Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 2 AL 443/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 4703/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 23. September 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 30. Oktober 2010 bis 28. Januar 2011 wegen des Eintritts zweier Sperrzeiten.
Der 1981 geborene Kläger war ab 26. Oktober 2007 als Abbruchhelfer bei der Firma B. A. in B. beschäftigt. Mit Schreiben der Arbeitgeberin vom 27. September 2010 wurde das Arbeitsverhältnis wegen vertragswidrigen Verhaltens zum 29. Oktober 2010 gekündigt und der Kläger auf seine Obliegenheit zur Meldung bei der Beklagten hingewiesen.
Der Kläger meldete sich am 6. Oktober 2010 mit Wirkung zum 30. Oktober 2010 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg.
Mit Bescheid vom 9. November 2010 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit in der Zeit vom 30. Oktober 2010 bis 21. Januar 2011 wegen vertragswidrigen Verhaltens fest unter Hinweis auf die Minderung der Anspruchsdauer um 90 Tage. Mit weiterem Bescheid vom 9. November 2010 stellte sie den Eintritt einer weiteren Sperrzeit wegen verspäteter Arbeitssuchendmeldung für die Zeit vom 22. bis 28. Januar 2011 fest unter Hinweis auf eine Minderung der Anspruchsdauer auf Alg um sieben Tage. Mit Bescheid vom 9. November 2010 wurde dem Kläger zudem Alg ab 29. Januar 2011 mit einem Leistungsbetrag von 31,91 EUR täglich bewilligt. Wegen Aufnahme einer Beschäftigung hob die Beklagte die Leistungsbewilligung ab 1. Dezember 2010 wieder auf (Bescheid vom 17. Dezember 2010).
Mit seinem Widerspruch vom 26. November 2010 wandte sich der Kläger gegen die Bescheide vom 9. November 2010 und machte geltend, er habe sich nicht vertragswidrig verhalten. Er sei bei Abbrucharbeiten am 24. September 2010 umgeknickt und habe sich eine Bänderüberdehnung zugezogen, weshalb er bis einschließlich 8. Oktober 2010 arbeitsunfähig krankgeschrieben sei. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen habe der Arbeitgeber sodann die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit sofortiger Wirkung erklärt. Soweit sich der Kläger nicht innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis von der Arbeitsunfähigkeit arbeitslos gemeldet habe, werde auf die Arbeitsunfähigkeit hingewiesen; aufgrund der Bänderüberdehnung seien ihm Botengänge zu Fuß nicht möglich gewesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Januar 2011 wies die Beklagte die Widersprüche zurück. Hiergegen richtet sich die am 9. Februar 2011 zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhobene Klage. Während des Klageverfahrens verzog der Kläger mit unbekannter Anschrift und war weder für das SG noch seinen Prozessbevollmächtigten erreichbar.
Mit Gerichtsbescheid vom 23. September 2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Kläger fehle es am erforderlichen Rechtsschutzinteresse für eine gerichtliche Entscheidung, die Klage sei nicht (mehr) zulässig. Das Rechtsschutzinteresse fehle u.a. dann, wenn der Kläger in der Sache längere Zeit nichts von sich hören lasse und sich so verhalte, dass sein Desinteresse an einer Entscheidung des Gerichts offensichtlich sei. Dies gelte jedenfalls dann, wenn ein Prozessbevollmächtigter nicht mehr bestellt sei. Vorliegend fehle es an einem fortbestehenden Rechtsschutzinteresse trotz des Umstandes, dass der Kläger einen Prozessbevollmächtigten bestellt habe. Denn der Kläger sei jedenfalls seit dem 10. März 2011 unbekannt verzogen und seither - auch für seinen Prozessbevollmächtigten - nicht mehr erreichbar. Der Kläger sei mit anderen Worten "untergetaucht", woraus der Schluss zu ziehen sei, dass er an einer Entscheidung über seine Klage nicht mehr interessiert und das Rechtsschutzinteresse für die vorliegende Klage nicht (mehr) gegeben sei. Zwar könne sich der Kläger bei Bestellung eines Prozessbevollmächtigten grundsätzlich darauf verlassen, dass dieser alles nötige veranlassen werde. Indes sei ein solches Vertrauen nur dann gerechtfertigt, wenn zwischen Kläger und seinem Prozessbevollmächtigten ein Mindestmaß an Kontakt fortbestehe. Trotz des im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes bestehe das Erfordernis eines Mindestmaßes an aktiver Mitwirkung des Klägers, die nicht durch den Prozessbevollmächtigen allein bewirkt werden könne, wie beispielsweise mit Blick auf die vorgetragenen gesundheitlichen Gründe für die verspätete Arbeitssuchendmeldung zur Durchführung der erforderliche Ermittlungen nötige Angabe der seiner Zeit behandelnden Ärzte sowie der Befreiung derselben von der ärztlichen Schweigepflicht.
