L 9 R 1061/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 22 R 5501/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 1061/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 12. Januar 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt die Gewährung einer höheren Altersrente unter günstigerer Einstufung der Beitragszeiten vom 01.09.1968 bis 29.01.1992 nach dem Fremdrentengesetz (FRG).

Die 1942 geborene Klägerin kam am 08.02.1992 aus Kasachstan in die Bunderepublik Deutschland. Sie ist Inhaberin eines Vertriebenenausweises A.

Die Klägerin war nach ihren eigenen bzw. den Angaben in ihrem am 14.12.1962 ausgestellten Arbeitsbuch nach Absolvierung einer 7-jährigen Schulzeit vom 03.05.1957 (so ihre Angaben) bzw. vom 01.01.1958 (so das Arbeitsbuch) bis 29.01.1992 als Arbeiterin/Feldarbeiterin bzw. Rübenbäuerin in einer Kolchose bzw. Sowchose beschäftigt.

Auf Ihren Antrag vom 05.03.2002 gewährte die Landesversicherungsanstalt (LVA) Baden-Württemberg, nunmehr Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg, die Beklagte, der Klägerin mit Bescheid vom 27.05.2002 Altersrente für Frauen ab 01.08.2002 in Höhe von 538,56 EUR (monatlicher Zahlbetrag 495,74 EUR). Dabei berücksichtigte sie die Zeit vom 28.07.1959 (Vollendung des 17. Lebensjahres) bis 29.01.1992 in Qualifikationsgruppe 5 Bereich 22 bzw. 14 der Anlage 14 zum Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), wobei für die nach dem FRG anerkannten Zeiten 60 % der maßgeblichen Entgeltpunkte berücksichtigt wurden.

Mit Schreiben vom 29.08.2008, eingegangen bei der Beklagten am 01.09.2008, beantragte die Klägerin die Überprüfung ihrer Rente. Sie machte geltend, die Einstufung in Qualifikationsgruppe 5 sei völlig unzureichend. Sie sei als Landwirtin anzusehen und nach einer Zeit der Berufserfahrung in Qualifikationsgruppe 2 einzustufen. In einer mit Schriftsatz vom 13.03.2009 vorgelegten Tätigkeitsbeschreibung hat die Klägerin unter anderem angegeben, sie sei von klein auf auf der Sowchose gewesen und habe die Arbeiten, die für den Anbau und die Ernte der Rüben erforderlich gewesen seien, gesehen. Diese Tätigkeiten habe sie auch erlernt und gut ausgeübt. Deswegen sei sie die ganzen 34 Jahre auf der Sowchose als Vorarbeiterin eingesetzt gewesen. Ihre Aufgabe sei es gewesen, die Arbeiterinnen einzuteilen, die Qualität der Arbeit sowie nach der Ernte die Menge der geernteten Rüben zu ermitteln und Listen über die erbrachte Arbeit und das Fernbleiben zu führen.

Die Beklagte holte Zeugenerklärungen von Ella F. vom 15.04.2009 und Rosa K. vom 14.04.2009 ein, wobei letztere angab, die Klägerin sie in einer Gruppe der Brigade Vorarbeiterin gewesen, wie sie selbst in einer anderen.

Mit Bescheid vom 22.04.2009 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin vom 29.08.2008 auf Überprüfung des Rentenbescheides vom 27.05.2002 und auf Neuberechnung der Altersrente nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ab. Zur Begründung führte sie aus, Nachweise, dass die Klägerin eine Ausbildung zur Rübenbäuerin absolviert habe, seien nicht vorgelegt worden. Die Zeugenaussagen ließen ebenfalls nicht den Schluss zu, dass es sich bei der Qualifikation als Rübenbäuerin um einen anerkannten Ausbildungsberuf handle. Die Zuerkennung einer höheren Qualifikationsgruppe aufgrund der langjährigen Berufserfahrung sei nicht möglich, da die Tätigkeit als Rübenbäuerin keiner höherwertigen Tätigkeit entspreche. Es gebe keine Anhaltspunkte, dass die angegriffene Entscheidung fehlerhaft sei. Der Verwaltungsakt vom 27.05.2002 werde nicht zurückgenommen.

