L 5 KR 1012/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 2726/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 1012/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 01.02.2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt eine gerichtliche Feststellung betreffend sein Krankenversicherungsverhältnis bei der Beklagten.

Der im Jahr 1953 geborene Kläger betrieb seit 1995 ein selbständiges Handelsunternehmen. Er ist seit dem 01.01.1992 freiwillig bei Beklagten kranken- und pflegeversichert, seit dem 01.01.2004 ohne Anspruch auf Krankengeld. Aufgrund von wirtschaftlichen Schwierigkeiten seines Gewerbebetriebes kam es immer wieder zu Beitragsrückständen bei der Beklagten. Die Beklagte mahnte wiederholt die Beitragszahlungen an, schloss Ratenzahlungsvereinbarungen mit dem Kläger und leitete Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ein. Mit Schreiben vom 03.08.2007 teilte die Beklagte dem Kläger und seiner mitversicherten Ehefrau mit, dass der Krankenversicherungsschutz ab dem 08.08.2007 aufgrund der Beitragsrückstände ruhe. Ausgenommen seien u.a. Leistungen zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzuständen. Nachdem der Kläger den Beitrag für Mai 2009 gezahlt hatte, sollte ihm ausweislich eines Schreibens der Beklagten vom 30.06.2009 wieder eine Krankenversicherungskarte ausgehändigt werden. Aufgrund erneuter Beitragsrückstände ab Juni 2009 kam es dazu nicht.

Der Kläger erhob am 20.08.2009 beim Sozialgericht Reutlingen eine Feststellungsklage "zur Feststellung 1. der Beitragshöhe und Tarifeinordnung aus selbständiger Arbeit seit Mai 1999, 2. der tatsächlichen Verbindlichkeiten". Er legte umfangreichen Schriftverkehr mit der Beklagten aus dem Zeitraum Mai 1999 bis Mai 2009 vor. Er machte geltend, zu hohe Beiträge entrichtet zu haben. Zum Teil seien seine Zahlungen auch nicht verbucht worden. Er sehe sich seit dem 01.01.2009 nicht mehr bei der Beklagten versichert, da er keine Versichertenkarte mehr besitze. Aufgrund einer mit der Beklagten getroffenen Vereinbarung habe er den Beitrag für Mai 2009 gezahlt. Da diese Vereinbarung aus seiner Sicht seitens der Beklagten gebrochen worden sei, habe er seitdem keine Beiträge mehr entrichtet. Über das Verhalten im Notfall habe keinerlei Aufklärung stattgefunden. Seine Klage sei gegen sämtliche Bescheide der Beklagten gerichtet, auch wenn er nicht zu jedem einen Einspruch abgegeben habe und der eine oder andere Vorgang unter formalen Gesichtspunkten verjährt sei. Er wolle mit seiner Klage eine Klärung der Widersprüche erfahren, insbesondere bzgl. der Berechnungen einschließlich der unterschiedlichen Zahlungserinnerungsbeträge.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Die Feststellungsklage sei unzulässig, da ein Vorverfahren nicht stattgefunden habe. Der Kläger habe gegen keinen der ergangenen Beitragsbescheide Widerspruch erhoben, sondern lediglich telefonisch oder schriftlich Zweifel gegen die Höhe der Beitragsforderungen geäußert. Die Beitragsberechnungen seien deshalb mehrfach überprüft und für rechtmäßig befunden worden. Auch eine Überprüfung durch das Ministerium für Arbeit und Soziales aufgrund einer vom Kläger eingereichten Beschwerde habe keine Beanstandungen ergeben. Der Kläger habe mehrere Zahlungsvereinbarungen, die seit Januar 2008 mit ihm geschlossen seien, jeweils nicht durchgehend eingehalten. Er sei aber weiterhin Mitglied der Beklagten. Allerdings ruhe sein Leistungsanspruch.