Gegen den ihm am 28. September 2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Bevollmächtigte des Klägers am 28. Oktober 2011 Berufung eingelegt. Nach seiner Auffassung wäre das SG verpflichtet gewesen, zu klären, ob dem Kläger ein die Sperrzeit auslösendes vertragswidriges Verhalten zu Last gelegt werden könne. Das SG hätte den zuständigen Sachbearbeiter bei der Arbeitgeberin als Zeugen hören müssen, gegebenenfalls auch den zuständigen Sachbearbeiter der Beklagten. Zur Frage des Rechtsschutzbedürfnisses werde noch einmal daraufhin gewiesen, dass der Kläger dem Bevollmächtigten am 22. November 2010 Prozessvollmacht erteilt habe. Anhaltspunkte, dass der Kläger kein Interesse mehr daran habe, die aus seiner Sicht rechtswidrige Sperre beim Bezug von Alg überprüfen zu lassen, lägen nicht vor. Im Übrigen wird vorgetragen, die Arbeitgeberin habe zur Begründung der Kündigung ausgeführt, der Kläger habe ständig seine persönliche Schutzausrüstung nicht ordnungsgemäß getragen und sich hierbei auf ein Abmahnschreiben vom 24. September 2010 bezogen. Ein Verhalten, welches bereits Gegenstand einer Abmahnung war, könne indes nicht zum Gegenstand einer Kündigung gemacht werden. Durch den Ausspruch der Abmahnung werde das beanstandete Verhalten "verbraucht". Angenommen, die vierte Abmahnung vom 24. September 2010 sei wegen des Nichttragens des Helmes an diesem Tag erfolgt, könnte eine Kündigung wegen des Nichttragens des Helmes nur ausgesprochen werden, wenn dieses nach Ausspruch der Abmahnung erfolgt sei, sodass der Kläger am 25. September 2010 oder einem späteren Tag auf der Baustelle hätte angetroffen werden müssen, ohne dass er einen Helm getragen hätte. Nach dem der Kläger krankgeschrieben gewesen sei, sei davon auszugehen, dass er nach dem 24. September 2010 nicht mehr für die Firma B. A. gearbeitet habe. Darüber hinaus könne eine Kündigung wegen der Verletzung einer vertraglichen Nebenleistungspflicht nur wirksam sein, wenn der Arbeitnehmer zuvor einschlägig abgemahnt worden sei. Dabei müsse das Fehlverhalten nach Ort, Zeit und Datum nachvollziehbar in der Abmahnung beschrieben werden. Den Anforderungen genüge die Abmahnung vom 24. September 2010 nicht. Die dritte Abmahnung vom 8. April 2010 könne ebenfalls keine Rechtswirkungen entfalten. Soweit aus ihr überhaupt ein Verstoß ersichtlich sei, dann wohl der des Führens privater Telefongespräche während der Arbeitszeit. Soweit in der Abmahnung der Kläger nochmals daran erinnert werde, die persönliche Schutzausrüstung zu tragen, sei ein konkreter Verstoß nicht ersichtlich. Die Abmahnungen vom 12. März und 8. Januar 2008 könnten bereits aufgrund des Zeitablaufs keine Rechtswirkungen mehr entfalten, unabhängig davon, ob sie hinreichend konkretisiert seien. Ein vertragswidriges Verhalten des Klägers, welches die Firma B. A. zum Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung berechtigen könnte, sei nicht ersichtlich. Die Verhängung der Sperrzeit stelle sich als im höchsten Maße rechtswidrig dar.
