Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 5555/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 1980/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufungen der Kläger gegen die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Freiburg vom 16.4.2012 (S 11 KR 5555/10 und S 11 KR 5556/10) werden zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Kläger begehren die Erstattung der Kosten für Kopforthesenbehandlungen (Helmtherapie).
Die 2009 geborenen Kläger sind Zwillinge; sie sind bei der Beklagten familienversichert.
Offenbar im März 2010 wurde für die Kläger erstmals die Übernahme der Kosten von Kopforthesenbehandlungen beantragt. Dem Antrag war die Bescheinigung des MKG-Chirurgen Dr. B. vom 17.3.2010 beigefügt. Danach bestehe beim Kläger und bei der Klägerin eine nichtsynostotische Plagiocephalie mit Schädelbasisasymmetrie, bei der Klägerin zusätzlich eine Brachycephalie im Sinne eines Liegeschädels. Es sei eine occipitale Abflachung rechts, beim Kläger mit Beteiligung der linken Stirnseite, erkennbar. Außerdem sei die Schädelbasis des Klägers asymmetrisch; das rechte Ohr stehe weiter vorne als das linke Ohr (Asymmetrie beim Kläger 2,9 cm, bei der Klägerin 1,1 cm). Wegen der eindeutig nichtsynostotischen Ursache der Deformität sei jeweils ein konservatives Vorgehen im Wege der Kopforthesenbehandlung indiziert; die Behandlungen (Kosten jeweils 1.819 EUR) seien bereits eingeleitet.
Mit Bescheid vom 21.4.2010 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, sie habe den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung B. (MDK) befragt. Dieser habe mitgeteilt, bei der Kopforthesenbehandlung handele es sich um eine neue Behandlungsmethode, die der Gemeinsame Bundesausschuss noch nicht bewertet habe und die deswegen in der (ambulanten) vertragsärztlichen Versorgung nicht erbracht werden dürfe. Die Kopforthese selbst sei nicht in das Hilfsmittelverzeichnis aufgenommen worden. Zu den konservativen Behandlungsmethoden, die in der vertragsärztlichen Versorgung erbracht werden könnten, gehöre vor allem die Lagerungs- und Positionstherapie; in Abhängigkeit vom Lebensalter des Kindes werde ein mehrstufiges Verfahren empfohlen. Den vorliegenden Unterlagen könne näheres zur Diagnostik, Befundausprägung und Therapie jedoch nicht entnommen werden. Außerdem sei bei dem Befund der Liegedeformität des kindlichen Schädels mit flachem Hinterkopf zunächst von einer kosmetischen Deformität auszugehen, die in der Regel keine Funktionsstörungen zur Folge habe. Eine eindeutige Zuordnung zu einer Erkrankung im versicherungsrechtlichen Sinne sei derzeit nicht möglich.
Am 25.5.2010 wurde für die Kläger (durch den Allgemeinarzt Dr. B.) erneut ein Antrag auf Übernahme der Kosten der Kopforthesenbehandlung gestellt. Bei den Klägern finde derzeit eine Kopforthesenbehandlung statt. Kopffehlformen der vorliegenden Art könnten zu Fehlfunktionen des ganzen Körpers führen. Dem Antrag war eine Bescheinigung des Dr. B. vom 4.5.2010 beigefügt. Darin ist (ergänzend zur Bescheinigung vom 17.3.2010) ausgeführt, die wiederholt vorgenommenen Messwerte hätten eine Verbesserung der Deformität gezeigt (Asymmetrie beim Kläger am 19.3.2010: 1,0 cm; bei der Klägerin keine Asymmetrie mehr).
Die Eltern der Kläger teilten der Beklagten (u.a.) mit, trotz Krankengymnastik sei die Asymmetrie der Köpfe nicht besser geworden, weshalb man mehrere Ärzte (Kinderarzt, Orthopäde) konsultiert habe. nach Absprache mit diesen Ärzten habe man Kontakt mit einem für die Kopforthesentherapie zuständigen Arzt (offenbar Dr. B.) aufgenommen. Dieser habe die Kläger begutachtet und die Kopforthesentherapie für notwendig und erfolgversprechend erachtet.
Die Beklagte befragte erneut den MDK. In den MDK-Gutachten vom 7.6.2010 führte Dr. Ch. aus, der therapeutische Nutzen der Kopforthesenbehandlung sei bislang nicht durch Studien mit der nötigen Evidenz belegt. Insbesondere sei nicht hinreichend untersucht, ob bzw. ab welchem Ausmaß einer Schädeldeformität Krankheitswert zukomme. Die Annahme, eine ausgeprägte Schädeldeformität insbesondere im Bereich der Schädelbasis könne funktionelle Einschränkungen zur Folge haben, sei bislang wissenschaftlich nicht stichhaltig nachgewiesen. Die Kopforthesenbehandlung sei dem Gemeinsamen Bundesausschuss auch nicht zur Bewertung vorgelegt worden. Sie könne daher nicht als vertragsärztliche Leistung ambulant erbracht werden. Im Hinblick auf das Rechtsinstitut des "Systemversagens" wäre notwendig, dass ohne die in Rede stehende Behandlung innerhalb weniger Wochen erkrankungsbedingt mit dem Eintreten einer Verschlimmerung mit Todesfolge, einer schwerwiegenden Behinderung oder von Pflegebedürftigkeit zu rechnen sei. Eine vergleichbar schwerwiegende Gefährdung der Gesundheit könne bei frühkindlichen Schädeldeformierungen allenfalls in sehr seltenen Ausnahmefällen angenommen werden. Notwendig wären ganz ungewöhnlich ausgeprägte, stark entstellende Schädelverformungen, die ggf. mit einer aussagekräftigen Fotodokumentation zu belegen wären. Das sei bei den Klägern nicht der Fall; nach den vorliegenden Informationen sei eine schwerwiegende bleibende Entstellung von ausgeprägtem Krankheitswert nicht zu befürchten. Die etablierte Behandlung eines nichtsynostotischen Plagiocephalus bestehe ihm Erlernen und Vertiefen eines individuell angepassten Handling und der korrekten Lagerung sowie in aktiver funktioneller Stimulation nach neurophysiologischen Behandlungskonzepten (Heilmittelanwendungen).
Mit Bescheid vom 16.6.2010 lehnte die Beklagte den Antrag unter Hinweis auf das MDK-Gutachten vom 7.6.2010 (erneut) ab.
Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs wurde vorgetragen, die im MDK-Gutachten vom 7.6.2010 empfohlenen etablierten Behandlungsmaßnahmen habe man bereits ohne Erfolg angewendet. Angesichts einer Asymmetrie beim Kläger von 2,9 cm habe Dr. B. eine Kopforthesenbehandlung als zwingend notwendig erachtet; bereits ab einer Asymmetrie von 2,0 cm spreche man von einer starken Schädelverformung. Schon sechs Wochen nach Behandlungsbeginn habe man erste positive Ergebnisse verzeichnet. Beide Kläger trügen die Kopforthese nunmehr seit fünf Monaten für 23 Stunden am Tag. Die Asymmetrie und die Kieferverschiebung beim Kläger seien nur noch minimal ausgeprägt; auch bei der Klägerin habe sich die Kopfform positiv verändert.
