Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 4563/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 2779/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 31.05.2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahrens nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte der Klägerin die seit 01.07.2003 gewährte Rente wegen voller Erwerbsminderung bereits ab 01.08.2002 zu gewähren hat.
Die am 1955 geborene Klägerin war zunächst bis 1993 und hiernach ab 01.01.2002 in ihrem Ausbildungsberuf als Bürokauffrau versicherungspflichtig beschäftigt, zuletzt bei ihrem damaligen Ehemann. Im Juli 2002 beantragte sie die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, was die Beklagte zunächst ablehnte. Das anschließende Klageverfahren (S 5 RA 8042/04) vor dem Sozialgericht Stuttgart endete - nach Widerruf eines gerichtlichen Vergleiches - durch Abschluss eines mit dem gerichtlichen Vergleich inhaltsgleichen außergerichtlichen Vergleich, in dem die Beklagte sich verpflichtete, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.10.2003 zu gewähren und der Rechtsstreit für erledigt erklärt wurde. Der Zeitpunkt des Rentenbeginns orientierte sich an dem Umstand, dass die Klägerin mit dem in der vorgelegten Entgeltbescheinigung erzielten Einkommen ab 01.04.2003 lediglich noch geringfügig beschäftigt war und der Annahme, dass der Leistungsfall (Leistungsvermögen weniger als sechs Stunden täglich) Ende März 2003 eintrat, woraus ein befristeter Rentenanspruch ab 01.10.2003 resultierte (vgl. Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Sozialgericht am 23.11.2006).
Ausgangspunkt des vorliegenden Rechtstreits ist der Rentenbescheid vom 09.01.2007, mit dem die Beklagte diesen Vergleich ausführte und der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.10.2003 gewährte. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Widerspruch und focht gleichzeitig den in dem Verfahren S 5 RA 8042/04 geschlossenen Vergleich wegen Irrtums an. Sie machte geltend, ihr Ehemann, bei dem sie zuletzt beschäftigt gewesen sei, habe angebliche Lohnzahlungen bis November 2003 als Betriebsausgaben geltend gemacht, obwohl sie Ende 2002 seinen Betrieb verlassen habe und danach nicht mehr tätig gewesen sei. Ihr stehe die Rente daher nicht erst zum 01.10.2003, sondern ab dem 01.08.2002 zu. Sie legte in Kopie die Selbstanzeige ihres früheren Ehemannes beim Finanzamt Stuttgart vor, wonach die Zahlungen im Jahr 2003 als Unterhaltszahlungen zu werten seien.
Zum weiteren Vorgehen schlug die Beklagte der Klägerin aus "verfahrenstechnischen Gründen" vor, das Widerspruchsverfahren fortzuführen und den Vergleich "bestehen zu lassen", wobei Kosten für das Widerspruchsverfahren aus den näher dargelegten Gründen nicht übernommen werden könnten. Mit dieser Verfahrensweise sowie der Kostenfrage erklärte sich die Klägerin einverstanden. Gleichzeitig wies sie darauf hin, dass der Vergleich vor dem SG ordnungsgemäß zustande gekommen sei und sie dort bisher keine Anträge gestellt habe, das Verfahren wieder aufzunehmen. Dies hänge vom Ausgang des Widerspruchsverfahrens ab. Nach wie vor bleibe der Vergleich jedoch angefochten.
Mit Rentenbescheid vom 13.07.2007 gewährte die Beklagte der Klägerin sodann Rente wegen voller Erwerbsminderung bereits ab 01.07.2003. Zur Begründung führte sie aus, das letzte Beschäftigungsverhältnis sei nicht erst Ende März 2003, sondern bereits im Dezember 2002 beendet worden. Daher beginne - ausgehend von einem Leistungsfall am 31.12.2002 - die zeitlich befristete Rente bereits am 01.07.2003. Auf die gleichzeitig erfolgte Rückfrage, ob mit dieser Entscheidung auch die Anfechtung des Vergleichs seine Erledigung gefunden habe, teilte die Klägerin mit, die Rente wegen voller Erwerbsminderung stehe ihr im Hinblick auf ihren Rentenantrag vom Juli 2002 bereits ab 01.08.2002 zu. Den gegen den Bescheid vom 13.07.2007 darüber hinaus eingelegten Widerspruch, mit dem sie ihr diesbezügliches Begehren bekräftigte, begründete sie im Übrigen damit, dass volle Erwerbsminderung bereits seit 24.07.2001 bestanden habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.11.2007 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, im Hinblick auf den Nachweis der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses Ende Dezember 2002 habe dem Widerspruch teilweise abgeholfen werden können, eine frühere Aufgabe der Beschäftigung sei jedoch nicht nachgewiesen; die übersandten Unterlagen hätten sie nicht vom Gegenteil überzeugen können. Darüber hinaus werde der Widerspruch zum Eintritt eines medizinischen Leistungsfalls am 24.07.2001 und einer Leistungsminderung von unter drei Stunden zurückgewiesen. Bei den Begutachtungen im Oktober 2002 und November 2002 sei noch von einer mindestens sechsstündigen Belastbarkeit ausgegangen worden, was im Rehabilitationsverfahren im August 2004 sogar wieder bestätigt worden sei.
