Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 10 U 2971/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 39/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 29.11.2010 und der Bescheid der Beklagten vom 10.03.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.08.2008 aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, festzustellen, dass der am 28.06.2007 eingetretene Riss der körperfernen Bizepssehne am linken Arm Folge eines Arbeitsunfalls ist.
Die Beklagte erstattet die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Anerkennung eines während seiner Arbeit erlittenen Bizepssehnenrisses als Arbeitsunfall.
Der 1962 geborene Kläger ist als Chemiearbeiter bei der Firma R. S. tätig. Ausweislich der Unfallanzeige seines Arbeitgebers vom 12.09.2007 wollte er am 28.06.2007 routinemäßig einen fast leeren Gelatine Big Bag zur Restentleerung leicht anheben, damit das darin enthaltene Restgranulat in einen Trichter laufen konnte. Bei diesem Vorgang spürte er plötzlich einen Stich am linken Armgelenk, hatte einen Schweißausbruch und ihm wurde schwindelig. Er fiel zu Boden. Nach Schichtende suchte der Kläger einen Arzt auf, der einen Sehnenabriss am linken Armgelenk diagnostizierte.
Der Chirurg Dr. R. gab im Durchgangsarztbericht vom 28.06.2007 die Unfallschilderung des Klägers wie folgt wieder: Der Kläger habe bei der Arbeit einen Sack mit gebeugten Unterarmen aufgehoben. Plötzlich habe er ein Knallgeräusch im linken Ellenbogenbereich gehört, dann sei es zu Schwindel und einem Schweißausbruch gekommen und er habe Schmerzen im linken Ellenbogen verspürt. Er habe sich nach Besserung der Kreislaufsymptomatik zu Dr. R. begeben. Bei der Untersuchung sei die aktive Bewegung und Streckung möglich gewesen, es habe ein leichter Druckschmerz ca. 4 cm unterhalb der medialen Ellenbeuge beugeseitig bestanden. Eine äußere Verletzung sei nicht zu erkennen, Durchblutung, Motorik und Sensibilität seien intakt. Im Röntgenbild bestehe kein Anhalt für eine knöcherne Verletzung. Dr. R. äußerte den dringenden Verdacht auf eine Ruptur der distalen Bizepssehne. Dr. R. meinte, es sei kein Unfall im Sinne des Sozialgesetzbuchs Siebtes Buch (SGB VII) anzunehmen. Der Kläger leide unfallunabhängig an einer arteriellen Hypertonie und einem latenten Diabetes mellitus.
Der Chirurg Dr. J. erstattete am 16.07.2007 einen Nachschaubericht. Er hatte die Bizepssehnenruptur am 05.07.2007 operiert und bat um Prüfung, ob nicht doch ein Arbeitsunfall vorgelegen habe.
Die Beklagte teilte den behandelnden Ärzten mit, dass ein Arbeitsunfall nicht eingetreten sei. Daraufhin meldete sich der Kläger telefonisch bei der Beklagten und schilderte den Arbeitsunfall mit Fax vom 10.08.2007 wie folgt: Vom Computer sei eine Fehlermeldung angezeigt worden, dass die Big Bags leer seien und aufgefüllt werden müssten. Ein Big Bag sei ein großer Sack mit bis zu 500 kg Gelatineinhalt. Bei der Überprüfung habe er gesehen, dass die Big Bags nicht leer gewesen seien. Er habe die betroffenen Big Bags in der Mitte zusammenklappen, herausnehmen und entsorgen wollen, weil ein normaler leerer Sack lediglich ca. 1 kg wiege. Der von ihm angegangene Big Bag sei jedoch nicht leer gewesen, in den Seiten seien nach jeweils 30 kg Gelatine enthalten gewesen. Da er nicht mit einem Gewicht von 60 kg gerechnet habe, habe er nur wenig Kraft aufgewendet. Durch den Gegendruck sei die Sehne gerissen. Ihm sei dann schwarz vor Augen geworden und er sei zeitweise ohne Bewusstsein gewesen. Als er wieder zu sich gekommen sei, habe er Hilfe geholt. Anschließend habe er sich in der Notfallambulanz des Kreiskrankenhauses E. vorgestellt.
Die Beklagte zog Auszüge aus unfallmedizinischer Literatur bei und legte den Vorgang ihrem Beratungsarzt, dem Chirurgen Dr. S.-F., vor. Er kam am 18.08.2007 zu dem Ergebnis, dass kein Unfall im Sinne des SGB VII vorliege. Auch wenn der Kläger mit einem geringeren Gewicht als 60 kg gerechnet habe, sei von einer willkürlichen Anspannung auszugehen. Diese erfülle nicht den Unfallbegriff. Außerdem leide der Kläger nach den Angaben von Dr. R. an Diabetes mellitus, der zu einer leichteren Verletzlichkeit bzw. Degeneration der bradytrophen Sehnen führe. Eine Behandlung zu Lasten der Beklagten sei nicht angezeigt.
Die Beklagte lehnte im Rahmen eines Telefongesprächs mit dem Kläger am 30.08.2007 erneut die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab. Der Kläger beantragte eine rechtsmittelfähige Entscheidung.
Die Beklagte zog das Vorerkrankungsverzeichnis der IKK B.-W. und H. (jetzt: IKK Classic, IKK) vom 14.09.2007 bei und holte schließlich ein orthopädisches Gutachten des Dr. J. vom 12.12.2007 ein. Dort teilte der Kläger mit, dass üblicherweise die Gelatinesäcke automatisch eingehängt, über ein Förderband entleert und automatisch abgehängt wurden, er klappe die leeren Säcke dann zusammen und entsorge sie. Wenn ein Sack leer sei, gebe ein Sensor das entsprechend an, so dass die automatische Abhängung erfolge. Am 28.06.2007 habe der Sensor einen Sack als leer angezeigt und die Maschine denselben abgehängt, obwohl auf jeder Seite noch 30 kg Gelatine enthalten waren. Dadurch sei beim Zusammenklappen ein unerwartet hoher Kraftaufwand notwendig gewesen. Dabei habe er ein Knallen verspürt. Bei der Operation am 05.07.2007 sei ein histologischer Befund erstellt worden, bei dem ein Sehnenanteil mit Nekrose und reparativer Entzündung entsprechend einer nicht mehr frischen Ruptur erkennbar gewesen seien. Relevante Vorschäden seien am Sehnengewebe nicht erkennbar gewesen. Es bestehe noch eine geringfügige Bewegungseinschränkung des linken Ellenbogengelenks, eine Muskelminderung im Bereich des linken Oberarms und des linken Unterarms, die ausschließlich auf den Riss der körperfernen Bizepssehne links zurückzuführen seien. Das vom Kläger geschilderte Ereignis sei geeignet, eine Ruptur der körperfernen Bizepssehne herbeizuführen. Der Kläger habe die Bizepssehnenmuskulatur maximal eingespannt, um den Sack zu umfassen. Eine nennenswerte Vorschädigung der Sehne habe nicht bestanden. Unfallunabhängig bestehe ein Diabetes und ein Zustand nach Sulcus ulnaris Syndrom. Die Arbeitsunfähigkeit aufgrund des Unfalls habe über neun Wochen bestanden. Das sei regelhaft. Die MdE betrage vom 09.09.2007 bis 06.12.2007 20 vH, danach unter 10 vH.
Der Beratungsarzt Dr. S.-F. vertrat in einer Stellungnahme vom 12.01.2008 die Auffassung, dass das geschilderte Ereignis nicht geeignet gewesen sei, eine Bizepssehne zu zerreißen.
Dr. J. blieb in einer Stellungnahme vom 31.01.2008 bei seiner Auffassung. Der Kläger habe den Unfallhergang so geschildert, dass seine Hände maximal voneinander entfernt gewesen seien. Insofern habe eine Situation wie beim Anheben eines Torflügels von unten oder oben vorgelegen. Das Ereignis sei deshalb ein geeigneter Unfallmechanismus. Außerdem sei zu beachten, dass in der Histologie keinerlei relevante Vorschäden erkennbar geworden wären. Eine gesunde Sehne reiße aber nur bei über die Maßen großer Kraftanstrengung.
Dr. S.-F. blieb bei seiner Auffassung (Stellungnahme vom 23.02.2008). Im Durchgangsarztbericht sei von gebeugten Unterarmen die Rede gewesen.