Die Beklagte befragte (wiederum) den MDK. In der MDK-Stellungnahme vom 1.9.2010 führte Dr. Ch. aus, neue medizinische Gesichtspunkte hätten sich nicht ergeben. Die Kostenübernahme könne nicht empfohlen werden.
Mit Widerspruchsbescheiden vom 21.10.2010 wies die Beklagte die Widersprüche zurück, worauf die Kläger am 28.10.2010 Klagen beim Sozialgericht Freiburg erhoben (Verfahren S 11 KR 5555/19 und S 11 KR 5556/10). Sie trugen vor, Physiotherapie und Krankengymnastik seien erfolglos angewendet worden, weshalb eine Kopforthesenbehandlung notwendig geworden sei; diese sei erfolgreich gewesen (Asymmetrie beim Kläger noch 0,1 cm). Die Kopforthesenbehandlung stelle keine gänzlich neue Behandlungsmethode dar. Sie werde schon seit Jahren praktiziert und könne beeindruckende Ergebnisse erzielen. Bei einer Asymmetrie von 2 cm werde von starker Deformität gesprochen. Wegen der Sichtbarkeit im Erwachsenenalter bestehe daher eine absolute Behandlungsindikation. Mit der Kopforthesenbehandlung könnten in den ersten sechs Lebensmonaten auch starke Deformitäten ausgeglichen werden. Der Gemeinsame Bundesausschuss hätte die Kopforthesenbehandlung prüfen müssen, da sie in der Medizin breit diskutiert und von vielen Ärzten angewandt werde. Daher liege ein Systemversagen vor. Andere Krankenkassen (auch allgemeine Ortskrankenkassen anderer Bundesländer) hätten die Kosten für Kopforthesenbehandlungen übernommen, wodurch eine Selbstbindung der Verwaltung eingetreten sei.
Die Beklagte trug (ergänzend) vor, sie habe (in ihrem Zuständigkeitsbereich) eine Verwaltungspraxis hinsichtlich der Kostenübernahme für Kopforthesenbehandlungen nicht begründet. Bei den Klägern bestünden optische Abweichungen von der als normal empfundenen durchschnittlichen Kopfform ohne funktionelle Einschränkungen. Die Deformität habe daher keinen Krankheitswert. Systemversagen liege nicht vor.
Mit Gerichtsbescheiden vom 16.4.2012 wies das Sozialgericht die Klagen ab. Zur Begründung führte es aus, die Voraussetzungen des Kostenerstattungsanspruchs in § 13 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) seien nicht erfüllt, weil die Beklagte die Gewährung der Kopforthesenbehandlung bei beiden Klägern zu Recht abgelehnt habe. Die Kopforthesenbehandlung stelle eine neue Behandlungsmethode dar, die gem. § 135 Abs. 1 SGB V ohne Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses in der vertragsärztlichen (ambulanten) Versorgung nicht erbracht werden dürfe. Außerdem hätten die Kläger den in § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V vorgesehenen Beschaffungsweg nicht eingehalten, die Behandlung vielmehr bereits vor Antragstellung bei der Beklagten begonnen.
Auf die ihnen am 18.4.2012 zugestellten Gerichtsbescheide haben die Kläger jeweils am 11.5.2012 Berufung eingelegt (Kläger Verfahren L 5 KR 1980/12, Klägerin Verfahren L 11 KR 1981/12). Mit Beschluss vom 5.7.2012 (L 11 KR 1981/12) wurden beide Berufungsverfahren unter dem Aktenzeichen L 5 KR 1980/12 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Zur Begründung der Berufungen wird vorgetragen, das Sozialgericht sei auf die Frage der Selbstbindung der Beklagten nicht eingegangen. Außerdem habe ein Notfall vorgelegen. Da die zunächst durchgeführte Krankengymnastik erfolglos geblieben sei, habe man sich an einen Arzt in der Sch. gewandt und am 4.2.2010, über sechs Monate nach der Geburt, einen Termin bei Dr. B. bekommen. Eine erste Vorsprache bei der Beklagten habe am Folgetag, dem 5.2.2010 in der A.-Zweigstelle E. stattgefunden. Der Kopf wachse in den ersten 4-6 Lebensmonaten sehr stark. Weitere Verzögerungen seien nicht mehr hinnehmbar gewesen. Die Kopforthesenbehandlung sei erfolgreich verlaufen. Bei der Asymmetrie des Kopfes handele es sich um eine Krankheit, nämlich um eine wesentliche Abweichung vom Normalzustand. Außerdem habe die Gefahr einer Entstellung gedroht; beim Kläger habe die Asymmetrie 2,9 cm betragen und sei auf 0,1 cm verringert worden. Wegen der Schädelasymmetrie hätten sich die Kiefer und der Rücken verzogen. Ohne Behandlung wäre im Kieferbereich ein Unter- bzw. Überbiss entstanden. Die Milchzähne wären in Schiefstellung angewachsen, ebenso später das Gebiss des Erwachsenen. Bei einer Asymmetrie von fast 3 cm hätte das Verziehen des Kiefers eine dauernde Entstellung bewirkt. Dem habe man nur mit der Kopforthesenbehandlung vorbeugen können.
Die Kläger beantragen,
die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Freiburg vom 16.4.2012 (S 11 KR 5555/10 und S 11 KR 5556/10) aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 16.6.2010 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 21.10.2010 zu verurteilen, ihnen die Kosten der durchgeführten Kopforthesenbehandlungen in Höhe von jeweils 1.819 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Gerichtsbescheide für zutreffend und trägt unter Hinweis auf die eingeholten MDK-Gutachten ergänzend vor, die Kopforthesenbehandlung stelle keine Notfallbehandlung dar, die sofort und ohne weitere Verzögerung unmittelbar durchgeführt werden müsste. Eine unaufschiebbare Leistung i. S. d. § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V habe nicht vorgelegen. Vor Behandlungsbeginn hätte man ihre Entscheidung einholen können. Ohne Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses könne die Kopforthesenbehandlung, ungeachtet von Behandlungserfolgen im Einzelfall nicht als ambulante vertragsärztliche Leistung erbracht werden (vgl. auch LSG Hessen, Urt. v. 15.9.2011, - L 1 KR 178/10 -).
Der Senat hat die Beteiligten auf seine Urteile vom 11.7.2012 (- L 5 KR 1466/11 - und L 5 KR 764/12 -) hingewiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Kläger ist gem. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch sonst zulässig; der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750 EUR) ist bei einem Erstattungsbetrag von jeweils 1.819 EUR (insgesamt 3.638 EUR) überschritten. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
I. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Erstattungsanspruch ist § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V. Die Vorschrift bestimmt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.
