L 9 U 1683/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 2919/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 1683/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 5. März 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung des Ereignisses vom 02.03.1979 als Arbeitsunfall sowie hieraus folgende Leistungsansprüche des Klägers.

Der 1950 geborene Kläger wandte sich mit Schreiben vom 08.07.2004 an die Beklagte mit dem Antrag, einen Unfall, den er am 02.03.1979 während eines Pflegepraktikums beim Berufsförderungswerk H. im Rahmen der Tätigkeit als Essensfahrer (Aushilfe) bei der Stiftung Rehabilitation erlitten habe, als Arbeitsunfall anzuerkennen und ihm Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.

In einer schriftlichen Unfallschilderung vom 04.08.2004 gab der Kläger zum Hergang an, er habe im Rahmen des Pflegepraktikums in der Küche des Berufsförderungswerks gearbeitet. Er sei zum Zeitpunkt des Unfalls in der Küche gewesen, als er mit zwei großen Teebehältern eingeknickt sei. Den Unfall habe er auch der Unfallkasse Baden-Württemberg gemeldet. Am selben Tag gab der Kläger ausweislich eines Aktenvermerks der Beklagten zum Unfallhergang telefonisch an, er sei beim Heben von zwei Teekannen zu je 20 Liter auf feuchtem Boden weggerutscht und habe einen Bandscheibenvorfall L4/L5 und S1 erlitten. In einer weiteren schriftlichen Unfallschilderung gab der Kläger unter dem 13.10.2004 an, er sei in der Küche des Berufsförderungswerks beim Aufnehmen einer kochendheißen Teekanne auf dem nassen Küchenboden ausgerutscht, habe die Balance nicht mehr halten können und sei gestürzt. Der Unfall sei bereits in der Stiftung am 02.03.1979 gemeldet und dort durch einen Durchgangsarzt/Betriebsarzt gemeldet worden.

In den von der Beklagten daraufhin beigezogenen Behandlungsunterlagen der Orthopädischen Klinik und Poliklinik der Universität H., wo sich der Kläger - der damals noch Hans G. hieß - am 04.03.1979 vorgestellt hatte, ist zur Anamnese vermerkt, dass beim Anheben einer 15 Liter schweren Teekanne ein akutes Einschießen von Schmerzen im LWS-Bereich aufgetreten sei. Daraufhin sei paralumbal im Reha-Zentrum vom diensthabenden Arzt gequaddelt worden, worauf keine besondere Schmerzlinderung eingetreten sei. Es wurde die Diagnose akute Lumbago gestellt und röntgenologisch eine physiologische Krümmung der LWS ohne Anhalt für neurologische Ausfälle bzw. Blasen- und Mastdarmstörungen festgestellt. Ein Anhalt für degenerative Veränderungen bzw. eine Spondylose ergab sich ebenfalls nicht. Nach einer Auskunft der Barmer Ersatzkasse vom 30.07.2004, bei der der Kläger in der maßgeblichen Zeit krankenversichert war, war dieser aufgrund einer lumbo-sacralen Ischiopathie in der Zeit vom 06.03 bis 14.03.1979 arbeitsunfähig erkrankt. In einem weiteren Schreiben vom 28.07.2004 an die Beklagte teilte die Barmer Ersatzkasse mit, aus dem Jahre 1979 lägen keine Unfallakten mehr vor.

Die Beklagte ließ den Kläger durch den Arzt für Orthopädie W., W., begutachten. Dieser führte im Gutachten vom 27.06.2007 aus, der Kläger beschreibe seit dem Unfall Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule mit Ausstrahlung in das rechte Bein, insbesondere an der Oberschenkelaußenseite zur Rückseite des Oberschenkels verlaufend. Die Beschwerden gingen bis zum Kniegelenk. Röntgenologisch ergab sich beim Kläger im Bereich der Wirbelsäule kein Anhalt für knöcherne Verletzungen oder fortgeschrittene degenerative Veränderungen. Der Gutachter stellte aber eine physiologische Lordosierung der BWS und LWS und eine Torsion des thoracolumbalen WS-Abschnitts links und rechts um 30 Grad fest. Hiervon ausgehend war der beschriebene Unfall vom 02.03.1979 nach Auffassung des Gutachters nicht geeignet, die jetzigen lumbosacralen Funktionsschmerzen herbeizuführen. Hierfür hätte eine direkte Krafteinwirkung vorliegen müssen mittels großer Kraft oder ein Sturzereignis aus größerer Höhe. Aus der Unfallanamnese sei aber kein direktes Trauma, auch kein Verdrehtrauma, zu entnehmen. Es seien lediglich einschießende Schmerzen im LWS-Bereich durch das Anheben einer 15 Liter schweren Teekanne dokumentiert ohne Anhalt für neurologische Ausfälle bzw. Blasen- und Mastdarmstörungen. Krankhafte Veränderungen als Unfallfolge seien daher nicht anzuerkennen.

