L 7 AY 2577/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AY 111/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AY 2577/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 17. Mai 2011 hinsichtlich des Zinsausspruchs aufgehoben. Insoweit werden die Klagen abgewiesen.

Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Kläger erster Instanz zu erstatten. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren noch darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, nachträglich zu erbringende Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) mit 4 v.H. zu verzinsen.

Die 1960 geborene, verwitwete Klägerin zu 1, Mutter von fünf Kindern, und die Kläger zu 2 und 3, ihre beiden minderjährigen Kinder (geboren 1998 und 2000), sind k. Staatsangehörige. Die Klägerin zu 1 reiste im Jahr 1992 mit ihrem zwischenzeitlich verstorbenen Ehemann und den älteren Kindern in das Bundesgebiet ein; die Kläger zu 2 und 3 sind hier geboren. Mehrere ab Juni 1994 gestellte Asylanträge der Familienmitglieder blieben erfolglos; nach Aktenlage bezogen die Klägerin zu 1 jedenfalls ab 1. September 1997 und die Kläger zu 2 und 3 seit Geburt bis zum 31. März 2009 Grundleistungen nach § 3 AsylbLG (u.a. Bescheide vom 17. November und 14. Dezember 2005, 3. Mai, 27. Juni und 31. Oktober 2006, 26. April, 3. August, 15. Oktober und 14. November 2007 sowie 9. Januar 2008). Nachdem den Klägern am 18. März 2009 bis 31. Dezember 2009 befristete Aufenthaltserlaubnisse nach § 104a des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) erteilt worden waren, erhielten sie in der Zeit vom 1. April bis 31. Dezember 2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Vom 1. Januar bis 31. Dezember 2010 gewährte der Beklagte den Klägern, die nun wiederum nur nach § 60a AufenthG geduldet waren, von Amts wegen Analogleistungen nach § 2 AsylblG; danach bezogen die Kläger erneut Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II.

Mit ihren am 28. Oktober 2010 gestellten, u.a. auf § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) gestützten Anträgen begehrten die Kläger beim Beklagten die rückwirkende Erbringung von Analogleistungen für die Zeit ab dem 1. Januar 2006 bis zum Ausscheiden aus dem Leistungsbezug sowie ferner die Verzinsung des "Nachzahlungsbetrags ab Erlass des ursprünglichen, ablehnenden Verwaltungsaktes". Durch "Änderungsbescheid" vom 22. November 2010 bewilligte der Beklagte den Klägern darauf für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis 31. März 2009 nachträglich lediglich Leistungen in Höhe von jeweils 750,00 Euro (zusammen 2.250,00 Euro); die Verzinsung des "Rückzahlungsbetrags" lehnte er ab, weil die Regelung des § 44 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) mangels Verweises in § 9 AsylbLG nicht anwendbar sei. Der Widerspruch der Kläger wurde mit Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 2010 zurückgewiesen.

Deswegen haben die Kläger am 12. Januar 2011 zum Sozialgericht (SG) Mannheim Klagen erhoben und beantragt, "nach Maßgabe des § 44 SGB X" der Klägerin zu 1 für den Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis 31. März 2009 sowie den Klägern zu 2 und 3 für den Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis 31. Dezember 2009 Analogleistungen nach § 2 AsylbLG unter entsprechender Abänderung der früheren Verwaltungsakte sowie unter Anrechnung der nach § 3 AsylbLG bewilligten Grundleistungen zu gewähren und ferner, den "Nachzahlungsbetrag" mit 4 v.H. zu verzinsen. Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Mit Urteil vom 17. Mai 2011 hat das SG Mannheim den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 22. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2010 verurteilt, "im Rahmen von § 44 SGB X für die Zeit vom 01.01.2006 bis 31.03.2009 (Klägerin Ziffer 1) bzw. 01.01.2006 bis 31.12.2009 (Kläger bzw. Klägerin Ziffern 2 und 3) die volle Differenz zwischen den ‚Analogleistungen‘ (§ 2 AsylbLG) und den ‚Grundleistungen‘ (§ 3 AsylbLG) nachzuzahlen und den Nachzahlungsbetrag mit 4 % zu verzinsen". In den Entscheidungsgründen hat es hinsichtlich des Zinsanspruchs ausgeführt, dieser ergebe sich aus § 44 SGB I; das AsylbLG beinhalte zumindest auch "materielles Sozial(hilfe)recht", weshalb kein Grund ersichtlich sei, von einer Verzinsung abzusehen.