Am 18.12.2007 hat die Klägerin dagegen beim Sozialgericht Heilbronn (SG) mit dem Begehren Klage erhoben, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung bereits ab 01.08.2002 zu erhalten.
Mit Gerichtsbescheid vom 31.05.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klage sei ungeachtet der erklärten Anfechtung des Vergleichs zulässig, da die Beteiligten sich erkennbar auf eine Überprüfung der damaligen Bescheide im Rahmen eines formellen Widerspruchs- und Klageverfahrens geeinigt hätten. Allerdings sei sie unbegründet, da nach Auswertung der vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht einmal festgestellt werden könne, dass die Anspruchsvoraussetzungen für die begehrte Rente schon am 01.07.2003 erfüllt gewesen seien, so dass ein noch früherer Rentenbeginn ohnehin ausscheide. Soweit die Beklagte in Abweichung von dem abgeschlossenen Vergleich einen früheren Versicherungsfall angenommen habe, sei die Kammer hieran nicht gebunden.
Gegen den ihrer Bevollmächtigten am 07.06.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 04.07.2011 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und ihr Begehren auf Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung bereits ab 01.08.2002 weiter verfolgt. Sie macht geltend, die ihre Leistungsfähigkeit einschränkende Erkrankung habe bereits seit 1993 bestanden. Sie legt zahlreiche Unterlagen vor.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 31.05.2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.07.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.11.2007 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.08.2002 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der Akten beider Rechtszüge sowie der Akten des Verfahrens S 5 RA 8042/04 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig; jedoch nicht begründet.
Gegenstand des anhängigen Verfahrens ist allein der Bescheid vom 13.07.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.11.2007. Mit dem Bescheid vom 13.07.2007 bewilligte die Beklagte der Klägerin in Abweichung vom geschlossenen außergerichtlichen Vergleich Rente wegen voller Erwerbsminderung bereits ab dem 01.07.2003 (statt, wie im Vergleich vereinbart, ab 01.10.2003). Insoweit ficht die Klägerin diesen Bescheid - da ihr günstig - nicht an. Zugleich aber lehnte die Beklagte damit den von der Klägerin im ursprünglichen Widerspruch gegen den Ausführungsbescheid vom 09.01.2007 zugleich gestellten Antrag auf Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung bereits ab dem 01.08.2002 ab. Insoweit wies die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 20.11.2007 dann den Widerspruch zurück. Allein hiergegen hat sich die Klägerin mit ihrer Klage gewandt (so ausdrücklich Schriftsatz vom 29.01.2008 Seite 3 oben).
Nicht Gegenstand des Rechtsstreits ist damit der Ausführungsbescheid vom 09.01.2007. Zwar erhob die Klägerin gegen diesen Ausführungsbescheid Widerspruch und wies die Beklagte auch diesen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20.11.2007 zurück. Insoweit hat die Klägerin aber keine Klage erhoben. Wie bereits dargelegt hat sie sich allein gegen die Ablehnung ihres Antrages auf Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung bereits ab dem 01.08.2002 durch den Bescheid vom 13.07.2007 gewandt. Lediglich am Rande weist der Senat darauf hin, dass eine materiell-rechtliche Beschwer der Klägerin durch den Bescheid vom 09.01.2007 nicht vorlag, weil dieser Bescheid allein den geschlossenen Vergleich umsetzte.
Alleiniger Gegenstand der Prüfung des Senats ist somit die Frage, ob der Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bereits ab 01.08.2002 zusteht. Insoweit hat das SG die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Dem entsprechend ist die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Dabei kann offen bleiben, ob - so die Beklagte und das SG - das Leistungsvermögen der Klägerin im streitigen Zeitraum nicht auf unter sechs Stunden arbeitstäglich abgesunken war und deshalb bereits aus medizinischen Gründen kein Rentenanspruch bestand. Offen bleiben kann weiter, ob - falls das Leistungsvermögen bereits zu einem früheren Zeitpunkt unter die Sechs-Stunden-Grenze abgesunken war - auch die Beschäftigung aufgegeben war.
Denn dem geltend gemachten Anspruch steht bereits der zwischen der Klägerin und der Beklagten in dem Verfahren S 5 RA 8042/04 geschlossene (außergerichtliche) Vergleich entgegen. Ein solcher öffentlich-rechtlicher Vertrag begründet gegenseitige Rechte und Pflichten und ist zwischen den Vertragsparteien grundsätzlich materiell-rechtlich verbindlich und einer einseitigen abweichenden Regelung durch Verwaltungsakt nicht zugänglich (BSG, Urteil vom 16.11.1961, 7/9 RV 866/59 in SozR Nr. 4 zu § 101 SGG). Daher stand mit Abschluss des Vergleichs zwischen den Beteiligten (zunächst) verbindlich fest, dass der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung - anders als von ihr in dem Klageverfahren S 5 RA 8042/04 zunächst geltend gemacht - nicht bereits ab August 2002, sondern erst ab 01.10.2003 zu gewähren ist.
