR Nr 2 zu § 148 AVAVG; Gagel, AFG, Stand 8/1992, § 136 RdNr 84 f). Entsprechend kommt auch vorliegend eine andere Verfahrensweise nicht in Betracht.
Die Klägerin ist seit 01.01.2009 auch nicht nach § 6 Abs 9 SGB V versicherungsfrei. Diese Vorschrift bestimmt, dass Arbeiter und Angestellte, die nicht die Voraussetzungen des § 6 Abs 1 Nr 1 SGB V erfüllen, aber am 02.02.2007 wegen Überschreitens der (damals geltenden) Jahresarbeitsentgeltgrenze bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen in einer substitutiven Krankenversicherung versichert waren (?), versicherungsfrei bleiben, solange sie keinen anderen Tatbestand der Versicherungspflicht (als den nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V) erfüllen. Die Klägerin war am 02.02.2007 nicht ?wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze? versicherungsfrei und mit Blick darauf in der privaten Krankenversicherung versichert, sondern gehörte - als Beamtin - an diesem Tag schon generell nicht zum Kreis der Versicherungspflichtigen. Bereits der Wortlaut lässt eine erweiternde, sich auf Beamte erstreckende Auslegung nicht zu (ebenso für Selbstständige: BSG, 27.06.2012, B 12 KR 6/10 R, juris). Auch aus den Gesetzesmaterialien und dem Urteil des BVerfG vom 10.06.2009 (aaO) geht deutlich hervor, dass der Gesetzgeber mit der dreijährigen Wartefrist auch solche Personen in die Versicherungspflicht einbeziehen wollte, die bereits privat krankenversichert sind (vgl BT-Drs 16/4247 S 30; BT-Drs 16/3100 S 96).
Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen gegen die dargestellte, nur vom 02.02.2007 bis 30.12.2010 gültige Rechtslage (vgl GKV-Finanzierungsgesetz v 22.12.2010, BGBl I 2309), insbesondere gegen die hier vorgenommene Auslegung des § 6 Abs 1 Nr 1 und Abs 9 SGB V, nicht. Das BVerfG hat bereits entschieden, dass die durch das GKV-WSG vorgenommene Beschränkung der Möglichkeit zum Wechsel in die private Krankenversicherung bei Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze gemäß § 6 Abs 1 Nr 1 SGB V betroffene Versicherte nicht in ihrem Grundrecht aus Art 2 Abs 1 GG verletzt, sondern verhältnismäßig ist (10.06.2009, 1 BvR 706/08 ua, BVerfGE 123, 186, 265 = SozR 4-2500 § 6 Nr 8 RdNr 237). Auch die Beschränkung der Übergangsregelung in § 6 Abs 9 SGB V verstößt nicht gegen Grundrechte der Klägerin, insbesondere nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG. Dieser ist nur verletzt, wenn durch eine Norm eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten verschieden behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art oder solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (st Rspr des BVerfG, vgl 21.07.2010, 1 BvR 611/07, BVerfGE 126, 400, 418). § 6 Abs 9 SGB V ist als Bestandsschutzvorschrift allein für die Fälle konzipiert, in denen ohne die Regelung am 02.02.2007 allein infolge der ab diesem Tag wirkenden Verschärfung des § 6 Abs 1 Nr 1 SGB V durch das GKV-WSG die zuvor bestehende Versicherungsfreiheit eines Beschäftigten entfallen wäre. Der Gesetzgeber musste daher bei der Regelung des Bestandsschutzes in erster Linie den Personenkreis berücksichtigen, der durch die Verschärfung der gesetzlichen Regelungen für den Eintritt der Versicherungsfreiheit nachteilig in einem Vertrauenstatbestand betroffen war. Dazu gehörten die nach alter Rechtslage wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfreien Arbeitnehmer, die bereits privat versichert waren oder im Hinblick auf ein privates Krankenversicherungsverhältnis ihre Mitgliedschaft in der GKV bereits gekündigt hatten und deren Versicherungsverhältnis im ersten Fall ohne eine Übergangsregelung ex lege aufgelöst worden wäre (BSG, 27.06.2012, B 12 KR 6/10 R, juris). Vor diesem Hintergrund ist die Schlechterstellung von Beschäftigen, die am 02.02.2007 als Beamte privat krankenversichert waren gegenüber Beschäftigten, die am Stichtag beschäftigt und privat krankenversichert waren, als sachlich gerechtfertigt anzusehen. Nur letztere verloren mit der Verschärfung am 02.02.2007 eine bereits in ihrem Bestand zu schützende Rechtsposition, nämlich das bereits vor diesem Datum betätigte Vertrauen, sich