1.) Der Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V setzt die Unaufschiebbarkeit der Leistung und die Unmöglichkeit der rechtzeitigen Leistungserbringung durch die Krankenkasse voraus.
Die Leistung ist unaufschiebbar, wenn eine dringende Leistungs-, insbesondere Behandlungsbedürftigkeit besteht. Hierfür sind ausschließlich medizinische Kriterien maßgeblich (zu eine Sonderfall BSG, Urt. v. 16.12.1993, - 4 RK 5/92 -); private Dispositionen des Versicherten oder termingebundene Zusagen des Leistungserbringers sind unerheblich. Aus medizinischer Sicht darf keine Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs mehr bestehen. Unaufschiebbar kann auch eine nach diesen Maßstäben zunächst nicht eilbedürftige Leistung (Behandlung) werden, wenn mit der Ausführung so lange gewartet wird, bis die Leistung zwingend erbracht werden muss, damit der mit ihr angestrebte Erfolg noch erreicht werden kann (BSG, Urt. v. 25.9.2000, - B 1 KR 5/99 R -). In solchen Fällen ist aber besonders zu prüfen, ob der Krankenkasse die rechtzeitige Leistungserbringung unmöglich gewesen ist, und zwar auch dann, wenn sich der Versicherte vor der Leistungsbeschaffung (rechtzeitig) an die Krankenkasse gewandt bzw. bei ihr um die Leistung nachgesucht hätte (vgl. etwa BSG, Urt. v. 20.5.2003, - B 1 KR 9/03 R - zu einer Entbindung).
Unaufschiebbare und von der Krankenkasse nicht rechtzeitig zu erbringende Leistung liegen danach vor allem, freilich nicht nur, in Notfällen gem. § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V vor, wenn also dringende Behandlungsbedürftigkeit besteht und ein an der vertragsärztlichen Versorgung teilnahmeberechtigter Arzt nicht rechtzeitig zur Verfügung steht und ohne sofortige Behandlung durch den Nichtvertragsarzt Gefahren für Leib und Leben bestehen oder heftige Schmerzen unzumutbar lang andauern würden (LSG Hessen, Urt. v. 29.4.2010, - L 1 KR 95/08 - m. w. N.). Ein Erstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V besteht bei Notfallbehandlungen nach § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V indessen nicht, da die Notfallleistungen von der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung aus der Gesamtvergütung vergütet werden; dem Versicherten entstehen keine Kosten für die Leistungsbeschaffung (BSG, Urt. v. 18.7.2006, - B 1 KR 24/05 R -; auch BSG, Beschl. v. 14.12.2006, - B 1 KR 114/06 B -). Entsprechendes gilt für die stationäre Notfallbehandlung eines Versicherten in einem nicht zugelassenen Krankenhaus; dessen Vergütungsanspruch richtet sich nicht gegen den Versicherten, sondern allein gegen die Krankenkasse (BSG, Urt. v. 18.7.2006 a. a. O).
Die rechtzeitige Leistung ist der Krankenkasse unmöglich, wenn sie als Dienst- oder Sachleistung mit den im SGB V vorgesehenen persönlichen und sächlichen Mitteln in der gesetzlich vorgeschriebenen Qualität und Art und Weise nicht erbracht werden kann und der Versicherte deswegen gezwungen ist, die Leistung selbst zu beschaffen (BSG, Urt. v. 16.12.1993, - 4 RK 5/92 -). Voraussetzung ist aber, dass sich der Versicherte vor der Leistungsbeschaffung (rechtzeitig) an die Krankenkasse gewandt bzw. bei ihr um die Leistung nachgesucht hat. Der Krankenkasse muss die Prüfung ermöglicht werden, ob die Leistung im Rahmen des Sachleistungssystems bereitgestellt werden kann und wie gegebenenfalls Abhilfe zu schaffen ist. Stets muss der Versicherte alles Erforderlich und Zumutbare getan haben, um die Leistung innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung als Sachleistung zu erhalten. Anderes gilt nur dann, wenn es dem Versicherten (vor allem) aus medizinischer Sicht oder aus anderen Gründen unmöglich oder unzumutbar gewesen ist, die Krankenkasse vor der Leistungsbeschaffung einzuschalten (jurisPK-SGB V/Helbig, § 13 Rdnr. 50 ff.)
2.) Der Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alt. SGB V setzt die rechtswidrige Ablehnung der Leistung durch die Krankenkasse und einen Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Leistungsbeschaffung durch den Versicherten voraus.
Die rechtswidrige Ablehnung der Leistung scheidet für solche (selbst beschaffte) Leistungen von vornherein aus, die von den Krankenkassen allgemein als Sach- oder Dienstleistung nicht zu erbringen sind. Der Kostenerstattungsanspruch gem. § 13 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB V reicht nämlich nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch.
Die Leistungspflicht der Krankenkassen, sei es bei der Hilfsmittelversorgung nach § 33 SGB V oder bei der Krankenbehandlung nach § 27 SGB V, unterliegt den in §§ 2 Abs. 1 und 12 Abs. 1 SGB V gesetzlich festgelegten Grenzen. Nach diesen Vorschriften müssen die Leistungen der Krankenkassen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs. 1 SGB V). Außerdem müssen Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V).
Hinsichtlich neuer, also im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM) nicht enthaltener Behandlungsmethoden (vgl. BSG, Urt. v. 26.9.2006, - B 1 KR 3/06 R – ), ist außerdem das in § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V festgelegte Verbot mit Erlaubnisvorbehalt (BSG, Urt. v. 7.11.2006, - B 1 KR 24/06 R -; Urt. v. 4.4.2006, - B 1 KR 12/05 R -) zu beachten. Danach dürfen neue (Untersuchungs- und) Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen (ambulanten) Versorgung zu Lasten der Krankenkasse nur erbracht werden und gehören auch dann nur zu den den Versicherten von der Krankenkasse geschuldeten Leistungen (BSG, Urt. v. 4.4.2006, - B 1 KR 12/05 R -), wenn der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen u. a. über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit abgegeben hat. An die Entscheidungen des GBA sind Krankenkassen und Gerichte gebunden (BSG, Urt. v. 4.4.2006, - B 1 KR 12/05 R - m.N.). Ohne befürwortende Entscheidung des GBA kommt eine Leistungspflicht der Krankenkassen nicht in Betracht. § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V gilt für vertragsärztliche Untersuchungs- und Behandlungsmethoden. Für Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden bzw. angewandt werden sollen, gilt § 137c Abs. 1 SGB V. Im Verfahren nach § 135 Abs. 1 SGB V entscheidet der GBA (positiv), ob eine neue Methode wegen Anerkennung des diagnostischen oder therapeutischen Nutzens zukünftig zu Lasten der Krankenkasse erbracht werden kann. Im Verfahren nach § 137c SGB V entscheidet er (negativ), ob eine neue Methode von der zugelassenen Leistungserbringung im Krankenhaus wegen nicht bestehender Erforderlichkeit für eine ausreichende, zweckmäßige und notwendige Versorgung ausgeschlossen werden soll.
