L 9 R 4675/12 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 3011/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 4675/12 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 24. Oktober 2012 aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten im vorliegenden Beschwerdeverfahren darüber, ob das Sozialgericht Heilbronn die Antragsgegnerin zu Recht mit Beschluss vom 24.10.2012 im Wege einer einstweiligen Anordnung dem Grunde nach verpflichtet hat, dem Antragsteller die beantragte Leistung zur medizinischen Rehabilitation (stationärer Aufenthalt in einer Rehabilitationsklinik) zu gewähren.

Der Antragsteller ist Inhaber eines Betriebes für Sonnenschutztechnik mit fünf Mitarbeitern (Verkauf und Montage von Rolläden und Jalousien). Er übt diese Tätigkeit seit 1998 aus. Nach seinen Angaben beträgt die Arbeitszeit wöchentlich 50 Stunden; die Tätigkeit sei überwiegend im Freien durchzuführen und beinhalte u.a. Auswärtsmontage und Mitarbeiterführung. In seiner Arbeitsplatzbeschreibung vom 03.04.2012 gab der Antragsteller auf Frage nach aktuellen Einschränkungen an: "Organisation, Konstanz der Arbeitsdurchführung?. Als Chef sei er zum Teil überfordert.

Bereits am 30.03.2012 hatte der Hausarzt des Antragstellers, Dr. W., dessen Krankenkasse (D.) unter Verwendung eines von dieser zur Verfügung gestellten und mit ?Einleitung von Leistungen zur Rehabilitation oder alternativen Angeboten? überschriebenen Formulars kontaktiert und um Rückruf gebeten. Er hatte als Diagnosen ein ?Burn-Out-Syndrom mit entsprechender Persönlichkeitsveränderung, reaktive Depression, psychophysischer Erschöpfungszustand? angegeben und angekreuzt: ?Eine medizinische Rehabilitationsleistung erscheint aussichtsreich. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit liegt vor oder ist zu befürchten.? Ob und gegebenenfalls in welcher Weise die Krankenkasse hierauf tätig geworden ist, ergibt sich weder aus den Akten noch aus dem Beteiligtenvortrag.

In dem auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gerichteten Formantrag vom 05.04.2012 beschrieb der Antragsteller einen Leistungsknick, raschen Kraftverlust, Konzentrationsverlust, ein Morgentief, den Verlust seiner Organisationsfähigkeit und negative Gedankeninhalte. Der Antrag ging am 10.04.2012 bei der Deutschen Rentenversicherung Bund ein und wurde von dort zuständigkeitshalber an die Antragsgegnerin weitergeleitet, wo er am 23.04.2012 einging.

Der Antragsteller legte im Nachgang einen ärztlichen Bericht seines Hausarztes Dr. W. vom 08.05.2012 vor, in welchem dieser die Diagnose eines Burn-Out-Syndroms mit schwerster Verhaltensstörung (Diagnoseschlüssel ICD 10 Z 73.00 und F 69.00) mitteilte. Eine ebenfalls diagnostizierte Meniskopathie bezeichnete er als unbedeutend. Er führte aus, infolge ca. zwei Jahre währender privater und beruflicher Belastungen bestünden jetzt Totalerschöpfung, eine Verdrängung beim Umgang mit Problemen sowie Arbeits-und Stressbewältigungsstörungen. Der Antragsteller sei unkoordiniert und kaputt, es bestehe ein Leistungsabfall. Er sei beruflich überfordert und kämpfe ohne Erfolgsaussicht. Der Antragsteller leide unter kreisenden negativen Gedanken und Schlafstörungen, sei depressiv und erschöpft. Die Ausprägung der Einschränkungen bezeichnete Dr. W. als höchstgradig; Ziele einer Rehabilitationsmaßnahme seien Problemaufarbeitung, Entspannung, Umgang mit Depressionen und Überlastung. Therapiert werde der Antragsteller durch Gespräche und Psychopharmaka; es finde eine Psychotherapie bei dem Psychologen Hammer statt. Der Antragsteller benötige eine psychologische und Verhaltenstherapie, da sonst langfristig Arbeitsunfähigkeit drohe.