trotz eigentlich bestehender Versicherungspflicht als Beschäftigter auf ihre Versicherungsfreiheit eingerichtet zu haben. Eine vergleichbare Situation liegt bei Personen, die am Stichtag als Beamte versicherungsfrei waren, nicht vor. Die vor der Gesetzesneuregelung bestehende bloße Aussicht eines Beamten, bei Aufnahme einer an sich versicherungspflichtigen Beschäftigung mit einem Jahresarbeitsentgelt oberhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze und bei bisheriger Absicherung in der privaten Krankenversicherung sofort versicherungsfrei zu werden und nicht in die GKV einbezogen zu sein, durfte der Gesetzgeber als nicht gleichermaßen schützenswert behandeln (ebenso für Selbstständige: BSG, 27.06.2012, aaO). Im Übrigen geht der Senat davon aus, dass eine private Krankenversicherung regelmäßig für drei Jahre in eine Anwartschaftserhaltungsversicherung umgestellt werden kann, für die der Betroffene geringe Beiträge zahlen muss und dafür seine Altersrückstellungen erhalten und eine neue Gesundheitsprüfung mit der Gefahr höherer Prämien oder neuer Versicherungsausschlüsse vermeiden kann. Auch insoweit erleidet die Klägerin daher keine unzumutbaren Nachteile.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Feststellung ihrer Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für den Zeitraum 01.01.2009 bis 31.12.2010.
Die 1970 geborene Klägerin war vom 01.02.2000 bis 31.12.2008 Beamtin des Landes Baden-Württemberg mit Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall und auf Beihilfe und zusätzlich privat krankenversichert. Ihr Bruttoarbeitslohn betrug im Jahr 2006 36.772,68 Euro, im Jahr 2007 36.672,68 Euro und im Jahr 2008 36.855,38 Euro. Seit dem 01.01.2009 ist die Klägerin beim S. St. zu einem monatlichen Bruttogehalt von 4.230,- Euro abhängig beschäftigt.
Mit Schreiben vom 12.02.2009 begrüßte die Beklagte die Klägerin als neues Mitglied und sandte ihr eine Aufnahmebestätigung zu. Die Klägerin erhob dagegen mit Schreiben vom 08.03.2009 Widerspruch und beantragte zugleich die Befreiung von der Versicherungspflicht. Mit Schreiben vom 29.04.2009 wies die Beklagte darauf hin, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für Versicherungsfreiheit nach § 6 Abs 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) nicht erfüllt seien und auch die in § 8 Abs 1 SGB V aufgeführten Befreiungstatbestände auf die Klägerin nicht zuträfen. Die Klägerin sei ab 01.01.2009 versicherungspflichtig in der Krankenversicherung geworden. Zur weiteren Begründung ihres Widerspruchs führte die Klägerin aus, dass die Regelung des § 6 Abs 1 Nr 1 SGB V verfassungswidrig sei. Wie aus den Befreiungstatbeständen in § 6 und § 8 SGB V deutlich hervorgehe, solle aus Gründen der Kontinuität ua auch die Möglichkeit einer bisherigen, weiteren Versicherung in der privaten Krankenversicherung erhalten bleiben. Insoweit sei aus Gründen des Vertrauensschutzes auf die Übergangsregelung in § 6 Abs 9 SGB V abzustellen. Danach gelte aus Gründen des Vertrauensschutzes die Neuregelung in § 6 Abs 1 Nr 1 nicht für Beschäftigte, die am 02.02.2007 wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze in der privaten Krankenversicherung versichert gewesen seien. Diese Regelung wäre bei Hochrechnung des bisherigen Beamtengehaltes einschlägig. Nach der Übergangsregelung in § 6 Abs 9 Satz 2 SGB V gelte die Versicherungsfreiheit aus Gründen des Vertrauensschutzes auch für Beschäftigte, welche am Stichtag nach § 8 Abs 1 Nr 1a, 2 und 3 SGB V von der Versicherungspflicht befreit gewesen seien. Die Klägerin sei während ihrer Beamtentätigkeit gemäß § 6 Abs 1 Nr 2 SGB V versicherungsfrei gewesen, auch insoweit sei die Regelung einschlägig. Eine andere Rechtsfolge wäre aufgrund der langjährigen Befreiung von der gesetzlichen Versicherungspflicht grob unbillig. Die Klägerin habe im Rahmen der privaten Krankenversicherung erhebliche Anwartschaften erworben, die bei gesetzlicher Versicherungspflicht für mehrere Jahre verlustig gingen. Zudem würde dem gesetzgeberischen Aspekt der Kontinuität und des Vertrauensschutzes zuwider gehandelt. Vorsorglich werde auch der hilfsweise gestellte