Mit Bescheid vom 18.10.2007 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 02.03.1979 als Arbeitsunfall ab und führte dazu aus, nach dem Gutachten des Orthopäden W. seien die Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule auf bereits bestehende körperliche Veränderungen zurückzuführen. Der Unfall sei daher nicht als Arbeitsunfall anzuerkennen und Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung seien nicht zu erbringen. Der vom Kläger dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 31.07.2008 zurückgewiesen mit der Begründung, es lägen seitens des Klägers schon unterschiedliche Unfallschilderungen vor. Hierbei sei der Erstschilderung der höhere Beweiswert zuzumessen, so dass die Beklagte als Geschehenshergang vom Anheben einer Teekanne und dabei einschießendem Schmerz in der Wirbelsäule ausgehen müsse. Dieser Vorgang sei aber nach dem vorliegenden Gutachten nicht geeignet, die jetzt bestehenden Beschwerden in der Lendenwirbelsäule hervorzurufen. Die Schmerzen seien vielmehr auf bereits bestehende körperliche Veränderungen zurückzuführen. Selbst unter Zugrundelegung der Schilderung des Klägers könne nicht von einem Arbeitsunfall ausgegangen werden, da der behauptete Sturz keine Unfallfolgen hinterlassen habe.

Am 01.09.2008 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben und vorgetragen, die Bewertungen des Orthopäden W. und der Beklagten seien nicht haltbar. Der Unfall sei bereits am Unfalltag durch die behandelnden Ärzte des Arbeitgebers aufgenommen worden. Diese benenne er ebenso als Zeugen wie Frau Angelika R., seine spätere Ehefrau.

Das SG hat die Klage, mit der der Kläger die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall und die Gewährung von Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung weiterverfolgt hat, durch Gerichtsbescheid vom 05.03.1979 abgewiesen und dazu ausgeführt, in den angefochtenen Bescheiden sei widerspruchsfrei begründet, weshalb ein Arbeitsunfall nicht anzuerkennen sei bzw. dem Kläger keine Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zustehen. Ergänzend sei auszuführen, dass es vorliegend in der Tat entscheidend auf die Erstangaben des Klägers aus dem Jahre 1979 ankomme, wonach er beim Anheben einer 15 Liter schweren Teekanne einen einschießenden Schmerz im Bereich der Lendenwirbelsäule verspürt habe. Dies bedeute, dass ein Unfall (also ein plötzliches, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Körperschaden führe) gerade nicht anzunehmen sei. Soweit der Kläger demgegenüber aktuell - teilweise variierend - vortrage, tatsächlich sei er auf nassem Fußboden ausgerutscht und gestürzt, sei dieser Sachverhaltsversion nicht zu folgen. Denn der Kläger, der bisher beim SG allein im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung 47 Klagen erhoben bzw. Verfahren angestrengt habe, habe in der Vergangenheit immer wieder Dinge behauptet, die sich nicht bestätigen ließen, so dass erhebliche Zweifel vorhanden seien, ob er mit Abstand von 30 Jahren zu dem Unfallereignis die objektive Wahrheit wiedergebe oder einen längst verklärten Geschehensablauf schildere. Aber auch wenn man davon ausgehen würde, der Kläger habe einen Arbeitsunfall erlitten, verbliebe kein Raum für die Anerkennung überdauernder Unfallfolgen. Denn damals sei ausschließlich eine Lumbago beschrieben worden, die innerhalb weniger Wochen auszuheilen pflege. Hingegen hätten sich keine schwerwiegenden traumatisch bedingten Gesundheitsstörungen objektivieren lassen, die die beim 59-jährigen Kläger bestehenden Bandscheibenschäden oder die Spinalkanalstenose erklären würden. Da es, um diese Aussage zu treffen, keines besonderen medizinischen Sachverstandes bedürfe, habe auf eine Heranziehung des vom Orthopäden Waibel erstatteten Gutachtens verzichtet werden können.