Mit Kurzstellungnahme vom 11.05.2012 kam Dr. H. zu dem Ergebnis, die Erwerbsfähigkeit des Antragstellers sei weder erheblich gefährdet noch gemindert. Es bestehe kein Rehabilitationsbedarf; eine Rehabilitation sei nicht erforderlich. Nachfolgend lehnte die Antragsgegnerin den Antrag aus den vorgenannten Gründen mit Bescheid vom 15.05.2012 ab.

Mit seinem Widerspruch vom 06.06.2012 legte der Antragsteller ärztliche Bescheinigungen sowohl seines Urologen Dr. M. (Attest vom 01.06.2012: Ziehende Beschwerden im Bereich beider Hoden ohne pathologischen Organbefund seien im Rahmen einer vegetativen Dysregulation ausgelöst von wiederkehrendem Stress zu sehen) als auch seines Psychotherapeuten Dipl.-Psych. H. (Attest vom 24.05.2012) vor. Letzterer teilte mit, der Antragsteller befinde sich seit dem 30.11.2011 in seiner Praxis zur Psychotherapie wegen eines Burn-Out-Syndroms und wegen Auffälligkeiten im Persönlichkeits- und Verhaltensbereich. Zwar hätten in der Zwischenzeit Erfolge verbucht werden können, allerdings reiche die ambulante Psychotherapie unter den derzeitigen beruflichen und privaten Belastungen nicht aus, um weitere und dauerhafte Änderungen zu erzielen. Aufgrund der Erschöpfung des Antragstellers sei dieser nicht mehr in der Lage, seine alltägliche Arbeit ausreichend sicher durchführen zu können, so dass es schon zu bedrohlichen Situationen gekommen sei. Es bestünden Stimmungsschwankungen, Rückzug, Konzentrationsstörungen, körperliche Schwäche, Schlafstörungen, die Unfähigkeit abzuschalten oder sich zu amüsieren sowie Antriebslosigkeit. Der Antragsteller habe im privaten und beruflichen Bereich bereits Fehlentscheidungen getroffen. Die aktuellen Bedingungen am Arbeitsplatz und im privaten Umfeld seien zu belastend und für den Zustand des Antragstellers zu bedrohlich, um ausschließlich mit der ambulanten Psychotherapie ausreichend Sicherheit bieten und Erfolge erzielen zu können. Daher sei eine Rehabilitationsmaßnahme dringend erforderlich, um anschließend ambulant sinnvoll weiter arbeiten zu können.

Mit Stellungnahme vom 14.06.2012 kam Dr. H. wiederum zu dem Ergebnis, dass eine Rehabilitation nicht erforderlich sei und führte zur Begründung aus, es lägen keine psychiatrischen Diagnosen oder nervenärztliche Befunde vor.

Hierauf wies die Antragsgegnerin den Widerspruch des Antragstellers mit Widerspruchsbescheid vom 25.07.2012 zurück.

Am 23.08.2012 hat der Antragsteller hiergegen beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage erhoben (Az. S 4 R 2809/12). Am 13.09.2012 ist beim SG ein Antrag auf Verpflichtung der Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes eingegangen, dem Antragsteller dem Grunde nach Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu gewähren. Zur Begründung hat sich der Antragsteller maßgeblich auf zwei beigefügte Atteste des Psychotherapeuten Hammer und des Hausarztes W. berufen und ausgeführt, im Eilverfahren seien Leistungen dann zuzusprechen, wenn dem Antragsteller bei Nichtgewährung des einstweiligen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare Nachteile drohen würden, welche nicht anders abzuwenden seien. Ihm drohten, wenn nicht unverzüglich eine medizinische Rehabilitation eingeleitet werde, erhebliche gesundheitliche Nachteile, welche keinesfalls durch eine spätere Rehabilitation aufgefangen werden könnten. Demgegenüber streite für die Antragsgegnerin nur das finanzielle Interesse.