Mit Bescheid vom 10.03.2008 - am 11.03.2008 zur Post gegeben - lehnte die Beklagte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab. Das vom Kläger geschilderte Ereignis sei nicht geeignet, eine Bizepssehne zu zerreißen. Dagegen erhob der Kläger am 14.04.2008 Widerspruch, zu dessen Begründung er vortrug, dass es sich bei dem geschilderten Vorgang gerade nicht um einen betriebsüblichen Vorgang gehandelt habe, sondern um einen rund 60 kg schwereren Sack als sonst. Im Übrigen bezog er sich auf das Gutachten und die Stellungnahme von Dr. J ... Mit Widerspruchsbescheid vom 01.08.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Widerspruchsbescheid ging bei der Bevollmächtigten des Klägers am 05.08.2008 ein
Dagegen erhob der Kläger am 05.09.2008 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG), zu deren Begründung er im Wesentlichen den Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren wiederholte.
Das SG befragte den Kläger am 08.04.2009 im Rahmen eines Erörterungstermin zum Hergang des Ereignisses am 28.06.2007. Er gab an, die Big Bags hingen in einer Schiene. Unten an den Big Bags seien Öffnungen, die über Rohre gestülpt würden, mit deren Hilfe die in den Big Bags befindliche Hart-Gelatine angesaugt werde. Der Computer habe angezeigt, dass der von ihm ausgewählte Big Bag leer sei. Er habe ihn deshalb abhängen wollen. Man klappe ihn zusammen, um einen neuen Big Bag zu holen und mithilfe eines Flaschenzugs aufzuhängen. Der volle Big Bag sei zum Tragen zu schwer. Der leere Big Bag sei dagegen leicht. Man falte ihn mit beiden Händen zusammen, um ihn herauszuziehen und hänge dann den nächsten auf. Es seien aber noch ca. 15 kg im Big Bag gewesen, was er nicht gesehen habe. Als er ihn zusammenklappen wollte, habe er plötzlich den Schmerz gespürt. Es sei bei einer Bewegung gewesen, bei der er von unten herauf den Sack habe zusammenlegen wollen. Es sei das erste Mal gewesen, dass in einem Sack noch ein Rest Gelatine gewesen sei. So ein Big Bag sei so ungefähr einen Meter breit. Der Big Bag stehe so mehr oder weniger auf einer Form. Es seien aber noch ein paar Zentimeter Platz dazwischen. Man fahre dort mit dem Händen hinein und klappe ihn zusammen. Er wisse jetzt nicht mehr so genau wie viel Gewicht noch vorhanden gewesen sei, das sei immerhin zwei Jahre her.
Auf Antrag des Klägers holte das SG ein Gutachten des Dr. W., Chirurg, vom 29.12.2009 ein. Dort schilderte der Kläger, dass der Big Bag quasi von den Außenkanten angehoben und zusammenklappt werde. Aufgrund der Computeranzeige sei er davon ausgegangen, dass der Sack federleicht sei. Er habe mit gebeugten Ellenbogengelenken beidseits, ausgebreiteten Armen und nach oben gekehrten Handflächen schwungvoll den vermeintlich federleichten Sack zusammenklappen wollen. Auf jeden der Arme sei ein unerwartet schweres Gewicht von ca. 30 kg getroffen. Bei der Untersuchung legte der Kläger Fotos vom linken Unterarm vor, auf dem eine scharf begrenzte, bläulich rote Verfärbung an der ellenseiten Unterarmkante zu erkennen war, die bis zum vierten und fünften Finger herabreichte. Das komme ca. alle vier Wochen vor mit schmerzhaften Sensationen, Kribbeln und Kältegefühl. Diese Veränderung wertete Dr. W. nicht als mittelbare Unfallfolge. Das Ellenbogengelenk des Klägers war frei beweglich, die Oberarmmuskulatur um 3 cm gegenüber rechts verschmächtigt, das Ellenbogengelenk einen Zentimeter umfangsvermehrt, der Unterarm um einen Zentimeter umfangvermindert. Zum Unfallzusammenhang führte Dr. W. aus, man könne von einer Kraft von ca. 60 kg, d.h. 30 kg pro Arm, ausgehen, die unerwartet auf die Arme des Klägers eingewirkt habe. Ein Sehnenschaden sei meist Folge einer unerwarteten Dehnung des stark kontrahierten Muskels bzw. eine plötzliche, unerwartete Krafteinwirkung auf die bereits angespannte Sehne. Insbesondere das Auffangen eines schweren Gegenstands könne zu einer Ruptur der Bizepssehne führen. Es sei deshalb eine Kausalität des geschilderten Ereignisses für den Bizepssehnenriss zu bejahen. Auch er hätte nach der ursprünglichen Unfallschilderung wie Dr. S.-F. einen geeigneten Unfallmechanismus verneint, denn das ursprünglich geschilderte Unfallereignis sei absolut ungeeignet gewesen, eine Ruptur zu verursachen. Das sei aber nicht korrekt, denn der Unfallmechanismus sei durchaus vergleichbar mit dem Anheben eines Torflügels von unten nach oben, bei dem die Hände maximal voneinander entfernt und die Bizepssehnenmuskel angespannt sind. Die Unterarme des Klägers seien gebeugt gewesen, die Unterarme nach außen gedreht und damit der Bizepssehnenmuskel angespannt und die Hände ca. einen Meter voneinander entfernt mit nach oben offenen Flächen gehalten gewesen als quasi ein unerwartet schweres Gewicht vom Kläger "aufgefangen" worden sei. Nach erneuter Befragung des Klägers schließe er sich deshalb trotz anfänglicher Bedenken der Auffassung von Dr. J. an.
Die Beklagte trat diesem Gutachten unter Vorlage einer erneuten Stellungnahme von Dr. S.-F. vom 25.01.2010 entgegen, der darauf hinwies, dass die Masse sich beim geschilderten Unfallereignis gerade nicht bewegt habe. Die Kraft sei einzig und allein vom Kläger erzeugt worden.
Das SG holte auf Antrag des Klägers eine ergänzende Stellungnahme von Dr. W. vom 20.07.2010 ein, der bei seiner Auffassung blieb.
Mit Urteil vom 29.11.2010 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, der Kläger habe weder geschildert, dass er habe nachfassen müssen, noch dass er den Sack habe aufheben müssen, wie ursprünglich von Dr. R. dokumentiert. Auch mit dem Herabfallen eines mit Beton gefüllten Basketballs sei das vom Kläger geschilderte Ereignis nicht zu vergleichen. Dem Gutachten von Dr. W. könne deshalb nicht gefolgt werden, weil dieser vom Auffangen eines schweren Gegenstands ausgehe, der Kläger das aber nicht geschildert habe.
Gegen das ihm am 06.12.2010 zugestellte Urteil richtet sich die am 05.01.2011 eingelegte Berufung des Klägers, zu deren Begründung er sich im Wesentlichen auf das Gutachten des Dr. W. bezieht.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 29.11.2010 und den Bescheid der Beklagten vom 10.03.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.08.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, festzustellen, dass der am 28.07.2007 erlittene körperferne Bizepssehnenriss am linken Arm Folge eines Arbeitsunfalls ist.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf die angefochtenen Bescheide, das Urteil des SG und weist darauf hin, dass der Kläger das Gewicht des Big Bag nicht aufgefangen habe, sondern es sich um eine willentliche Bewegung gehandelt habe.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Bezüglich die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf einen Band Verwaltungsakten der Beklagten, einen Band Akten des Sozialgerichts Mannheim und die beim Senat angefallene Akte.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig und begründet.
Der Senat entscheidet gemäß § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung, weil die Beteiligten dieser Verfahrensweise zugestimmt haben.
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG auf Aufhebung der Bescheide und Verpflichtung der Beklagten, das Ereignis vom 28.06.2007 als Arbeitsunfall anzuerkennen (vgl. BSG vom 27.04.2010 - B 2 U 23/09 R, vom 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R, BSGE 108, 274), zulässig.
Die Beklagte ist auch verpflichtet, den am 28.06.2007 erlittenen Bizepssehnenriss als Folge eines Arbeitsunfalls anzuerkennen, denn der Kläger hat am 28.06.2007 einen Arbeitsunfall erlitten. Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i. S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis - geführt hat und das Unfallereignis einen Gesundheits(-erst-)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat. Das Entstehen von längerandauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheits(-erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (ständige Rechtsprechung, vgl. stellvertretend BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R= SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, B 2 U 40/05 R= UV-Recht Aktuell 2006, 419-422, B 2 U 26/04 R= UV-Recht Aktuell 2006, 497-509, alle auch in juris).