Auf den Widerspruch der Klägerin gegen den Ausführungsbescheid vom 09.01.2007 mit gleichzeitig erfolgter Anfechtung des Vergleichs erweiterte die Beklagte den Leistungszeitraum über den Vertragsinhalt hinaus mit Bescheid vom 13.07.2007 um drei Monate.
Es kann offen bleiben, ob damit der außergerichtliche Vergleich im selben Umfang abgeändert wurde und falls ja, ob dies eine Reaktion der Beklagten auf die erfolgte Anfechtung der Klägerin darstellte, indem sie eine teilweise Anfechtungsberechtigung einräumte, oder ob es sich um eine frei vereinbarte teilweise Neuregelung bei gleichzeitiger Ablehnung des weitergehenden Begehrens der Klägerin handelte. Es kann auch offen bleiben, inwieweit beiderseitige Erklärungen, am Vergleich nicht festhalten zu wollen, zulässig sind (für den gerichtlichen Vergleich verneinend BSG, Urteil vom 26.04.1963, 2 RU 228/59 in SozR Nr. 6 zu § 101 SGG; bejahend im Hinblick auf arbeitsgerichtliche Besonderheiten BAG, Urteil vom 05.08.1982, 2 AZR 199/80 m.w.N. zur gegenteiligen Rechtsprechung des BGH und BVerwG). Denn die Beteiligten streiten nicht im Hinblick auf die erfolgte Abweichung vom Vergleich, sondern im Hinblick auf jenen Zeitraum vom 01.08.2002 bis 30.06.2003, für den die Beklagte vom Vergleich gerade nicht abweichen wollte und einen Rentenanspruch (weiterhin) ablehnte.
Dem entsprechend wurde der geschlossene Vergleich durch die Erklärungen der Beteiligten und den Bescheid vom 13.07.2007 für den vorliegend allein streitigen Zeitraum vom 01.08.2002 bis 30.06.2003 nicht geändert. Gründe für die Annahme, dass die Beklagte in Abweichung von diesem Inhalt des Vergleichs - kein Rentenanspruch für die Zeit ab 01.08.2002 und damit für den hier streitigen Zeitraum - verpflichtet sein könnte, die Rente bereits ab einem noch früheren Zeitpunkt, insbesondere gerade ab dem 01.08.2002, zu gewähren, sind nicht ersichtlich. Insoweit besteht die Bindungswirkung des Vergleichs fort.
Der Senat lässt offen, ob (auch) im Falle eines außergerichtlichen Vergleichs die Frage der Wirksamkeit des Vergleichs und damit die Frage der Wirksamkeit einer Anfechtung im früheren Klageverfahren zu klären ist (so BSG, Urteil vom 16.11.1961, 7/9 RV 866/59 in SozR Nr. 4 zu § 101 SGG mit Hinweis darauf, dass das Klageverfahren durch den außergerichtlichen Vergleich nicht beendet werde, sondern wegen seines sachlich-rechtlichen Inhalts nur eine Einrede gegen den durch die Vereinbarung erledigten Anspruch gebe) oder ob dieses frühere Klageverfahren (auf Grund möglicherweise nicht anfechtbarer, z.B. weil nicht im Vergleich selbst enthaltener Erledigungserklärungen) unabhängig vom Schicksal des Vergleichs erledigt bleibt und die Frage der Wirksamkeit des außergerichtlichen Vergleichs im Rahmen der Geltendmachung weitergehender Rechte zu erfolgen hat. Im ersten Fall wäre die Berufung zurückzuweisen, weil der Vergleich schon deshalb weiterhin verbindlich ist, weil nichts Gegenteiliges (durch das Sozialgericht im Rahmen des früheren Verfahrens) festgestellt ist. Im zweiten Fall wäre die Berufung zurückzuweisen, weil der Vergleich verbindlich ist, insbesondere nicht wirksam angefochten wurde.
Ein vom Inhalt des Vergleichs abweichender Rentenbeginn würde nämlich die Unwirksamkeit des Vergleichs aus materiell-rechtlichen Gründen voraussetzen, wobei die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) herangezogen werden können. Demnach kann ein Vergleich als öffentlich-rechtlicher Vertrag unwirksam sein, wenn er nach den §§ 116 ff BGB nichtig oder wirksam angefochten ist. Bei einer Änderung der Verhältnisse ist darüber hinaus § 59 des Zehnten Buches des Gesetzbuchs (SGB X) anzuwenden. Danach kann eine Vertragspartei, wenn sich die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen sind, seit Abschluss des Vertrags so wesentlich geändert haben, dass einer Vertragspartei das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist, eine Anpassung des Vertragsinhalts an die geänderten Verhältnisse verlangen oder, sofern eine Anpassung nicht möglich oder einer Vertragspartei nicht zuzumuten ist, den Vertrag kündigen.