Die Antragsgegnerin ist dem Antrag unter Verweis auf die erteilten Bescheide entgegengetreten. Aus ihren Ermittlungen ergebe sich, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für einen zu sichernden Hauptsacheanspruch im Sinne eines Anordnungsanspruches nicht bestehe, weshalb der Antrag auf Leistungen abgelehnt worden sei. Darüber hinaus fehle es auch an einem Anordnungsgrund: Gründe die es dem Antragsteller unzumutbar machten, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten, seien angesichts des Umstandes, dass offensichtlich bislang keine fachärztliche Mitbehandlung der Gesundheitsstörungen erfolge, nicht ersichtlich. Ergänzend vorgelegt worden ist eine sozialmedizinische Stellungnahme des Dr. S. vom 19.09.2012.

In seinem Attest vom 24.08.2012 (Bl. 23 SG-Akte) führte der Psychotherapeut H. aus, nach dem Ablehnungsbescheid habe sich die Situation des Antragstellers beruflich und privat weiter zugespitzt und sich sein Zustand sichtbar weiter verschlechtert. Ambulant sei im Augenblick kaum mehr möglich, als Krisenintervention durchzuführen. Es sei dringend erforderlich, den Antragsteller aus dem sozialen und beruflichen Umfeld temporär herauszunehmen, um wieder Kraft zu schöpfen und die Basis dafür zu schaffen, ambulant auf psychotherapeutischer Ebene dauerhafte Veränderungen herbeiführen zu können. Eine Rehabilitationsmaßnahme sei dringend erforderlich, um eine dauerhafte Beeinträchtigung der beruflichen und privaten Funktionsfähigkeit zu verhindern. Jede Woche des Wartens auf einen Rehabilitationsplatz verschlimmere den psychischen Zustand des Antragstellers.

Der Hausarzt Dr. W. führte in seinem Attest vom 03.08.2012 (Bl. 24 SG-Akte) aus, der Antragsteller sei ?dringendst rehabilitationsbedürftig?. Er habe als selbstständiger Unternehmer oft auch gegen seinen Rat weitergearbeitet, auch wenn eigentlich ?AU-Notwendigkeit? bestanden habe, was erforderlich gewesen sei, um den sozialen Stand seines Unternehmens nicht zu gefährden. Das Attest enthält einen am 27.08.2012 handschriftlich angebrachten Zusatz, wonach sich die Situation des Antragstellers verschlechtert habe, so dass eine sofortige Rehabilitationsmaßnahme nötig sei, um spätere negative Folgen zu verhindern.

Das SG hat den behandelnden Hausarzt des Antragstellers, Dr. W., sowie dessen psychologischen Psychotherapeuten Dipl.-Psych. H. schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Letzterer hat als Diagnosen eine Burn-Out-Störung (ICD 10: F 48.0) und Auffälligkeiten im Persönlichkeits- und Verhaltensbereich (ICD 10: F 69.0) mitgeteilt. Weiter hat er ausgeführt, privat bezahlte Versuche des Antragstellers, sich durch Gesundheitsseminare wieder ?auf Linie zu bringen?, hätten keinen durchschlagenden Erfolg erbracht. Bei Ausübung einer gefährlichen beruflichen Tätigkeit sei es nach Auskunft des Antragstellers bereits zu brenzligen Situationen gekommen. Trotz ambulanter Psychotherapie könne kaum eine weitere Verbesserung des Gesundheitszustandes festgestellt werden, zu groß seien die beruflichen und privaten Belastungen. Der Antragsteller solle vorübergehend aus der schwierigen Situation genommen werden, um eine Gefährdung seiner Erwerbsfähigkeit zu verhindern. Damit die durchgeführte ambulante Psychotherapie richtig greifen könne, sollte sie sich nicht ausschließlich mit Krisenintervention beschäftigen, welche derzeit jedoch ausschließlich möglich sei. Auf diese Weise könne eine anhaltende Besserung nicht angestrebt werden. Die ambulante Psychotherapie sei demgegenüber nicht geeignet, die Gefährdung der Erwerbsfähigkeit abzuwenden. Eine stationäre Heilmaßnahme sei die einzige Möglichkeit, wieder zu etwas Kraft zu kommen, um dann Grundlegendes zu ändern.