Der Erlaubnisvorbehalt des § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V erfasst auch die Versorgung mit Hilfsmitteln, die als Teil einer ärztlichen Behandlungsmethode eingesetzt werden, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern (§§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Dann ist die Anwendung des Hilfsmittels - anders als etwa bei Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich - nicht von dem zugrunde liegenden Behandlungskonzept und den dafür geltenden Anforderungen nach § 2 Abs. 1 Satz 3, § 12 Abs. 1 SGB V i. V. m. § 135 Abs. 1 SGB V zu trennen (vgl. BSG, Urt. v. 12.8.2009, - B 3 KR 10/07 R -)
Fehlt für eine neue Behandlungsmethode die gem. § 135 Abs. 1 SGB V eigentlich notwendige (positive) Empfehlung des GBA, kann eine Leistungspflicht der Krankenkasse gleichwohl bestehen, wenn die fehlende Anerkennung darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem GBA trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde und damit ein sog. "Systemversagen" vorliegt. Dann ist die in § 135 Abs. 1 SGB V vorausgesetzte Aktualisierung der Richtlinien nämlich rechtswidrig unterblieben, weshalb die Möglichkeit bestehen muss, das Anwendungsverbot erforderlichenfalls auf andere Weise zu überwinden (näher BSGE 81, 54 sowie BSG, Urt. v. 4.4.2006, - B 1 KR 12/05 R -). Gleiches gilt im Sonderfall einer wegen ihrer Seltenheit praktisch nicht systematisch erforschbaren Krankheit (Seltenheitsfall - vgl. dazu BSGE 93,236).
Der Ursachenzusammenhang zwischen rechtswidriger Leistungsablehnung und Leistungsbeschaffung fehlt, wenn die Kasse vor Inanspruchnahme der Leistung mit dem Leistungsbegehren nicht befasst wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre (BSG, Urt. v. 30.6.2009, - B 1 KR 5/09 R -; vgl. auch § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Der Erstattungsanspruch ist daher ausgeschlossen, wenn der Versicherte vor der Inanspruchnahme bzw. Beschaffung der Leistung nicht die Entscheidung der Krankenkasse über deren Gewährung abgewartet hat (einschränkend BVerfG, Beschl. v. 19.3.2009, - 1 BvR 316/09 -). Das Abwarten (auch) der Entscheidung über einen gegen die Leistungsablehnung eingelegten Widerspruch ist in der Regel aber nicht notwendig (BSG, Urt. v. 23.7.2002, - B 3 KR 66/01 R -).
II. Davon ausgehend haben die Kläger keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Kopforthesenbehandlungen.
Der geltend gemachte Erstattungsanspruch betrifft ersichtlich (allein) die Kosten für die Kopforthesen bzw. deren Anfertigung; die Erstattung der Kosten für weitere (ärztliche) Leistungen im Zuge der Kopforthesenbehandlungen begehren die Kläger nicht.
Um eine unaufschiebbare und von der Beklagten rechtzeitig nicht zu erbringende Leistung i. S. d § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V handelt es sich bei der Kopforthesenbehandlung nicht; erst Recht hat ein Notfall (§ 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V) nicht vorgelegen. Es ist nichts dafür ersichtlich, was der Konfrontierung der Beklagten mit dem Leistungsbegehren rechtzeitig vor Beginn der auf Monate angelegten Behandlung (und nicht erst einen Tag nach Konsultation des Dr. B.) entgegen gestanden hätte. Vor der Kopforthesenbehandlung sind andere Behandlungsmethoden, offenbar ohne ausreichenden Erfolg, angewandt worden und man hat deswegen einen Kinderarzt und Orthopäden befragt und sodann auf deren Rat mit dem die Kopforthesenbehandlung durchführenden Arzt Dr. B. Kontakt aufgenommen und einen Untersuchungstermin vereinbart; außerdem musste auch die Anfertigung der Kopforthese selbst geplant werden. Bei diesem Geschehensablauf gibt es keinen Grund dafür, die Beklagte nicht (auch) rechtzeitig in die Behandlungsplanung einzubeziehen (vgl. auch Senatsurteil vom 11.7.2012, - L 5 KR 1466/11 -).
Die Beklagte hat die Leistung auch nicht gem. § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V zu Unrecht abgelehnt. Die Kopforthesenbehandlung gehört gem. § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V nicht zu den Leistungen, die von der Beklagten als Dienst- oder Sachleistung zu erbringen wäre. Die Kopforthesenbehandlung stellt eine ärztliche Behandlungsmethode dar, wobei die Kopforthese (Helm) selbst gem. § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V i. V. m. § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V als Hilfsmittel zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung (das Vorliegen einer Krankheit i. S. d. § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V unterstellt) angewendet wird. Damit unterliegt die (ambulante) Kopforthesenbehandlung - einschließlich der (Anfertigung der) Kopforthese - dem Erlaubnisvorbehalt des § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Der EBM enthält diese Behandlungsmethode nicht, weshalb sie neu i. S. d. § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V ist. Eine die Kopforthesenbehandlung befürwortende Entscheidung hat der Gemeinsamen Bundesausschusses unstreitig nicht getroffen.
Systemversagen liegt nicht vor. Anhaltspunkte dafür, dass ein Verfahren vor dem Gemeinsamen Bundesausschuss trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt worden wäre, bestehen nicht und werden auch nicht substantiiert geltend gemacht. Die Anwendung der Kopforthesenbehandlung durch einzelne Ärzte und damit (offenbar auch bei den Klägern) erzielte Erfolge genügen hierfür nicht. Wie Dr. Ch. im MDK-Gutachten vom 7.6.2010 dargelegt hat, ist der therapeutische Nutzen der Kopforthesenbehandlung nicht durch Studien mit der notwendigen Evidenz belegt (vgl. auch Senatsurteile vom 11.7.2012, - L 5 KR 764/12 -, und - L 5 KR 1466/11 - ; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 9.5.2012, - L 11 KR 14/12 B ER -).
Auf eine Selbstbindung der Verwaltung können sich die Kläger nicht berufen. Abgesehen davon, dass eine Ermessensentscheidung der Beklagten nicht in Rede steht und die von den Klägern angeführten Bewilligungsbescheide deren Zuständigkeitsbereich nicht betreffen, ist die Gewährung der Kopforthesenbehandlung durch gesetzliche Krankenkassen nach Maßgabe der vorstehend dargestellten Rechtsgrundsätze rechtswidrig; einen Anspruch auf die Wiederholung rechtswidriger Entscheidungen (bzw. "Gleichheit im Unrecht") gibt es nicht.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Kläger begehren die Erstattung der Kosten für Kopforthesenbehandlungen (Helmtherapie).