Hiergegen legte die Klägerin am 22.05.2009 Widerspruch ein und machte geltend, nach einer Zeit der Berufserfahrung sei sie in die Qualifikationsgruppe 2 einzustufen, zumindest aber in die Qualifikationsgruppe 4. Wenn sie vom 01.09.1962 bis 29.01.1992, also 20 Jahre - gemeint wohl: 30 Jahre - als Rübenbäuerin gearbeitet habe, könne nicht von einer unqualifizierten Tätigkeit ausgegangen werden. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.09.2009 zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 30.10.2009 Klage zum Sozialgericht (SG) Freiburg erhoben und vorgetragen, sie sei als Landwirtin anzusehen. Dabei habe sie das Niveau einer Facharbeiterin erreicht. Nach einer Zeit der Berufserfahrung, zumindest seit 01.09.1968, sei sie in die Qualifikationsgruppe 4 einzustufen.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat erwidert, eine Berufsausbildung jedweder Art habe die Klägerin nicht absolviert. Es bleibe daher lediglich zu prüfen, ob aufgrund langjähriger Berufserfahrung eine Einstufung in eine höhere Qualifikationsgruppe erfolgen könne. Wenn jedoch, wie die Klägerin selbst behaupte, die ausgeübte Tätigkeit während ihres gesamten Arbeitslebens überwiegend gleich gewesen sei, sei dies nach ihrer Auffassung ein starkes Indiz dafür, dass keine Tätigkeit auf Facharbeiterniveau ausgeübt worden sei.

Das SG hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 12.01.2012 persönlich angehört. Dabei hat die Klägerin angegeben, sie habe keine Ausbildung absolviert. Da sie schon als Kind mit aufs Feld gegangen sei, habe sie, als sie bei der Sowchose angefangen habe, schon alles gewusst. Ihre Brigade habe aus ca. 50 Leuten bestanden und sei von einem Brigadier, der selbst keine Ausbildung gehabt habe, geleitet worden. Dieser habe zu ihr viel Vertrauen gehabt, so dass sie als Vorarbeiterin eingesetzt worden sei. Sie habe die Truppe überwachen müssen, aber ansonsten dieselbe Tätigkeit verrichtet wie die anderen Frauen. Sie habe dafür 20 % mehr Gehalt erhalten.

Mit Urteil vom 12.01.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, aus den Angaben der Klägerin zu ihrer beruflichen Tätigkeit könne nicht geschlossen werden, dass sie Tätigkeiten verrichtet habe, die einem Facharbeiterstatus zugeordnet werden könnten. Die Klägerin habe über viele Jahre Feldarbeiten verrichtet, welche zwar teilweise körperlich anstrengende, aber einfache händische Tätigkeiten darstellten, die keine Berufsausbildung erfordern. Auch soweit sie Vorarbeiterfunktionen wahrgenommen habe, könne sie nicht einem Versicherten der Qualifikationsstufe 4 zugeordnet werden. Eine echte Vorgesetztenfunktion habe die Klägerin nicht inne gehabt. Auch die weiteren von ihr genannten zusätzlichen Arbeiten, wie das Ausfüllen von Transportscheinen, stellten keine derartige übergeordnete qualifizierte Tätigkeit dar, die sich maßgeblich von angelernten Tätigkeiten nach der Qualifikationsgruppe 5 unterscheide. Der Umstand, dass die Klägerin nach ihren Angaben einen um 20% höheren Monatslohn als ihre Kolleginnen erhalten habe, führe nicht zu einer Gleichstellung mit Facharbeitern. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen das am 04.02.2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 02.03.2012 Berufung eingelegt, ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Ergänzend hat sie vorgetragen, die Auffassung des SG, dass sie eine Tätigkeit ausgeübt habe, für die keine Berufsausbildung erforderlich sei, da sie über viele Jahre Feldarbeiten verrichtet habe, könne so nicht nachvollzogen werden. Schließlich arbeiteten ein Gärtnermeister oder Meister für Gemüseanbau auch überwiegend auf dem Feld. Da sie eine Arbeitskolonne geführt und Arbeitskräfte unterwiesen habe, sei die durchgehende Einstufung in Qualifikationsgruppe 5 völlig unzureichend.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 12. Januar 2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. April 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. September 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 27. Mai 2002 zu verurteilen, ihr eine höhere Altersrente unter Berücksichtigung der Zeit vom 01. September 1968 bis 29. Januar 1992 in Qualifikationsgruppe 4 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert, aus der Berufungsbegründung ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte, die eine Änderung ihres bisherigen Standpunkts zuließen. Sie verweise auf ihren bisherigen Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren und auf die Entscheidung des SG.