Antrag auf Befreiung weiter verfolgt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.02.2010 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch wegen Feststellung der Krankenversicherungspflicht der Klägerin seit 01.01.2009 zurück. Unter ausführlicher Darstellung der gesetzlichen Grundlagen wies die Beklagte darauf hin, dass bei der Klägerin am 01.01.2009 Krankenversicherungspflicht eingetreten sei. Ein Ausscheiden aus der Versicherungspflicht komme frühestens zum 31.12.2011 in Betracht, wenn das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenzen der Jahre 2009, 2010 und 2011 sowie bei vorausschauender Betrachtungsweise ebenfalls die für 2012 geltende Jahresarbeitsentgeltgrenze übersteige. Ein Bestandsschutz könne der Klägerin aufgrund der am 02.02.2007 bestehenden privaten Krankenversicherung nicht zugebilligt werden, denn die Klägerin habe am Stichtag nicht zum Personenkreis der wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfreien Arbeitnehmer gezählt und eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 8 SGB V habe zu diesem Zeitpunkt nicht vorgelegen. Der Gesetzgeber habe eine gesetzliche Regelung über die ?Hochrechnung? der Beamtenbezüge nicht vorgesehen. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe entschieden, dass die auf drei Jahre verlängerte Versicherungspflicht von Arbeitnehmern mit einem die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschreitenden Jahreseinkommen verfassungsrechtlich gerechtfertigt sei, da hier durch die Finanzgrundlage der gesetzlichen Krankenkassen gestärkt werde (10.06.2009, 1 BvR 706/08 ua, BVerfGE 123, 186 = SozR 4 - 2500 § 6 Nr 8).
Hiergegen richtet sich die am 12.03.2010 zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobene Klage, mit welcher die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Die Beklagte habe bislang offen gelassen, wie das Jahresarbeitsentgelt eines Beamten konkret zu ermitteln sei. Das Bruttoentgelt aus der Zeit der Beamtentätigkeit spiegele nicht das tatsächliche Entgelt wieder. Vielmehr handele es sich bei den Beamtenbezügen um eine verkappte Nettolohnberechnung, da insoweit lediglich der Steueranteil ausgewiesen sei, nicht aber die für die Alterssicherung und die Sicherung im Krankheitsfall effektiv zu berücksichtigenden Entgeltanteile. Entsprechend der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Nettolohnvereinbarung sei auch vorliegend ein fiktives Bruttoarbeitsentgelt zu ermitteln.
Mit Urteil vom 26.07.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V versicherungspflichtige Klägerin sei in der Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 weder nach § 6 Abs 1 Nr 1 SGB V noch unter Beachtung der Bestandsschutzregel des § 6 Abs 9 SGB V versicherungsfrei gewesen. Nach § 6 Abs 1 Nr 1 Erster Halbsatz, Abs 4 SGB V seien Arbeiter und Angestellte versicherungsfrei, deren regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze nach den Abs 6 und 7 übersteige und in drei aufeinanderfolgenden Kalenderjahren überstiegen habe. Auch die Besoldung eines Beamten sei Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Die Klägerin habe ab 01.01.2009 die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritten; ihr Arbeitsentgelt aus der versicherungsfreien Beschäftigung als Beamtin habe in den Jahren 2006 bis 2008 die jeweilige Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht überschritten. Der Einwand der Klägerin, bei der Ermittlung des Arbeitsentgelts sei entsprechend der Rechtsprechung des BSG zur Nettolohnvereinbarung ein fiktives Bruttoentgelt zu berechnen, rechtfertige kein davon abweichendes Ergebnis. Die Entscheidung des BSG (19.12.1995, 12 RK 39/94) sei auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar, denn dem entschiedenen Fall habe bereits ein vereinbartes Nettoentgelt zugrunde gelegen. Der Umstand, dass in den Bezügen eines Beamten weder Abzüge für die Alterssicherung noch für die Sicherung im Krankheitsfall abgebildet seien, beruhe dagegen auf dem Alimentationsprinzip, welches seinen Ursprung in Art 33 Abs 5 Grundgesetz (GG) habe und sich grundlegend von der beitragsfinanzierten Absicherung im