Nachdem sich der Kläger erneut arbeitslos gemeldet hatte, teilte die Beklagte die aktuelle Anschrift des Klägers mit. Zum Erörterungstermin am 27. Juli 2012 ist der ordnungsgemäß geladene Kläger nicht erschienen, auf Schreiben des Gerichts hat er nicht reagiert, auch nach Mitteilung seines Prozessbevollmächtigten hatte dieser keinen Kontakt mit dem Kläger.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 23. September 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 9. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Januar 2011 zu verurteilen, dem Kläger Arbeitslosengeld ab 30. Oktober 2010 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die Ausführungen im Gerichtsbescheid.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung, über die der Senat nach erteiltem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden konnte, hat keinen Erfolg.
Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung ist statthaft (§ 143 SGG) und damit zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstands 750,- EUR übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Berufung ist in der Sache jedoch unbegründet, da das SG die Klage im Ergebnis zu Recht als unzulässig abgewiesen hat. Der Senat lässt insoweit ausdrücklich offen, ob der Klage wegen des "Untertauchens" des Klägers bereits das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, denn jedenfalls war die Klage schon wegen der fehlenden Anschrift des Klägers im Zeitpunkt der Entscheidung des SG nicht mehr zulässig.
Ein zulässiges Rechtsschutzbegehren erfordert im Regelfall, dass dem angerufenen Gericht die Wohnanschrift des Rechtssuchenden genannt wird (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 18. November 2003 - B 1 KR 1/02 S - SozR 4-1500 § 90 Nr. 1; Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 13. April 1999 - 1 C 24/97 - NJW 1999, 2608; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 92 Rdnr. 3). Die Angabe der ladungsfähigen Anschrift muss grundsätzlich jedenfalls zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorliegen, es handelt sich insoweit um eine wesentliche ungeschriebene weitere Sachurteilsvoraussetzung (vgl. BSG, Beschluss vom 18. November 2003, a.a.O.). Die Anschrift des Klägers war zum Zeitpunkt der Entscheidung des SG nicht bekannt, sie ist der Beklagten erst am 30. November 2011 durch die erneute Arbeitslosmeldung des Klägers bekannt geworden; die Beklagte hat sodann mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2011 dem Senat die neue Anschrift des Klägers mitgeteilt. Ein triftiger, von der Rechtsordnung zu billigender Grund für die fehlende Angabe der ladungsfähigen Anschrift vor dem SG, der die Pflicht zur Angabe der Wohnungsanschrift entfallen ließe (vgl. hierzu BVerG, Urteil vom 13. April 1999, a.a.O.), ist nicht ansatzweise ersichtlich.
Das erneute Bekanntwerden einer ladungsfähigen Anschrift des Klägers im Berufungsverfahren kann die fehlende Sachurteilsvoraussetzung im Zeitpunkt der Entscheidung des SG nicht heilen, die Klage kann insoweit nicht nachträglich zulässig werden. Grundsätzlich prüft auch das Rechtsmittelgericht, ob für die Vorinstanz die Sachurteilsvoraussetzungen vorgelegen haben (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 21. Juni 2011 - 1 L 266/06 - Juris m.w.N.). Angesichts der auch im Berufungsverfahren zu berücksichtigenden Unzulässigkeit der Klage vor dem SG ist dem Senat insoweit eine Prüfung des klägerischen Begehrens in der Sache verwehrt. Die Beteiligten sind im Erörterungstermin am 24. Juli 2012 auf diesen rechtlichen Gesichtspunkt hingewiesen worden. Eine weitere Stellungnahme des Bevollmächtigten des Klägers ist hierauf nicht erfolgt, vielmehr wurde Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erteilt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 30. Oktober 2010 bis 28. Januar 2011 wegen des Eintritts zweier Sperrzeiten.