Mit Verfügung vom 17.07.2012 und 08.10.2012 hat die Berichterstatterin auf die Möglichkeit einer Entscheidung gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da die Klägerin keinen Anspruch auf teilweise Rücknahme des Bescheides vom 27.05.2002 und auf Gewährung einer höheren Altersrente unter Berücksichtigung der Zeit vom 01.09.1968 bis 29.01.1992 in Qualifikationsgruppe 4 hat.

Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das LSG - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Mit Schreiben vom 17.07. und 08.10.2012 hat der Senat die Beteiligten auch auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.

Gemäß § 44 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, da die Beklagte die Altersrente der Klägerin mit Bescheid vom 27.05.2002 zutreffend unter Zugrundelegung der Qualifikationsgruppe 4 für die Zeit vom 01.09.1968 bis 29.01.1992 berechnet hat.

Gemäß § 63 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI richtet sich die Höhe einer Rente vor allem nach der Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen. Das in den einzelnen Kalenderjahren durch Beiträge versicherte Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen wird in Entgeltpunkte umgerechnet (Abs. 2). Die Berechnung für den Monatsbetrag der Rente ergibt sich aus § 64 SGB VI, wobei insbesondere die persönlichen Entgeltpunkte maßgebend sind (vgl. § 64 und § 66 SGB VI). Die Klägerin hat die hier streitigen Zeiten nicht in der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt, sondern in der ehemaligen Sowjetunion. Die Berücksichtigung ausländischer Versicherungszeiten ist beim Personenkreis der Klägerin, die als Vertriebene (Vertriebenenausweis A) anerkannt ist (§ 1 a FRG) im Fremdrentengesetz geregelt. Für die Beitrags- und Beschäftigungszeiten gemäß §§ 15 und 16 sind nach der Bestimmung des § 22 FRG Entgeltpunkte in Anwendung von § 256 b Abs. 1 S. 1 SGB VI zu ermitteln. Es sind die Durchschnittsverdienste zu berücksichtigen, die sich 1. nach Einstufung der Beschäftigung in einer den Anl. 13 genannten Qualifikationsgruppen und 2. nach Zuordnung der Beschäftigung zu einem der in Anl. 14 genannten Bereiche ergeben.

Zu entscheiden ist vorliegend allein darüber, ob die Beitrags- und Beschäftigungszeiten der Klägerin vom 01.09.1968 bis 29.01.1992 zu Recht in Qualifikationsgruppe 5 nach Anl. 13 zum SGB VI eingestuft sind, oder ob sie Anspruch auf Einstufung in die Qualifikationsgruppe 4 hat.