Sozialversicherungsrecht unterscheide. Eine Vergleichbarkeit durch eine fiktive Bruttolohnberechnung sei vor diesem Hintergrund nicht möglich. Die Klägerin könne sich auch nicht auf die Bestandsschutzregelung des § 6 Abs 9 SGB V berufen. Beamte seien vom Wortlaut des § 6 Abs 9 Satz 1 und 2 SGB V nicht erfasst. Auch der Gesetzgeber habe hierzu klargestellt, dass die Bestandsschutzregelung nur für Arbeitnehmer gelte, die bereits als Arbeiter oder Angestellte wegen des Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltsgrenze mit ihrem Arbeitsentgelt versicherungsfrei gewesen seien. Eine erweiternde Auslegung auf Personen, die zuvor wegen ihres Status als Beamte von der Versicherungspflicht befreit gewesen seien, sei nach Ansicht des SG vom Gesetzgeber nicht gewollt gewesen. Aus der Gesetzesbegründung gehe hervor, dass auch Personen, die zuvor privat krankenversichert gewesen seien, der dreijährigen Wartefrist unterfielen. Überdies habe der Gesetzgeber klargestellt, dass eine Versicherungsfreiheit nur bei unveränderten Lebensverhältnissen dauerhaft sein könne. Aus den gleichen Erwägungen komme auch eine analoge Anwendung der maßgebenden Befreiungstatbestände nicht in Betracht.
Gegen das dem Bevollmächtigten der Klägerin am 22.08.2011 zugestellte Urteil richtet sich die am 22.09.2011 eingelegte Berufung der Klägerin. Nach der aktuellen Gesetzeslage wäre die Klägerin versicherungsfrei geblieben, denn die im streitgegenständlichen Zeitraum noch im Gesetz festgeschriebene Mindestzeit von drei Jahren des Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze habe der Gesetzgeber ersatzlos gestrichen und somit selbst jene Regelung nicht als tragfähig erachtet. Für den Fall der Klägerin seien die seinerzeitigen Vertrauensschutzregelungen extensiv auszulegen. Mit diesen Regelungen sei beabsichtigt gewesen, dass die Versicherten bei einem bereits bestehenden privaten Krankenversicherungsverhältnis grundsätzlich versicherungsfrei bleiben könnten, wenn die Versicherungsfreiheit auf deren zuvor bestehenden wirtschaftlichen Verhältnissen beruht habe. Vordergründig habe die Versicherungsfreiheit der Klägerin zwar darauf beruht, dass sie Beamtin gewesen sei. Im Hinblick auf die wirtschaftliche Situation sei aber der Gedanke des BSG zu Nettolohnabreden heranzuziehen. Zweifellos habe die Versorgungszusage des Dienstherren einen erheblichen wirtschaftlichen Wert, der mit den Entgeltbestandteilen, die bei einem Angestellten auf Altersvorsorge, Krankenversicherungsschutz etc entfallen, vergleichbar sei. Wie in etwa der Wert zu taxieren sei, ergebe sich indirekt aus der Lohnzusage des SWR, denn die Tätigkeit der Klägerin habe sich überhaupt nicht verändert. Würden die entsprechenden Entgeltbestandteile hinzugerechnet, hätte die Klägerin zweifellos die Entgeltgrenzen zur Versicherungsfreiheit überschritten. Im Übrigen dürfte auch von einer unbeabsichtigten Regelungslücke auszugehen sein, die verständig im Wege der Analogie zu schließen sei. Aus den Gesetzestexten und Begründungen ergebe sich doch recht eindeutig, dass der Bestandsschutz gewahrt bleiben sollte. Nur für diejenigen, die schutzbedürftig seien (also diejenigen, die unterhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenzen verdienten), habe die Versicherungspflicht begründet werden sollen. Selbst für diese Gruppe habe der Gesetzgeber zwischenzeitlich die verschärften Voraussetzungen für den Zugang zu den privaten Krankenversicherern wieder fallengelassen. Wenn nun aber Beamte ihren Beamtenstatus aufgäben und in ein Angestelltenverhältnis überwechselten, die Beamten aber von ihrer wirtschaftlichen Stellung her den Angestellten vergleichbar seien, die vor der Gesetzesänderung versicherungsfrei gewesen seien, werde man im Wege der Analogie jedenfalls auf diesem Weg zur Versicherungsfreiheit der Klägerin gelangen. Es sei nichts dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber diese Gruppe plötzlich trotz fehlender Schutzbedürftigkeit in die Versicherungspflicht habe zwingen wollen. Offenbar habe sich der Gesetzgeber lediglich nur nicht vorstellen können, dass ein Beamter seinen Beamtenstatus aufgibt.
