L 5 R 2844/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 1682/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 2844/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 18.5.2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1954 geborene Klägerin (GdB 60) hat keinen Beruf erlernt. Ihre Friseurlehre hat sie wegen einer Schwangerschaft abgebrochen, später war sie u.a. als Kantinenhilfe, Telefonistin, Bäckereiverkäuferin und zuletzt als Kassiererin in einem Baumarkt versicherungspflichtig beschäftigt; ab 1.3.2008 übte sie eine geringfügige Beschäftigung als Zeitungsausträgerin aus.

Am 26.6.2003 beantragte die Klägerin erstmals Rente wegen Erwerbsminderung. Zuvor hatte sie vom 4.3.2003 bis 25.3.2003 eine stationäre Rehabilitationsbehandlung in der Reha-Klinik W., Bad H., absolviert. Im Entlassungsbericht vom 14.4.2003 sind die Diagnosen Supraventriculäre Extrasystolie, intermittierendes Vorhofflimmern ED 1998, z. Zt. Sinusrhythmus, labile arterielle Hypertonie, unklares Schmerzsyndrom mit Verdacht auf Somatisierung, rezidivierende Infekte mit subfebrilen Temperaturen und BKS-Beschleunigung sowie Adipositas Grad III (BMI 41) festgehalten. Die Klägerin wurde arbeitsfähig entlassen; sie könne als Kassiererin im Baumarkt 6 Stunden täglich und mehr arbeiten und leichte bis mittelschwere Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen) ebenfalls 6 Stunden täglich und mehr verrichten.

Die Beklagte zog Arztunterlagen bei und erhob das (Akten-)Gutachten der Internistin und Sozialmedizinerin Dr. E. vom 18.8.2003. Diese schloss sich der Leistungseinschätzung der Reha-Klinik W. an.

Mit Bescheid vom 26.8.2003 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 12.11.2003 zurück.

Am 4.12.2003 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Mannheim (Verfahren S 1 R 3514/03). Das Sozialgericht erhob (nach Befragung behandelnder Ärzte) das Gutachten des Internisten B. vom 5.10.2004 und des Neurologen und Psychiater Dr. N. vom 24.1.2005.

Der Internist B. diagnostizierte ein Fibromyalgiesyndrom, eine depressive Anpassungsstörung bei chronischem Schmerzsyndrom, beginnende Gon- und Coxarthrose beidseits, Fingergelenkspolyarthrose, arterielle Hypertonie, leichtgradiges Aortenvitium, anamnestisch intermittierendes Vorhofflimmern, rezidivierende Infekte, Pollenallergie, Migräne, Harninkontinenz, Schwerhörigkeit, Presbyopie, Nahrungsmittelallergie, Adipositas, Fettleber und Mikrohämaturie. Die Klägerin wäre derzeit wohl nicht in der Lage, einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nachzugehen, ohne dass es zu gehäuften Ausfallzeiten käme. Allerdings finde bisher keine adäquate und konsequente Behandlung des komplexen Krankheitsbildes statt. Dadurch sollte vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte und gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen) erreicht werden können.

Dr. N. fand eine komplett unauffällige Stimmung und normalen Antrieb und diagnostizierte eine somatoforme Schmerzstörung mit begleitender leichter depressiver Anpassungsstörung sowie ein Carpaltunnelsyndrom rechts und in etwas geringerem Ausmaß links. Im Kontrast zu den als massiv geschilderten Schmerzen und der ausgeprägten Schmerzempfindlichkeit während der Untersuchung imponiere die ausgeglichene, fast heitere Grundstimmung der Klägerin. Der psychopathologische Befund sei komplett regelrecht. Insbesondere fänden sich keine Hinweise für eine depressive Symptomatik. Die Angaben bezüglich der auftretenden depressiven Phasen mit sozialem Rückzug, Niedergeschlagenheit und Verlust des Antriebs wirkten wenig nachvollziehbar. Die Klägerin habe sich auch nur sehr selten (vor Jahren - 1988 und 2002) in nervenärztlicher Behandlung (nicht wegen Depression) befunden. Die Klägerin könne ihren Haushalt im Wesentlichen besorgen, die sozialen Aktivitäten erschienen nicht wesentlich eingeschränkt, Sexualität werde als überwiegend normal geschildert. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten seien (unter qualitativen Einschränkungen) vollschichtig möglich.