Der Kläger hat am 28.06.2007 seine Arbeitstätigkeit verrichtet, die unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand. Er hat einen Gesundheitsschaden in Form eines Risses der körperfernen Bizepssehne erlitten. Der Gesundheitsschaden ist aufgetreten, während er eine zu seiner Arbeitstätigkeit gehörende Verrichtung ausführte, nämlich während er versuchte einen Big Bag zusammenzufalten.
Auf den Körper ist auch durch den Big Bag von außen eingewirkt worden. Das Vorliegen eines von außen auf den Körper einwirkenden Ereignisses hat der Senat in Fällen abgelehnt, in denen die normale Fortbewegung zu Fuß ohne Hinzutreten sonstiger äußerer Einflüsse aufgrund einer Gelenkinstabilität zum Umknicken im Sprunggelenk beim betrieblich bedingten Gehen führt (Urteil vom 16.04.2010 - L 8 U 5043/09, Juris und sozialgerichtsbarkeit.de). Er hat auch Zweifel daran geäußert, ob eine sonstige willentlich ausgeführte, betriebsbedingte Handhabung, die keine - gewollte oder durch die Umstände aufgezwungene - besondere Kraftentfaltung erfordert, die Voraussetzungen eines von außen auf den Körper einwirkenden Ereignisses erfüllt und dies zumindest für den Fall bezweifelt, in dem eine anteilige Last von 30 kg gehoben werden musste (Urteil vom 23.03.2012 - L 8 U 884/11). Demgegenüber lässt das Bundessozialgericht es ausreichen, dass eine Einwirkung im Rahmen der üblichen versicherten Tätigkeit erfolgt. Das Erfordernis der Einwirkung von außen diene insofern der Abgrenzung von Gesundheitsbeeinträchtigungen aus inneren Ursachen und Selbstschädigungen. Nicht geschützt sollen danach Unfälle sein, die auf aus dem Menschen selbst kommenden Ereignissen beruhen (Urteil vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 42).
Diese Kriterien sind vorliegend erfüllt. Der Senat geht mit Dr. W. und Dr. J. von folgendem Unfallhergang aus: Der Kläger wollte einen sog. Big Bag aushängen, der üblicherweise im leeren Zustand ca. 1 kg wiegt. Dazu führte der Kläger die nach oben gerichteten Hände unter den Big Bag und breitete die gebeugten Unterarme ca. einen Meter aus, um vom Rand her den Big Bag "schwungvoll" zusammenzuklappen. Dabei hob er den Big Bag gleichzeitig an. Daraufhin lasteten plötzlich ca. 30 kg Gelatinegranulat auf dem linken Unterarm des Klägers.
Dieser Sachverhalt steht zur Überzeugung des Senats fest aufgrund der Angaben des Klägers im Verwaltungs- und gerichtlichen Verfahren und der Schilderung des Unfallereignisses durch den Arbeitgeber des Klägers. Der Kläger ist insofern in seiner Schilderung zwar etwas detailreicher geworden, hat aber seine ursprüngliche Schilderung nicht an die Auffassung der Beklagten angepasst oder sonst verändert. Lediglich die Gewichtsangabe hat sich einmal – nämlich im Erörterungstermin vor dem Sozialgericht – anders dargestellt. Dabei hat der Kläger aber gleichzeitig mitgeteilt, dass er dazu zwei Jahre nach dem Ereignis keine genauen Angaben mehr machen könne, so dass der Senat diese unterschiedliche Angabe nicht als maßgeblich ansieht. Auch der Tatsache, dass der Kläger bei Dr. J. noch vom Stehen der Big Bags auf dem Boden, bei Dr. W. von einer Hängevorrichtung kurz über dem Boden berichtet hat, misst der Senat keine entscheidende Bedeutung bei.
Die Einwirkung des nicht vollständig geleerten Big Bags auf die Unterarme des Klägers stellt insofern ein von außen auf die Unterarme einwirkendes Ereignis dar. Auf den Unterarmen des Klägers ruhte bei dem Versuch des Zusammenfaltens des Big Bags ein unerwartet hohes Gewicht, so dass der Kläger sich plötzlich der Aufgabe gegenüber sah, ein Gewicht von ca. 29,5 kg pro Arm mehr zu tragen als er erwartet hat. Insofern stellt sich der Vorgang am 28.06.2007 auch nicht als üblicher Betriebsablauf dar, denn der Kläger hat überzeugend dargetan, dass diese Art von Computerfehler üblicherweise nicht auftrat, so dass er am 28.06.2007 zum ersten Mal diesem hohen Gewicht ausgesetzt war.
Es besteht auch ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Riss der körperfernen Bizepssehne und der versicherten Tätigkeit des Klägers. Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (st. Rspr. vgl. zuletzt BSG vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15, jeweils RdNr 11). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76).
Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie (vgl. dazu nur Heinrichs in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Aufl. 2006, Vorb. v § 249 RdNr. 57 ff mwN sowie zu den Unterschieden BSGE 63, 277, 280 = SozR 2200 § 548 Nr 91) auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen.
Anders als bei der für das Zivilrecht maßgebenden Adäquanztheorie (stellvertretend BGHZ 137, 11, 19ff m.w.N.) folgt daraus keine abstrakt-generalisierende Betrachtungsweise; vielmehr ist die Kausalitätsbewertung in der gesetzlichen Unfallversicherung vom ex-post-Standpunkt aus anhand individualisierender und konkretisierender Merkmale des jeweiligen Einzelfalles vorzunehmen. Daher kommt es bei der Wertung im Bereich der Kausalität vor allem darauf an, welche Auswirkungen das Unfallgeschehen gerade bei der betreffenden Einzelperson mit ihrer jeweiligen Struktureigenheit im körperlich-seelischen Bereich hervorgerufen hat (vgl. BSGE 66, 156 , 158 = SozR 3-2200 § 553 Nr. 1 m.w.N.). Gleichzeitig ist im Rahmen der gegenseitigen Abwägung mehrerer, zu einem bestimmten "Erfolg" führender Umstände der Schutzzweck sowohl der gesetzlichen Unfallversicherung im Allgemeinen als auch der jeweils anzuwendenden Norm - hier der §§ 45, 56 SGB VII - zu berücksichtigen. Dies führt zu der Wertbestimmung, bis zu welcher Grenze der Versicherungsschutz im Einzelfall reicht (vgl. insgesamt BSG SozR 4-2200 § 589 Nr. 1 m.w.N.; SozR 2200 § 589 Nr. 96).
Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache hat die Rechtsprechung folgende Grundsätze herausgearbeitet: Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben) (BSG SozR Nr. 69 zu § 542 aF RVO; BSG SozR Nr. 6 zu § 589 RVO; vgl. Krasney in Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. 3, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand Januar 2006, § 8 RdNr. 314, Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl. 2003, Kap 1.3.6.1, S 80 f). Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts (BSGE 12, 242, 245 = SozR Nr 27 zu § 542 RVO; BSG SozR Nr 6 zu § 589 RVO). Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden (BSGE 62, 220, 222 f = SozR 2200 § 589 Nr 10; BSG SozR 2200 § 548 Nr 75; BSG vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15 jeweils RdNr 11). Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (BSGE 62, 220, 222 f = SozR 2200 § 589 Nr 10; BSG vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15 jeweils RdNr 11; ähnlich Schönberger/Mehrtens/Valentin, aaO). Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen. Dass der Begriff der Gelegenheitsursache durch die Austauschbarkeit der versicherten Einwirkung gegen andere alltäglich vorkommende Ereignisse gekennzeichnet ist, berechtigt jedoch nicht zu dem Umkehrschluss, dass bei einem gravierenden, nicht alltäglichen Unfallgeschehen oder besonderen Problemen in der anschließenden Heilbehandlung, ein gegenüber einer Krankheitsanlage rechtlich wesentlicher Ursachenbeitrag ohne weiteres zu unterstellen ist (vgl. insgesamt zum Vorstehenden BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R, SozR 4 2700 § 8 Nr, 17; B 2 U 40/05 R , UV Recht Aktuell 2006, 419; B 2 U 26/04 R , UV Recht Aktuell 2006, 497; alle auch veröffentlicht in Juris).
Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Dies wird häufig bei einem klar erkennbaren Ursache-Wirkungs-Zusammenhang, vor allem wenn es keine feststellbare konkurrierende Ursache gibt, kein Problem sein. Aber es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde (BSGE 19, 52 = SozR Nr 62 zu § 542 aF RVO; BSG Urteil vom 7. September 2004 - B 2 U 34/03 R; zu Berufskrankheiten vgl § 9 Abs 3 SGB VII). Für die Feststellung dieses Ursachenzusammenhangs - der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität - genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (stRspr BSGE 19, 52 = SozR Nr 62 zu § 542 aF RVO; BSGE 32, 203, 209 = SozR Nr 15 zu § 1263 aF RVO; BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr 38, BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteil vom 09.05.2006 a.a.O. mH auf BSG SozR Nr 41 zu § 128 SGG; BSG SozR Nr 20 zu § 542 aF RVO; BSGE 19, 52 = SozR Nr 62 zu § 542 aF RVO; BSG SozR 3-1300 § 48 Nr 67; Schönberger/Mehrtens/Valentin aaO, Kap 1.8.2, S 119 f; Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG, 8. Aufl 2005, § 128 RdNr 3c). Dagegen müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß i. S. des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden (BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 mwN).
Nach diesen Grundsätzen liegt zur Überzeugung des Senats eine unfallbedingte Kausalität für die geltend gemachten Gesundheitsstörungen vor. Zu dieser Überzeugung kommt der Senat nach Auswertung der Gutachten vom Dr. J. und Dr. W. sowie der in den Verwaltungsakten vorhandenen ärztlichen Unterlagen.
Wie Dr. W. überzeugend ausgeführt hat, war das Ereignis vom 28.06.2007 geeignet einen Riss der körperfernen Bizepssehne herbeizuführen. Dr. W. geht – insofern in Übereinstimmung sowohl mit Dr. J. als auch mit Dr. S.-F. und der einschlägigen unfallmedizinischen Fachliteratur (vgl. z.B. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. S. 408) – davon aus, dass ein Unfallmechanismus zu einem Abriss der körperfernen Bizepssehne führt, der eine plötzliche, unerwartete Dehnung des stark angespannten Muskels verursacht. Dabei überträgt sich die Kraft entweder indirekt durch Zug bzw. Druck am Vorderarm auf den Bizepsmuskel oder sie wirkt direkt durch einen Schlag auf die Sehne ein. Als geeignete Unfallmechanismen wird z.B. das Anheben eines Tors mit maximaler Ausbreitung der Arme oder ein Nachfassen bei einer schweren Last oder ein Auffangen einer unerwartet schweren Last genannt. Demgegenüber ist ein plötzlicher Schmerz beim Anheben eines Gegenstands ein ungeeigneter Ablauf. Gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht auch eine erhebliche Vorschädigung der betroffenen Sehne (Schönberger/Mehrtens/Valentin a.a.O.).
Das Ereignis vom 28.06.2007 ist nach diesen Kriterien geeignet, einen Riss der körperfernen Bizepssehne herbeizuführen, wie sowohl Dr. J. als auch Dr. W. überzeugend ausgeführt haben. Der Kläger hat zwar kein Gewicht aufgefangen, durch das Ausbreiten der gebeugten Arme auf eine Breite von einem Meter ist das Ereignis einem Anheben eines Torflügels von unten nach oben aber ähnlich wie sowohl Dr. W. als auch Dr. J. überzeugend ausgeführt haben. Darüber hinaus wollte der Kläger den Big Bag mit Schwung zusammen klappen. Daraus ergibt sich, dass er selbst auch eine über das für einen leeren Big Bag notwendige Maß hinausgehende Geschwindigkeit einsetzte, die durch das unerwartet hohe Gewicht des Behältnisses (60 kg) und das dadurch – so die Schilderung des Arbeitgebers in der Unfallanzeige vom 12.09.2007 – in Richtung Trichter bzw. Röhre ins Rutschen geratene Granulat auch nicht statische Gewicht plötzlich ähnlich wie beim Auffangen eines mit Beton gefüllten Balls - wie Dr. W. eindrücklich schildert – ein abruptes Einwirken auf den Arm des Klägers verursacht hat.
Soweit Dr. S.-F. demgegenüber den geschilderten Unfallmechanismus nicht als geeignet ansieht, weil der Kläger gerade kein Gewicht aufgefangen habe, folgt der Senat dem nicht. Dr. S.-F. übersieht insofern, dass der Kläger zwar willkürlich den Big Bag von der Seite her zusammenklappen wollte. Durch den dabei aufgewandten Schwung und die große Spannbreite zwischen den beiden Außenkanten unterscheidet sich der hiesige Unfallmechanismus vom Anheben eines schmaleren und auch leichteren Gewichts wie z.B. einer Getränkekiste. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall auch von dem vom Senat mit Urteil vom 23.03.2012 (L 8 U 884/11, Juris und sozialgerichtsbarkeit.de) entschiedenen Fall, in dem der Versicherte einen Riss der körperfernen Bizepssehne erlitten hatte als er ein anteiliges Gewicht von 30 kg in ungestörtem Verlauf des Hebevorganges angehoben und anschließend den Arm angewinkelt hatte.
Darüber hinaus spricht hier – anders als im vom Senat entschiedenen Fall (Urteil vom 23.03.2012 – L 8 U 884/11, Juris und sozialgerichtsbarkeit.de) - für einen Unfallzusammenhang auch die Tatsache, dass nach dem Ergebnis der histologischen Untersuchung keinerlei Vorschäden an der gerissenen Sehne vorhanden waren. Einem plötzlichen Abriss der vollständigen Sehne entsprechen auch der vom Kläger geschilderte "Knall" beim Zerreißen und seine unmittelbar nach dem Ereignis eingetretene körperliche Reaktion mit Schwindel und Schweißausbruch. Das Vorerkrankungsverzeichnis enthält ebenso wenig Hinweise auf eine einschlägige Sehnenerkrankung des linken Oberarmes. Eine relevante Vorschädigung, die in der Beweislast der Beklagten steht (vgl. Urteil des Senats vom 01.07.2011 - L8 U 197/11 -, juris, sozialgerichtsbarkeit.de), und damit auch nicht eine an der Sehnenruptur nur mitwirkende unfallvorbestehende Vorerkrankung ist nicht erwiesen.
Schließlich ist das Ereignis vom 28.06.2007 nicht lediglich eine Gelegenheitsursache. Die aktenkundigen ärztlichen Befunde und die Hinweise aus dem Vorerkrankungsverzeichnis haben keine Vorschädigung der Bizepssehne ergeben. Aber auch Art und Intensität der unfallbedingten Einwirkung lässt im Einzelfall nach dem medizinischen Erfahrungswissen eine hinreichende Umschreibung des Ausmaßes des zu beurteilenden Vorschadens zu (vgl. Urteil des Senats vom 23.03.2012, a.a.O.). War die Unfalleinwirkung selbst ihrer Ausprägung und Art nach nicht besonders und unersetzlich, sondern erreichte nur die Intensität eines alltäglich vorkommenden Ereignisses, ist mit gutem Recht anzunehmen, dass die degenerative Vorschädigung in ihrer Ausprägung bereits so leicht ansprechbar war, dass eine rechtlich erhebliche unfallvorbestehende Sehnendegeneration im Sinne einer Gelegenheitsursache vorlag (vgl. zu dieser Voraussetzung Urteile des Senats vom 01.07.2011 - L 8 U 197/11 - und vom 16.04.2010 - L 8 U 5043/09 -, beide veröff. in sozialgerichtsbarkeit.de und Juris). Maßgebend zur Bewertung einer Alltagsbelastung ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht das Unfallereignis als solches (z. B. die Tatsache eines Sturzes etc.) bzw. der generell zum Tragen gekommene Kraftaufwand, sondern die Intensität der Einwirkungen auf das verletzte Organ (vgl. stellvertretend zuletzt Urteil des Senats vom 01.07.2011 - L 8 U 197/11, Juris Rn. 39, Beschluss vom 07.08.2009 – L 8 U 5351/08 - und vom 03.06.2009 – L 8 U 345/09 -; so auch der 1. Senats des LSG Baden-Württemberg, vgl. Urteil vom 10.03.2008 - L 1 U 2511/07 -, veröffentlicht in Juris). Anhaltspunkte dafür, dass die vom Senat für nachgewiesen erachtete Beanspruchung der Sehne nicht über eine Alltagsbeanspruchung hinausgegangen ist, wie sie z.B. beim Tragen oder Hochheben von mittelschweren Lasten entstehen, hat die Beklagte weder vorgetragen noch ist dies für den Senat ersichtlich.