Die Klägerin beantragt (teilweise sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 26.07.2011 aufzuheben und unter Aufhebung der Bescheide vom 12.02.2009 und 29.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.02.2010 festzustellen, dass die Klägerin in der Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 versicherungsfrei gewesen ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie macht die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils zum Gegenstand ihrer Berufungserwiderung und schließt sich den dortigen Ausführungen an.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), hat keinen Erfolg.
Die nach §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, in der Sache aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung ihrer Versicherungsfreiheit in der GKV im Zeitraum 01.01.2009 bis 31.12.2010.
Gegenstand des Verfahrens ist allein die Frage der Versicherungspflicht bzw Versicherungsfreiheit der Klägerin in der GKV. Soweit die Klägerin zunächst zusätzlich die Befreiung von der Versicherungspflicht beantragt hatte, hat sie dieses Begehren schon im Klageverfahren nicht mehr weiter verfolgt und in der mündlichen Verhandlung vor dem SG nur noch die Feststellung der Versicherungsfreiheit beantragt. Dies war auch sachgerecht, da ein Befreiungstatbestand nach § 8 SGB V oder einer anderen Norm ersichtlich nicht vorliegt und es der Klägerin inhaltlich von Anfang an um die Feststellung der Versicherungsfreiheit ging. Dieses Begehren verfolgt die Klägerin zulässig mit der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Abs 1 Satz 1, 1. Alt, 55 Abs 1 Nr 1 SGG).
Die Beklagte hat mit Bescheid vom 29.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.02.2010 zutreffend die Versicherungspflicht der Klägerin in der GKV ab 01.01.2009 festgestellt. Sie hat insoweit nicht als Einzugsstelle nach § 28h Abs 2 Satz 1 SGB IV gehandelt, sondern (nur) als Versicherungsträger ihres eigenen Versicherungszweiges. Dies ist zulässig (BSG 27.06.2012, B 12 KR 6/10 R, juris). Das Begrüßungsschreiben vom 12.02.2009 selbst, welches keine verbindliche Regelung und damit keine Verfügung enthält, stellt ebenso wie eine Mitgliedsbescheinigung nach der Rechtsprechung des BSG keinen Verwaltungsakt dar (BSG 16.10.1968, 3 RK 8/65, SozR Nr 61 zu § 165 RVO; BSG 21.05.1996, 12 RK 67/94, SozR 3-2200 § 306 Nr 2; BSG 27.06.2012, B 12 KR 11/10 R, SozR 4-2500 § 175 Nr 4). Insoweit handelt es sich auch nicht um einen formalen Verwaltungsakt, weil das Schreiben nach Form und Inhalt nicht den Anschein erweckt, die Beklagte habe eine der Bindungswirkung unter den Beteiligten zugängliche Regelung über die Versicherungspflicht getroffen. Die Anfechtungsklage gegen dieses Schreiben ist nicht zulässig, eine Klagebefugnis nach § 54 Abs 1 Satz 2 SGG besteht nicht (BSG 20.12.2001, B 4 RA 6/01 R, SozR 3-8570 § 8 Nr 7). Anders stellt sich dagegen das als Aufklärungsschreiben verfasste Hinweisschreiben vom 29.04.2009 dar. In diesem Schreiben hat die Beklagte bezogen auf den Einzelfall eine verbindliche Regelung getroffen, wie sich schon aus den Formulierungen in dem Schreiben entnehmen lässt (?Die aufgeführten Befreiungstatbestände im § 8 Abs 1 SGB V treffen auf Sie nicht zu, da Sie sich aufgrund ihres Beamtenstatus privat versichert haben. Da dieser Status endete, tritt aufgrund der Anstellung als Arbeitnehmer eine Kranken- und Pflegeversicherungspflicht ein, von der eine Befreiung nicht möglich ist.?). Der Sache nach hat die Klägerin auch diesen Bescheid angefochten. Ihr tatsächliches Begehren ist daher dahin auszulegen (§ 123 SGG), den Bescheid vom 29.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.02.2010, mit dem die Beklagte in der Sache über das Bestehen der Versicherungspflicht entschieden hat, mit der Anfechtungsklage anzugreifen. Da das SG den Bescheid vom 29.04.2009, der bereits Gegenstand des Klageverfahrens war, nicht berücksichtigt hat, ist hierüber im Wege der Klage zu befinden (BSG 12.02.1980, 7 RAr 107/78, SozR 4100 § 119 Nr 12 S 53).