Mit Urteil vom 20.7.2005 wies das Sozialgericht die Klage ab. Am 20.9.2005 erhob die Klägerin dagegen Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg (Verfahren S 4 R 3896/05). Während des Berufungsverfahrens absolvierte die Klägerin vom 22.11.2005 bis 13.12.2005 eine stationäre Rehabilitationsbehandlung in der Rheumaklinik Bad W ... Im Entlassungsbericht vom 14.12.2005 sind die Diagnosen Fibromyalgie, Fingerpolyarthrosen, degenerative Veränderungen an Halswirbelsäule und Lendenwirbelsäule im Sinne der Spondylarthrose sowie Spondylose und Osteochondrose festgehalten. Die Klägerin könne als Kassiererin 3 bis unter 6 Stunden täglich arbeiten, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen) aber 6 Stunden täglich und mehr verrichten.

Das LSG erhob auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. B. vom 18.1.2008. Darin ist ausgeführt, es habe sich eine deutliche Diskrepanz zwischen dem beklagten und dem vermittelten Leiden gezeigt. Die Klägerin habe zu keinem Zeitpunkt der Exploration und Untersuchung unter akuten körperlichen Schmerzen leidend entsprechend der angegebenen Ausprägung von 8/10 gewirkt. Vermehrte Entlastungsbewegungen seien während der längeren Exploration nicht zu beobachten gewesen. Der Gutachter diagnostizierte eine mittelausgeprägte somatoforme Schmerzstörung und erachtete die Klägerin für fähig, (unter qualitativen Einschränkungen) mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die Klägerin nahm daraufhin die Berufung zurück.

Am 24.10.2008 stellte die Klägerin erneut einen Rentenantrag. Die Beklagte zog Arztberichte bei und lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 2.3.2009 ab. Den dagegen eingelegten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.4.2009 zurück.

Am 22.5.2009 erhob die Klägerin (wiederum) Klage beim Sozialgericht Mannheim. Das Sozialgericht befragte behandelnde Ärzte (u.a. Internist Dr. St., Bericht vom 29.9.2009: Arbeitszeit von 4 Stunden täglich vertretbar; Universitätsklinik H. - Zentrum für Psychosoziale Medizin - Bericht vom 30.9.2009: einmalige Vorstellung am 17.8.2009, 11.00 Uhr bis 12.00 Uhr, auf Veranlassung des Hausarztes, leichtgradig depressive Episode und somatoforme Schmerzstörung, Empfehlung zur Wiederaufnahme einer ambulanten Psychotherapie) und erhob das Gutachten der Neurologin und Psychiaterin Dr. H. vom 20.1.2010. Diese eruierte den Tagesablauf der Klägerin (Aufstehen um 8.00 Uhr, Frühstück für den Ehemann, Aufräumen und allgemeine Haushaltstätigkeit, kleinere Einkäufe allein, größere Einkäufe mit Sohn, Tochter oder Ehemann, Mittagessen kochen, nachmittags weitere Haushaltsarbeit, fast täglicher Besuch der Enkel zur Erledigung von Hausaufgaben, Freundeskreis vorhanden, regelmäßig mit dem Ehemann, teils auch alleine, zum Wochenendhaus am W.) und stellte fest, dass eine nervenärztliche Behandlung nicht stattfindet (zuletzt 2007 gesprächstherapeutische Behandlung bei Dr. E.). Die Gutachterin fand eine ausgeglichene Stimmung und gut erhaltene emotionale Schwingungsfähigkeit sowie ungestörten Antrieb. Die Angaben der Klägerin seien nahezu identisch mit den Angaben bei den Vorbegutachtungen. Höhergradige Funktionsstörungen im Alltagsleben ließen sich nicht erkennen; die Klägerin erscheine im Gegensatz zu den früher beschriebenen Einschränkungen sogar eher besser in der Lage zu sein, den Haushalt zu regeln und den allgemeinen Alltagsanforderungen standzuhalten. Das beklagte Schmerzsyndrom erscheine nicht in einer solchen Ausprägung vorhanden zu sein, dass daraus höhergradige Auswirkungen auf die allgemeine Lebensführung folgten, zumal eine regelmäßige nervenärztliche oder psychotherapeutische Behandlung nicht stattfinde. Eine suffiziente medikamentöse Therapie werde ebenfalls nicht durchgeführt. Gegen eine schwere Erkrankung spreche auch das Fehlen einer stationären psychosomatischen Behandlung. Wie bei der Begutachtung durch Dr. B. sei (wiederum) ein überzeugender Leidensdruck nicht erkennbar. Die Gutachterin diagnostizierte eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung. Eine eigenständige depressive Erkrankung bestehe nicht; die Stimmungsschwankungen erreichten auch nicht den Schweregrad einer Dysthymia. Die Klägerin könne leichte bis vorübergehend mittelschwere Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen) mindestens 6 Stunden täglich verrichten. Betriebsunübliche Pausen seien nicht erforderlich. Die Klägerin sei auch wegefähig. Eine Wiederherstellung der Gesundheit würde bedeuten, dass die Klägerin wieder erwerbstätig sein müsste ohne sichere Aussicht auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz; dies stehe nach allgemeiner nervenärztlicher Erfahrung einem Genesungsprozess entgegen. Die bisherige Therapie sei gleichwohl keinesfalls ausreichend.