Über sein bisheriges Vorbringen hinaus hat Dr. W. dem SG mitgeteilt (Schreiben vom 05.10.2012, Bl. 60 f. SG-Akte), der Antragsteller sei selbstständig und nur durch Mitwirkung seiner Person könne der Betrieb aufrechterhalten werden, so dass eine Krankmeldung immer hätte abgelehnt werden müssen. Beim Arbeiten seien jedoch gravierende Erschwernisse und Fehler vorgekommen, welche durch die Betreuung der Schwester und Mutter hätten verschmälert werden können. Eine medikamentöse Therapie mit einem Psychopharmakon hätte abgesetzt werden müssen, da der Antragsteller als Rollladenbauer auf Gerüsten und in der Höhe arbeite. Er selbst habe achtmal therapeutische Gespräche mit dem Antragsteller geführt, bei dem Diplom-Psychologen H. sei eine ambulante Therapie eingeleitet worden. Die aufgetretenen reaktiven Depressionszeichen hätten hohen Krankheitswert und reduzierten das Leben sowohl im beruflichen als auch im privaten Bereich. Die ursprünglich gelöste Lebensart des Antragstellers werde durch das eingetretene Burn-Out-Syndrom unübersichtlich. Diese Problematik habe sich in den letzten zweieinhalb Jahren in ausgeprägter Weise realisiert. Die ambulanten Behandlungsmöglichkeiten seien ausgeschöpft. Eine stationäre Heilbehandlung sei dringend erforderlich, um weitere ?Erforderungssymptomatiken? (gemeint wohl Überforderungssymptomatiken) und ?negative Beeinflussung seines Wesens und Persönlichkeit? zu verhindern. Für das Krankheitsgeschehen prägend sei eine stetige Überforderung, der vorhandene Termindruck sei für den Antragsteller schwer belastend. Im Falle einer stationären Heilmaßnahme könne der Antragsteller von der ?sozialverpflichtenden Situation? entbunden werden und einmal auf sich selbst konzentriert sein, um eine Wesensänderung einleiten zu können.

Mit Beschluss vom 24.10.2012 hat das SG die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, bis zum 15.11.2012 erneut über den Antrag des Antragstellers vom 03.04.2012 auf Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden. In den Gründen hat das SG ausgeführt, die Antragsgegnerin sei an die Feststellung des Gerichts gebunden, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für die beantragte Leistung zur medizinischen Rehabilitation vorlägen. Durch die vorgelegten Bescheinigungen und eingeholten sachverständigen Zeugenaussagen hat es das SG als hinreichend glaubhaft gemacht angesehen, dass zumindest eine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit des Antragstellers bestehe, so dass die persönlichen Voraussetzungen für die Gewährung der begehrten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation vorlägen. Ein Abwarten bis zur Entscheidung der Hauptsache hat es als nicht zumutbar angesehen, nachdem Dipl.-Psych. H. ausgeführt habe, dass jede Woche des Zuwartens den psychischen Zustand des Antragstellers verschlimmere und Dr. W. am 27.08.2012 mitgeteilt habe, dass eine sofortige Rehabilitationsmaßnahme nötig sei, um spätere negative Folgen zu verhindern. Die Antragsgegnerin könne allerdings über die Art, Dauer, den Umfang und Beginn sowie die Durchführung dieser Leistung ebenso wie die Rehabilitationseinrichtung nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden.