Der 1981 geborene Kläger war ab 26. Oktober 2007 als Abbruchhelfer bei der Firma B. A. in B. beschäftigt. Mit Schreiben der Arbeitgeberin vom 27. September 2010 wurde das Arbeitsverhältnis wegen vertragswidrigen Verhaltens zum 29. Oktober 2010 gekündigt und der Kläger auf seine Obliegenheit zur Meldung bei der Beklagten hingewiesen.
Der Kläger meldete sich am 6. Oktober 2010 mit Wirkung zum 30. Oktober 2010 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg.
Mit Bescheid vom 9. November 2010 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit in der Zeit vom 30. Oktober 2010 bis 21. Januar 2011 wegen vertragswidrigen Verhaltens fest unter Hinweis auf die Minderung der Anspruchsdauer um 90 Tage. Mit weiterem Bescheid vom 9. November 2010 stellte sie den Eintritt einer weiteren Sperrzeit wegen verspäteter Arbeitssuchendmeldung für die Zeit vom 22. bis 28. Januar 2011 fest unter Hinweis auf eine Minderung der Anspruchsdauer auf Alg um sieben Tage. Mit Bescheid vom 9. November 2010 wurde dem Kläger zudem Alg ab 29. Januar 2011 mit einem Leistungsbetrag von 31,91 EUR täglich bewilligt. Wegen Aufnahme einer Beschäftigung hob die Beklagte die Leistungsbewilligung ab 1. Dezember 2010 wieder auf (Bescheid vom 17. Dezember 2010).
Mit seinem Widerspruch vom 26. November 2010 wandte sich der Kläger gegen die Bescheide vom 9. November 2010 und machte geltend, er habe sich nicht vertragswidrig verhalten. Er sei bei Abbrucharbeiten am 24. September 2010 umgeknickt und habe sich eine Bänderüberdehnung zugezogen, weshalb er bis einschließlich 8. Oktober 2010 arbeitsunfähig krankgeschrieben sei. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen habe der Arbeitgeber sodann die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit sofortiger Wirkung erklärt. Soweit sich der Kläger nicht innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis von der Arbeitsunfähigkeit arbeitslos gemeldet habe, werde auf die Arbeitsunfähigkeit hingewiesen; aufgrund der Bänderüberdehnung seien ihm Botengänge zu Fuß nicht möglich gewesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Januar 2011 wies die Beklagte die Widersprüche zurück. Hiergegen richtet sich die am 9. Februar 2011 zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhobene Klage. Während des Klageverfahrens verzog der Kläger mit unbekannter Anschrift und war weder für das SG noch seinen Prozessbevollmächtigten erreichbar.
Mit Gerichtsbescheid vom 23. September 2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Kläger fehle es am erforderlichen Rechtsschutzinteresse für eine gerichtliche Entscheidung, die Klage sei nicht (mehr) zulässig. Das Rechtsschutzinteresse fehle u.a. dann, wenn der Kläger in der Sache längere Zeit nichts von sich hören lasse und sich so verhalte, dass sein Desinteresse an einer Entscheidung des Gerichts offensichtlich sei. Dies gelte jedenfalls dann, wenn ein Prozessbevollmächtigter nicht mehr bestellt sei. Vorliegend fehle es an einem fortbestehenden Rechtsschutzinteresse trotz des Umstandes, dass der Kläger einen Prozessbevollmächtigten bestellt habe. Denn der Kläger sei jedenfalls seit dem 10. März 2011 unbekannt verzogen und seither - auch für seinen Prozessbevollmächtigten - nicht mehr erreichbar. Der Kläger sei mit anderen Worten "untergetaucht", woraus der Schluss zu ziehen sei, dass er an einer Entscheidung über seine Klage nicht mehr interessiert und das Rechtsschutzinteresse für die vorliegende Klage nicht (mehr) gegeben sei. Zwar könne sich der Kläger bei Bestellung eines Prozessbevollmächtigten grundsätzlich darauf verlassen, dass dieser alles nötige veranlassen werde. Indes sei ein solches Vertrauen nur dann gerechtfertigt, wenn zwischen Kläger und seinem Prozessbevollmächtigten ein Mindestmaß an Kontakt fortbestehe. Trotz des im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes bestehe das Erfordernis eines Mindestmaßes an aktiver Mitwirkung des Klägers, die nicht durch den Prozessbevollmächtigen allein bewirkt werden könne, wie beispielsweise mit Blick auf die vorgetragenen gesundheitlichen Gründe für die verspätete Arbeitssuchendmeldung zur Durchführung der erforderliche Ermittlungen nötige Angabe der seiner Zeit behandelnden Ärzte sowie der Befreiung derselben von der ärztlichen Schweigepflicht.