Mit Urteil vom 18.5.2010 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, der Klägerin stehe Rente wegen Erwerbsminderung nicht zu, weil sie leichte Tätigkeiten mindestens 6 Stunden täglich verrichten könne (§ 43 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch, SGB VI). Das ergebe sich aus den schlüssigen Gutachten der Dres. H. und B ... Abweichende Meinungen behandelnder Ärzte könnten demgegenüber nicht überzeugen.

Auf das ihr am 20.5.2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 17.6.2010 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, die Leistungseinschätzung von Dr. H. sei nicht zutreffend. Bei ihr seien die Diagnosekriterien der Fibromyalgie erfüllt. Außerdem habe das Sozialgericht einem Antrag auf Begutachtung gemäß § 109 SGG nicht entsprochen. Sie leide (zusätzlich) an chronischem Vorhofflimmern, Koronararteriensklerose und Diabetes.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 18.5.2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 2.3.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.4.2009 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab Antragstellung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Senat hat auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG das Gutachten des Orthopäden W. vom 23.5.2012 erhoben. Dieser hat die Klägerin untersucht und deren Beschwerdeschilderungen wiedergegeben (Therapie: u.a. Marcumareinnahme wegen des Vorhofflimmerns, Voltaren wegen Fibromyalgie, wegen zu starker Schmerzen keine Physiotherapie) und auf seinem Fachgebiet folgende Diagnosen festgehalten: chronisches Lumbalsyndrom mit Instabilität und Wirbelgleiten LWK 4/5 (Grad Meyerding I), Bandscheibenschädigung LWK 3 bis S 1 mit Spondylose und Osteochondrose, Spinalkanalstenose, Osteoporose mit schwerer über zweidritteliger Funktionseinschränkung, chronisches Thorakalsyndrom mit schwerer Brustkyphose, fortgeschrittene Spondylose und Osteochondrose mit teilweise knöcherner Einsteifung des mittleren und unteren Anteils sowie osteoporotischem Wirbelkörpervorderkanteneinbruch von Th 12, chronisches Cervikalsyndrom mit deutlicher Bandscheibenschädigung HWK 4/5 und HWK 5/6 sowie Spinalkanalstenose mit hochgradiger zweidritteliger bis vierfünfteliger Funktionseinschränkung sowie Osteoporose, schwere Protrusionscoxarthrose beidseits mit deutlicher Funktionseinschränkung, schweres Fibromyalgiesyndrom mit Verdacht auf Polymalgia rheumatica mit deutlicher Bewegungseinschränkung der großen und kleinen Gelenke der oberen Extremitäten sowie des Wirbelsäulenachsenorgans im Bereich des Beckengürtels, Periarthritis humero scapularis beider Schultergelenke mit deutlicher Funktionseinschränkung, hochgradige Polyarthrose der Hände mit sekundären Heberden-, Bouchard- und Rhizarthrosen sowie Einschränkung der Handumwendbewegungen mit ausgeprägtem Kraftverlust und Funktionseinschränkung. Die Klägerin könne leichte Arbeiten (unter qualitativen Einschränkungen) unter 3 Stunden täglich verrichten. Der festgestellte Gesundheitszustand bestehe seit dem (zweiten) Rentenantrag. Die Leistungseinschätzung stütze sich auf orthopädische Erkrankungen, die bislang nicht hinreichend gewürdigt worden seien.