Mit Gerichtsbescheid vom 01.02.2010 wies das Sozialgericht die Klage als unzulässig ab. Nach § 92 Abs. 1 SGG müsse die Klage u.a. den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Bei einer Anfechtungsklage erfordere die Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens, dass dem Vorbringen entnommen werden könne, welche Verwaltungsentscheidung angegriffen werden solle. Trotz entsprechender Aufforderung durch das Gericht habe der Kläger einen Gegenstand seiner "Feststellungsklage" nicht hinreichend bezeichnet. Von einer Anfechtungsklage gegen einen Beitragsbescheid sei nicht auszugehen, nachdem der Kläger trotz gezielter Nachfrage des Gerichts keinen konkreten Bescheid als Gegenstand seines Klagebegehrens im Sinne des § 92 Abs. 1 Satz 1 SGG bezeichnet habe. Im Übrigen würde es insoweit schon an der Einlegung von Widersprüchen fehlen, so dass ergangene Beitragsbescheide bestandskräftig und gemäß § 77 SGG für die Beteiligten in der Sache verbindlich geworden seien. Deshalb seien sie auch einer Überprüfung durch das Gericht im Rahmen der vorliegenden Klage entzogen. Soweit der Kläger die Feststellung "der Beitragshöhe und Tarifeinordnung aus selbständiger Arbeit seit Mai 1999" und "der tatsächlichen Verbindlichkeiten" begehre, sei die Klage ebenfalls unzulässig, da weder ein Rechtsschutzbedürfnis noch ein Feststellungsinteresse gegeben sei. Der Kläger hätte seine Rechte mit der Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen können, da er gegen die strittigen Beitragsforderungen der Beklagten Widerspruch und Anfechtungsklage hätte erheben können. Nach Versäumung rechtzeitig eingelegter Rechtsbehelfe und deshalb eingetretener Bestandskraft von Verwaltungsentscheidungen gewähre die Prozessordnung aber nicht die Möglichkeit, nunmehr im Wege der Feststellungsklage die Rechtmäßigkeit der per Verwaltungsakt getroffenen Verfügungen gerichtlich überprüfen zu lassen. Es falle auch nicht in die Zuständigkeit der Sozialgerichte, allgemeine Rechtsauskünfte zu erteilen. Aufgabe der Sozialgerichte ist vielmehr, die Rechtmäßigkeit zulässig angefochtener Verwaltungs-Entscheidungen etwa betreffend Leistungsansprüche oder Beitragsverpflichtungen der Versicherten zu überprüfen und die in diesem Zusammenhang konkret aufgeworfenen Rechtsfragen zu klären. Dies setze regelmäßig die Durchführung eines Vorverfahrens voraus.

Gegen den ihm am 03.02.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 23.02.2010 beim Sozialgericht Berufung eingelegt. Er verweist erneut auf seine Liquiditätsprobleme und die wirtschaftlichen Ergebnisse seiner Selbständigkeit und hält die Beitragsforderungen ebenso wie die erhobenen Säumniszuschläge der Höhe nach für nicht berechtigt. Er stelle erneut Antrag auf Feststellung, insbesondere auf Rückerstattungsansprüche zu seinen Gunsten.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 01.02.2010 aufzuheben und festzustellen, dass ihm von der Beklagten Beiträge zurück zu erstatten sind.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie führt aus, man habe den Kläger im Mai 1999 rückwirkend zum 01.09.1995 mit der für Selbständige geltenden Mindestbemessungsgrundlage zu Beiträgen herangezogen. Dies habe zu einer Rückerstattung in Höhe von 9.650,43 DM geführt. Bereits am 13.09.1999 sei der Kläger wieder mit vier Monatsbeiträgen (insgesamt 2.419,84 DM) im Rückstand gewesen aus. Den kontinuierlichen Wünschen des Klägers, ihm Beitragsaufstellungen zu überlassen, sei man jeweils nachgekommen. Um die monatlichen Beiträge zu minimieren, sei die freiwillige Krankenversicherung im Einvernehmen mit dem Kläger zum 01.01.2004 in eine Versicherung ohne Anspruch auf Krankengeld umgestellt worden. Über die Tilgung der Beitragsrückstände seien mit ihm immer wieder Stundungs- bzw. Ratenzahlungsvereinbarungen getroffen worden, die von ihm nicht immer hätten eingehalten werden können. Die Höhe der Säumniszinsen sei gesetzlich in § 24 Abs. 1 und 1a SGB IV geregelt. Ein Ermessensspielraum bestehe hierfür nicht. Das Ruhen des Leistungsanspruchs aus der Krankenversicherung folge aus § 16 Abs. 3 a SGB V. Über den Umfang des verbliebenden Krankenversicherungsschutzes seien der Kläger und seine Ehefrau mit Schreiben vom 03.08.2007 aufgeklärt worden. Da eine wirksame Ratenzahlungsvereinbarung nie zustande gekommen bzw. eingehalten worden sei, und der Kläger den Nachweis, hilfebedürftig i.S. des SGB II oder des SGB XII zu sein, nicht geführt habe, ruhe der Krankenversicherungsschutz weiterhin.