Die 2009 geborenen Kläger sind Zwillinge; sie sind bei der Beklagten familienversichert.
Offenbar im März 2010 wurde für die Kläger erstmals die Übernahme der Kosten von Kopforthesenbehandlungen beantragt. Dem Antrag war die Bescheinigung des MKG-Chirurgen Dr. B. vom 17.3.2010 beigefügt. Danach bestehe beim Kläger und bei der Klägerin eine nichtsynostotische Plagiocephalie mit Schädelbasisasymmetrie, bei der Klägerin zusätzlich eine Brachycephalie im Sinne eines Liegeschädels. Es sei eine occipitale Abflachung rechts, beim Kläger mit Beteiligung der linken Stirnseite, erkennbar. Außerdem sei die Schädelbasis des Klägers asymmetrisch; das rechte Ohr stehe weiter vorne als das linke Ohr (Asymmetrie beim Kläger 2,9 cm, bei der Klägerin 1,1 cm). Wegen der eindeutig nichtsynostotischen Ursache der Deformität sei jeweils ein konservatives Vorgehen im Wege der Kopforthesenbehandlung indiziert; die Behandlungen (Kosten jeweils 1.819 EUR) seien bereits eingeleitet.
Mit Bescheid vom 21.4.2010 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, sie habe den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung B. (MDK) befragt. Dieser habe mitgeteilt, bei der Kopforthesenbehandlung handele es sich um eine neue Behandlungsmethode, die der Gemeinsame Bundesausschuss noch nicht bewertet habe und die deswegen in der (ambulanten) vertragsärztlichen Versorgung nicht erbracht werden dürfe. Die Kopforthese selbst sei nicht in das Hilfsmittelverzeichnis aufgenommen worden. Zu den konservativen Behandlungsmethoden, die in der vertragsärztlichen Versorgung erbracht werden könnten, gehöre vor allem die Lagerungs- und Positionstherapie; in Abhängigkeit vom Lebensalter des Kindes werde ein mehrstufiges Verfahren empfohlen. Den vorliegenden Unterlagen könne näheres zur Diagnostik, Befundausprägung und Therapie jedoch nicht entnommen werden. Außerdem sei bei dem Befund der Liegedeformität des kindlichen Schädels mit flachem Hinterkopf zunächst von einer kosmetischen Deformität auszugehen, die in der Regel keine Funktionsstörungen zur Folge habe. Eine eindeutige Zuordnung zu einer Erkrankung im versicherungsrechtlichen Sinne sei derzeit nicht möglich.
Am 25.5.2010 wurde für die Kläger (durch den Allgemeinarzt Dr. B.) erneut ein Antrag auf Übernahme der Kosten der Kopforthesenbehandlung gestellt. Bei den Klägern finde derzeit eine Kopforthesenbehandlung statt. Kopffehlformen der vorliegenden Art könnten zu Fehlfunktionen des ganzen Körpers führen. Dem Antrag war eine Bescheinigung des Dr. B. vom 4.5.2010 beigefügt. Darin ist (ergänzend zur Bescheinigung vom 17.3.2010) ausgeführt, die wiederholt vorgenommenen Messwerte hätten eine Verbesserung der Deformität gezeigt (Asymmetrie beim Kläger am 19.3.2010: 1,0 cm; bei der Klägerin keine Asymmetrie mehr).
Die Eltern der Kläger teilten der Beklagten (u.a.) mit, trotz Krankengymnastik sei die Asymmetrie der Köpfe nicht besser geworden, weshalb man mehrere Ärzte (Kinderarzt, Orthopäde) konsultiert habe. nach Absprache mit diesen Ärzten habe man Kontakt mit einem für die Kopforthesentherapie zuständigen Arzt (offenbar Dr. B.) aufgenommen. Dieser habe die Kläger begutachtet und die Kopforthesentherapie für notwendig und erfolgversprechend erachtet.
Die Beklagte befragte erneut den MDK. In den MDK-Gutachten vom 7.6.2010 führte Dr. Ch. aus, der therapeutische Nutzen der Kopforthesenbehandlung sei bislang nicht durch Studien mit der nötigen Evidenz belegt. Insbesondere sei nicht hinreichend untersucht, ob bzw. ab welchem Ausmaß einer Schädeldeformität Krankheitswert zukomme. Die Annahme, eine ausgeprägte Schädeldeformität insbesondere im Bereich der Schädelbasis könne funktionelle Einschränkungen zur Folge haben, sei bislang wissenschaftlich nicht stichhaltig nachgewiesen. Die Kopforthesenbehandlung sei dem Gemeinsamen Bundesausschuss auch nicht zur Bewertung vorgelegt worden. Sie könne daher nicht als vertragsärztliche Leistung ambulant erbracht werden. Im Hinblick auf das Rechtsinstitut des "Systemversagens" wäre notwendig, dass ohne die in Rede stehende Behandlung innerhalb weniger Wochen erkrankungsbedingt mit dem Eintreten einer Verschlimmerung mit Todesfolge, einer schwerwiegenden Behinderung oder von Pflegebedürftigkeit zu rechnen sei. Eine vergleichbar schwerwiegende Gefährdung der Gesundheit könne bei frühkindlichen Schädeldeformierungen allenfalls in sehr seltenen Ausnahmefällen angenommen werden. Notwendig wären ganz ungewöhnlich ausgeprägte, stark entstellende Schädelverformungen, die ggf. mit einer aussagekräftigen Fotodokumentation zu belegen wären. Das sei bei den Klägern nicht der Fall; nach den vorliegenden Informationen sei eine schwerwiegende bleibende Entstellung von ausgeprägtem Krankheitswert nicht zu befürchten. Die etablierte Behandlung eines nichtsynostotischen Plagiocephalus bestehe ihm Erlernen und Vertiefen eines individuell angepassten Handling und der korrekten Lagerung sowie in aktiver funktioneller Stimulation nach neurophysiologischen Behandlungskonzepten (Heilmittelanwendungen).
Mit Bescheid vom 16.6.2010 lehnte die Beklagte den Antrag unter Hinweis auf das MDK-Gutachten vom 7.6.2010 (erneut) ab.
Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs wurde vorgetragen, die im MDK-Gutachten vom 7.6.2010 empfohlenen etablierten Behandlungsmaßnahmen habe man bereits ohne Erfolg angewendet. Angesichts einer Asymmetrie beim Kläger von 2,9 cm habe Dr. B. eine Kopforthesenbehandlung als zwingend notwendig erachtet; bereits ab einer Asymmetrie von 2,0 cm spreche man von einer starken Schädelverformung. Schon sechs Wochen nach Behandlungsbeginn habe man erste positive Ergebnisse verzeichnet. Beide Kläger trügen die Kopforthese nunmehr seit fünf Monaten für 23 Stunden am Tag. Die Asymmetrie und die Kieferverschiebung beim Kläger seien nur noch minimal ausgeprägt; auch bei der Klägerin habe sich die Kopfform positiv verändert.
