L 11 KR 4671/12 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 10 KR 3056/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 4671/12 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Ein Versicherter kann im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Feststellung iSv § 55 Abs 1 SGG begehren, dass er bei einer Krankenkasse als freiwilliges Mitglied versichert ist.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 25.10.2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Feststellung, dass er bei der Antragsgegnerin zu 1 ab 01.08.2011 freiwillig krankenversichert und bei der Antragsgegnerin zu 2 ab diesem Zeitpunkt nicht mehr versichert ist sowie die Verpflichtung der Antragsgegnerin zu 1 zur Zahlung von Krankengeld ab 01.08.2012.

Der 1955 geborene Antragsteller war vom 01.03.2005 bis 20.02.2008 und vom 09.06. bis 06.07.2008 versicherungspflichtiges Mitglied der Antragsgegnerin zu 2. Vom 21.02. bis 01.06.2008 bestand die Mitgliedschaft aufgrund Krankengeldzahlung fort, vom 02. bis 08.06.2008 bestand nachgehender Versicherungsschutz. Ab dem 01.07.2008 war der Kläger bei der Antragsgegnerin zu 2 freiwillig versichertes Mitglied ohne Anspruch auf Krankengeld. Am 26.05.2011 kündigte der Antragsteller seine Krankenversicherung bei der Antragsgegnerin zu 2 zum 31.07.2011. Die Antragsgegnerin zu 2 bestätigte die Kündigung und das Ende der Mitgliedschaft zum 31.07.2011 mit Schreiben vom 27.05.2011. Die Kündigungsbestätigung enthielt den Hinweis, dass die Kündigung gemäß § 175 Abs 4 Satz 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) wirksam werde, wenn das Mitglied innerhalb der Kündigungsfrist der zur Meldung verpflichteten Stelle (zB Arbeitgeber) eine Mitgliedschaft bei einer anderen Krankenkasse durch eine Mitgliedsbescheinigung nachweise. Sei eine zur Meldung verpflichtete Stelle nicht vorhanden, sei die Mitgliedsbescheinigung der neuen Krankenkasse innerhalb der Kündigungsfrist an die bisherige Krankenkasse weiterzuleiten.

Der Antragsteller gab am 16.06.2011 die Mitgliedschaftserklärung zur freiwilligen Krankenversicherung als Selbstständiger gegenüber der Antragsgegnerin zu 1 ab. Er wählte ab 01.08.2011 eine Mitgliedschaft mit Anspruch auf Krankengeld ab der 7. Woche der Arbeitsunfähigkeit. Die Antragsgegnerin zu 2 bestätigte der Antragsgegnerin zu 1 mit Schreiben vom 21.06.2011 die Dauer der Mitgliedschaft des Antragstellers unter Vorbehalt. Die Antragsgegnerin zu 1 stellte dem Antragsteller unter dem 28.06.2011 eine Mitgliedsbescheinigung aus. Nachdem der Antragsteller ab 01.08.2011 arbeitsunfähig war, leistete die Antragsgegnerin zu 1 ab 15.09.2011 bis 02.04.2012 Krankengeld.

Am 25.04.2012 teilte die Antragsgegnerin zu 2 der Antragsgegnerin zu 1 mit, dass ihr bis heute keine Mitgliedsbescheinigung der Antragsgegnerin zu 1 vorliege. Die Kündigung und damit der Kassenwechsel seien somit unwirksam. Die Antragsgegnerin zu 1 erwiderte daraufhin, dass sie die Mitgliedschaft des Antragstellers ab 01.08.2011 storniert habe.

Nachdem die Antragsgegnerin zu 1 dem Antragsteller mitgeteilt hatte, er sei bei ihr nicht versichert, bat der Antragsteller mit Schreiben vom 30.05.2012 um Klärung. Mit Bescheid vom 10.07.2012 teilte die Antragsgegnerin zu 1 dem Antragsteller mit, sie sei zunächst davon ausgegangen, dass die Mitgliedschaft zustande gekommen sei. Erst im Rahmen des Clearingverfahrens sei von der Antragsgegnerin zu 2 die Mitteilung gekommen, dass er die Mitgliedsbescheinigung der Antragsgegnerin zu 1 dort nicht eingereicht habe. Aufgrund der Feststellung der Ungültigkeit der Kündigung habe die freiwillige Versicherung bei der Antragsgegnerin zu 1 rückwirkend wieder storniert werden müssen. Der Antragsteller habe damit zu Unrecht Krankengeld in Höhe von 4.661,19 Euro bezogen, welches zurückgefordert werde.