Gegen dieses ihm am 27. Mai 2011 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 21. Juni 2011 Berufung zum Landessozialgericht lediglich insoweit eingelegt, als das SG ihn zur Verzinsung des Nachzahlungsbetrages verurteilt hatte. Zur Begründung hat der Beklagte ausgeführt, in das AsylbLG sei keine Verweisung in Bezug auf § 44 SGB I aufgenommen worden. Eine solche sei jedoch Voraussetzung für einen Zinsanspruch der Kläger, da § 44 SGB X keine eigene Verzinsungsregelung enthalte. Es sei ferner sachlich nicht gerechtfertigt, Leistungsberechtige nach dem AsylbLG diesbezüglich Leistungsberechtigten nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) gleichzustellen. Denn zum einen erkläre § 2 Abs. 1 AsylbLG das SGB XII nur für "entsprechend" anwendbar; zum anderen sei bei Leistungen in entsprechender Anwendung des SGB XII den Besonderheiten des AsylbLG Rechnung zu tragen. Während die Leistungen der Sozialhilfe vom Individualitätsgrundsatz ausgingen und ein existentiell gesichertes und sozial integriertes Leben der Leistungsberechtigten "auf eigenen Füßen" in der Bundesrepublik Deutschland zum Ziel hätten, seien die Bedürfnisse der Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG an dem in aller Regel nur vorübergehenden Aufenthalt auszurichten. Dies könne in Einzelfällen zu einer Schlechterstellung der Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG führen, was vom Gesetzgeber jedoch bewusst in Kauf genommen worden sei und nicht dadurch umgangen werden dürfe, dass Regelungen, deren Anwendbarkeit im AsylbLG nicht ausdrücklich geregelt sei, für entsprechend anwendbar erklärt würden. Der Beklagte hat in Ausführung des Urteils des SG Mannheim den "Abhilfebescheid" vom 30. Juni 2011 erlassen und den Klägern eine weitere Nachzahlung von insgesamt 10.155,87 Euro gewährt. Ergänzend hat er ausgeführt, die Zinsen würden sich im Fall des Erfolgs des klägerischen Begehrens auf 1.995,96 Euro belaufen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 17. Mai 2011 insoweit aufzuheben, als er dazu verurteilt wurde, den Nachzahlungsbetrag mit 4 v.H. zu verzinsen, und die Klagen insoweit abzuweisen.

Die Kläger beantragen (teilweise sinngemäß),

die Berufung des Beklagten mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass Zinsen in Höhe von insgesamt 1.995,96 Euro zu zahlen sind.

Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend. Der Zinsanspruch ergebe sich aus § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X i.V.m. § 44 Abs. 1 SGB I, wobei es unerheblich sei, dass das AsylbLG nicht zum SGB rechne und auch keine explizite Verweisung auf § 44 SGB I beinhalte. Denn das AsylbLG beinhalte zumindest auch "materielles Sozial(hilfe)recht". Die Zinsen seien nicht erst ab Antrag auf Neubescheidung, sondern schon ab Erlass des ursprünglichen ablehnenden Verwaltungsakts nachzuzahlen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)).

Zur weiteren Darstellung wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten (2 Bände), die Klageakte des SG Mannheim und die Berufungsakte des Senats verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten hat Erfolg.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 151 Abs. 1 und 2 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG), weil die Berufungsbeschränkungen des § 144 Abs. 1 SGG nicht eingreifen. Zwar handelt es sich bei isoliert geltend gemachten Nebenforderungen, wie z.B. Zinsen, nicht um wiederkehrende oder laufende Leistungen im Sinne des Satzes 1 a.a.O. (vgl. Bundessozialgericht (BSG) SozR 1500 § 144 Nr. 28; SozR 3-1500 § 144 Nr. 16; Leitherer in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 10. Auflage, § 144 Rdnr. 22a). Bei überschlägiger Berechnung (vgl. hierzu BSG SozR 4-4300 § 64 Nr. 1 (Rdnr. 13)) ist jedoch davon auszugehen, dass zu dem maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungseinlegung der Wert des Beschwerdegegenstandes mehr als 750,00 Euro betragen hat (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Darüber bestehen auch unter den Beteiligten keine Meinungsverschiedenheiten; diese haben im Übrigen übereinstimmend den Betrag der von den Klägern insgesamt beanspruchten Zinsen mit 1.995,96 Euro beziffert.