Mit Bescheid vom 31.10.2012 hat die Antragsgegnerin dem Antragsteller aufgrund des Beschlusses des SG vorläufig eine stationäre Leistung zur Rehabilitation in der C. Klinik S. mit einer Dauer von drei Wochen bewilligt. Gegen den Bescheid hat der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten Widerspruch erhoben. Der Antragsteller selbst hat gegenüber der Antragsgegnerin als Wunschtermin für die Durchführung der Maßnahme den Zeitraum vom 25.12.2012 bis 13.01.2013 benannt (per Fax übermitteltes Schreiben vom 06.11.2012).

Gegen den am 26.10.2012 zugestellten Beschluss des SG hat die Antragsgegnerin am 12.11.2012 Beschwerde mit der Begründung erhoben, weder sei nach den Feststellungen des sozialmedizinischen Dienstes der Antragsgegnerin die Durchführung einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme erforderlich noch seien Gründe ersichtlich, die es dem Antragsteller unzumutbar machten, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Weder sei eine diagnostische Abklärung noch eine fachärztliche Behandlung der Gesundheitsstörungen durch einen Nervenarzt, Psychiater oder Facharzt für psychosomatische Medizin erfolgt. Diese werde jedoch für erforderlich erachtet.

Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß, den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 24. Oktober 2012 aufzuheben und den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zurückzuweisen.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß, die Beschwerde der Antragsgegnerin zurückzuweisen.

Er verweist im Wesentlichen auf den Beschluss des SG.

Die Antragsgegnerin hat am 14.12.2012 eine schriftliche sozialmedizinische Stellungnahme des Leiters ihres sozialmedizinischen Dienstes, Dr. S., vom 12.12.2012 vorgelegt, in welcher sich dieser mit den Auskünften des behandelnden Arztes Dr. W. und des Psychotherapeuten H. auseinandergesetzt hat.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Antragsgegnerin, die SG-Akten des Eilverfahrens sowie des Hauptsacheverfahrens und die Senatsakte verwiesen.

II.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig, insbesondere gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Die Beschwerde ist auch begründet.

Weder vermag der Senat nach summarischer Prüfung unter Würdigung des Ergebnisses der vom SG durchgeführten medizinischen Ermittlungen die Erfüllung der persönlichen Voraussetzungen für die begehrte Leistung als glaubhaft gemacht anzusehen (Anordnungsanspruch), zumal im Falle einer behandlungsbedürftigen akuten psychischen Krise § 13 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) einen Leistungsausschluss für den Rentenversicherungsträger statuiert, noch ist für den Senat glaubhaft gemacht, dass dem Antragsteller bei Zuwarten auf eine Entscheidung in der Hauptsache nicht wiedergutzumachende Schädigungen drohen, so dass ihm ein Zuwarten nicht zumutbar und eine Vorwegnahme der Hauptsache ausnahmsweise gerechtfertigt wäre (Anordnungsgrund).

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG ersichtlich nicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustandes geht (§ 86b Abs. 2 Satz 1 SGG), nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht.

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (vgl. z.B. Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NJW 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher in Ansehung des sich aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes ergebenden Gebots der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Güter- und Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen (vgl. etwa LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 13. Oktober 2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B - und vom 6. September 2007 - L 7 AS 4008/07 ER-B - (beide juris) jeweils unter Verweis auf die Rechtsprechung des BVerfG).

Der Senat stellt bei der hier vorzunehmenden Prüfung zugunsten des Antragstellers Bedenken zurück, ob angesichts des an die D. gerichteten Schreibens des Hausarztes vom 30.03.2012 die Antragsgegnerin überhaupt zuständiger Rehabilitationsträger ist, was zweifelhaft sein könnte, wenn es sich dabei nicht nur um eine bloße Kontaktaufnahme im Vorfeld einer Antragstellung, sondern bereits um einen verbindlichen Antrag auf Rehabilitationsleistungen gehandelt hat, der von der Krankenkasse nicht an andere Rehabilitationsträger weitergeleitet worden ist (§ 14 Abs. 1 und 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB IX). In diesem Falle wäre die D. erstangegangener Rehabilitationsträger und die Antragsgegnerin bereits aus diesem Grunde unzuständig (vgl. dazu Urteil des BSG vom 20.10.2009 - B 5 R 7/07 R - Rn. 18-21). Aufgrund der insoweit wenig aussagekräftigen Aktenlage und angesichts der gebotenen Eile lassen sich endgültige Feststellungen nicht treffen, ob überhaupt und ggf. wann das Schreiben des Hausarztes der D. zugegangen ist.