Hiergegen erhob der Antragsteller Widerspruch und führte aus, er habe die Mitgliedsbescheinigung bei Herrn B. kopiert, die Kopie in einen Briefumschlag gesteckt und bei der Postfiliale in H. abgegeben, wohin ihn Herr B. im Pkw mitgenommen habe. In der Mitgliedsbescheinigung vom 28.06.2011 von Frau C. sei handschriftlich vermerkt, dass eine Kopie an die Antragsgegnerin zu 2 am 29.06.2011 abgegangen sei; somit sei das Schreiben zugegangen. Die Antragsgegnerin zu 1 hat als Blatt 181 ein eingescanntes Original des Schreibens vom 28.06.2011 zur Akte genommen, auf dem sich kein handschriftlicher Absendevermerk befindet, sondern der Hinweis, dass von Frau C. keine Kopie an die Antragsgegnerin zu 2 geschickt worden sei.

Am 17.09.2011 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Heilbronn (SG) anwaltlich vertreten einstweiligen Rechtsschutz begehrt. Er macht geltend, dass seine Mitgliedschaft bei der Antragsgegnerin zu 2 wirksam beendet worden sei. Er habe das Schreiben vom 28.06.2011 von sich aus der Antragsgegnerin zu 2 zugeleitet, zudem habe die Antragsgegnerin zu 1 ebenfalls eine Kopie übersandt, wie sich aus dem handschriftlichen Vermerk ergebe. Somit seien sämtliche Voraussetzungen für die Beendigung der Mitgliedschaft bei der Antragsgegenerin zu 2 gegeben. Zusätzlich hat der Antragsteller eine eidesstattliche Versicherung vom 28.08.2012 vorgelegt, in welcher er darlegt, er habe das Schreiben vom 28.06.2011 an die Antragsgegnerin zu 2 übersandt. Nach seiner Erinnerung habe ihm Frau F. (in Bietigheim-Bissingen bei der Antragsgegnerin zu 1 tätig) gesagt, er solle dieses Schreiben als Mitglied an die Antragsgegnerin zu 2 senden. Er habe sämtliche Angelegenheiten erledigt. Er sei auf die weitere Krankengeldzahlung dringend angewiesen, da er bis auf Zahlungen aus einer privaten Versicherung von monatlich 508,- Euro keine weiteren Einkünfte habe.

Die Antragsgegnerin zu 1 hat ausgeführt, laut ihrer Sachbearbeiterin C. sei keine Mitgliedsbescheinigung an die Antragsgegnerin zu 2 verschickt worden, der Mitarbeiterin F. sei der genaue Ablauf des Vorgangs nicht erinnerlich. Mit Widerspruchsbescheid vom 24.10.2011 hat die Antragsgegnerin zu 1 den Widerspruch des Antragstellers zurückgewiesen. Ein Klageverfahren ist insoweit beim SG anhängig (S 15 KR 3680/12).

Die Antragsgegnerin zu 2 hat darauf hingewiesen, dass ihr eine Mitgliedsbescheinigung nicht vorliege.