Gegen den am 30.03.2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 14.04.2009 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt, mit welcher er sein bisheriges Begehren weiterverfolgt und dazu ausgeführt hat, der Arzt Waibel hätte wie später geschehen ein MRT der Wirbelsäule veranlassen müssen, um die Diagnose zu sichern. So erkläre sich die gestellte Diagnose lumbo-sacro Ischiopathie von Dr. H., H., der die weitere Therapie veranlasst habe. Der Arzt W. habe ihn schon früher behandelt und auch bei seiner zwischenzeitlich verstorbenen Ehefrau eine Fehldiagnose gestellt.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 05. März 2009 und den Bescheid den Bescheid der Beklagten vom 18. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Juli 2008 aufzuheben, festzustellen, dass das Ereignis vom 02.03.1979 ein Arbeitsunfall war und die Beklagte zu verurteilen, ihm Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt im Wesentlichen vor, es lasse sich nicht mehr ermitteln, inwieweit andere Ärzte an der Behandlung des Klägers beteiligt gewesen sind, da die Unterlagen vernichtet seien und auch die Krankenkasse und andere Träger keine Unterlagen und keine Kenntnis mehr hätten. Die Schilderung des Ausrutschens sei erstmals durch den Kläger selbst im Jahr 2004 erfolgt. Andere Personen oder Schriften könnten diesen Hergang nicht bestätigen. Es fehle damit am Vollbeweis des Unfallhergangs, so dass ausschließlich die Erstangaben zur Bewertung herangezogen werden könnten. Die Beklagte schließe sich der diesbezüglichen Bewertung des Orthopäden Waibel im Gutachten vom 27.06.2007 an.

Der Vorsitzende hat am 27.11.2012 einen Termin zur Erörterung des Sach- und Streitstandes mit den Beteiligten durchgeführt. Der Kläger hat darin zu dem Ereignis vom 02.03.1979 angegeben, er sei im Rahmen eines Dienstvertrages bei der Stiftung Rehabilitation als Essensfahrer (Aushilfe) in einer Großküche beschäftigt gewesen, in der täglich zwischen 2000 und 3000 Essen zubereitet worden seien. Seine Aufgabe sei es gewesen, die Essen mit dem Essenswagen zu befördern und zu verteilen. Am 02.03.1979 mittags gegen 12.00 Uhr habe er vor dem Losfahren mit dem Essenswagen Teekannen befüllt. Der Boden der Großküche sei wie häufig feucht gewesen. Beim Hochheben von zwei Kannen habe er das Gleichgewicht nicht mehr halten können und sei umgeknickt, d.h. eingeknickt. Er sei in die Knie gegangen und mit dem Hintern auf dem Boden gelandet; die Kannen habe er noch abstellen können. Er sei dann auf dem Hintern gesessen und nicht mehr hoch gekommen; es sei ihm ins Gesäß hineingefahren. Es habe sich um zwei Kannen mit ca. 10 Liter Inhalt gehandelt. Er habe sich dann krank gemeldet und sei zwei Wochen krankgeschrieben gewesen.

Auf den Hinweis des Gerichts, dass weitere Ermittlungen von Amts wegen nicht beabsichtigt sind, hat der Kläger unter dem 06.12.2012 die Einholung eines weiteren Gutachtens, "hilfsweise nach § 109 SGG" beantragt. Dem Kläger ist daraufhin unter dem 17.12.2012 unter Hinweis auf die Ablehnungsmöglichkeit des § 109 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) aufgegeben worden, bis zum 21.01.2013 einen Arzt mit genauer Anschrift zu benennen, dessen gutachterliche Äußerung beantragt wird, einen Kostenvorschuss in Höhe von 2.500 EUR einzuzahlen und die anliegende Kostenverpflichtungserklärung ausgefüllt und unterschrieben vorzulegen. Dem ist der Kläger nicht nachgekommen. Stattdessen hat er mit Schreiben vom 21.01.2013 beantragt, ihm eine angemessene Frist für die Auswahl eines Gutachters sowie für die Überweisung von 2.500,- EUR, über die er derzeit nicht verfüge, zu gewähren. Außerdem hat er um Hinweis gebeten, ob die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für die Bestellung eines Gutachters in Frage komme. Mit Schreiben des Gerichts vom 21.01.2013 ist der Kläger darauf hingewiesen worden, dass eine Fristverlängerung ebenso wenig in Betracht kommt wie die Bewilligung von PKH für den Kostenvorschuss nach § 109 SGG (vgl. § 73a Abs. 3 i.V.m. § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung des Ereignisses vom 02.03.1979 als Arbeitsunfall.