Gegen den ihm am 28. September 2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Bevollmächtigte des Klägers am 28. Oktober 2011 Berufung eingelegt. Nach seiner Auffassung wäre das SG verpflichtet gewesen, zu klären, ob dem Kläger ein die Sperrzeit auslösendes vertragswidriges Verhalten zu Last gelegt werden könne. Das SG hätte den zuständigen Sachbearbeiter bei der Arbeitgeberin als Zeugen hören müssen, gegebenenfalls auch den zuständigen Sachbearbeiter der Beklagten. Zur Frage des Rechtsschutzbedürfnisses werde noch einmal daraufhin gewiesen, dass der Kläger dem Bevollmächtigten am 22. November 2010 Prozessvollmacht erteilt habe. Anhaltspunkte, dass der Kläger kein Interesse mehr daran habe, die aus seiner Sicht rechtswidrige Sperre beim Bezug von Alg überprüfen zu lassen, lägen nicht vor. Im Übrigen wird vorgetragen, die Arbeitgeberin habe zur Begründung der Kündigung ausgeführt, der Kläger habe ständig seine persönliche Schutzausrüstung nicht ordnungsgemäß getragen und sich hierbei auf ein Abmahnschreiben vom 24. September 2010 bezogen. Ein Verhalten, welches bereits Gegenstand einer Abmahnung war, könne indes nicht zum Gegenstand einer Kündigung gemacht werden. Durch den Ausspruch der Abmahnung werde das beanstandete Verhalten "verbraucht". Angenommen, die vierte Abmahnung vom 24. September 2010 sei wegen des Nichttragens des Helmes an diesem Tag erfolgt, könnte eine Kündigung wegen des Nichttragens des Helmes nur ausgesprochen werden, wenn dieses nach Ausspruch der Abmahnung erfolgt sei, sodass der Kläger am 25. September 2010 oder einem späteren Tag auf der Baustelle hätte angetroffen werden müssen, ohne dass er einen Helm getragen hätte. Nach dem der Kläger krankgeschrieben gewesen sei, sei davon auszugehen, dass er nach dem 24. September 2010 nicht mehr für die Firma B. A. gearbeitet habe. Darüber hinaus könne eine Kündigung wegen der Verletzung einer vertraglichen Nebenleistungspflicht nur wirksam sein, wenn der Arbeitnehmer zuvor einschlägig abgemahnt worden sei. Dabei müsse das Fehlverhalten nach Ort, Zeit und Datum nachvollziehbar in der Abmahnung beschrieben werden. Den Anforderungen genüge die Abmahnung vom 24. September 2010 nicht. Die dritte Abmahnung vom 8. April 2010 könne ebenfalls keine Rechtswirkungen entfalten. Soweit aus ihr überhaupt ein Verstoß ersichtlich sei, dann wohl der des Führens privater Telefongespräche während der Arbeitszeit. Soweit in der Abmahnung der Kläger nochmals daran erinnert werde, die persönliche Schutzausrüstung zu tragen, sei ein konkreter Verstoß nicht ersichtlich. Die Abmahnungen vom 12. März und 8. Januar 2008 könnten bereits aufgrund des Zeitablaufs keine Rechtswirkungen mehr entfalten, unabhängig davon, ob sie hinreichend konkretisiert seien. Ein vertragswidriges Verhalten des Klägers, welches die Firma B. A. zum Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung berechtigen könnte, sei nicht ersichtlich. Die Verhängung der Sperrzeit stelle sich als im höchsten Maße rechtswidrig dar.