Der Beklagte ist passiv legitimiert und wird wie aus dem Rubrum ersichtlich vertreten. Dies folgt aus §§ 1 Nr. 2, 2 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 4 des Flüchtlingsaufnahmegesetzes Baden-Württemberg i.V.m. § 15 Abs. 1 Nr. 1 des Landesverwaltungsgesetzes Baden-Württemberg (vgl. auch BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8 AY 11/07 R - (juris)).

Streitgegenstand im Berufungsverfahren ist allein noch das von den Klägern gestellte Begehren auf Verzinsung der von ihnen im Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X jeweils erlangten, sich aus der Differenz zwischen den erbrachten Grundleistungen (§ 3 AsylbLG) und den nachträglich zu erbringenden Analogleistungen (§ 2 AsylbLG) ergebenden "Nachzahlungsbeträge". Nicht mehr umstritten unter den Beteiligten ist dagegen die Höhe der von den Klägern beanspruchten Analogleistungen, nachdem der Beklagte das Urteil des SG Mannheim vom 17. Mai 2011 insoweit nicht angefochten und in dieser Hinsicht dem Urteilsausspruch - im Übrigen bezüglich der Kläger zu 2 und 3 wohl über den Zeitraum der tatsächlich erbrachten Grundleistungen hinaus (d.h. auch für die Monate April bis Dezember 2009) - durch den Ausführungsbescheid vom 30. Juni 2011 Rechnung getragen hat. Allerdings bedarf die Urteilsformel (§ 136 Abs. 1 Nr. 4 SGG) hinsichtlich des Zinsausspruchs der Klarstellung; denn im Tenor des angefochtenen Urteils ist insoweit nur ausgesprochen, dass der Nachzahlungsbetrag mit 4 v.H. zu verzinsen sei. Hierbei ist zum Einen außer Acht gelassen, dass es sich bei den Ansprüchen nach dem AsylbLG um Individualansprüche jedes einzelnen Leistungsberechtigten handelt (vgl. hierzu Senatsurteil vom 8. Dezember 2011 - L 7 AY 3353/09 - (juris) (m.w.N.)); zum Anderen fehlt es an einer ausdrücklichen Festlegung des Verzinsungsbeginns hinsichtlich der nachträglich zu erbringenden Leistungen. Die Urteilsformel ist freilich unter Heranziehung von Tenor, Tatbestand und Entscheidungsgründen auslegungsfähig (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 8. Februar 2007 - B 9b SO 5/05 R - (juris; Rdnr. 14)). Mit dem Zinsausspruch hat das SG Mannheim ersichtlich gemeint, dass die Zinsen nicht erst ab dem Antrag auf Neubescheidung, sondern bereits ab Erlass der ursprünglichen, sinngemäß Analogleistungen ablehnenden Verwaltungsakte zu zahlen seien; dies hatten die Kläger bereits mit ihren Anträgen vom 28. Oktober 2010, aber auch in der Klagebegründung vom 11. Januar 2011 so begehrt. Hiervon geht im Übrigen auch der Beklagte, der den Gesamtbetrag der Zinsen - im Übrigen in Übereinstimmung mit den Klägern - auf 1.995,96 Euro errechnet hat, aus (vgl. ferner Schriftsatz des Beklagten vom 1. September 2011 in dem ebenfalls am heutigen Tage entschiedenen Parallelverfahren L 7 AY 2576/11). Klarzustellen ist in dieser Beziehung jedoch, was auch in den klägerischen Sachanträgen nur unvollkommen zum Ausdruck kommt, dass die Verzinsung der nachträglich zu erbringenden Leistungen sich mit Blick auf den Einzelanspruch jedes Klägers gesondert zu vollziehen hätte. Die Kläger vermögen mit ihrem Zinsbegehren indessen nicht durchzudringen.