In der Anl. 13 zum SGB VI ist unter "Definition der Qualifikationsgruppen" ausgeführt: Versicherte sind in eine der nachstehenden Qualifikationsgruppen einzustufen, wenn sie deren Qualifikationsmerkmale erfüllen und eine entsprechende Tätigkeit ausgeübt haben. Haben Versicherte aufgrund langjähriger Berufserfahrung Fähigkeiten erworben, die üblicherweise denen von Versicherten von einer höheren Qualifikationsgruppe entsprechen, sind Sie in diese Qualifikationsgruppe einzustufen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts – BSG – (SozR 4-2600 § 256 b Nr. 1) handelt es sich bei dem Satz 1 um den Grundtatbestand, welcher durch den Satz 2 ergänzt wird. Der Grundtatbestand des Satzes 1 enthält somit zwei Voraussetzungen: 1. Erfüllung von (formellen) Qualifikationsmerkmalen im Sinne einer der 5 Qualifikationsgruppen und 2. die tatsächliche Ausübung einer diesen Merkmalen entsprechenden Tätigkeit. Das Gesetz kennt fünf Qualifikationsgruppen, nämlich die der Hochschulabsolventen (Qualifikationsgruppe 1), der Fachschulabsolventen (Qualifikationsgruppe 2), der Meister (Qualifikationsgruppe 3), der Facharbeiter (Qualifikationsgruppe 4) sowie der angelernten und ungelernten Tätigkeiten (Qualifikationsgruppe 5).

In Qualifikationsgruppe 4 (Facharbeiter) werden Personen eingestuft, die über die Berufsausbildung oder im Rahmen der Erwachsenenqualifizierung nach abgeschlossener Ausbildung in einem Ausbildungsberuf die Facharbeiterprüfung bestanden haben und im Besitz eines Facharbeiterzeugnisses (Facharbeiterbrief) sind oder denen aufgrund langjähriger Berufserfahrung entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen im Beitragsgebiet die Facharbeiterqualifikation zuerkannt worden ist. Hierzu zählen nicht Personen, die im Rahmen der Berufsausbildung oder der Erwachsenenqualifizierung auf Teilgebieten eines Ausbildungsberufes entsprechend der Systematik der Ausbildungsberufe im Beitrittsgebiet ausgebildet worden sind.

In Qualifikationsgruppe 5 (angelernte und ungelernte Tätigkeiten) werden eingestuft 1. Personen, die in der Berufsausbildung oder im Rahmen der Erwachsenenqualifizierung eine Ausbildung auf Teilgebieten eines Ausbildungsberufes abgeschlossen haben und im Besitz eines entsprechenden Zeugnisses sind. 2. Personen, die in einer produktionstechnischen oder anderen speziellen Schulung für eine bestimmte Tätigkeit angelernt worden sind. 3. Personen ohne Ausbildung oder spezielle Schulung für die ausgeübte Tätigkeit.

Eine Gleichstellung mit Facharbeitern aufgrund langjähriger Berufserfahrung kam bei Personen im Beitrittsgebiet dann in Betracht, wenn eine derartige Facharbeitertätigkeit seit mindestens 10 Jahren ausgeübt und die männlichen Facharbeiter das 45. Lebensjahr und die Frauen das 40. Lebensjahr überschritten hatten (vgl. § 24 Abs. 3 der Anordnung über die Facharbeiterprüfung vom 15.5.1986, GBl. (DDR) I Seite 309 sowie Vorgängervorschriften). Es kann hier dahinstehen, ob diese Kriterien ohne weiteres auf den nach § 1 FRG Berechtigten Personenkreis übertragbar sind. Auf jeden Fall ist für die Einstufung in die Qualifikationsgruppe 4 zu fordern, dass die aufgrund langjähriger Berufserfahrung erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten tatsächlich denjenigen eines Facharbeiters entsprochen haben. Dies war bei der Klägerin zur Überzeugung des Senats in dem noch streitigen Zeitraum nicht der Fall.