Mit Beschluss vom 25.10.2011 hat das SG die Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt. Der Antrag auf Gewährung von Krankengeld sei nach § 86b Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, aber nicht begründet, weil ein Anordnungsanspruch fehle. Der Anspruch auf Krankengeld nach § 44 Abs 1 SGB V setze ein Versicherungsverhältnis voraus, welches hier nicht glaubhaft gemacht sei. Zwar habe der Antragsteller seine Versicherung bei der Antragsgegnerin zu 2 gekündigt, dies genüge für den Kassenwechsel allerdings nicht. Nach § 175 Abs 4 Satz 4 SGB V werde die Kündigung wirksam, wenn das Mitglied innerhalb der Kündigungsfrist eine Mitgliedschaft bei einer anderen Kasse durch eine Mitgliedsbescheinigung nachweise. Unterbleibe der Nachweis oder erfolge er verspätet, bestehe die Mitgliedschaft bei der bisherigen Krankenkasse weiter und könne frühestens am Ende des übernächsten Monats erneut gekündigt werden. Bei der gewählten Krankenkasse werde keine Mitgliedschaft wirksam, solange die Mitgliedschaft bei der bisherigen Krankenkasse nicht wirksam beendet worden sei. Soweit der Antragsteller geltend mache, eine Kopie der Mitgliedsbestätigung in einen Briefumschlag gesteckt und in H. zur Post gegeben zu haben, genüge dies nicht als Nachweis des Zugangs der Mitgliedsbescheinigung bei der Antragsgegnerin zu 2. Soweit der Antragsteller geltend mache, die Antragsgegnerin zu 1 habe von sich aus eine Kopie an die Antragsgegnerin zu 2 übersandt, sei dies nicht nachvollziehbar. Aus dem handschriftlichen Vermerk auf dem Schreiben vom 28.06.2011 gehe dies nicht hervor, vielmehr sei aus dem eingescannten Original des Schreibens ersichtlich, dass Frau C. keine Mehrfertigung an die Antragsgegnerin zu 2 übersandt habe. Entsprechend sei auch über den Antrag auf Feststellung der Mitgliedschaft bei der Antragsgegnerin zu 1 damit bereits entschieden, denn eine Mitgliedschaft sei nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Der Antrag auf Feststellung, dass der Antragsteller bei der Antragsgegnerin zu 2 ab 01.08.2011 nicht mehr versichert sei, sei unzulässig. Über diesen Antrag sei mit dem Antrag auf Gewährung von Krankengeld gegenüber der Antragsgegnerin zu 1 bereits entschieden; die Voraussetzungen für eine wirksame Kündigung seien nicht glaubhaft gemacht.

Hiergegen richtet sich die am 06.11.2012 eingelegte Beschwerde des Antragstellers. Das SG habe die Frage des Anordnungsgrundes ungeprüft gelassen. Der Antragsteller könne derzeit nicht einmal die Miete bezahlen, ihm und seiner Familie drohe Obdachlosigkeit. Dem Antragsteller sei bewusst, dass es eine Mitwirkungshandlung beim Wechsel der Krankenkasse gebe. Allerdings habe das BSG entschieden, dass die gekündigte Krankenkasse eine Kündigungsbestätigung bestimmten Inhalts ausstellen müsse, die Grundlage einer Mitgliedsbescheinigung werden könne, so dass eine zunächst schwebend unwirksame Kündigung wirksam werden könne. Hier habe die Antragsgegnerin zu 1 von der Kündigungsbestätigung der Antragsgegnerin zu 2 Kenntnis gehabt, die Antragsgegnerin zu 2 habe die Beendigung des Versicherungsverhältnisses und die Rechtmäßigkeit der Kündigung bestätigt. Darüber hinaus sei der Zugang der Kündigung glaubhaft gemacht worden. Es dürfte die Mitarbeiterin F. gewesen sein, die handschriftlich vermerkt habe, dass ein Durchschlag des Schreibens an die Antragsgegnerin zu 2 gehe. Das SG habe sich nicht mit einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch und dem Grundsatz von Treu und Glauben beschäftigt. Durch die Vornahme einer Amtshandlung der Antragsgegnerin zu 1 sei ein Zustand hergestellt worden, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt wäre. Die Antragsgegnerin zu 1 wäre verpflichtet gewesen, den Antragsteller auf den Beweis des Zugangs der Mitteilung der Kündigung hinzuweisen, der Antragsteller hätte dann das Schreiben mit einer Kündigungsbestätigung versehen. Darüber hinaus würde sich die Antragsgegnerin zu 1 zu eigenem früheren Verhalten in Widerspruch stellen, so dass sich ein Leistungsanspruch auch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ergebe. Für das Beschwerdeverfahren beantragt der Antragsteller die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH).

Die Antragsgegnerin zu 1 ist der Beschwerde entgegengetreten und hält unter Darstellung des bisherigen Ablaufs daran fest, dass die freiwillige Versicherung des Antragstellers habe storniert werden müssen. Der Antragsteller sei dadurch durchgehend bei der Antragsgegnerin zu 2 versichert. Nachdem er ohne Anspruch auf Krankengeld versichert sei, könne ein Antrag auf Grundsicherungsleistungen gestellt werden.