Streitgegenstand ist der Bescheid vom 18.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids 31.07.2008, mit dem die Beklagte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls abgelehnt hat. Das Begehren auf Feststellung, dass ein bestimmtes Geschehen als Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung zu qualifizieren ist, kann Gegenstand einer kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage sein (s. zur isolierten Feststellungklage in dieser Konstellation, Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 28.04.2004 - B 2 U 21/03 R -, SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 5101 Nr. 2).

Soweit die Beklagte im Bescheid vom 18.10.2007 zusätzlich ausgeführt hat, es seien auch keine Leistungen zu erbringen, handelt es sich um keine Entscheidung über konkrete Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung (Behandlungskosten, Verletztengeld, -rente etc.). Denn die Beklagte hat vor dem Hintergrund der Nichtanerkennung eines Arbeitsunfalls insofern keine nähere Prüfung hinsichtlich konkreter Leistungen, die bei Anerkennung eines Arbeitsunfalls zu gewähren wären, vorgenommen. Ein entsprechendes Begehren bezüglich solcher "Leistungen" ist somit unzulässig (BSG, Urteil vom 07.09.2004 - B 2 U 45/03 R -, in SozR 4-2700 § 2 Nr. 2 und Urteil vom 30.10.2007 - B 2 U 29/06 R -, in SozR 4-2700 § 8 Nr. 25 und in Juris).

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitsschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (vgl. BSG, Urteile vom 02.04.2009 - B 2 U 29/07 R -, SGb 2009, 355, vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, jeweils Rdnr. 10 und vom 04.09.2007 - B 2 U 24/06 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 24). Jedoch kann auch eigenständig begehrt werden, einen Gesundheitsschaden gerichtlich als Folge eines Arbeitsunfalls festzustellen, wenn aufgrund der Unfallfolge Versicherungsansprüche in Betracht kommen können.

Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt, dass die Merkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitserst- bzw. Gesundheitsfolgeschaden" im Wege des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der wesentlichen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 30/07 R -, BSGE 103, 45).

Nach diesen Grundsätzen haben die Beklagte und das SG zu Recht das Vorliegen eines Arbeitsunfalles verneint. Auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung des SG wird Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend ist (lediglich) auszuführen, dass sich auch der erkennende Senat bereits nicht die Überzeugung vom Vorliegen eines versicherten Unfallereignisses zu verschaffen vermochte. Bedarf ein Tatbestandsmerkmal - wie das des Arbeitsunfalles - des Vollbeweises, so kann dieser zwar unter Umständen auch (allein) durch Angaben eines Beteiligten erbracht werden. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass der Vortrag in sich frei von Widersprüchen ist und mit den übrigen Ermittlungsergebnissen im Einklang steht. Der Vollbeweis wird demgegenüber nicht erbracht, wenn die Angaben mehrfach geändert wurden und es für die demgemäß ursprünglich unrichtigen Angaben keine befriedigende Erklärung gibt (BSG, Urteil vom 07.12.1989 - 4 RLw 11/88 -; Sächsisches LSG, Urteil vom 30.08.2006 - L 6 U 62/06 - (jeweils juris)). An in sich stimmigen, widerspruchsfreien Angaben fehlt es hier in Bezug auf das Ereignis vom 02.03.1979. Dessen Geschehensablauf wurde vom Kläger in Bezug auf das relevante Kerngeschehen sehr unterschiedlich dargestellt, etwa was Zahl und Gewicht der Teekannen anbelangt, die er gehoben haben will und auch in Bezug auf den weiteren Unfallablauf (einschießender Schmerz beim Hebevorgang oder aber Sturz nach hinten etc.). Dabei wäre bei einer realitätsbegründeten Schilderung jedenfalls in Bezug auf das relevante Kerngeschehen - auch unter Berücksichtigung des zeitlichen Abstands zu dem Ereignis - eine widerspruchsfreie Darstellung zu erwarten. Unter diesen Umständen ist dem Kläger der Vollbeweis vom Vorliegen eines versicherten Arbeitsunfalles nicht gelungen, zumal weitere Aufklärungsmöglichkeiten mit Blick auf die verstrichene Zeit nicht (mehr) bestehen. Die Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, dass keine Krankenunterlagen über den Vorgang mehr vorliegen und auch sonst keine Beweismittel mehr zur Verfügung stehen. Für weitere diesbezügliche Ermittlungen von Amts wegen bestand somit keine Veranlassung.

Unabhängig davon vermag der Senat auch nicht die Überzeugung zu gewinnen, dass die vom Kläger geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen im Bereich der Wirbelsäule, insbesondere die beim Orthopäden W. angegebenen Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule, Folge des Ereignisses vom 02.03.1979 sind.