Anhaltspunkte für Gründe, die zu einer Nichtigkeit des in Rede stehenden Vergleichs führen könnten, sind nicht ersichtlich. Der Senat sieht auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass sich die Klägerin bzw. ihr für sie in dem Verfahren S 5 RA 8042/04 handelnder Bevollmächtigter zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleichs im Sinne des § 119 BGB in einem Irrtum befunden haben könnte. Nach Abs. 1 dieser Regelung kann, wer bei Abgabe einer Willenserklärung, über deren Inhalt er im Irrtum war (Inhaltsirrtum) oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht angeben wollte (Erklärungsirrtum), die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde. Ein Erklärungsirrtum in diesem Sinne ist schon deshalb zu verneinen, weil der äußere Erklärungstatbestand auch dem seinerzeitigen Willen des für die Klägerin handelnden Bevollmächtigten entsprach und ein Irrtum im Sinne eines Verschreibens oder Versprechens daher nicht vorlag. Auch ist ausgehend von den Ausführungen der Klägerin im Zusammenhang mit der erklärten Anfechtung nicht ersichtlich, dass sie sich zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleichs in einem Inhaltsirrtum befunden haben könnte. Denn auch bereits damals war der Klägerin bekannt, dass sie Ende 2002 im Büro ihres damaligen Ehemannes ausgeschieden war und im Jahr 2003 somit auch keine Lohnzahlungen mehr erhielt. In Kenntnis dieses Umstandes einigte sie sich mit der Beklagten auf der Grundlage der seinerzeit vorhanden gewesenen Entgeltbescheinigungen für das Jahr 2003, die ab 01.04.2003 eine geringfügige Beschäftigung auswies, dass der Versicherungsfall zum "Ende" dieses mehr als geringfügigen "Beschäftigungsverhältnisses" (welches tatsächlich bereits früher endete) eingetreten war. Über Inhalt und Bedeutung der abgegeben und zum Vergleich führenden Erklärung irrte die Klägerin bzw. der für sie handelnde Bevollmächtigte demnach nicht. Sollte die Klägerin in Kenntnis der tatsächlich zutreffenden Situation in Bezug auf das Ende ihrer Beschäftigung die zum Vergleich führende Erklärung allerdings in dem Glauben abgegeben haben, sie könne ein früheres Beschäftigungsende ohnehin nicht nachweisen, so käme angesichts der später erfolgten Selbstanzeige ihres früheren Ehemannes zwar ein Irrtum der Klägerin in Betracht. Allerdings handelte es sich insoweit lediglich um einen Motivirrtum, der im Rahmen des § 119 Abs. 1 BGB nicht relevant ist und daher auch kein Anfechtungsrecht begründet.
Da die Beklagte den abgeschlossenen Vergleich durch den mit Bescheid vom 13.07.2007 verfügten früheren Rentenbeginn zum 01.07.2003 im Übrigen auch bereits in vollem Umfang an den von der Klägerin vorgetragenen "Anfechtungsgrund" anpasste, kann die Klägerin eine für sich günstigere Entscheidung auch nicht aus § 59 SGB X ableiten. Es bleibt daher offen, ob § 59 SGB X auch für Änderungen bei der Beweislage gilt.
Dass die Klägerin - wie anlässlich des Erörterungstermins am 27.04.2012 deutlich wurde - nach wie vor die Auffassung vertritt, bereits seit Rentenantragstellung voll erwerbsgemindert zu sein und dementsprechend zwischenzeitlich bereut, das Verfahren S 5 RA 8042/04 durch Abschluss des in Rede stehenden Vergleichs beendet zu haben, ändert an der Wirksamkeit des abgeschlossenen Vergleichs, der gerade nicht frei widerruflich ist, nichts.
Angesichts der fortbestehenden Bindungswirkung des Vergleichs ist die Beklagte nach alledem nicht verpflichtet, der Klägerin die Rente wegen voller Erwerbsminderung bereits ab einem noch früheren Zeitpunkt, insbesondere schon ab dem in dem Klageverfahren S 5 RA 8042/04 geltend gemachten Zeitpunkt 01.08.2002, zu gewähren.
Vor diesem Hintergrund hat der Senat auch nicht über die medizinische Frage zu befinden, zu welchem Zeitpunkt das berufliche Leistungsvermögen der Klägerin aus gesundheitlichen Gründen auf ein rentenberechtigendes Ausmaß herabgesunken war, ihr mithin eine zumindest sechsstündige berufliche Tätigkeit nicht mehr zumutbar war. Dem steht auch nicht entgegen, dass sich die Beteiligten nach Anfechtung des geschlossenen Vergleichs durch die Klägerin auf die Durchführung eines formellen Widerspruchsverfahrens mit anschließendem gerichtlichen Verfahren verständigten, in dem dann erneut über den Beginn der Rente wegen voller Erwerbsminderung befunden werden soll. Denn der Umfang der gerichtlichen Prüfung ist kein der Parteivereinbarung zugänglicher Regelungsgegenstand.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für eine Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahrens nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte der Klägerin die seit 01.07.2003 gewährte Rente wegen voller Erwerbsminderung bereits ab 01.08.2002 zu gewähren hat.