Das Urteil des SG war deshalb aufzuheben und der Klage stattzugeben.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Die Beklagte wird verurteilt, festzustellen, dass der am 28.06.2007 eingetretene Riss der körperfernen Bizepssehne am linken Arm Folge eines Arbeitsunfalls ist.
Die Beklagte erstattet die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Anerkennung eines während seiner Arbeit erlittenen Bizepssehnenrisses als Arbeitsunfall.
Der 1962 geborene Kläger ist als Chemiearbeiter bei der Firma R. S. tätig. Ausweislich der Unfallanzeige seines Arbeitgebers vom 12.09.2007 wollte er am 28.06.2007 routinemäßig einen fast leeren Gelatine Big Bag zur Restentleerung leicht anheben, damit das darin enthaltene Restgranulat in einen Trichter laufen konnte. Bei diesem Vorgang spürte er plötzlich einen Stich am linken Armgelenk, hatte einen Schweißausbruch und ihm wurde schwindelig. Er fiel zu Boden. Nach Schichtende suchte der Kläger einen Arzt auf, der einen Sehnenabriss am linken Armgelenk diagnostizierte.
Der Chirurg Dr. R. gab im Durchgangsarztbericht vom 28.06.2007 die Unfallschilderung des Klägers wie folgt wieder: Der Kläger habe bei der Arbeit einen Sack mit gebeugten Unterarmen aufgehoben. Plötzlich habe er ein Knallgeräusch im linken Ellenbogenbereich gehört, dann sei es zu Schwindel und einem Schweißausbruch gekommen und er habe Schmerzen im linken Ellenbogen verspürt. Er habe sich nach Besserung der Kreislaufsymptomatik zu Dr. R. begeben. Bei der Untersuchung sei die aktive Bewegung und Streckung möglich gewesen, es habe ein leichter Druckschmerz ca. 4 cm unterhalb der medialen Ellenbeuge beugeseitig bestanden. Eine äußere Verletzung sei nicht zu erkennen, Durchblutung, Motorik und Sensibilität seien intakt. Im Röntgenbild bestehe kein Anhalt für eine knöcherne Verletzung. Dr. R. äußerte den dringenden Verdacht auf eine Ruptur der distalen Bizepssehne. Dr. R. meinte, es sei kein Unfall im Sinne des Sozialgesetzbuchs Siebtes Buch (SGB VII) anzunehmen. Der Kläger leide unfallunabhängig an einer arteriellen Hypertonie und einem latenten Diabetes mellitus.
Der Chirurg Dr. J. erstattete am 16.07.2007 einen Nachschaubericht. Er hatte die Bizepssehnenruptur am 05.07.2007 operiert und bat um Prüfung, ob nicht doch ein Arbeitsunfall vorgelegen habe.
Die Beklagte teilte den behandelnden Ärzten mit, dass ein Arbeitsunfall nicht eingetreten sei. Daraufhin meldete sich der Kläger telefonisch bei der Beklagten und schilderte den Arbeitsunfall mit Fax vom 10.08.2007 wie folgt: Vom Computer sei eine Fehlermeldung angezeigt worden, dass die Big Bags leer seien und aufgefüllt werden müssten. Ein Big Bag sei ein großer Sack mit bis zu 500 kg Gelatineinhalt. Bei der Überprüfung habe er gesehen, dass die Big Bags nicht leer gewesen seien. Er habe die betroffenen Big Bags in der Mitte zusammenklappen, herausnehmen und entsorgen wollen, weil ein normaler leerer Sack lediglich ca. 1 kg wiege. Der von ihm angegangene Big Bag sei jedoch nicht leer gewesen, in den Seiten seien nach jeweils 30 kg Gelatine enthalten gewesen. Da er nicht mit einem Gewicht von 60 kg gerechnet habe, habe er nur wenig Kraft aufgewendet. Durch den Gegendruck sei die Sehne gerissen. Ihm sei dann schwarz vor Augen geworden und er sei zeitweise ohne Bewusstsein gewesen. Als er wieder zu sich gekommen sei, habe er Hilfe geholt. Anschließend habe er sich in der Notfallambulanz des Kreiskrankenhauses E. vorgestellt.
Die Beklagte zog Auszüge aus unfallmedizinischer Literatur bei und legte den Vorgang ihrem Beratungsarzt, dem Chirurgen Dr. S.-F., vor. Er kam am 18.08.2007 zu dem Ergebnis, dass kein Unfall im Sinne des SGB VII vorliege. Auch wenn der Kläger mit einem geringeren Gewicht als 60 kg gerechnet habe, sei von einer willkürlichen Anspannung auszugehen. Diese erfülle nicht den Unfallbegriff. Außerdem leide der Kläger nach den Angaben von Dr. R. an Diabetes mellitus, der zu einer leichteren Verletzlichkeit bzw. Degeneration der bradytrophen Sehnen führe. Eine Behandlung zu Lasten der Beklagten sei nicht angezeigt.
Die Beklagte lehnte im Rahmen eines Telefongesprächs mit dem Kläger am 30.08.2007 erneut die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab. Der Kläger beantragte eine rechtsmittelfähige Entscheidung.
Die Beklagte zog das Vorerkrankungsverzeichnis der IKK B.-W. und H. (jetzt: IKK Classic, IKK) vom 14.09.2007 bei und holte schließlich ein orthopädisches Gutachten des Dr. J. vom 12.12.2007 ein. Dort teilte der Kläger mit, dass üblicherweise die Gelatinesäcke automatisch eingehängt, über ein Förderband entleert und automatisch abgehängt wurden, er klappe die leeren Säcke dann zusammen und entsorge sie. Wenn ein Sack leer sei, gebe ein Sensor das entsprechend an, so dass die automatische Abhängung erfolge. Am 28.06.2007 habe der Sensor einen Sack als leer angezeigt und die Maschine denselben abgehängt, obwohl auf jeder Seite noch 30 kg Gelatine enthalten waren. Dadurch sei beim Zusammenklappen ein unerwartet hoher Kraftaufwand notwendig gewesen. Dabei habe er ein Knallen verspürt. Bei der Operation am 05.07.2007 sei ein histologischer Befund erstellt worden, bei dem ein Sehnenanteil mit Nekrose und reparativer Entzündung entsprechend einer nicht mehr frischen Ruptur erkennbar gewesen seien. Relevante Vorschäden seien am Sehnengewebe nicht erkennbar gewesen. Es bestehe noch eine geringfügige Bewegungseinschränkung des linken Ellenbogengelenks, eine Muskelminderung im Bereich des linken Oberarms und des linken Unterarms, die ausschließlich auf den Riss der körperfernen Bizepssehne links zurückzuführen seien. Das vom Kläger geschilderte Ereignis sei geeignet, eine Ruptur der körperfernen Bizepssehne herbeizuführen. Der Kläger habe die Bizepssehnenmuskulatur maximal eingespannt, um den Sack zu umfassen. Eine nennenswerte Vorschädigung der Sehne habe nicht bestanden. Unfallunabhängig bestehe ein Diabetes und ein Zustand nach Sulcus ulnaris Syndrom. Die Arbeitsunfähigkeit aufgrund des Unfalls habe über neun Wochen bestanden. Das sei regelhaft. Die MdE betrage vom 09.09.2007 bis 06.12.2007 20 vH, danach unter 10 vH.
Der Beratungsarzt Dr. S.-F. vertrat in einer Stellungnahme vom 12.01.2008 die Auffassung, dass das geschilderte Ereignis nicht geeignet gewesen sei, eine Bizepssehne zu zerreißen.
Dr. J. blieb in einer Stellungnahme vom 31.01.2008 bei seiner Auffassung. Der Kläger habe den Unfallhergang so geschildert, dass seine Hände maximal voneinander entfernt gewesen seien. Insofern habe eine Situation wie beim Anheben eines Torflügels von unten oder oben vorgelegen. Das Ereignis sei deshalb ein geeigneter Unfallmechanismus. Außerdem sei zu beachten, dass in der Histologie keinerlei relevante Vorschäden erkennbar geworden wären. Eine gesunde Sehne reiße aber nur bei über die Maßen großer Kraftanstrengung.
Dr. S.-F. blieb bei seiner Auffassung (Stellungnahme vom 23.02.2008). Im Durchgangsarztbericht sei von gebeugten Unterarmen die Rede gewesen.