Die Beklagte befragte (wiederum) den MDK. In der MDK-Stellungnahme vom 1.9.2010 führte Dr. Ch. aus, neue medizinische Gesichtspunkte hätten sich nicht ergeben. Die Kostenübernahme könne nicht empfohlen werden.
Mit Widerspruchsbescheiden vom 21.10.2010 wies die Beklagte die Widersprüche zurück, worauf die Kläger am 28.10.2010 Klagen beim Sozialgericht Freiburg erhoben (Verfahren S 11 KR 5555/19 und S 11 KR 5556/10). Sie trugen vor, Physiotherapie und Krankengymnastik seien erfolglos angewendet worden, weshalb eine Kopforthesenbehandlung notwendig geworden sei; diese sei erfolgreich gewesen (Asymmetrie beim Kläger noch 0,1 cm). Die Kopforthesenbehandlung stelle keine gänzlich neue Behandlungsmethode dar. Sie werde schon seit Jahren praktiziert und könne beeindruckende Ergebnisse erzielen. Bei einer Asymmetrie von 2 cm werde von starker Deformität gesprochen. Wegen der Sichtbarkeit im Erwachsenenalter bestehe daher eine absolute Behandlungsindikation. Mit der Kopforthesenbehandlung könnten in den ersten sechs Lebensmonaten auch starke Deformitäten ausgeglichen werden. Der Gemeinsame Bundesausschuss hätte die Kopforthesenbehandlung prüfen müssen, da sie in der Medizin breit diskutiert und von vielen Ärzten angewandt werde. Daher liege ein Systemversagen vor. Andere Krankenkassen (auch allgemeine Ortskrankenkassen anderer Bundesländer) hätten die Kosten für Kopforthesenbehandlungen übernommen, wodurch eine Selbstbindung der Verwaltung eingetreten sei.
Die Beklagte trug (ergänzend) vor, sie habe (in ihrem Zuständigkeitsbereich) eine Verwaltungspraxis hinsichtlich der Kostenübernahme für Kopforthesenbehandlungen nicht begründet. Bei den Klägern bestünden optische Abweichungen von der als normal empfundenen durchschnittlichen Kopfform ohne funktionelle Einschränkungen. Die Deformität habe daher keinen Krankheitswert. Systemversagen liege nicht vor.
Mit Gerichtsbescheiden vom 16.4.2012 wies das Sozialgericht die Klagen ab. Zur Begründung führte es aus, die Voraussetzungen des Kostenerstattungsanspruchs in § 13 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) seien nicht erfüllt, weil die Beklagte die Gewährung der Kopforthesenbehandlung bei beiden Klägern zu Recht abgelehnt habe. Die Kopforthesenbehandlung stelle eine neue Behandlungsmethode dar, die gem. § 135 Abs. 1 SGB V ohne Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses in der vertragsärztlichen (ambulanten) Versorgung nicht erbracht werden dürfe. Außerdem hätten die Kläger den in § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V vorgesehenen Beschaffungsweg nicht eingehalten, die Behandlung vielmehr bereits vor Antragstellung bei der Beklagten begonnen.
Auf die ihnen am 18.4.2012 zugestellten Gerichtsbescheide haben die Kläger jeweils am 11.5.2012 Berufung eingelegt (Kläger Verfahren L 5 KR 1980/12, Klägerin Verfahren L 11 KR 1981/12). Mit Beschluss vom 5.7.2012 (L 11 KR 1981/12) wurden beide Berufungsverfahren unter dem Aktenzeichen L 5 KR 1980/12 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Zur Begründung der Berufungen wird vorgetragen, das Sozialgericht sei auf die Frage der Selbstbindung der Beklagten nicht eingegangen. Außerdem habe ein Notfall vorgelegen. Da die zunächst durchgeführte Krankengymnastik erfolglos geblieben sei, habe man sich an einen Arzt in der Sch. gewandt und am 4.2.2010, über sechs Monate nach der Geburt, einen Termin bei Dr. B. bekommen. Eine erste Vorsprache bei der Beklagten habe am Folgetag, dem 5.2.2010 in der A.-Zweigstelle E. stattgefunden. Der Kopf wachse in den ersten 4-6 Lebensmonaten sehr stark. Weitere Verzögerungen seien nicht mehr hinnehmbar gewesen. Die Kopforthesenbehandlung sei erfolgreich verlaufen. Bei der Asymmetrie des Kopfes handele es sich um eine Krankheit, nämlich um eine wesentliche Abweichung vom Normalzustand. Außerdem habe die Gefahr einer Entstellung gedroht; beim Kläger habe die Asymmetrie 2,9 cm betragen und sei auf 0,1 cm verringert worden. Wegen der Schädelasymmetrie hätten sich die Kiefer und der Rücken verzogen. Ohne Behandlung wäre im Kieferbereich ein Unter- bzw. Überbiss entstanden. Die Milchzähne wären in Schiefstellung angewachsen, ebenso später das Gebiss des Erwachsenen. Bei einer Asymmetrie von fast 3 cm hätte das Verziehen des Kiefers eine dauernde Entstellung bewirkt. Dem habe man nur mit der Kopforthesenbehandlung vorbeugen können.
Die Kläger beantragen,
die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Freiburg vom 16.4.2012 (S 11 KR 5555/10 und S 11 KR 5556/10) aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 16.6.2010 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 21.10.2010 zu verurteilen, ihnen die Kosten der durchgeführten Kopforthesenbehandlungen in Höhe von jeweils 1.819 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Gerichtsbescheide für zutreffend und trägt unter Hinweis auf die eingeholten MDK-Gutachten ergänzend vor, die Kopforthesenbehandlung stelle keine Notfallbehandlung dar, die sofort und ohne weitere Verzögerung unmittelbar durchgeführt werden müsste. Eine unaufschiebbare Leistung i. S. d. § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V habe nicht vorgelegen. Vor Behandlungsbeginn hätte man ihre Entscheidung einholen können. Ohne Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses könne die Kopforthesenbehandlung, ungeachtet von Behandlungserfolgen im Einzelfall nicht als ambulante vertragsärztliche Leistung erbracht werden (vgl. auch LSG Hessen, Urt. v. 15.9.2011, - L 1 KR 178/10 -).
Der Senat hat die Beteiligten auf seine Urteile vom 11.7.2012 (- L 5 KR 1466/11 - und L 5 KR 764/12 -) hingewiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Kläger ist gem. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch sonst zulässig; der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750 EUR) ist bei einem Erstattungsbetrag von jeweils 1.819 EUR (insgesamt 3.638 EUR) überschritten. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
I. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Erstattungsanspruch ist § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V. Die Vorschrift bestimmt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.