Die am 1955 geborene Klägerin war zunächst bis 1993 und hiernach ab 01.01.2002 in ihrem Ausbildungsberuf als Bürokauffrau versicherungspflichtig beschäftigt, zuletzt bei ihrem damaligen Ehemann. Im Juli 2002 beantragte sie die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, was die Beklagte zunächst ablehnte. Das anschließende Klageverfahren (S 5 RA 8042/04) vor dem Sozialgericht Stuttgart endete - nach Widerruf eines gerichtlichen Vergleiches - durch Abschluss eines mit dem gerichtlichen Vergleich inhaltsgleichen außergerichtlichen Vergleich, in dem die Beklagte sich verpflichtete, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.10.2003 zu gewähren und der Rechtsstreit für erledigt erklärt wurde. Der Zeitpunkt des Rentenbeginns orientierte sich an dem Umstand, dass die Klägerin mit dem in der vorgelegten Entgeltbescheinigung erzielten Einkommen ab 01.04.2003 lediglich noch geringfügig beschäftigt war und der Annahme, dass der Leistungsfall (Leistungsvermögen weniger als sechs Stunden täglich) Ende März 2003 eintrat, woraus ein befristeter Rentenanspruch ab 01.10.2003 resultierte (vgl. Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Sozialgericht am 23.11.2006).
Ausgangspunkt des vorliegenden Rechtstreits ist der Rentenbescheid vom 09.01.2007, mit dem die Beklagte diesen Vergleich ausführte und der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.10.2003 gewährte. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Widerspruch und focht gleichzeitig den in dem Verfahren S 5 RA 8042/04 geschlossenen Vergleich wegen Irrtums an. Sie machte geltend, ihr Ehemann, bei dem sie zuletzt beschäftigt gewesen sei, habe angebliche Lohnzahlungen bis November 2003 als Betriebsausgaben geltend gemacht, obwohl sie Ende 2002 seinen Betrieb verlassen habe und danach nicht mehr tätig gewesen sei. Ihr stehe die Rente daher nicht erst zum 01.10.2003, sondern ab dem 01.08.2002 zu. Sie legte in Kopie die Selbstanzeige ihres früheren Ehemannes beim Finanzamt Stuttgart vor, wonach die Zahlungen im Jahr 2003 als Unterhaltszahlungen zu werten seien.
Zum weiteren Vorgehen schlug die Beklagte der Klägerin aus "verfahrenstechnischen Gründen" vor, das Widerspruchsverfahren fortzuführen und den Vergleich "bestehen zu lassen", wobei Kosten für das Widerspruchsverfahren aus den näher dargelegten Gründen nicht übernommen werden könnten. Mit dieser Verfahrensweise sowie der Kostenfrage erklärte sich die Klägerin einverstanden. Gleichzeitig wies sie darauf hin, dass der Vergleich vor dem SG ordnungsgemäß zustande gekommen sei und sie dort bisher keine Anträge gestellt habe, das Verfahren wieder aufzunehmen. Dies hänge vom Ausgang des Widerspruchsverfahrens ab. Nach wie vor bleibe der Vergleich jedoch angefochten.
Mit Rentenbescheid vom 13.07.2007 gewährte die Beklagte der Klägerin sodann Rente wegen voller Erwerbsminderung bereits ab 01.07.2003. Zur Begründung führte sie aus, das letzte Beschäftigungsverhältnis sei nicht erst Ende März 2003, sondern bereits im Dezember 2002 beendet worden. Daher beginne - ausgehend von einem Leistungsfall am 31.12.2002 - die zeitlich befristete Rente bereits am 01.07.2003. Auf die gleichzeitig erfolgte Rückfrage, ob mit dieser Entscheidung auch die Anfechtung des Vergleichs seine Erledigung gefunden habe, teilte die Klägerin mit, die Rente wegen voller Erwerbsminderung stehe ihr im Hinblick auf ihren Rentenantrag vom Juli 2002 bereits ab 01.08.2002 zu. Den gegen den Bescheid vom 13.07.2007 darüber hinaus eingelegten Widerspruch, mit dem sie ihr diesbezügliches Begehren bekräftigte, begründete sie im Übrigen damit, dass volle Erwerbsminderung bereits seit 24.07.2001 bestanden habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.11.2007 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, im Hinblick auf den Nachweis der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses Ende Dezember 2002 habe dem Widerspruch teilweise abgeholfen werden können, eine frühere Aufgabe der Beschäftigung sei jedoch nicht nachgewiesen; die übersandten Unterlagen hätten sie nicht vom Gegenteil überzeugen können. Darüber hinaus werde der Widerspruch zum Eintritt eines medizinischen Leistungsfalls am 24.07.2001 und einer Leistungsminderung von unter drei Stunden zurückgewiesen. Bei den Begutachtungen im Oktober 2002 und November 2002 sei noch von einer mindestens sechsstündigen Belastbarkeit ausgegangen worden, was im Rehabilitationsverfahren im August 2004 sogar wieder bestätigt worden sei.