Ob der Antragsteller einen Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation hat, ist im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung davon abhängig, ob die allgemeinen Leistungsvoraussetzungen gemäß § 10 (persönliche Voraussetzungen) und § 11 SGB VI (versicherungsrechtliche Voraussetzungen) vorliegen und kein gesetzlicher Leistungsausschlussgrund (etwa nach § 12 SGB VI, aber auch nach § 13 Abs. 2 SGB VI) eingreift. Bei der Entscheidung, ob Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu erbringen sind, ist dem Rentenversicherungsträger kein Ermessen eingeräumt (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23.2.2000, SozR 3-2600 § 10 Nr. 2 - B 5 RJ 8/99 R - zitiert nach (juris), dort Rn. 13). Die genannten Voraussetzungen unterliegen der vollen gerichtlichen Überprüfung. Dem steht nicht entgegen, dass in § 9 Abs. 2 SGB VI die Wendung gebraucht wird, medizinische Leistungen zur Rehabilitation "können erbracht werden". Gemäß der Auslegung, die das BSG unter Heranziehung der Gesetzessystematik in ständiger Rechtsprechung vorgenommen hat, steht nur die in einem zweiten Schritt zu treffende Entscheidung, wie die Rehabilitation nach Art, Dauer, Umfang und Begründung durchzuführen ist, d.h. welche Leistungen in Betracht kommen, im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten (vgl. auch Kater in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand April 2012, § 9 Rn. 9, ebenso § 13 Rn. 5 m.w.N.).

Vorliegend ist nicht glaubhaft gemacht, dass der Antragsteller die persönlichen Voraussetzungen des § 10 SGB VI erfüllt und kein gesetzlicher Leistungsausschlussgrund besteht.

Nach § 10 Abs 1 SGB VI haben Versicherte die persönlichen Voraussetzungen erfüllt, 1. deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist und 2. bei denen voraussichtlich a) bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben abgewendet werden kann, b) bei geminderter Erwerbsfähigkeit diese durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann, c) bei teilweiser Erwerbsminderung ohne Aussicht auf eine wesentliche Besserung der Erwerbsfähigkeit der Arbeitsplatz durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten werden kann.

Der Begriff der im Gesetz nicht definierten Erwerbsfähigkeit ist als Fähigkeit des Versicherten zu verstehen, seinen bisherigen Beruf oder seine bisherige Tätigkeit weiter ausüben zu können. Nicht hingegen sind die Kriterien anwendbar, die für die Erfüllung der Leistungsvoraussetzungen einer Rente wegen Erwerbsminderung maßgebend sind (vgl. Urteil des BSG vom 17.10.2006 - B 5 RJ 15/05 R - zitiert nach (juris), dort Rn. 17). Vorliegend ist mithin auf die Tätigkeit eines mitarbeitenden Inhabers einer Firma für Sonnenschutztechnik/Rolladenbau abzustellen.