Nachdem sich der Kläger erneut arbeitslos gemeldet hatte, teilte die Beklagte die aktuelle Anschrift des Klägers mit. Zum Erörterungstermin am 27. Juli 2012 ist der ordnungsgemäß geladene Kläger nicht erschienen, auf Schreiben des Gerichts hat er nicht reagiert, auch nach Mitteilung seines Prozessbevollmächtigten hatte dieser keinen Kontakt mit dem Kläger.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 23. September 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 9. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Januar 2011 zu verurteilen, dem Kläger Arbeitslosengeld ab 30. Oktober 2010 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die Ausführungen im Gerichtsbescheid.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung, über die der Senat nach erteiltem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden konnte, hat keinen Erfolg.
Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung ist statthaft (§ 143 SGG) und damit zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstands 750,- EUR übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Berufung ist in der Sache jedoch unbegründet, da das SG die Klage im Ergebnis zu Recht als unzulässig abgewiesen hat. Der Senat lässt insoweit ausdrücklich offen, ob der Klage wegen des "Untertauchens" des Klägers bereits das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, denn jedenfalls war die Klage schon wegen der fehlenden Anschrift des Klägers im Zeitpunkt der Entscheidung des SG nicht mehr zulässig.
Ein zulässiges Rechtsschutzbegehren erfordert im Regelfall, dass dem angerufenen Gericht die Wohnanschrift des Rechtssuchenden genannt wird (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 18. November 2003 - B 1 KR 1/02 S - SozR 4-1500 § 90 Nr. 1; Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 13. April 1999 - 1 C 24/97 - NJW 1999, 2608; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 92 Rdnr. 3). Die Angabe der ladungsfähigen Anschrift muss grundsätzlich jedenfalls zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorliegen, es handelt sich insoweit um eine wesentliche ungeschriebene weitere Sachurteilsvoraussetzung (vgl. BSG, Beschluss vom 18. November 2003, a.a.O.). Die Anschrift des Klägers war zum Zeitpunkt der Entscheidung des SG nicht bekannt, sie ist der Beklagten erst am 30. November 2011 durch die erneute Arbeitslosmeldung des Klägers bekannt geworden; die Beklagte hat sodann mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2011 dem Senat die neue Anschrift des Klägers mitgeteilt. Ein triftiger, von der Rechtsordnung zu billigender Grund für die fehlende Angabe der ladungsfähigen Anschrift vor dem SG, der die Pflicht zur Angabe der Wohnungsanschrift entfallen ließe (vgl. hierzu BVerG, Urteil vom 13. April 1999, a.a.O.), ist nicht ansatzweise ersichtlich.
Das erneute Bekanntwerden einer ladungsfähigen Anschrift des Klägers im Berufungsverfahren kann die fehlende Sachurteilsvoraussetzung im Zeitpunkt der Entscheidung des SG nicht heilen, die Klage kann insoweit nicht nachträglich zulässig werden. Grundsätzlich prüft auch das Rechtsmittelgericht, ob für die Vorinstanz die Sachurteilsvoraussetzungen vorgelegen haben (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 21. Juni 2011 - 1 L 266/06 - Juris m.w.N.). Angesichts der auch im Berufungsverfahren zu berücksichtigenden Unzulässigkeit der Klage vor dem SG ist dem Senat insoweit eine Prüfung des klägerischen Begehrens in der Sache verwehrt. Die Beteiligten sind im Erörterungstermin am 24. Juli 2012 auf diesen rechtlichen Gesichtspunkt hingewiesen worden. Eine weitere Stellungnahme des Bevollmächtigten des Klägers ist hierauf nicht erfolgt, vielmehr wurde Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erteilt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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