Die Antragsgegnerin zu 2 erwidert, die Ausführungen des Antragstellers seien nicht nachvollziehbar, weil die Begriffe Kündigungsbestätigung und Mitgliedsbescheinigung ständig durcheinander verwendet würden. Fakt sei, dass die für die Wirksamkeit der Kündigung notwendige Mitgliedsbescheinigung nicht bei der Antragsgegnerin zu 2 eingegangen sei. Hierfür trage die Beweislast und das Risiko der Kündigende. Eine Pflichtverletzung der Antragsgegnerin zu 1 stehe nicht fest, denn es sei offen, warum die Mitgliedsbescheinigung nicht zugegangen sei. Folglich scheide auch ein Herstellungsanspruch aus.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Antragsgegnerin zu 1 Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg.

Die form- und fristgerecht (§ 173 Satz 1 SGG) eingelegte und auch ansonsten statthafte Beschwerde (§ 172 Abs 3 Nr 1 SGG) ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Das SG hat die Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz zu Recht abgelehnt.

Gemäß § 86b Abs 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Absatzes 1 der Vorschrift vorliegt, eine einstweilig Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs 2 Satz 2 SGG auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussicht in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs 2 Zivilprozessordnung (ZPO)).

Dabei begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (vgl Bundesverfassungsgericht (BVerfG) 02.05.2005, 1 BvR 569/05, BVerfGK 5, 237). Im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ist ihnen allerdings in den Fällen, in denen es um existentiell bedeutsame Leistungen der Krankenversicherung für den Antragsteller geht, eine lediglich summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage verwehrt. Sie haben unter diesen Voraussetzungen die Sach- und Rechtslage abschließend zu prüfen (vgl BVerfG 29.07.2003, 2 BvR 311/03, BVerfGK 1, 292; 22.11.2002, 1 BvR 1586/02, NJW 2003, S 1236). Ist dem Gericht in einem solchen Fall eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (vgl BVerfG 02.05.2005, 1 BvR 569/05, BVerfGK 5, 237). Die grundrechtlichen Belange des Antragstellers sind umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl BVerfG 22.11.2002, 1 BvR 1586/02, NJW 2003, S 1237; 29.11.2007, 1 BvR 2496/07, NZS 2008, 365). Der hier geltend gemachte Anspruch auf Krankengeld gehört nicht zu den existenziell bedeutsamen Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Dies folgt schon daraus, dass nicht jeder gesetzlich Krankenversicherte einen solchen Anspruch hat (vgl § 44 Abs 1 Satz 2 SGB V). Geboten und ausreichend ist insoweit eine lediglich summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage (st Rspr des Senats, vgl Beschlüsse 20.02.2012, L 11 KR 289/12 ER-B; vom 19.08.2010, L 11 KR 3364/10 ER-B, juris; 22.12.2009, L 11 KR 5547/09 ER-B, und vom 16.10.2008, L 11 KR 4447/08 ER-B, juris).

Vorliegend sind die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung nicht erfüllt. Es fehlt an einem Anordnungsanspruch, darüber hinaus fehlt es auch an einem Anordnungsgrund, soweit Leistungen für die Vergangenheit begehrt werden; im Übrigen liegt ein Anordnungsanspruch nicht vor.

Der Antragsteller kann zulässigerweise im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Feststellung iSv § 55 Abs 1 SGG begehren, dass er bei der Antragsgegnerin zu 1 als freiwilliges Mitglied versichert ist (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl § 86b RdNr 25b). Es fehlt insoweit jedoch bereits an einem Anordnungsanspruch, so dass weitere Ausführungen zum Vorliegen eines Anordnungsgrundes und damit der Eilbedürftigkeit nicht veranlasst sind. Das SG hat zutreffend ausgeführt, dass die Wirksamkeit der Kündigung der Mitgliedschaft bei der Antragsgegnerin zu 2 zum 31.07.2011 nicht glaubhaft gemacht worden ist und daher eine Mitgliedschaft bei der Antragsgegnerin zu 1 zum 01.08.2011 nicht begründet werden konnte. Nach § 175 Abs 4 Satz 4 SGB V wird die - hier unstreitig ausgesprochene - Kündigung nur wirksam, wenn das Mitglied innerhalb der Kündigungsfrist die Mitgliedschaft bei einer anderen Krankenkasse durch eine Mitgliedsbescheinigung oder das Bestehen einer anderweitigen Absicherung im Krankheitsfall nachweist. Dies war vorliegend nicht der Fall, denn der Antragsgegnerin zu 2 ist die Mitgliedsbescheinigung vom 28.06.2011 nicht zugegangen, wie erst im April 2012 im Rahmen des Clearingverfahrens aufgefallen ist. Damit ist die Kündigung nicht wirksam geworden mit der Folge, dass das bisherige Versicherungsverhältnis bei der Antragsgegnerin zu 2 fortbesteht und ein neues Versicherungsverhältnis nicht begründet werden konnte (vgl Baier in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Stand Juni 2012, § 175 SGB V RdNr 44). Der Senat weist insoweit die Beschwerde aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses zurück und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf diese Gründe (§ 142 Abs 2 Satz 3 SGG).