Am 18.12.2007 hat die Klägerin dagegen beim Sozialgericht Heilbronn (SG) mit dem Begehren Klage erhoben, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung bereits ab 01.08.2002 zu erhalten.
Mit Gerichtsbescheid vom 31.05.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klage sei ungeachtet der erklärten Anfechtung des Vergleichs zulässig, da die Beteiligten sich erkennbar auf eine Überprüfung der damaligen Bescheide im Rahmen eines formellen Widerspruchs- und Klageverfahrens geeinigt hätten. Allerdings sei sie unbegründet, da nach Auswertung der vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht einmal festgestellt werden könne, dass die Anspruchsvoraussetzungen für die begehrte Rente schon am 01.07.2003 erfüllt gewesen seien, so dass ein noch früherer Rentenbeginn ohnehin ausscheide. Soweit die Beklagte in Abweichung von dem abgeschlossenen Vergleich einen früheren Versicherungsfall angenommen habe, sei die Kammer hieran nicht gebunden.
Gegen den ihrer Bevollmächtigten am 07.06.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 04.07.2011 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und ihr Begehren auf Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung bereits ab 01.08.2002 weiter verfolgt. Sie macht geltend, die ihre Leistungsfähigkeit einschränkende Erkrankung habe bereits seit 1993 bestanden. Sie legt zahlreiche Unterlagen vor.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 31.05.2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.07.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.11.2007 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.08.2002 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der Akten beider Rechtszüge sowie der Akten des Verfahrens S 5 RA 8042/04 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig; jedoch nicht begründet.
Gegenstand des anhängigen Verfahrens ist allein der Bescheid vom 13.07.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.11.2007. Mit dem Bescheid vom 13.07.2007 bewilligte die Beklagte der Klägerin in Abweichung vom geschlossenen außergerichtlichen Vergleich Rente wegen voller Erwerbsminderung bereits ab dem 01.07.2003 (statt, wie im Vergleich vereinbart, ab 01.10.2003). Insoweit ficht die Klägerin diesen Bescheid - da ihr günstig - nicht an. Zugleich aber lehnte die Beklagte damit den von der Klägerin im ursprünglichen Widerspruch gegen den Ausführungsbescheid vom 09.01.2007 zugleich gestellten Antrag auf Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung bereits ab dem 01.08.2002 ab. Insoweit wies die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 20.11.2007 dann den Widerspruch zurück. Allein hiergegen hat sich die Klägerin mit ihrer Klage gewandt (so ausdrücklich Schriftsatz vom 29.01.2008 Seite 3 oben).
Nicht Gegenstand des Rechtsstreits ist damit der Ausführungsbescheid vom 09.01.2007. Zwar erhob die Klägerin gegen diesen Ausführungsbescheid Widerspruch und wies die Beklagte auch diesen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20.11.2007 zurück. Insoweit hat die Klägerin aber keine Klage erhoben. Wie bereits dargelegt hat sie sich allein gegen die Ablehnung ihres Antrages auf Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung bereits ab dem 01.08.2002 durch den Bescheid vom 13.07.2007 gewandt. Lediglich am Rande weist der Senat darauf hin, dass eine materiell-rechtliche Beschwer der Klägerin durch den Bescheid vom 09.01.2007 nicht vorlag, weil dieser Bescheid allein den geschlossenen Vergleich umsetzte.
Alleiniger Gegenstand der Prüfung des Senats ist somit die Frage, ob der Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bereits ab 01.08.2002 zusteht. Insoweit hat das SG die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Dem entsprechend ist die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Dabei kann offen bleiben, ob - so die Beklagte und das SG - das Leistungsvermögen der Klägerin im streitigen Zeitraum nicht auf unter sechs Stunden arbeitstäglich abgesunken war und deshalb bereits aus medizinischen Gründen kein Rentenanspruch bestand. Offen bleiben kann weiter, ob - falls das Leistungsvermögen bereits zu einem früheren Zeitpunkt unter die Sechs-Stunden-Grenze abgesunken war - auch die Beschäftigung aufgegeben war.
Denn dem geltend gemachten Anspruch steht bereits der zwischen der Klägerin und der Beklagten in dem Verfahren S 5 RA 8042/04 geschlossene (außergerichtliche) Vergleich entgegen. Ein solcher öffentlich-rechtlicher Vertrag begründet gegenseitige Rechte und Pflichten und ist zwischen den Vertragsparteien grundsätzlich materiell-rechtlich verbindlich und einer einseitigen abweichenden Regelung durch Verwaltungsakt nicht zugänglich (BSG, Urteil vom 16.11.1961, 7/9 RV 866/59 in SozR Nr. 4 zu § 101 SGG). Daher stand mit Abschluss des Vergleichs zwischen den Beteiligten (zunächst) verbindlich fest, dass der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung - anders als von ihr in dem Klageverfahren S 5 RA 8042/04 zunächst geltend gemacht - nicht bereits ab August 2002, sondern erst ab 01.10.2003 zu gewähren ist.