Die Klägerin hat ab 01.01.2009 eine Beschäftigung aufgenommen und wurde deshalb dem Grunde nach gemäß § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V iVm § 7 Abs 1 SGB IV versicherungspflichtig. Sie war von diesem Zeitpunkt an nicht nach § 6 Abs 1 Nr 1, Abs 4 SGB V in der GKV versicherungsfrei. Auch aus der Übergangsvorschrift des § 6 Abs 9 SGB V kann die Klägerin für sich keine Versicherungsfreiheit herleiten.
Nach § 6 Abs 1 Nr 1 (idF des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes (GKV-WSG) vom 26.03.2007, BGBl I 378; auch im Folgenden) sind in der GKV versicherungsfrei Arbeiter und Angestellte, deren regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze nach den Absätzen 6 oder 7 übersteigt und in drei aufeinander folgenden Kalenderjahren überstiegen hat; Zuschläge, die mit Rücksicht auf den Familienstand gezahlt werden, bleiben unberücksichtigt. Die Ermittlung der dabei in Bezug genommenen Beträge nach § 6 Abs. 6 SGB V (?allgemeine Jahresarbeitsentgeltgrenze?) und § 6 Abs. 7 SGB V (?besondere Jahresarbeitsentgeltgrenze?) wird in den genannten Regelungen näher umschrieben. Der in § 6 Abs 1 Satz 1 SGB V enthaltene Zusatz ?und in drei aufeinander folgenden Kalenderjahren überstiegen hat? wurde durch Art 1 Nr 3 Buchstabe a des GKV-WSG in das SGB V eingefügt. Zu diesem Zusatz bestimmt § 6 Abs 4 SGB V Näheres. Danach endet dann, wenn die Jahresarbeitsentgeltgrenze in drei aufeinander folgenden Kalenderjahren überschritten wird, die Versicherungspflicht mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, in dem sie überschritten wird (Satz 1). Ein Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze in einem von drei aufeinander folgenden Kalenderjahren liegt vor, wenn das tatsächlich im Kalenderjahr erzielte regelmäßige Jahresarbeitsentgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze überstiegen hat (Satz 4). Für Zeiten, in denen bei fortbestehendem Beschäftigungsverhältnis kein Arbeitsentgelt erzielt worden ist, insbesondere bei Arbeitsunfähigkeit nach Ablauf der Entgeltfortzahlung sowie bei Bezug von Entgeltersatzleistungen, ist ein regelmäßiges Arbeitsentgelt in der Höhe anzusetzen, in der es ohne die Unterbrechung erzielt worden wäre (Satz 5).
Der durch das GKV-WSG eingefügte Zusatz in § 6 Abs 1 Nr 1 SGB V mit dem Erfordernis eines dreijährigen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze erfasst auch Personen mit einem Einkommen oberhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze, die vor Beginn ihrer Beschäftigung wegen einer Tätigkeit als Beamte nicht versicherungspflichtig waren. Auch sie sind (mindestens) drei Jahre lang versicherungspflichtig. Aus welchem vorherigen Status heraus die zur Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V führende entgeltliche Beschäftigung als Arbeiter oder Angestellter aufgenommen wurde, ist für die Anwendung der gesetzlichen Regelung ohne Belang (BSG 27.06.2012, B 12 KR 6/10 R, juris RdNr 15). Der Gesetzgeber wollte insoweit auch Personen, die vor Beginn der Beschäftigung nicht versicherungspflichtig waren, ausdrücklich der Neuregelung unterwerfen. Der Gesetzentwurf führt hierzu aus: ?Die (neue) Regelung gilt für alle Arbeitnehmer, also auch für solche, die zuvor zB als Selbstständige oder Freiberufler tätig waren? (BT-Drs 16/3100 S 96).