Soweit der Antragsteller sich auf die Entscheidung des BSG vom 09.11.2011 (B 12 KR 3/10 R, juris) stützt, ist nicht nachvollziehbar, wie er aus dieser Entscheidung ableiten will, dass aus der Verpflichtung der gekündigten Krankenkasse zur Ausstellung einer Kündigungsbestätigung letztlich die Wirksamkeit der Kündigung folgt. Der genannten Entscheidung lag der Sachverhalt zugrunde, dass die gekündigte Krankenkasse rechtswidrig die Ausstellung einer Kündigungsbestätigung verweigert hatte, wodurch das Verfahren zum Wechsel der Krankenkasse nicht den im Gesetz vorausgesetzten Ablauf nehmen konnte. Das BSG hat ausdrücklich klargestellt, dass es Folgerungen insoweit nur für die Wirksamkeit der Krankenkassenwahl (allerdings nur zukunftsbezogen) und deren Nachweis außerhalb der geregelten Frist gezogen hat, nicht aber die Vorlage einer Mitgliedsbescheinigung nach Erteilung einer Kündigungsbestätigung für die Wirksamkeit der Kündigung für entbehrlich gehalten hat (BSG, aaO, juris-RdNr 17). Damit bleibt es nach der Rechtsprechung des BSG dabei, dass die Vorlage der Mitgliedsbescheinigung Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung ist. Die Vorlage der Mitgliedsbescheinigung selbst ist hier jedoch, wie bereits das SG ausgeführt hat, nicht glaubhaft gemacht. Eine Glaubhaftmachung allein der Absendung reicht nicht aus.

Nichts anderes ergibt sich aus dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch setzt voraus, dass der Sozialleistungsträger eine ihm aufgrund des Gesetzes oder eines Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Beratung und Auskunft (§§ 14, 15 Sozialgesetzbuch Erstes Buch) verletzt hat. Ferner ist erforderlich, dass zwischen der Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem Nachteil des Betroffenen ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Schließlich muss der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden können. Die Korrektur durch den Herstellungsanspruch darf dem jeweiligen Gesetzeszweck nicht widersprechen (st Rspr, vgl BSG 01.04.2003, B 7 AL 52/03 R, BSGE 92, 267, 279 = SozR 4-4300 § 137 Nr 1; BSG 31.10.2007, B 14/11b AS 63/06 R, SozR 4-1200 § 14 Nr 10). Hier ist schon eine Pflichtverletzung der Antragsgegnerinnen nicht ersichtlich. Die Antragsgegnerin zu 2 hat mit ihrer Kündigungsbestätigung den Antragsteller darauf hingewiesen, dass zur Wirksamkeit der Kündigung die Vorlage einer Mitgliedsbescheinigung der neuen Krankenkasse erforderlich ist. Nach dem eigenen Vortrag des Antragstellers in seiner eidesstattlichen Versicherung hat ihn auch die Mitarbeiterin der Antragsgegnerin zu 1 Frau F. darauf hingewiesen, dass er die Mitgliedsbescheinigung der Antragsgegnerin zu 2 zusenden müsse. Damit war er über die von ihm zu erbringende Mitwirkung hinreichend informiert. Eine bestimmte Form der Übersendung etwa mittels eingeschriebenen Briefs ist im Gesetz nicht vorgesehen, so dass eine entsprechende Beratung auch nicht erforderlich war im Hinblick auf mögliche spätere Nachweisschwierigkeiten.