Auf den Widerspruch der Klägerin gegen den Ausführungsbescheid vom 09.01.2007 mit gleichzeitig erfolgter Anfechtung des Vergleichs erweiterte die Beklagte den Leistungszeitraum über den Vertragsinhalt hinaus mit Bescheid vom 13.07.2007 um drei Monate.
Es kann offen bleiben, ob damit der außergerichtliche Vergleich im selben Umfang abgeändert wurde und falls ja, ob dies eine Reaktion der Beklagten auf die erfolgte Anfechtung der Klägerin darstellte, indem sie eine teilweise Anfechtungsberechtigung einräumte, oder ob es sich um eine frei vereinbarte teilweise Neuregelung bei gleichzeitiger Ablehnung des weitergehenden Begehrens der Klägerin handelte. Es kann auch offen bleiben, inwieweit beiderseitige Erklärungen, am Vergleich nicht festhalten zu wollen, zulässig sind (für den gerichtlichen Vergleich verneinend BSG, Urteil vom 26.04.1963, 2 RU 228/59 in SozR Nr. 6 zu § 101 SGG; bejahend im Hinblick auf arbeitsgerichtliche Besonderheiten BAG, Urteil vom 05.08.1982, 2 AZR 199/80 m.w.N. zur gegenteiligen Rechtsprechung des BGH und BVerwG). Denn die Beteiligten streiten nicht im Hinblick auf die erfolgte Abweichung vom Vergleich, sondern im Hinblick auf jenen Zeitraum vom 01.08.2002 bis 30.06.2003, für den die Beklagte vom Vergleich gerade nicht abweichen wollte und einen Rentenanspruch (weiterhin) ablehnte.
Dem entsprechend wurde der geschlossene Vergleich durch die Erklärungen der Beteiligten und den Bescheid vom 13.07.2007 für den vorliegend allein streitigen Zeitraum vom 01.08.2002 bis 30.06.2003 nicht geändert. Gründe für die Annahme, dass die Beklagte in Abweichung von diesem Inhalt des Vergleichs - kein Rentenanspruch für die Zeit ab 01.08.2002 und damit für den hier streitigen Zeitraum - verpflichtet sein könnte, die Rente bereits ab einem noch früheren Zeitpunkt, insbesondere gerade ab dem 01.08.2002, zu gewähren, sind nicht ersichtlich. Insoweit besteht die Bindungswirkung des Vergleichs fort.
Der Senat lässt offen, ob (auch) im Falle eines außergerichtlichen Vergleichs die Frage der Wirksamkeit des Vergleichs und damit die Frage der Wirksamkeit einer Anfechtung im früheren Klageverfahren zu klären ist (so BSG, Urteil vom 16.11.1961, 7/9 RV 866/59 in SozR Nr. 4 zu § 101 SGG mit Hinweis darauf, dass das Klageverfahren durch den außergerichtlichen Vergleich nicht beendet werde, sondern wegen seines sachlich-rechtlichen Inhalts nur eine Einrede gegen den durch die Vereinbarung erledigten Anspruch gebe) oder ob dieses frühere Klageverfahren (auf Grund möglicherweise nicht anfechtbarer, z.B. weil nicht im Vergleich selbst enthaltener Erledigungserklärungen) unabhängig vom Schicksal des Vergleichs erledigt bleibt und die Frage der Wirksamkeit des außergerichtlichen Vergleichs im Rahmen der Geltendmachung weitergehender Rechte zu erfolgen hat. Im ersten Fall wäre die Berufung zurückzuweisen, weil der Vergleich schon deshalb weiterhin verbindlich ist, weil nichts Gegenteiliges (durch das Sozialgericht im Rahmen des früheren Verfahrens) festgestellt ist. Im zweiten Fall wäre die Berufung zurückzuweisen, weil der Vergleich verbindlich ist, insbesondere nicht wirksam angefochten wurde.
Ein vom Inhalt des Vergleichs abweichender Rentenbeginn würde nämlich die Unwirksamkeit des Vergleichs aus materiell-rechtlichen Gründen voraussetzen, wobei die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) herangezogen werden können. Demnach kann ein Vergleich als öffentlich-rechtlicher Vertrag unwirksam sein, wenn er nach den §§ 116 ff BGB nichtig oder wirksam angefochten ist. Bei einer Änderung der Verhältnisse ist darüber hinaus § 59 des Zehnten Buches des Gesetzbuchs (SGB X) anzuwenden. Danach kann eine Vertragspartei, wenn sich die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen sind, seit Abschluss des Vertrags so wesentlich geändert haben, dass einer Vertragspartei das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist, eine Anpassung des Vertragsinhalts an die geänderten Verhältnisse verlangen oder, sofern eine Anpassung nicht möglich oder einer Vertragspartei nicht zuzumuten ist, den Vertrag kündigen.