Der Senat sieht gestützt auf die aktenkundigen Atteste und die schlüssigen sozialmedizinischen Stellungnahmen von Dr. S. vom 19.09.2012 und vom 12.12.2012, welche er sämtlich im Urkundsbeweis verwertet hat, sowie auf die vom SG eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen des Diplom-Psychologen Hammer und des Hausarztes Dr. W. nicht als glaubhaft gemacht an, dass die Erwerbsfähigkeit des Antragstellers zur Ausübung einer derartigen Tätigkeit erheblich gefährdet ist. Die von Dr. W. und dem Dipl.-Psych. H. geschilderten Befunde sind eher allgemein gehalten. Die von beiden als Hauptdiagnose immer wieder bemühte Bezeichnung ?Burn-Out-Syndrom? hat gemäß den Ausführungen des Dr. S. mit Stellungnahme vom 19.09.2012 nach dem ICD 10 nicht den Rang einer krankhaften Störung, sondern lediglich einer Verhaltensauffälligkeit im Sinne einer Akzentuierung von Persönlichkeitszügen. Welchen Schweregrad die vom Hausarzt in der Bescheinigung vom 08.05.2012 erwähnten Depressionen haben, lässt sich weder aus dessen Äußerungen noch aus den Äußerungen seines Psychotherapeuten entnehmen. Nicht schlüssig ist ausgehend von der diagnostischen Einordnung der beschriebenen eher unspezifischen Beschwerden (Müdigkeit, Konzentrationsstörungen, allgemeine Überforderung) sowohl die Einordnung des Schweregrades durch Dr. W. als ?höchstgradig? als auch die vom Psychotherapeuten H. aufgestellte Behauptung einer dringenden Erforderlichkeit, den Antragsteller durch eine Rehabilitationsmaßnahme aus seinem beruflichen und privaten Umfeld herauszunehmen, zumal private Probleme nur am Rande und in allgemeiner Form behauptet worden sind.

Der Antragsteller hat zudem die akuten Behandlungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft. Zwar unterzieht er sich seit November 2011 einer Psychotherapie mit Sitzungen alle ein bis zwei Wochen, jedoch findet nach einem fehlgeschlagenen Versuch der hausärztlichen Verschreibung von - wegen damit verbundenen Schwindelerscheinungen für einen Rolladenbauer ungeeigneten - Psychopharmaka weder eine unterstützende medikamentöse Therapie statt, noch hat der Antragsteller für deren Einleitung und Überwachung bislang einen Facharzt für Psychiatrie oder psychotherapeutische Medizin konsultiert.

Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass, legt man die Ausführungen des Dipl.-Psych. H. zugrunde, wonach dessen Psychotherapie sich seit Monaten ausschließlich in ?Krisenintervention? erschöpft, vieles dafür spricht, dass der gesetzliche Leistungsausschluss des § 13 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGB VI vorliegend zu Lasten des Antragstellers eingreift. Hiernach erbringt der Träger der Rentenversicherung weder Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in der Phase akuter Behandlungsbedürftigkeit einer Krankheit (es sei denn, die Behandlungsbedürftigkeit tritt während der Ausführung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation ein), noch anstelle einer sonst erforderlichen Krankenhausbehandlung. Die Regelung verfolgt den Zweck zu verhindern, dass der Rentenversicherungsträger zum ?subsidiären Krankenversicherungsträger? wird (vgl. BSG, Urteil vom 06.05.1998 - B 13 RJ 11/97 R -, zitiert nach (juris), dort Rn. 42). Es handelt sich dabei nicht nur um eine Abgrenzung der Leistungszuständigkeit gegenüber Krankenversicherungsträgern, sondern um eine auch gegenüber anderen Leistungsträgern eingreifende allgemeine Ausschlussklausel (a.a.O. Rn. 38). Zwar ist gerade bei psychischen Erkrankungen die Abgrenzung zwischen Akutbehandlung und Rehabilitation im Einzelfall schwierig (vgl. etwa Beschluss des LSG Sachsen-Anhalt vom 15.09.2010 - L 1 R 163/10 B ER -, zitiert nach (juris), dort Rn. 28, 29), jedoch hat der Dipl.-Psych. H. durch sein Vorbringen selbst nahegelegt, dass hier die Krisenintervention als Sofort- bzw. Akutbehandlungsmaßnahme beim Antragsteller ganz im Vordergrund steht. Das wiederum lässt das Erfordernis zur Durchführung einer Rehabilitationsmaßnahme ebenso zweifelhaft erscheinen wie deren Erfolgsaussichten zum jetzigen Zeitpunkt.