Aus Treu und Glauben kann der Antragsteller ebenfalls keine Begründung einer Versicherung bei der Antragsgegnerin zu 1 herleiten. Im Sozialrecht ist zwar anerkannt, dass ein Verhalten, das zu eigenem früheren Verhalten im Widerspruch steht (venire contra factum proprium) als Sonderfall des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch) rechtsmissbräuchlich ist und mit dem Verlust von Rechten verbunden sein kann (BSG 20.09.1989, 7 RAr 110/87, BSGE 65, 272, 277 = SozR 4100 § 78 Nr 8 S 36). Hier ist jedoch schon überhaupt kein widersprüchliches Verhalten der Antragsgegnerin zu 1 ersichtlich; ein solches liegt jedenfalls nicht schon in der bisherigen Leistungserbringung in Unkenntnis der fehlenden Versicherteneigenschaft des Antragstellers. Der Antragsteller trägt insoweit auch nicht vor, worin er ein derartiges treuwidriges Verhalten der Antragsgegnerin zu 1 sehen will.

Soweit der Antragsteller schließlich Krankengeld begehrt, fehlt es für die Zeit vom 01.08. bis 16.09.2012 schon an einem Anordnungsgrund, weil es sich um Leistungen für einen Zeitraum vor dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung handelt, den der Antragsteller am 17.09.2012 beim SG gestellt hat. Die Regelungsanordnung dient zur Abwendung wesentlicher Nachteile mit dem Ziel, dem Betroffenen die Mittel zur Verfügung zu stellen, die zur Behebung aktueller - noch bestehender - Notlagen notwendig sind. Einen Ausgleich für Rechtsbeeinträchtigungen in der Vergangenheit herbeizuführen ist deshalb grundsätzlich nicht Aufgabe des vorläufigen Rechtsschutzes. Eine Ausnahme ist bei einer begehrten Regelungsanordnung nur dann zu machen, wenn die Notlage noch bis in die Gegenwart fortwirkt und den Betroffenen in seiner menschenwürdigen Existenz bedroht (vgl Senatsbeschluss vom 20.04.2010, L 11 KR 1430/10 ER mwN; Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg 28.03.2007, L 7 AS 1214/07 ER-B, juris). Ein derartiger Ausnahmefall ist vom Antragsteller bisher nicht glaubhaft gemacht.

Darüber hinaus fehlt es - auch soweit der Antragsteller Krankengeld für die Zeit ab dem 17.09.2012 begehrt - jedenfalls an einem Anordnungsanspruch. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG bestimmt allein das bei Entstehen eines Krankengeldanspruchs bestehende Versicherungsverhältnis, wer in welchem Umfang als Versicherter Anspruch auf Krankengeld hat (BSG 05.05. 2009, B 1 KR 20/08 R, SozR 4-2500 § 192 Nr 4; BSG 02.11.2007, B 1 KR 38/06 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 14). Gemäß § 44 Abs 1 Satz 1 SGB V haben ?Versicherte" Anspruch auf Krankengeld, wenn - abgesehen von den Fällen stationärer Behandlung, die im zu entscheidenden Fall nicht vorliegt - Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Wie bereits ausgeführt, ist der Antragsteller nicht Mitglied der Antragsgegnerin zu 1 geworden, weshalb er gegen sie keine Krankengeldansprüche geltend machen kann. Bei der Antragsgegnerin zu 2 besteht keine Krankenversicherung mit Anspruch auf Krankengeld, so dass auch insoweit ein entsprechender Anspruch nicht besteht - und zu Recht vom Antragsteller auch gar nicht geltend gemacht wird.

Soweit der Antragsteller zuletzt die Feststellung der nicht bestehenden Mitgliedschaft bei der Antragsgegnerin zu 2 begehrt, kann dahin stehen, ob hierfür im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes überhaupt ein Rechtsschutzbedürfnis besteht. Jedenfalls ist die Kündigung des Antragstellers vom 26.05.2011 nicht wirksam geworden mit der oben bereits dargestellten Rechtsfolge des Fortbestehens des Versicherungsverhältnisses.

Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Gewährung von PKH für das Beschwerdeverfahren. Nach § 73a SGG iVm § 114 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO verlangt eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit; dabei sind freilich keine überspannten Anforderungen zu stellen (ständige Rechtsprechung des Senats unter Hinweis auf BVerfG 13.03.1990, 2 BvR 94/88, BVerfGE 81, 347, 357). Entsprechende Erfolgsaussichten liegen hier nicht vor, wie oben ausgeführt.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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