Mit Bescheid vom 10.03.2008 - am 11.03.2008 zur Post gegeben - lehnte die Beklagte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab. Das vom Kläger geschilderte Ereignis sei nicht geeignet, eine Bizepssehne zu zerreißen. Dagegen erhob der Kläger am 14.04.2008 Widerspruch, zu dessen Begründung er vortrug, dass es sich bei dem geschilderten Vorgang gerade nicht um einen betriebsüblichen Vorgang gehandelt habe, sondern um einen rund 60 kg schwereren Sack als sonst. Im Übrigen bezog er sich auf das Gutachten und die Stellungnahme von Dr. J ... Mit Widerspruchsbescheid vom 01.08.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Widerspruchsbescheid ging bei der Bevollmächtigten des Klägers am 05.08.2008 ein
Dagegen erhob der Kläger am 05.09.2008 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG), zu deren Begründung er im Wesentlichen den Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren wiederholte.
Das SG befragte den Kläger am 08.04.2009 im Rahmen eines Erörterungstermin zum Hergang des Ereignisses am 28.06.2007. Er gab an, die Big Bags hingen in einer Schiene. Unten an den Big Bags seien Öffnungen, die über Rohre gestülpt würden, mit deren Hilfe die in den Big Bags befindliche Hart-Gelatine angesaugt werde. Der Computer habe angezeigt, dass der von ihm ausgewählte Big Bag leer sei. Er habe ihn deshalb abhängen wollen. Man klappe ihn zusammen, um einen neuen Big Bag zu holen und mithilfe eines Flaschenzugs aufzuhängen. Der volle Big Bag sei zum Tragen zu schwer. Der leere Big Bag sei dagegen leicht. Man falte ihn mit beiden Händen zusammen, um ihn herauszuziehen und hänge dann den nächsten auf. Es seien aber noch ca. 15 kg im Big Bag gewesen, was er nicht gesehen habe. Als er ihn zusammenklappen wollte, habe er plötzlich den Schmerz gespürt. Es sei bei einer Bewegung gewesen, bei der er von unten herauf den Sack habe zusammenlegen wollen. Es sei das erste Mal gewesen, dass in einem Sack noch ein Rest Gelatine gewesen sei. So ein Big Bag sei so ungefähr einen Meter breit. Der Big Bag stehe so mehr oder weniger auf einer Form. Es seien aber noch ein paar Zentimeter Platz dazwischen. Man fahre dort mit dem Händen hinein und klappe ihn zusammen. Er wisse jetzt nicht mehr so genau wie viel Gewicht noch vorhanden gewesen sei, das sei immerhin zwei Jahre her.
Auf Antrag des Klägers holte das SG ein Gutachten des Dr. W., Chirurg, vom 29.12.2009 ein. Dort schilderte der Kläger, dass der Big Bag quasi von den Außenkanten angehoben und zusammenklappt werde. Aufgrund der Computeranzeige sei er davon ausgegangen, dass der Sack federleicht sei. Er habe mit gebeugten Ellenbogengelenken beidseits, ausgebreiteten Armen und nach oben gekehrten Handflächen schwungvoll den vermeintlich federleichten Sack zusammenklappen wollen. Auf jeden der Arme sei ein unerwartet schweres Gewicht von ca. 30 kg getroffen. Bei der Untersuchung legte der Kläger Fotos vom linken Unterarm vor, auf dem eine scharf begrenzte, bläulich rote Verfärbung an der ellenseiten Unterarmkante zu erkennen war, die bis zum vierten und fünften Finger herabreichte. Das komme ca. alle vier Wochen vor mit schmerzhaften Sensationen, Kribbeln und Kältegefühl. Diese Veränderung wertete Dr. W. nicht als mittelbare Unfallfolge. Das Ellenbogengelenk des Klägers war frei beweglich, die Oberarmmuskulatur um 3 cm gegenüber rechts verschmächtigt, das Ellenbogengelenk einen Zentimeter umfangsvermehrt, der Unterarm um einen Zentimeter umfangvermindert. Zum Unfallzusammenhang führte Dr. W. aus, man könne von einer Kraft von ca. 60 kg, d.h. 30 kg pro Arm, ausgehen, die unerwartet auf die Arme des Klägers eingewirkt habe. Ein Sehnenschaden sei meist Folge einer unerwarteten Dehnung des stark kontrahierten Muskels bzw. eine plötzliche, unerwartete Krafteinwirkung auf die bereits angespannte Sehne. Insbesondere das Auffangen eines schweren Gegenstands könne zu einer Ruptur der Bizepssehne führen. Es sei deshalb eine Kausalität des geschilderten Ereignisses für den Bizepssehnenriss zu bejahen. Auch er hätte nach der ursprünglichen Unfallschilderung wie Dr. S.-F. einen geeigneten Unfallmechanismus verneint, denn das ursprünglich geschilderte Unfallereignis sei absolut ungeeignet gewesen, eine Ruptur zu verursachen. Das sei aber nicht korrekt, denn der Unfallmechanismus sei durchaus vergleichbar mit dem Anheben eines Torflügels von unten nach oben, bei dem die Hände maximal voneinander entfernt und die Bizepssehnenmuskel angespannt sind. Die Unterarme des Klägers seien gebeugt gewesen, die Unterarme nach außen gedreht und damit der Bizepssehnenmuskel angespannt und die Hände ca. einen Meter voneinander entfernt mit nach oben offenen Flächen gehalten gewesen als quasi ein unerwartet schweres Gewicht vom Kläger "aufgefangen" worden sei. Nach erneuter Befragung des Klägers schließe er sich deshalb trotz anfänglicher Bedenken der Auffassung von Dr. J. an.
Die Beklagte trat diesem Gutachten unter Vorlage einer erneuten Stellungnahme von Dr. S.-F. vom 25.01.2010 entgegen, der darauf hinwies, dass die Masse sich beim geschilderten Unfallereignis gerade nicht bewegt habe. Die Kraft sei einzig und allein vom Kläger erzeugt worden.
Das SG holte auf Antrag des Klägers eine ergänzende Stellungnahme von Dr. W. vom 20.07.2010 ein, der bei seiner Auffassung blieb.
Mit Urteil vom 29.11.2010 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, der Kläger habe weder geschildert, dass er habe nachfassen müssen, noch dass er den Sack habe aufheben müssen, wie ursprünglich von Dr. R. dokumentiert. Auch mit dem Herabfallen eines mit Beton gefüllten Basketballs sei das vom Kläger geschilderte Ereignis nicht zu vergleichen. Dem Gutachten von Dr. W. könne deshalb nicht gefolgt werden, weil dieser vom Auffangen eines schweren Gegenstands ausgehe, der Kläger das aber nicht geschildert habe.
Gegen das ihm am 06.12.2010 zugestellte Urteil richtet sich die am 05.01.2011 eingelegte Berufung des Klägers, zu deren Begründung er sich im Wesentlichen auf das Gutachten des Dr. W. bezieht.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 29.11.2010 und den Bescheid der Beklagten vom 10.03.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.08.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, festzustellen, dass der am 28.07.2007 erlittene körperferne Bizepssehnenriss am linken Arm Folge eines Arbeitsunfalls ist.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf die angefochtenen Bescheide, das Urteil des SG und weist darauf hin, dass der Kläger das Gewicht des Big Bag nicht aufgefangen habe, sondern es sich um eine willentliche Bewegung gehandelt habe.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Bezüglich die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf einen Band Verwaltungsakten der Beklagten, einen Band Akten des Sozialgerichts Mannheim und die beim Senat angefallene Akte.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig und begründet.
Der Senat entscheidet gemäß § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung, weil die Beteiligten dieser Verfahrensweise zugestimmt haben.
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG auf Aufhebung der Bescheide und Verpflichtung der Beklagten, das Ereignis vom 28.06.2007 als Arbeitsunfall anzuerkennen (vgl. BSG vom 27.04.2010 - B 2 U 23/09 R, vom 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R, BSGE 108, 274), zulässig.
Die Beklagte ist auch verpflichtet, den am 28.06.2007 erlittenen Bizepssehnenriss als Folge eines Arbeitsunfalls anzuerkennen, denn der Kläger hat am 28.06.2007 einen Arbeitsunfall erlitten. Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i. S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis - geführt hat und das Unfallereignis einen Gesundheits(-erst-)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat. Das Entstehen von längerandauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheits(-erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (ständige Rechtsprechung, vgl. stellvertretend BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R= SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, B 2 U 40/05 R= UV-Recht Aktuell 2006, 419-422, B 2 U 26/04 R= UV-Recht Aktuell 2006, 497-509, alle auch in juris).