Es fehlt darüber hinaus, und auch dies wird nur noch ergänzend ausgeführt, an einem Anordnungsgrund, welcher eine ausnahmsweise Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidungung, und um eine solche hat es sich bei dem mit der Beschwerde angefochtenen Beschluss des SG gehandelt, zu rechtfertigen vermag. Dipl.-Psych. H. und Dr. W. haben in ihren ärztlichen Bescheinigungen vom 24.08.2012 bzw. 03.08.2012 (Bl. 23, 24 SG-Akte) den drohenden Eintritt irreparabler Schäden an der Gesundheit des Antragstellers nur unspezifisch behauptet, dem erkennenden Senat erscheint dies aber angesichts der nicht ausgeschöpften Behandlungsmöglichkeiten und der letztmals vom 13.10.2011 bis 04.11.2011 bescheinigten Arbeitsunfähigkeit bei Fehlen weiterer Arbeitsunfähigkeitszeiten bis heute nicht schlüssig; auf die bereits angestellten Erwägungen ist zu verweisen. Soweit Dipl.-Psych. H. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom Oktober 2012 unspezifisch das Auftreten ?brenzliger Situationen? behauptet hat, finden sich ähnliche Angaben auch in der Aussage des Dr. W. vom 05.10.2012 (?Beim Arbeiten sind jedoch gravierende Erschwernisse und Fehler vorgekommen??). Diese Angaben bleiben jedoch bei beiden stets im Vagen und Ungefähren.

Soweit der Psychotherapeut H. mit Bescheinigung vom 24.08.2012 eine Herausnahme aus dem sozialen und beruflichen Umfeld als sehr dringend bezeichnet hat, hat er zur Begründung lediglich eine ?Zuspitzung der privaten und beruflichen Situation? angeführt. Das erscheint dem Senat nicht ausreichend. Hinzu kommt, dass der Antragsteller selbst die Einschätzung der dringenden Erforderlichkeit einer Rehabilitationsmaßnahme offensichtlich nicht teilt, nachdem er in seinem Schreiben vom 06.11.2012 nach Erhalt der aufgrund des Ausführungsbescheides der Antragsgegnerin vom 31.10.2012 nicht das Bemühen hat erkennen lassen, möglichst sofort die Rehabilitationsmaßnahme anzutreten, sondern es ihm vorrangig darum gegangen ist, mögliche negative Auswirkungen auf das von ihm betriebene Unternehmen zu minimieren, indem er für die Durchführung der Rehabilitationsmaßnahme einen Zeitraum vorgeschlagen hat (25.12.2012 bis 13.01.2013), zu welchem es ?sehr ruhig auf dem Bau? ist.

Warum eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme möglich, wünschenswert und zudem dringend erforderlich sein soll, während ein "Herausnehmen" aus dem beruflichen Alltag und Umfeld durch eine Krankschreibung oder einen Aufenthalt in einer psychiatrischen Akutklinik vom Antragsteller offensichtlich zu keiner Zeit in Erwägung gezogen worden ist, vermag der Senat ebenfalls nicht nachzuvollziehen. Dass der Antragsteller stets abgelehnt hat, sich krankschreiben zu lassen, wohl um negative Auswirkungen auf den Ertrag seines Unternehmens zu vermeiden (vgl. Ausführungen von Dr. W. mit Attest vom 03.08.2012, Bl. 24 SG-Akte, ebenfalls schriftliche Aussage vom 05.10.2012), spricht mithin gegen die Erforderlichkeit der sofortigen Durchführung einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme.

Hiernach konnte der Beschluss des SG keinen Bestand haben und war auf die Beschwerde der Antragsgegnerin bei gleichzeitiger Ablehnung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung von § 193 SGG.

Diese Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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