Die Beklagte hat zu Recht die Tätigkeit der Klägerin vom 1.9.1968 bis 29.1.1992 nur in die Qualifikationsgruppe 5 eingestuft. Bei der Tätigkeit als Rübenbäuerin handelt es sich allenfalls um einen Teilbereich einer Facharbeitertätigkeit, die über die in der Qualifikationsgruppe 5 beschriebenen Merkmale nicht hinausgeht und schon deshalb nicht der einer Facharbeiterin gleichgestellt werden kann. Die Klägerin verfügt über keinen förmlichen Berufsabschluss als Facharbeiterin. Sie hat nicht einmal irgendwelche Lehrgänge absolvieren und auch keinerlei Prüfungen ablegen müssen. Die jahrelange Ausübung eines Teilbereichs einer Facharbeitertätigkeit führt nicht zu den theoretischen und praktischen Kenntnissen sowie Fähigkeiten einer Facharbeiterin.

In der ehemaligen Sowjetunion waren Berufe und Tätigkeiten, in denen eine Ausbildung erfolgte, in den 60-er Jahren in 4 Kategorien eingeteilt. In die 1. Kategorie gehörten einfache Tätigkeiten und die Bedienung einfacher Maschinen mit Ausbildungszeiten von 1 bis zu 6 Monaten bzw. 1100 Stunden. Die Ausbildung erfolgte am Arbeitsplatz, teilweise auch an allgemeinbildenden Mittelschulen. Dabei wurde die Qualifikationsstufe 1, selten 2 erreicht. In der 2. Kategorie waren Berufe für die Serienfertigung zusammengefasst. Die Ausbildung erfolgte in einem Jahr (1500 Stunden) und führte zur Zuerkennung der 2. Qualifikationsstufe. Sie wurde in beruflich-technischen Schulen vorgenommen. Für Berufe der 3. Kategorie waren zwei Jahre (etwa 3000 Stunden) Ausbildung erforderlich und für Arbeiterberufe der 4. Kategorie drei Jahre bzw. 5000 Stunden (vgl. Hans Göhring, Anerkennung von Aussiedlerzeugnissen, Berufliche Bildung und berufliche Qualifikation in der UdSSR, herausgegeben vom Bundesinstitut für Berufsbildung, "Die Nomenklatur der Ausbildungsberufe in den 60-er Jahren", Seite 128 ff.).

Vorliegend ist aus den Angaben der Klägerin nicht einmal abzuleiten, dass es sich bei der von ihr ausgeübten Tätigkeit als Rübenbäuerin überhaupt um einen Ausbildungsberuf gehandelt hat, zumal sie diesen allein aufgrund von Zuschauen und "von Kindheit an aufs Feld gehen" ausüben konnte.

Der Umstand, dass die Klägerin von Anfang an als Vorarbeiterin eingesetzt wurde und sie deswegen 20 % mehr Gehalt als die übrigen Frauen erhielt, rechtfertigt ebenfalls nicht die Einstufung in Qualifikationsgruppe 4. Denn dadurch wird nicht dokumentiert, dass die Klägerin die theoretischen und praktischen Kenntnisse einer Facharbeiterin erworben hat, sondern nur belegt, dass die höhere Verantwortung honoriert wurde. Darüber hinaus war die Klägerin mit ihrer Gruppe einem Brigadier unterstellt, der selbst über keinerlei Ausbildung verfügte, wie sie gegenüber dem SG in der mündlichen Verhandlung erklärt hat.

Die Tatsache, dass sich die Tätigkeit der Klägerin seit Beginn nicht wesentlich geändert hat, ist – wie die Beklagte zu Recht argumentiert – ein weiteres starkes Indiz dagegen, dass die Klägerin ab 01.09.1968 qualitativ hochwertigere und insbesondere Facharbeitertätigkeiten ausgeübt hat. Darüber hinaus ist – wie oben dargelegt – auch nicht erkennbar, dass es sich bei der Tätigkeit als Rübenbäuerin in der ehemaligen Sowjetunion überhaupt um eine Facharbeitertätigkeit bzw. einen Ausbildungsberuf gehandelt hat, anders als dies bei einer Tätigkeit als Gärtner (bzw. Gärtnermeister) bzw. Landwirt in der Bundesrepublik der Fall ist.

Nach alledem sind das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten nicht zu beanstanden. Die Berufung der Klägerin musste deswegen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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