Die auf Verzinsung der Nachzahlung gerichteten Klageanträge sind zwar zulässig. Es fehlt vorliegend nicht an der Durchführung eines Verwaltungs- und Widerspruchsverfahrens, weil der Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 22. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2010 ausdrücklich ablehnend über die Frage der Verzinsung entschieden hat. Deshalb kommt es hier nicht darauf an, ob jedenfalls der Zinsausspruch nach § 44 SGB I stets eines vorherigen feststellenden Verwaltungsakts bedürfte (so BSG, Urteil vom 16. Dezember 1997 - 4 RA 56/96 - (juris; Rdnr. 25); ferner BSG SozR 4-1300 § 63 Nr. 15 (Rdnr. 16); Wagner in jurisPK, 2. Auflage 2011, § 44 Rdnr. 41; a.A. wohl BSG SozR 4-4100 § 119 Nr. 1; SozR 4-1300 § 44 Nr. 15 (Rdnr. 24); Bundesverwaltungsgericht BVerwGE 66, 90; 140, 103).

Das mit den Klagen verfolgte Zinsbegehren ist jedoch unbegründet, denn es fehlt an einer Rechtsgrundlage, auf die die Verzinsung gestützt werden könnte (vgl. Senatsurteil vom 25. Oktober 2012 - L 7 AY 726/11 - (Revision anhängig unter B 7 AY 8/12 R)).

Die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, ob § 44 SGB I auf (Nach-)Zahlungsansprüche nach dem AsylbLG Anwendung finde, muss der Senat im Sinne der Auffassung des Beklagten beantworten. Nach § 44 Abs. 1 SGB I sind Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen. Systematisch ist die Norm im Dritten Abschnitt des SGB I "Gemeinsame Vorschriften für alle Sozialleistungsbereiche dieses Gesetzbuches" verortet.

Das AsylbLG gehört nicht zu den "Sozialleistungsbereichen", die vom SGB I erfasst werden (vgl. BSG SozR 4-1300 § 44 Nr. 22 (Rdnr. 21); ferner BSG SozR 4-3520 § 9 Nr. 1 (Rdnr. 14); Senatsurteil vom 25. Oktober 2012 a.a.O.; Hohm in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Auflage, Vorbemerkung AsylbLG, Rdnr. 19; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 4. Auflage, Einleitung zum AsylbLG, Rdnr. 4; Birk in LPK-SGB XII, 9. Auflage, Vorbemerkung zum AsylbLG, Rdnr. 6). § 44 SGB I kann daher weder direkt noch analog auf Leistungen nach dem AsylbLG angewendet werden.