1.) Der Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V setzt die Unaufschiebbarkeit der Leistung und die Unmöglichkeit der rechtzeitigen Leistungserbringung durch die Krankenkasse voraus.
Die Leistung ist unaufschiebbar, wenn eine dringende Leistungs-, insbesondere Behandlungsbedürftigkeit besteht. Hierfür sind ausschließlich medizinische Kriterien maßgeblich (zu eine Sonderfall BSG, Urt. v. 16.12.1993, - 4 RK 5/92 -); private Dispositionen des Versicherten oder termingebundene Zusagen des Leistungserbringers sind unerheblich. Aus medizinischer Sicht darf keine Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs mehr bestehen. Unaufschiebbar kann auch eine nach diesen Maßstäben zunächst nicht eilbedürftige Leistung (Behandlung) werden, wenn mit der Ausführung so lange gewartet wird, bis die Leistung zwingend erbracht werden muss, damit der mit ihr angestrebte Erfolg noch erreicht werden kann (BSG, Urt. v. 25.9.2000, - B 1 KR 5/99 R -). In solchen Fällen ist aber besonders zu prüfen, ob der Krankenkasse die rechtzeitige Leistungserbringung unmöglich gewesen ist, und zwar auch dann, wenn sich der Versicherte vor der Leistungsbeschaffung (rechtzeitig) an die Krankenkasse gewandt bzw. bei ihr um die Leistung nachgesucht hätte (vgl. etwa BSG, Urt. v. 20.5.2003, - B 1 KR 9/03 R - zu einer Entbindung).
Unaufschiebbare und von der Krankenkasse nicht rechtzeitig zu erbringende Leistung liegen danach vor allem, freilich nicht nur, in Notfällen gem. § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V vor, wenn also dringende Behandlungsbedürftigkeit besteht und ein an der vertragsärztlichen Versorgung teilnahmeberechtigter Arzt nicht rechtzeitig zur Verfügung steht und ohne sofortige Behandlung durch den Nichtvertragsarzt Gefahren für Leib und Leben bestehen oder heftige Schmerzen unzumutbar lang andauern würden (LSG Hessen, Urt. v. 29.4.2010, - L 1 KR 95/08 - m. w. N.). Ein Erstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V besteht bei Notfallbehandlungen nach § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V indessen nicht, da die Notfallleistungen von der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung aus der Gesamtvergütung vergütet werden; dem Versicherten entstehen keine Kosten für die Leistungsbeschaffung (BSG, Urt. v. 18.7.2006, - B 1 KR 24/05 R -; auch BSG, Beschl. v. 14.12.2006, - B 1 KR 114/06 B -). Entsprechendes gilt für die stationäre Notfallbehandlung eines Versicherten in einem nicht zugelassenen Krankenhaus; dessen Vergütungsanspruch richtet sich nicht gegen den Versicherten, sondern allein gegen die Krankenkasse (BSG, Urt. v. 18.7.2006 a. a. O).
Die rechtzeitige Leistung ist der Krankenkasse unmöglich, wenn sie als Dienst- oder Sachleistung mit den im SGB V vorgesehenen persönlichen und sächlichen Mitteln in der gesetzlich vorgeschriebenen Qualität und Art und Weise nicht erbracht werden kann und der Versicherte deswegen gezwungen ist, die Leistung selbst zu beschaffen (BSG, Urt. v. 16.12.1993, - 4 RK 5/92 -). Voraussetzung ist aber, dass sich der Versicherte vor der Leistungsbeschaffung (rechtzeitig) an die Krankenkasse gewandt bzw. bei ihr um die Leistung nachgesucht hat. Der Krankenkasse muss die Prüfung ermöglicht werden, ob die Leistung im Rahmen des Sachleistungssystems bereitgestellt werden kann und wie gegebenenfalls Abhilfe zu schaffen ist. Stets muss der Versicherte alles Erforderlich und Zumutbare getan haben, um die Leistung innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung als Sachleistung zu erhalten. Anderes gilt nur dann, wenn es dem Versicherten (vor allem) aus medizinischer Sicht oder aus anderen Gründen unmöglich oder unzumutbar gewesen ist, die Krankenkasse vor der Leistungsbeschaffung einzuschalten (jurisPK-SGB V/Helbig, § 13 Rdnr. 50 ff.)
2.) Der Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alt. SGB V setzt die rechtswidrige Ablehnung der Leistung durch die Krankenkasse und einen Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Leistungsbeschaffung durch den Versicherten voraus.
Die rechtswidrige Ablehnung der Leistung scheidet für solche (selbst beschaffte) Leistungen von vornherein aus, die von den Krankenkassen allgemein als Sach- oder Dienstleistung nicht zu erbringen sind. Der Kostenerstattungsanspruch gem. § 13 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB V reicht nämlich nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch.
Die Leistungspflicht der Krankenkassen, sei es bei der Hilfsmittelversorgung nach § 33 SGB V oder bei der Krankenbehandlung nach § 27 SGB V, unterliegt den in §§ 2 Abs. 1 und 12 Abs. 1 SGB V gesetzlich festgelegten Grenzen. Nach diesen Vorschriften müssen die Leistungen der Krankenkassen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs. 1 SGB V). Außerdem müssen Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V).
Hinsichtlich neuer, also im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM) nicht enthaltener Behandlungsmethoden (vgl. BSG, Urt. v. 26.9.2006, - B 1 KR 3/06 R – ), ist außerdem das in § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V festgelegte Verbot mit Erlaubnisvorbehalt (BSG, Urt. v. 7.11.2006, - B 1 KR 24/06 R -; Urt. v. 4.4.2006, - B 1 KR 12/05 R -) zu beachten. Danach dürfen neue (Untersuchungs- und) Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen (ambulanten) Versorgung zu Lasten der Krankenkasse nur erbracht werden und gehören auch dann nur zu den den Versicherten von der Krankenkasse geschuldeten Leistungen (BSG, Urt. v. 4.4.2006, - B 1 KR 12/05 R -), wenn der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen u. a. über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit abgegeben hat. An die Entscheidungen des GBA sind Krankenkassen und Gerichte gebunden (BSG, Urt. v. 4.4.2006, - B 1 KR 12/05 R - m.N.). Ohne befürwortende Entscheidung des GBA kommt eine Leistungspflicht der Krankenkassen nicht in Betracht. § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V gilt für vertragsärztliche Untersuchungs- und Behandlungsmethoden. Für Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden bzw. angewandt werden sollen, gilt § 137c Abs. 1 SGB V. Im Verfahren nach § 135 Abs. 1 SGB V entscheidet der GBA (positiv), ob eine neue Methode wegen Anerkennung des diagnostischen oder therapeutischen Nutzens zukünftig zu Lasten der Krankenkasse erbracht werden kann. Im Verfahren nach § 137c SGB V entscheidet er (negativ), ob eine neue Methode von der zugelassenen Leistungserbringung im Krankenhaus wegen nicht bestehender Erforderlichkeit für eine ausreichende, zweckmäßige und notwendige Versorgung ausgeschlossen werden soll.