Die Klägerin hatte am 01.01.2009 die Jahresarbeitsentgeltgrenze im maßgebenden Dreijahreszeitraum vom 01.01.2006 bis 31.12.2008 nicht überschritten, so dass § 6 Abs 1 Nr 1 SGB V nicht zur Anwendung kommt. Insoweit ist ein rückschauender Vergleich des tatsächlich erzielten Entgelts mit der jeweiligen Jahresarbeitsentgeltgrenze vorzunehmen, wobei auch Entgelt aus einer versicherungsfreien Tätigkeit als Beamter einzubeziehen ist. Mit einem Bruttoverdienst von 36.855,38 Euro (2008), 36.672,68 Euro (2007) und 36.772,68 Euro (2006) hat die Klägerin die hier maßgebliche allgemeine Jahresarbeitsentgeltgrenze nach § 6 Abs 6 SGB V nicht überschritten (2008: 48.150,- Euro; 2007: 47.700,- Euro; 2006: 47.250,- Euro). Die besondere Jahresarbeitsentgeltgrenze nach § 6 Abs 7 SGB V kommt hier nicht zur Anwendung, da sie nur für jene Arbeiter und Angestellten gilt, die am 31.12.2002 wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei und bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen in einer substitutiven Krankenversicherung versichert waren. Die Klägerin war am 31.12.2002 indes allein wegen ihrer Beamtentätigkeit versicherungsfrei. Abgesehen davon übersteigt das erzielte Entgelt der Klägerin auch die besondere Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht (2008: 43.200,-; 2007 und 2006: 42.750,-).
Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, kann bei der Berücksichtigung der von der Klägerin erzielten Entgelte keine Hochrechnung der Bezüge in der Art einer Nettolohnvereinbarung erfolgen. Ist eine Nettoarbeitsentgelt vereinbart, so sieht § 14 Abs 2 SGB IV vor, dass die Einnahmen des Beschäftigten einschließlich der darauf entfallenden Steuern und Arbeitnehmeranteile als Bruttoarbeitsentgelt gelten; dies wird durch Hochrechnung (sog Abtastverfahren) ermittelt (BSG 22.09.1988, 12 RK 36/86, BSGE 64, 110, 112 = SozR 2100 § 14 Nr 22). Eine entsprechende Vereinbarung besteht im Rahmen der Beamtenbesoldung nicht, so dass § 14 Abs 2 SGB IV nicht unmittelbar anwendbar ist. Ansonsten kennt das SGB IV keine Aufstockung von Bruttoarbeitsentgelten, die etwa steuerfrei oder nicht beitragspflichtig waren. Im Rahmen des Leistungsrechts hat das BSG bereits entschieden, dass bei bestehender Lohnsteuerfreiheit das erzielte Bruttoarbeitsentgelt (für die Bemessung von Arbeitslosengeld) nicht um fiktive Steueranteile aufzustocken ist (BSG 10.11.1993, 11 RAr 35/93, SozR 3-4100 § 249e Nr 2). Auch für das Bemessungsentgelt der Arbeitslosenhilfe ist eine solche Aufstockung der tatsächlich erzielten Bruttobezüge von früheren Beamten und Soldaten nicht in Erwägung gezogen worden (BSG 05.05.1970, 7 RAr 13/69, BSGE 31, 156 = SozR Nr 2 zu § 148 AVAVG; Gagel, AFG, Stand 8/1992, § 136 RdNr 84 f). Entsprechend kommt auch vorliegend eine andere Verfahrensweise nicht in Betracht.
Die Klägerin ist seit 01.01.2009 auch nicht nach § 6 Abs 9 SGB V versicherungsfrei. Diese Vorschrift bestimmt, dass Arbeiter und Angestellte, die nicht die Voraussetzungen des § 6 Abs 1 Nr 1 SGB V erfüllen, aber am 02.02.2007 wegen Überschreitens der (damals geltenden) Jahresarbeitsentgeltgrenze bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen in einer substitutiven Krankenversicherung versichert waren (?), versicherungsfrei bleiben, solange sie keinen anderen Tatbestand der Versicherungspflicht (als den nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V) erfüllen. Die Klägerin war am 02.02.2007 nicht ?wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze? versicherungsfrei und mit Blick darauf in der privaten Krankenversicherung versichert, sondern gehörte - als Beamtin - an diesem Tag schon generell nicht zum Kreis der Versicherungspflichtigen. Bereits der Wortlaut lässt eine erweiternde, sich auf Beamte erstreckende Auslegung nicht zu (ebenso für Selbstständige: BSG, 27.06.2012, B 12 KR 6/10 R, juris). Auch aus den Gesetzesmaterialien und dem Urteil des BVerfG vom 10.06.2009 (aaO) geht deutlich hervor, dass der Gesetzgeber mit der dreijährigen Wartefrist auch solche Personen in die Versicherungspflicht einbeziehen wollte, die bereits privat krankenversichert sind (vgl BT-Drs 16/4247 S 30; BT-Drs 16/3100 S 96).
Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen gegen die dargestellte, nur vom 02.02.2007 bis 30.12.2010 gültige Rechtslage (vgl GKV-Finanzierungsgesetz v 22.12.2010, BGBl I 2309), insbesondere gegen die hier vorgenommene Auslegung des § 6 Abs 1 Nr 1 und Abs 9 SGB V, nicht. Das BVerfG hat bereits entschieden, dass die durch das GKV-WSG vorgenommene Beschränkung der Möglichkeit zum Wechsel in die private Krankenversicherung bei Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze gemäß § 6 Abs 1 Nr 1 SGB V betroffene Versicherte nicht in ihrem Grundrecht aus Art 2 Abs 1 GG verletzt, sondern verhältnismäßig ist (10.06.2009, 1 BvR 706/08 ua, BVerfGE 123, 186, 265 = SozR 4-2500 § 6 Nr 8 RdNr 237). Auch die Beschränkung der Übergangsregelung in § 6 Abs 9 SGB V verstößt nicht gegen Grundrechte der Klägerin, insbesondere nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG. Dieser ist nur verletzt, wenn durch eine Norm eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten verschieden behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art oder solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (st Rspr des BVerfG, vgl 21.07.2010, 1 BvR 611/07, BVerfGE 126, 400, 418). § 6 Abs 9 SGB V ist als Bestandsschutzvorschrift allein für die Fälle konzipiert, in denen ohne die Regelung am 02.02.2007 allein infolge der ab diesem Tag wirkenden Verschärfung des § 6 Abs 1 Nr 1 SGB V durch das GKV-WSG die zuvor bestehende Versicherungsfreiheit eines Beschäftigten entfallen wäre. Der Gesetzgeber musste daher bei der Regelung des Bestandsschutzes in erster Linie den Personenkreis berücksichtigen, der durch die Verschärfung der gesetzlichen Regelungen für den Eintritt der Versicherungsfreiheit nachteilig in einem Vertrauenstatbestand betroffen war. Dazu gehörten die nach alter Rechtslage wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfreien Arbeitnehmer, die bereits privat versichert waren oder im Hinblick auf ein privates Krankenversicherungsverhältnis ihre Mitgliedschaft in der GKV bereits gekündigt hatten und deren Versicherungsverhältnis im ersten Fall ohne eine Übergangsregelung ex lege aufgelöst worden wäre (BSG, 27.06.2012, B 12 KR 6/10 R, juris). Vor diesem Hintergrund ist die Schlechterstellung von Beschäftigen, die am 02.02.2007 als Beamte privat krankenversichert waren gegenüber Beschäftigten, die am Stichtag beschäftigt und privat krankenversichert waren, als sachlich gerechtfertigt anzusehen. Nur letztere verloren mit der Verschärfung am 02.02.2007 eine bereits in ihrem Bestand zu schützende Rechtsposition, nämlich das bereits vor diesem Datum betätigte Vertrauen, sich trotz eigentlich bestehender Versicherungspflicht als Beschäftigter auf ihre Versicherungsfreiheit eingerichtet zu haben. Eine vergleichbare Situation liegt bei Personen, die am Stichtag als Beamte versicherungsfrei waren, nicht vor. Die vor der Gesetzesneuregelung bestehende bloße Aussicht eines Beamten, bei Aufnahme einer an sich versicherungspflichtigen Beschäftigung mit einem Jahresarbeitsentgelt oberhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze und bei bisheriger Absicherung in der privaten Krankenversicherung sofort versicherungsfrei zu werden und nicht in die GKV einbezogen zu sein, durfte der Gesetzgeber als nicht gleichermaßen schützenswert behandeln (ebenso für Selbstständige: BSG, 27.06.2012, aaO). Im Übrigen geht der Senat davon aus, dass eine private Krankenversicherung regelmäßig für drei Jahre in eine Anwartschaftserhaltungsversicherung umgestellt werden kann, für die der Betroffene geringe Beiträge zahlen muss und dafür seine Altersrückstellungen erhalten und eine neue Gesundheitsprüfung mit der Gefahr höherer Prämien oder neuer Versicherungsausschlüsse vermeiden kann. Auch insoweit erleidet die Klägerin daher keine unzumutbaren Nachteile.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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