Das AsylbLG stellt ein besonderes Sicherungssystem und eine eigenständige abschließende Regelung zur Sicherung des Lebensunterhaltes sowie zur Aufnahme und Durchführung von Arbeitsgelegenheiten für einen eng begrenzten Personenkreis von Ausländern dar (vgl. Senatsurteil vom 25. Oktober 2012 a.a.O.; Frerichs in: jurisPK-SGB XII, Stand: 20. August 2012, § 1 AsylbLG Rdnr. 22; Hohm, a.a.O., Rdnr. 1). § 1 AsylbLG bestimmt in diesem Zusammenhang den Kreis der Leistungsberechtigten und damit den persönlichen Anwendungsbereich des AsylbLG. Trotz der Nähe zum Fürsorgerecht und damit insbesondere zum SGB XII (vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 18. Juli 2012 - 1 BvL 10/10 und 1 BvL 2/11- (juris), Rdnrn. 114, 129) hat der Gesetzgeber eine klare Abgrenzung zum Sozialhilferecht getroffen. Asylbewerber und ihnen gleichgestellte Ausländer erhalten keine Sozialhilfe und haben darauf auch keinen Anspruch (§ 23 Abs. 2 SGB XII, § 9 Abs. 1 AsylbLG). Das AsylbLG ist - anders als das SGB XII - nicht (besonderer) Teil des Sozialgesetzbuches (vgl. BSG SozR 4-1300 § 44 Nr. 22 a.a.O.; Senatsurteil vom 8. Dezember 2011 a.a.O.). Deswegen können die allgemeinen Bestimmungen des SGB I auch nicht direkt auf Leistungen nach dem AsylbLG angewendet werden. Das SGB I definiert - als gesetzliche Fiktion - die besonderen Teile des Sozialgesetzbuches in § 68. Dabei ist das AsylbLG nicht erfasst. Auch in der Übersicht über die einzelnen vom Regelungsumfang des Gesetzes erfassten Sozialleistungen und zuständigen Leistungsträger im Zweiten Titel des SGB I (§§ 18 bis 29) fehlt es an einer Erwähnung des AsylbLG. § 68 SGB I ist seit dem Inkrafttreten des AsylbLG vom 30. Juni 1993 (BGBl. I, S. 1074)) am 1. November 1993 mehrfach geändert worden (vgl. z.B. zuletzt die Änderungen durch Gesetze vom 5. Dezember 2006 (BGBl. I, S. 2748) und 8. Dezember 2010 (BGBl. I, S. 1864)). Bei der Gesetzesauslegung muss der Senat nach alledem nach Wortlaut, Systematik und Entwicklung der zugrunde liegenden gesetzlichen Vorschriften davon ausgehen, dass der Gesetzgeber nicht nur keine Anwendung der allgemeinen Bestimmungen des SGB I geregelt hat, sondern gerade auch keine solche Regelung hat treffen wollen.

Daher ist auch eine analoge Anwendung des § 44 SGB I auf Leistungen nach dem AsylbLG nicht möglich (vgl. Senatsurteil vom 25. Oktober 2012 a.a.O.). Eine Regelungslücke, die durch eine Analogie geschlossen werden könnte, existiert nicht. Vielmehr ist auch den durch den Gesetzgeber in das AsylbLG aufgenommenen Verweisungen auf Vorschriften des SGB I und des SGB X zu entnehmen, dass eine (analoge) Anwendung von § 44 SGB I gerade ausgeschlossen ist. So ist durch das 1. Änderungsgesetz zum AsylbLG vom 26. Mai 1997 (BGBl. I, S. 1130) mit Wirkung vom 1. Juni 1997 in § 7 Abs. 4 AsylbLG eine entsprechende Anwendung der §§ 60 bis 67 SGB I ausdrücklich angeordnet worden. Mit demselben Gesetz erfolgte in § 9 Abs. 3 AsylbLG die Erweiterung der entsprechenden Anwendung von Normen des SGB X (vorher nur §§ 102 bis 114, nun auch §§ 44 bis 50 SGB X). Aus dieser gesetzgeberischen Initiative ergibt sich, dass der Gesetzgeber eine (entsprechende) Anwendung von Normen des SGB I (und des SGB X) für ausdrücklich regelungsbedürftig hält. Da eine Regelung der entsprechenden Anwendung des § 44 SGB I trotz Gestaltungsmöglichkeit des Gesetzgebers unterblieben ist, fehlt es mithin an einer Regelungslücke. Eine analoge Anwendung von § 44 SGB I würde damit die Wortlautgrenze sprengen und die gesetzgeberische Konzeption außer Acht lassen (vgl. auch BSG SozR 4-3520 § 9 Nr. 1 a.a.O.).