Der Kläger hat am 28.06.2007 seine Arbeitstätigkeit verrichtet, die unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand. Er hat einen Gesundheitsschaden in Form eines Risses der körperfernen Bizepssehne erlitten. Der Gesundheitsschaden ist aufgetreten, während er eine zu seiner Arbeitstätigkeit gehörende Verrichtung ausführte, nämlich während er versuchte einen Big Bag zusammenzufalten.
Auf den Körper ist auch durch den Big Bag von außen eingewirkt worden. Das Vorliegen eines von außen auf den Körper einwirkenden Ereignisses hat der Senat in Fällen abgelehnt, in denen die normale Fortbewegung zu Fuß ohne Hinzutreten sonstiger äußerer Einflüsse aufgrund einer Gelenkinstabilität zum Umknicken im Sprunggelenk beim betrieblich bedingten Gehen führt (Urteil vom 16.04.2010 - L 8 U 5043/09, Juris und sozialgerichtsbarkeit.de). Er hat auch Zweifel daran geäußert, ob eine sonstige willentlich ausgeführte, betriebsbedingte Handhabung, die keine - gewollte oder durch die Umstände aufgezwungene - besondere Kraftentfaltung erfordert, die Voraussetzungen eines von außen auf den Körper einwirkenden Ereignisses erfüllt und dies zumindest für den Fall bezweifelt, in dem eine anteilige Last von 30 kg gehoben werden musste (Urteil vom 23.03.2012 - L 8 U 884/11). Demgegenüber lässt das Bundessozialgericht es ausreichen, dass eine Einwirkung im Rahmen der üblichen versicherten Tätigkeit erfolgt. Das Erfordernis der Einwirkung von außen diene insofern der Abgrenzung von Gesundheitsbeeinträchtigungen aus inneren Ursachen und Selbstschädigungen. Nicht geschützt sollen danach Unfälle sein, die auf aus dem Menschen selbst kommenden Ereignissen beruhen (Urteil vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 42).
Diese Kriterien sind vorliegend erfüllt. Der Senat geht mit Dr. W. und Dr. J. von folgendem Unfallhergang aus: Der Kläger wollte einen sog. Big Bag aushängen, der üblicherweise im leeren Zustand ca. 1 kg wiegt. Dazu führte der Kläger die nach oben gerichteten Hände unter den Big Bag und breitete die gebeugten Unterarme ca. einen Meter aus, um vom Rand her den Big Bag "schwungvoll" zusammenzuklappen. Dabei hob er den Big Bag gleichzeitig an. Daraufhin lasteten plötzlich ca. 30 kg Gelatinegranulat auf dem linken Unterarm des Klägers.
Dieser Sachverhalt steht zur Überzeugung des Senats fest aufgrund der Angaben des Klägers im Verwaltungs- und gerichtlichen Verfahren und der Schilderung des Unfallereignisses durch den Arbeitgeber des Klägers. Der Kläger ist insofern in seiner Schilderung zwar etwas detailreicher geworden, hat aber seine ursprüngliche Schilderung nicht an die Auffassung der Beklagten angepasst oder sonst verändert. Lediglich die Gewichtsangabe hat sich einmal – nämlich im Erörterungstermin vor dem Sozialgericht – anders dargestellt. Dabei hat der Kläger aber gleichzeitig mitgeteilt, dass er dazu zwei Jahre nach dem Ereignis keine genauen Angaben mehr machen könne, so dass der Senat diese unterschiedliche Angabe nicht als maßgeblich ansieht. Auch der Tatsache, dass der Kläger bei Dr. J. noch vom Stehen der Big Bags auf dem Boden, bei Dr. W. von einer Hängevorrichtung kurz über dem Boden berichtet hat, misst der Senat keine entscheidende Bedeutung bei.
Die Einwirkung des nicht vollständig geleerten Big Bags auf die Unterarme des Klägers stellt insofern ein von außen auf die Unterarme einwirkendes Ereignis dar. Auf den Unterarmen des Klägers ruhte bei dem Versuch des Zusammenfaltens des Big Bags ein unerwartet hohes Gewicht, so dass der Kläger sich plötzlich der Aufgabe gegenüber sah, ein Gewicht von ca. 29,5 kg pro Arm mehr zu tragen als er erwartet hat. Insofern stellt sich der Vorgang am 28.06.2007 auch nicht als üblicher Betriebsablauf dar, denn der Kläger hat überzeugend dargetan, dass diese Art von Computerfehler üblicherweise nicht auftrat, so dass er am 28.06.2007 zum ersten Mal diesem hohen Gewicht ausgesetzt war.
Es besteht auch ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Riss der körperfernen Bizepssehne und der versicherten Tätigkeit des Klägers. Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (st. Rspr. vgl. zuletzt BSG vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15, jeweils RdNr 11). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76).
Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie (vgl. dazu nur Heinrichs in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Aufl. 2006, Vorb. v § 249 RdNr. 57 ff mwN sowie zu den Unterschieden BSGE 63, 277, 280 = SozR 2200 § 548 Nr 91) auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen.
Anders als bei der für das Zivilrecht maßgebenden Adäquanztheorie (stellvertretend BGHZ 137, 11, 19ff m.w.N.) folgt daraus keine abstrakt-generalisierende Betrachtungsweise; vielmehr ist die Kausalitätsbewertung in der gesetzlichen Unfallversicherung vom ex-post-Standpunkt aus anhand individualisierender und konkretisierender Merkmale des jeweiligen Einzelfalles vorzunehmen. Daher kommt es bei der Wertung im Bereich der Kausalität vor allem darauf an, welche Auswirkungen das Unfallgeschehen gerade bei der betreffenden Einzelperson mit ihrer jeweiligen Struktureigenheit im körperlich-seelischen Bereich hervorgerufen hat (vgl. BSGE 66, 156 , 158 = SozR 3-2200 § 553 Nr. 1 m.w.N.). Gleichzeitig ist im Rahmen der gegenseitigen Abwägung mehrerer, zu einem bestimmten "Erfolg" führender Umstände der Schutzzweck sowohl der gesetzlichen Unfallversicherung im Allgemeinen als auch der jeweils anzuwendenden Norm - hier der §§ 45, 56 SGB VII - zu berücksichtigen. Dies führt zu der Wertbestimmung, bis zu welcher Grenze der Versicherungsschutz im Einzelfall reicht (vgl. insgesamt BSG SozR 4-2200 § 589 Nr. 1 m.w.N.; SozR 2200 § 589 Nr. 96).
Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache hat die Rechtsprechung folgende Grundsätze herausgearbeitet: Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben) (BSG SozR Nr. 69 zu § 542 aF RVO; BSG SozR Nr. 6 zu § 589 RVO; vgl. Krasney in Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. 3, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand Januar 2006, § 8 RdNr. 314, Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl. 2003, Kap 1.3.6.1, S 80 f). Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts (BSGE 12, 242, 245 = SozR Nr 27 zu § 542 RVO; BSG SozR Nr 6 zu § 589 RVO). Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden (BSGE 62, 220, 222 f = SozR 2200 § 589 Nr 10; BSG SozR 2200 § 548 Nr 75; BSG vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15 jeweils RdNr 11). Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (BSGE 62, 220, 222 f = SozR 2200 § 589 Nr 10; BSG vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15 jeweils RdNr 11; ähnlich Schönberger/Mehrtens/Valentin, aaO). Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen. Dass der Begriff der Gelegenheitsursache durch die Austauschbarkeit der versicherten Einwirkung gegen andere alltäglich vorkommende Ereignisse gekennzeichnet ist, berechtigt jedoch nicht zu dem Umkehrschluss, dass bei einem gravierenden, nicht alltäglichen Unfallgeschehen oder besonderen Problemen in der anschließenden Heilbehandlung, ein gegenüber einer Krankheitsanlage rechtlich wesentlicher Ursachenbeitrag ohne weiteres zu unterstellen ist (vgl. insgesamt zum Vorstehenden BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R, SozR 4 2700 § 8 Nr, 17; B 2 U 40/05 R , UV Recht Aktuell 2006, 419; B 2 U 26/04 R , UV Recht Aktuell 2006, 497; alle auch veröffentlicht in Juris).
Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Dies wird häufig bei einem klar erkennbaren Ursache-Wirkungs-Zusammenhang, vor allem wenn es keine feststellbare konkurrierende Ursache gibt, kein Problem sein. Aber es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde (BSGE 19, 52 = SozR Nr 62 zu § 542 aF RVO; BSG Urteil vom 7. September 2004 - B 2 U 34/03 R; zu Berufskrankheiten vgl § 9 Abs 3 SGB VII). Für die Feststellung dieses Ursachenzusammenhangs - der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität - genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (stRspr BSGE 19, 52 = SozR Nr 62 zu § 542 aF RVO; BSGE 32, 203, 209 = SozR Nr 15 zu § 1263 aF RVO; BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr 38, BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteil vom 09.05.2006 a.a.O. mH auf BSG SozR Nr 41 zu § 128 SGG; BSG SozR Nr 20 zu § 542 aF RVO; BSGE 19, 52 = SozR Nr 62 zu § 542 aF RVO; BSG SozR 3-1300 § 48 Nr 67; Schönberger/Mehrtens/Valentin aaO, Kap 1.8.2, S 119 f; Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG, 8. Aufl 2005, § 128 RdNr 3c). Dagegen müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß i. S. des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden (BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 mwN).
Nach diesen Grundsätzen liegt zur Überzeugung des Senats eine unfallbedingte Kausalität für die geltend gemachten Gesundheitsstörungen vor. Zu dieser Überzeugung kommt der Senat nach Auswertung der Gutachten vom Dr. J. und Dr. W. sowie der in den Verwaltungsakten vorhandenen ärztlichen Unterlagen.
Wie Dr. W. überzeugend ausgeführt hat, war das Ereignis vom 28.06.2007 geeignet einen Riss der körperfernen Bizepssehne herbeizuführen. Dr. W. geht – insofern in Übereinstimmung sowohl mit Dr. J. als auch mit Dr. S.-F. und der einschlägigen unfallmedizinischen Fachliteratur (vgl. z.B. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. S. 408) – davon aus, dass ein Unfallmechanismus zu einem Abriss der körperfernen Bizepssehne führt, der eine plötzliche, unerwartete Dehnung des stark angespannten Muskels verursacht. Dabei überträgt sich die Kraft entweder indirekt durch Zug bzw. Druck am Vorderarm auf den Bizepsmuskel oder sie wirkt direkt durch einen Schlag auf die Sehne ein. Als geeignete Unfallmechanismen wird z.B. das Anheben eines Tors mit maximaler Ausbreitung der Arme oder ein Nachfassen bei einer schweren Last oder ein Auffangen einer unerwartet schweren Last genannt. Demgegenüber ist ein plötzlicher Schmerz beim Anheben eines Gegenstands ein ungeeigneter Ablauf. Gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht auch eine erhebliche Vorschädigung der betroffenen Sehne (Schönberger/Mehrtens/Valentin a.a.O.).
Das Ereignis vom 28.06.2007 ist nach diesen Kriterien geeignet, einen Riss der körperfernen Bizepssehne herbeizuführen, wie sowohl Dr. J. als auch Dr. W. überzeugend ausgeführt haben. Der Kläger hat zwar kein Gewicht aufgefangen, durch das Ausbreiten der gebeugten Arme auf eine Breite von einem Meter ist das Ereignis einem Anheben eines Torflügels von unten nach oben aber ähnlich wie sowohl Dr. W. als auch Dr. J. überzeugend ausgeführt haben. Darüber hinaus wollte der Kläger den Big Bag mit Schwung zusammen klappen. Daraus ergibt sich, dass er selbst auch eine über das für einen leeren Big Bag notwendige Maß hinausgehende Geschwindigkeit einsetzte, die durch das unerwartet hohe Gewicht des Behältnisses (60 kg) und das dadurch – so die Schilderung des Arbeitgebers in der Unfallanzeige vom 12.09.2007 – in Richtung Trichter bzw. Röhre ins Rutschen geratene Granulat auch nicht statische Gewicht plötzlich ähnlich wie beim Auffangen eines mit Beton gefüllten Balls - wie Dr. W. eindrücklich schildert – ein abruptes Einwirken auf den Arm des Klägers verursacht hat.
Soweit Dr. S.-F. demgegenüber den geschilderten Unfallmechanismus nicht als geeignet ansieht, weil der Kläger gerade kein Gewicht aufgefangen habe, folgt der Senat dem nicht. Dr. S.-F. übersieht insofern, dass der Kläger zwar willkürlich den Big Bag von der Seite her zusammenklappen wollte. Durch den dabei aufgewandten Schwung und die große Spannbreite zwischen den beiden Außenkanten unterscheidet sich der hiesige Unfallmechanismus vom Anheben eines schmaleren und auch leichteren Gewichts wie z.B. einer Getränkekiste. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall auch von dem vom Senat mit Urteil vom 23.03.2012 (L 8 U 884/11, Juris und sozialgerichtsbarkeit.de) entschiedenen Fall, in dem der Versicherte einen Riss der körperfernen Bizepssehne erlitten hatte als er ein anteiliges Gewicht von 30 kg in ungestörtem Verlauf des Hebevorganges angehoben und anschließend den Arm angewinkelt hatte.
Darüber hinaus spricht hier – anders als im vom Senat entschiedenen Fall (Urteil vom 23.03.2012 – L 8 U 884/11, Juris und sozialgerichtsbarkeit.de) - für einen Unfallzusammenhang auch die Tatsache, dass nach dem Ergebnis der histologischen Untersuchung keinerlei Vorschäden an der gerissenen Sehne vorhanden waren. Einem plötzlichen Abriss der vollständigen Sehne entsprechen auch der vom Kläger geschilderte "Knall" beim Zerreißen und seine unmittelbar nach dem Ereignis eingetretene körperliche Reaktion mit Schwindel und Schweißausbruch. Das Vorerkrankungsverzeichnis enthält ebenso wenig Hinweise auf eine einschlägige Sehnenerkrankung des linken Oberarmes. Eine relevante Vorschädigung, die in der Beweislast der Beklagten steht (vgl. Urteil des Senats vom 01.07.2011 - L8 U 197/11 -, juris, sozialgerichtsbarkeit.de), und damit auch nicht eine an der Sehnenruptur nur mitwirkende unfallvorbestehende Vorerkrankung ist nicht erwiesen.
Schließlich ist das Ereignis vom 28.06.2007 nicht lediglich eine Gelegenheitsursache. Die aktenkundigen ärztlichen Befunde und die Hinweise aus dem Vorerkrankungsverzeichnis haben keine Vorschädigung der Bizepssehne ergeben. Aber auch Art und Intensität der unfallbedingten Einwirkung lässt im Einzelfall nach dem medizinischen Erfahrungswissen eine hinreichende Umschreibung des Ausmaßes des zu beurteilenden Vorschadens zu (vgl. Urteil des Senats vom 23.03.2012, a.a.O.). War die Unfalleinwirkung selbst ihrer Ausprägung und Art nach nicht besonders und unersetzlich, sondern erreichte nur die Intensität eines alltäglich vorkommenden Ereignisses, ist mit gutem Recht anzunehmen, dass die degenerative Vorschädigung in ihrer Ausprägung bereits so leicht ansprechbar war, dass eine rechtlich erhebliche unfallvorbestehende Sehnendegeneration im Sinne einer Gelegenheitsursache vorlag (vgl. zu dieser Voraussetzung Urteile des Senats vom 01.07.2011 - L 8 U 197/11 - und vom 16.04.2010 - L 8 U 5043/09 -, beide veröff. in sozialgerichtsbarkeit.de und Juris). Maßgebend zur Bewertung einer Alltagsbelastung ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht das Unfallereignis als solches (z. B. die Tatsache eines Sturzes etc.) bzw. der generell zum Tragen gekommene Kraftaufwand, sondern die Intensität der Einwirkungen auf das verletzte Organ (vgl. stellvertretend zuletzt Urteil des Senats vom 01.07.2011 - L 8 U 197/11, Juris Rn. 39, Beschluss vom 07.08.2009 – L 8 U 5351/08 - und vom 03.06.2009 – L 8 U 345/09 -; so auch der 1. Senats des LSG Baden-Württemberg, vgl. Urteil vom 10.03.2008 - L 1 U 2511/07 -, veröffentlicht in Juris). Anhaltspunkte dafür, dass die vom Senat für nachgewiesen erachtete Beanspruchung der Sehne nicht über eine Alltagsbeanspruchung hinausgegangen ist, wie sie z.B. beim Tragen oder Hochheben von mittelschweren Lasten entstehen, hat die Beklagte weder vorgetragen noch ist dies für den Senat ersichtlich.
Das Urteil des SG war deshalb aufzuheben und der Klage stattzugeben.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
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