Der Erlaubnisvorbehalt des § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V erfasst auch die Versorgung mit Hilfsmitteln, die als Teil einer ärztlichen Behandlungsmethode eingesetzt werden, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern (§§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Dann ist die Anwendung des Hilfsmittels - anders als etwa bei Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich - nicht von dem zugrunde liegenden Behandlungskonzept und den dafür geltenden Anforderungen nach § 2 Abs. 1 Satz 3, § 12 Abs. 1 SGB V i. V. m. § 135 Abs. 1 SGB V zu trennen (vgl. BSG, Urt. v. 12.8.2009, - B 3 KR 10/07 R -)
Fehlt für eine neue Behandlungsmethode die gem. § 135 Abs. 1 SGB V eigentlich notwendige (positive) Empfehlung des GBA, kann eine Leistungspflicht der Krankenkasse gleichwohl bestehen, wenn die fehlende Anerkennung darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem GBA trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde und damit ein sog. "Systemversagen" vorliegt. Dann ist die in § 135 Abs. 1 SGB V vorausgesetzte Aktualisierung der Richtlinien nämlich rechtswidrig unterblieben, weshalb die Möglichkeit bestehen muss, das Anwendungsverbot erforderlichenfalls auf andere Weise zu überwinden (näher BSGE 81, 54 sowie BSG, Urt. v. 4.4.2006, - B 1 KR 12/05 R -). Gleiches gilt im Sonderfall einer wegen ihrer Seltenheit praktisch nicht systematisch erforschbaren Krankheit (Seltenheitsfall - vgl. dazu BSGE 93,236).
Der Ursachenzusammenhang zwischen rechtswidriger Leistungsablehnung und Leistungsbeschaffung fehlt, wenn die Kasse vor Inanspruchnahme der Leistung mit dem Leistungsbegehren nicht befasst wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre (BSG, Urt. v. 30.6.2009, - B 1 KR 5/09 R -; vgl. auch § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Der Erstattungsanspruch ist daher ausgeschlossen, wenn der Versicherte vor der Inanspruchnahme bzw. Beschaffung der Leistung nicht die Entscheidung der Krankenkasse über deren Gewährung abgewartet hat (einschränkend BVerfG, Beschl. v. 19.3.2009, - 1 BvR 316/09 -). Das Abwarten (auch) der Entscheidung über einen gegen die Leistungsablehnung eingelegten Widerspruch ist in der Regel aber nicht notwendig (BSG, Urt. v. 23.7.2002, - B 3 KR 66/01 R -).
II. Davon ausgehend haben die Kläger keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Kopforthesenbehandlungen.
Der geltend gemachte Erstattungsanspruch betrifft ersichtlich (allein) die Kosten für die Kopforthesen bzw. deren Anfertigung; die Erstattung der Kosten für weitere (ärztliche) Leistungen im Zuge der Kopforthesenbehandlungen begehren die Kläger nicht.
Um eine unaufschiebbare und von der Beklagten rechtzeitig nicht zu erbringende Leistung i. S. d § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V handelt es sich bei der Kopforthesenbehandlung nicht; erst Recht hat ein Notfall (§ 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V) nicht vorgelegen. Es ist nichts dafür ersichtlich, was der Konfrontierung der Beklagten mit dem Leistungsbegehren rechtzeitig vor Beginn der auf Monate angelegten Behandlung (und nicht erst einen Tag nach Konsultation des Dr. B.) entgegen gestanden hätte. Vor der Kopforthesenbehandlung sind andere Behandlungsmethoden, offenbar ohne ausreichenden Erfolg, angewandt worden und man hat deswegen einen Kinderarzt und Orthopäden befragt und sodann auf deren Rat mit dem die Kopforthesenbehandlung durchführenden Arzt Dr. B. Kontakt aufgenommen und einen Untersuchungstermin vereinbart; außerdem musste auch die Anfertigung der Kopforthese selbst geplant werden. Bei diesem Geschehensablauf gibt es keinen Grund dafür, die Beklagte nicht (auch) rechtzeitig in die Behandlungsplanung einzubeziehen (vgl. auch Senatsurteil vom 11.7.2012, - L 5 KR 1466/11 -).
Die Beklagte hat die Leistung auch nicht gem. § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V zu Unrecht abgelehnt. Die Kopforthesenbehandlung gehört gem. § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V nicht zu den Leistungen, die von der Beklagten als Dienst- oder Sachleistung zu erbringen wäre. Die Kopforthesenbehandlung stellt eine ärztliche Behandlungsmethode dar, wobei die Kopforthese (Helm) selbst gem. § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V i. V. m. § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V als Hilfsmittel zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung (das Vorliegen einer Krankheit i. S. d. § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V unterstellt) angewendet wird. Damit unterliegt die (ambulante) Kopforthesenbehandlung - einschließlich der (Anfertigung der) Kopforthese - dem Erlaubnisvorbehalt des § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Der EBM enthält diese Behandlungsmethode nicht, weshalb sie neu i. S. d. § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V ist. Eine die Kopforthesenbehandlung befürwortende Entscheidung hat der Gemeinsamen Bundesausschusses unstreitig nicht getroffen.
Systemversagen liegt nicht vor. Anhaltspunkte dafür, dass ein Verfahren vor dem Gemeinsamen Bundesausschuss trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt worden wäre, bestehen nicht und werden auch nicht substantiiert geltend gemacht. Die Anwendung der Kopforthesenbehandlung durch einzelne Ärzte und damit (offenbar auch bei den Klägern) erzielte Erfolge genügen hierfür nicht. Wie Dr. Ch. im MDK-Gutachten vom 7.6.2010 dargelegt hat, ist der therapeutische Nutzen der Kopforthesenbehandlung nicht durch Studien mit der notwendigen Evidenz belegt (vgl. auch Senatsurteile vom 11.7.2012, - L 5 KR 764/12 -, und - L 5 KR 1466/11 - ; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 9.5.2012, - L 11 KR 14/12 B ER -).
Auf eine Selbstbindung der Verwaltung können sich die Kläger nicht berufen. Abgesehen davon, dass eine Ermessensentscheidung der Beklagten nicht in Rede steht und die von den Klägern angeführten Bewilligungsbescheide deren Zuständigkeitsbereich nicht betreffen, ist die Gewährung der Kopforthesenbehandlung durch gesetzliche Krankenkassen nach Maßgabe der vorstehend dargestellten Rechtsgrundsätze rechtswidrig; einen Anspruch auf die Wiederholung rechtswidriger Entscheidungen (bzw. "Gleichheit im Unrecht") gibt es nicht.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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BWB
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