§ 44 SGB I kann - anders als die Kläger meinen - auch nicht über § 44 Abs. 4 SGB X Anwendung finden (vgl. Senatsurteil vom 25. Oktober 2012 a.a.O.). Denn diese - nur aufgrund ausdrücklicher Verweisung in § 9 Abs. 3 AsylbLG überhaupt entsprechend anwendbare - Bestimmung formuliert zwar einen Anspruch auf eine rückwirkende Gewährung von Sozialleistungen, enthält aber hinsichtlich der Verzinsung keine Regelung und auch keinen Verweis auf eine Vorschrift über die Verzinsung von Leistungen. Auch der Umstand, dass § 9 Abs. 3 AsylbLG auf die Bestimmung des § 50 SGB X verweist, in welcher in Abs. 2a eine Verzinsungsregelung enthalten ist, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn § 50 Abs. 2a SGB X ist eine spezielle Folgeregelung zu § 47 Abs. 2 SGB X (vgl. Steinwedel in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 74. Ergänzungslieferung 2012, § 50 SGB X Rdnr. 40) und erfasst lediglich Leistungen, die im Rahmen der Förderung von Einrichtungen und Betrieben zu erstatten sind. Ansonsten - insbesondere bei Leistungen an Versicherte - bleibt es bei der Nichtverzinslichkeit (vgl. Steinwedel, a.a.O.). Eine Analogiefähigkeit der Norm, noch dazu in Umkehrung des Verhältnisses zwischen Behörde und Bürger, ist daher nicht einmal ansatzweise zu erkennen (vgl. Senatsurteil vom 25. Oktober 2012 a.a.O.).

Zur Ausführung des AsylbLG ist - mangels Einordnung dieses Gesetzes in das formelle Sozialrecht - nicht das SGB X, sondern das Verwaltungsverfahrensgesetz des Landes Baden-Württemberg anzuwenden (vgl. Senatsurteile vom 8. Dezember 2011, a.a.O. und vom 25. Oktober 2012 a.a.O.; Wahrendorf, a.a.O.). Dieses Gesetz sieht jedoch eine Verzinsung von Leistungen zugunsten des Leistungsempfängers an keiner Stelle vor.

Die Regelungen des BGB zu Verzugs- oder Prozesszinsen (§§ 288, 291 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB)) sind für den hier strittigen öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Leistungen nach dem AsylbLG nicht entsprechend anwendbar (vgl. Senatsurteil vom 25. Oktober 2012 a.a.O.; ebenso SG Aachen, Urteil vom 29. Januar 2008 - S 20 AY 2/07 - und SG Gelsenkirchen, Urteil vom 29. Mai 2006 - S 2 AY 20/05 - (jeweils juris)). Angesichts der für Sozialleistungsansprüche grundsätzlich Geltung beanspruchenden Verzinsungsbestimmung des § 44 SGB I und der durch Auslegung gewonnenen Erkenntnis, dass der Gesetzgeber diese Bestimmung nicht auf Leistungen nach dem AsylbLG erstrecken will, bedürfte es zur Anwendung der §§ 288, 291 BGB einer ausdrücklichen Verweisung, an der es vorliegend fehlt. Wenn schon eine Analogie zur sozialrechtlichen Spezialnorm des § 44 SGB I nicht gerechtfertigt erscheint, gilt dies umso mehr für eine Analogie zu den Verzinsungsbestimmungen des BGB. Ob eine Anwendung der §§ 288, 291 BGB zudem eine nicht gerechtfertigte Besserstellung der Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG gegenüber anderen Sozialleistungsempfängern darstellen würde, wie das SG Gelsenkirchen (a.a.O.) und der Beklagte meinen, kann offen bleiben. Das BSG schließt die Anwendung der §§ 288, 291 BGB - abgesehen vom Leistungserbringungsrecht (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig u.a., a.a.O., § 94 Rdnr. 5a) - im Übrigen regelmäßig aus (grundlegend BSGE 71, 72 = SozR 3-7610 § 291 Nr. 1; ferner BSGE 109, 70 = SozR 4-4200 § 16 Nr. 9 (Rdnr. 34); vgl. auch Gutzler in Beck`scher Online Kommentar Sozialrecht, Stand 1. September 2012, § 44 SGB I Rdnr. 7).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dabei war zu beachten, dass der Beklagte erstinstanzlich weit überwiegend unterlegen ist, in der zweiten Instanz jedoch in vollem Umfang obsiegt hat.

Der Senat hat die Revision zugelassen, weil er dem Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung beimisst (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Die Frage der Verzinsung von Ansprüchen nach dem AsylbLG dürfte eine Vielzahl von Fällen betreffen und ist höchstrichterlich bisher nicht entschieden.
Rechtskraft
Aus
Saved