Voraussetzung für die Anerkennung bzw. Feststellung einer Gesundheitsstörung als Folge eines Arbeitsunfalls ist u. a. ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und einem Gesundheitserstschaden (haftungsbegründende Kausalität) und dem Gesundheitserstschaden und der fortdauernden Gesundheitsstörung (sog. haftungsausfüllende Kausalität). Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen - neben der versicherten Tätigkeit und dem Unfallereignis - der Gesundheitserstschaden und die eingetretenen fortdauernden Gesundheitsstörungen gehören, mit einem der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit erwiesen sein (Vollbeweis, siehe oben). Für die Bejahung eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen Einwirkung und dem Gesundheitserstschaden sowie dem Gesundheitserstschaden und fortdauernden Gesundheitsstörungen gilt im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung die Kausalitätstheorie der "wesentlichen Bedingung". Diese hat zur Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie. In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob das Ereignis nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden, bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens abgeleitet werden. Bei mehreren konkurrierenden Ursachen muss die rechtlich wesentliche Bedingung nicht "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig" sein. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Kommt einer der Ursachen gegenüber den anderen eine überragende Bedeutung zu, ist sie allein wesentliche Ursache und damit allein Ursache im Rechtssinn (vgl. hierzu das grundlegende Urteil des BSG vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17= BSGE 96, 196-209).

Bei der Überzeugungsbildung des Tatsachengerichts genügt für die Feststellung des naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachenzusammenhangs der Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit (st. Rspr., BSG, Urteile vom 02.02.1978 - 8 RU 66/77 - BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr. 38 S. 105 f, vom 30.04.1985 - 2 RU 43/84 - BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr. 1 S. 3 f und vom 15.05.2012 - B 2 U 31/11 R - (Juris)). Dieser ist erfüllt, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht; allein die Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs genügt dagegen nicht (BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, Rdnr. 20; BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 5/10 R - SozR 4-2700 § 200 Nr. 3).

Die hier vorzunehmende Kausalitätsbeurteilung hat im Übrigen auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Dies schließt die Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet war, eine bestimmte körperliche Störung hervorzurufen (BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - a.a.O.).

Gemessen an den vorstehenden Voraussetzungen lassen sich die vom Kläger geltend gemachten gesundheitlichen Einschränkungen nach dem Gutachten des Facharztes für Orthopädie W. vom 27.06.2007, welches im Wege des Urkundsbeweises verwertbar ist, nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit dem Ereignis vom 02.03.1979 zuordnen, sondern sind physiologisch bzw. degenerativ bedingt. Der Senat schließt sich diesem schlüssig begründeten Gutachten an. Weitergehenden Aufklärungsbedarf hat weder der Kläger aufgezeigt noch ist dieser sonst erkennbar.

Der vom Kläger unter dem 06.12.2012 schriftsätzlich gestellte Antrag auf Einholung eines Gutachtens war nach § 109 Abs. 2 SGG abzulehnen, da dieser auf die Verfügung des Gerichts vom 17.12.2012 innerhalb der gesetzten Frist (21.01.2013) weder einen bestimmten, zur Gutachtenserstellung bereiten Arzt benannt noch den geforderten Kostenvorschuss einbezahlt hat. Für eine Fristverlängerung zur Auswahl eines Arztes bestand keine Veranlassung, zumal der Kläger keine Gründe benannt hat, die ihn gehindert hätten, innerhalb der angemessenen Frist von ca. einem Monat einen bestimmten Arzt zu bezeichnen. Das vom Kläger in einem anderen anhängigen Verfahren (L 9 U 5119/10) am 23.01.2013, also nach Ablauf der im vorliegenden Verfahren gesetzten Frist, per Telefax übermittelte ärztliche Attest bescheinigt zwar - durch wen auch immer handschriftlich ausgefüllt - Arbeitsunfähigkeit für den Zeitraum 21.01. bis 06.02.2013, es lässt sich aber schon mangels Leserlichkeit nicht ohne Weiteres dem Kläger zuordnen. Unabhängig davon führt auch eine etwaige Arbeitsunfähigkeit - zumal wenn sie erst am letzten Tag der hier gesetzten Frist beginnt - nicht notwendig zur Unfähigkeit der schriftlichen Benennung eines Arztes, wovon die Begutachtung nach § 109 SGG unter Anderem abhängig gemacht worden war. Die Gewährung von PKH für die Kosten nach § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG scheidet nach der Bestimmung des § 73a Abs. 3 SGG aus.

Da die Berufung des Klägers unbegründet ist, weist sie der Senat zurück. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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