Anhaltspunkte für Gründe, die zu einer Nichtigkeit des in Rede stehenden Vergleichs führen könnten, sind nicht ersichtlich. Der Senat sieht auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass sich die Klägerin bzw. ihr für sie in dem Verfahren S 5 RA 8042/04 handelnder Bevollmächtigter zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleichs im Sinne des § 119 BGB in einem Irrtum befunden haben könnte. Nach Abs. 1 dieser Regelung kann, wer bei Abgabe einer Willenserklärung, über deren Inhalt er im Irrtum war (Inhaltsirrtum) oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht angeben wollte (Erklärungsirrtum), die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde. Ein Erklärungsirrtum in diesem Sinne ist schon deshalb zu verneinen, weil der äußere Erklärungstatbestand auch dem seinerzeitigen Willen des für die Klägerin handelnden Bevollmächtigten entsprach und ein Irrtum im Sinne eines Verschreibens oder Versprechens daher nicht vorlag. Auch ist ausgehend von den Ausführungen der Klägerin im Zusammenhang mit der erklärten Anfechtung nicht ersichtlich, dass sie sich zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleichs in einem Inhaltsirrtum befunden haben könnte. Denn auch bereits damals war der Klägerin bekannt, dass sie Ende 2002 im Büro ihres damaligen Ehemannes ausgeschieden war und im Jahr 2003 somit auch keine Lohnzahlungen mehr erhielt. In Kenntnis dieses Umstandes einigte sie sich mit der Beklagten auf der Grundlage der seinerzeit vorhanden gewesenen Entgeltbescheinigungen für das Jahr 2003, die ab 01.04.2003 eine geringfügige Beschäftigung auswies, dass der Versicherungsfall zum "Ende" dieses mehr als geringfügigen "Beschäftigungsverhältnisses" (welches tatsächlich bereits früher endete) eingetreten war. Über Inhalt und Bedeutung der abgegeben und zum Vergleich führenden Erklärung irrte die Klägerin bzw. der für sie handelnde Bevollmächtigte demnach nicht. Sollte die Klägerin in Kenntnis der tatsächlich zutreffenden Situation in Bezug auf das Ende ihrer Beschäftigung die zum Vergleich führende Erklärung allerdings in dem Glauben abgegeben haben, sie könne ein früheres Beschäftigungsende ohnehin nicht nachweisen, so käme angesichts der später erfolgten Selbstanzeige ihres früheren Ehemannes zwar ein Irrtum der Klägerin in Betracht. Allerdings handelte es sich insoweit lediglich um einen Motivirrtum, der im Rahmen des § 119 Abs. 1 BGB nicht relevant ist und daher auch kein Anfechtungsrecht begründet.
Da die Beklagte den abgeschlossenen Vergleich durch den mit Bescheid vom 13.07.2007 verfügten früheren Rentenbeginn zum 01.07.2003 im Übrigen auch bereits in vollem Umfang an den von der Klägerin vorgetragenen "Anfechtungsgrund" anpasste, kann die Klägerin eine für sich günstigere Entscheidung auch nicht aus § 59 SGB X ableiten. Es bleibt daher offen, ob § 59 SGB X auch für Änderungen bei der Beweislage gilt.
Dass die Klägerin - wie anlässlich des Erörterungstermins am 27.04.2012 deutlich wurde - nach wie vor die Auffassung vertritt, bereits seit Rentenantragstellung voll erwerbsgemindert zu sein und dementsprechend zwischenzeitlich bereut, das Verfahren S 5 RA 8042/04 durch Abschluss des in Rede stehenden Vergleichs beendet zu haben, ändert an der Wirksamkeit des abgeschlossenen Vergleichs, der gerade nicht frei widerruflich ist, nichts.
Angesichts der fortbestehenden Bindungswirkung des Vergleichs ist die Beklagte nach alledem nicht verpflichtet, der Klägerin die Rente wegen voller Erwerbsminderung bereits ab einem noch früheren Zeitpunkt, insbesondere schon ab dem in dem Klageverfahren S 5 RA 8042/04 geltend gemachten Zeitpunkt 01.08.2002, zu gewähren.
Vor diesem Hintergrund hat der Senat auch nicht über die medizinische Frage zu befinden, zu welchem Zeitpunkt das berufliche Leistungsvermögen der Klägerin aus gesundheitlichen Gründen auf ein rentenberechtigendes Ausmaß herabgesunken war, ihr mithin eine zumindest sechsstündige berufliche Tätigkeit nicht mehr zumutbar war. Dem steht auch nicht entgegen, dass sich die Beteiligten nach Anfechtung des geschlossenen Vergleichs durch die Klägerin auf die Durchführung eines formellen Widerspruchsverfahrens mit anschließendem gerichtlichen Verfahren verständigten, in dem dann erneut über den Beginn der Rente wegen voller Erwerbsminderung befunden werden soll. Denn der Umfang der gerichtlichen Prüfung ist kein der Parteivereinbarung zugänglicher Regelungsgegenstand.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für eine Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
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