Der Kläger legte einen Beitragsbescheid der Beklagten vom 25.02.2011 vor, nach dem sich der Beitragsrückstand ausweislich eines aktenkundig gewordenen Schreibens der Beklagten vom 25.02.2011 für Zeiten der Mitgliedschaft vom 01.08.2006 bis 30.11.2007 und vom 01.10.2008 bis zum 31.01.2011 auf einen Betrag von 15.817,48 EUR belief. Zuzüglich Säumniszuschlägen in Höhe von 4.519,00 EUR und Kosten in Höhe von 126,95 EUR betrugen die Rückstände des Klägers 20.463,43 EUR.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG- statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

Die zum Sozialgericht erhobene Feststellungsklage war bereits unzulässig. Das Sozialgericht hat in seinem Urteil zutreffend dargelegt, dass für eine Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 SGG ein Feststellungsinteresse bestehen muss, dass es daran fehlt, wenn der Kläger sein Rechtsschutzbegehren im Wege der Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann, und dass nach diesen Voraussetzungen die vom Kläger erhobene Feststellungsklage mangels Feststellungsinteresse unzulässig ist. Der Senat nimmt auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Er teilt die Auffassung des Sozialgerichts, dass der Kläger vorrangig jeweils im Wege des Widerspruchs und gegebenenfalls nachfolgender Anfechtungsklage gegen die Bescheide der Beklagten über die Beitragszahlungen und -rückstände hätte vorgehen können und müssen, um seine Beitragspflichten rechtlich überprüfen zu lassen ...

Eine von der konkreten Rechtmäßigkeitsprüfung belastender Verwaltungsentscheidungen losgelöste allgemeine Überprüfung des Krankenversicherungsverhältnisses des Klägers, der aufgelaufenen Beitragsrückstände und der von ihm behaupteten Rückerstattungsansprüche ist hingegen nicht Aufgabe der Sozialgerichte, und zwar weder in der ersten Instanz noch im Berufungsverfahren.

Soweit der Kläger den Beitragsbescheid der Beklagten vom 25.02.2011 im Berufungsverfahren vorgelegt hat, ist dieser nicht nach § 96 Abs. 1 SGG zum Gegenstand des Verfahrens geworden, weil zuvor kein Verwaltungsakt Gegenstand des Klageverfahrens gewesen ist. Nach § 96 Abs. 1 SGG werden nur abändernde oder ersetzende Verwaltungsakte zum Gegenstand des Verfahren, wenn der vorangegangene Verwaltungsakt Gegenstand eines rechtshängigen Klageverfahrens ist (Meyer-Ladewig, SGG, 10. Aufl. § 96 RdNr. 2f.). Daran fehlt es bei der hier erhobenen Feststellungsklage, die sich gerade nicht auf einen früheren Verwaltungsakt bezieht.

Die Berufung des Klägers bleibt daher ohne Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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