Die Beklagte hat die beratungsärztliche Stellungnahme der Chirurgin und Sozialmedizinerin Z. vom 26.11.2012 vorgelegt. Darin ist (u.a.) ausgeführt, der Gutachter W. habe bei der Klägerin (Übergewichtigkeit mit BMI von 42,4) Bewegungsmaße nicht nach der Neutral-0-Messmethode, sondern als Bruchteil einer Normalfunktion, deren Standardwerte nicht angegeben seien, erhoben; sie könnten daher nicht nachvollzogen werden. Einschränkungen der Wirbelsäulenbeweglichkeit würden angegeben, jedoch sei die Funktion nicht aufgehoben. Hinsichtlich des angegebenen Kyphosewinkels der BWS (45°) bestehe eine über das normale Maß (40°) hinausgehende Rundrückenbildung, wobei Kyphosen unter 60° aber selten eine spezifische Therapie erforderten. Hinsichtlich der Hände seien Spitzgriff und auch Schlüsselgriff erhalten, der Grobgriff sei möglich. Die Angaben zur Ellenbogenbeweglichkeit seien nicht nachvollziehbar. Insgesamt zeige die Klägerin eine eingeschränkte Wirbelsäulenfunktion bei ungünstiger Statik durch ausgeprägtes Übergewicht mit teilweisen Muskelverspannungen bei Muskeldysbalance. Die Schultergelenke könnten zwar nicht vollständig aber doch bis über die Horizontale angehoben werden. Die Ellenbogenbeugung sei unauffällig. Durch Heberdenarthrosen der Hände bestünden Deformierungen und Funktionseinschränkungen, die nicht zu Funktionsverlust, sondern zu qualitativen Einschränkungen führten. Der Faustschluss beider Hände sei nicht vollständig möglich, wobei jedoch die Daumenkuppe alle Langfingerkuppen beidseits erreichen könne und somit Spitzgriffe und auch ein Grobgriff durchführbar seien. Aus den Röntgenbefunden könnten sowohl für die Wirbelsäule wie für die Extremitäten zwar Funktionseinschränkungen hergeleitet werden, jedoch sei eine Aufhebung der Funktion nicht erklärbar. Angaben zu Schmerzen habe die Klägerin nicht spontan, sondern auf Druck im Rahmen der Untersuchung gemacht. Hinsichtlich einer Schmerztherapie werde (nur) eine Behandlung mit entzündungshemmenden Schmerzmedikamenten berichtet, weitere aktuelle Therapien würden nicht benannt. Therapeutische Reserven seien noch nicht ausgeschöpft. Die Fibromyalgie werde nicht mehr als eigenständiges Krankheitsbild begriffen, sondern unter die Schmerzverarbeitungsstörungen subsumiert und es würden multimodale Behandlungskonzepte gefordert. Eine leitliniengerechte multimodale Therapie werde vom Gutachter W. ebenfalls nicht mitgeteilt. Die Klägerin könne leichte Tätigkeiten in überwiegend sitzender, zeitweise gehender und stehender Arbeitshaltung (unter qualitativen Einschränkungen: insbesondere keine Wirbelsäulenzwangshaltungen, kein häufiges Bücken und länger dauerndes Hocken, keine Tätigkeiten mit erhöhter Anforderung an die Kraft und Feinmotorik beider Hände) mindestens 6 Stunden täglich verrichten. Betriebsunübliche Pausen seien nicht notwendig und die Klägerin sei auch wegefähig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, ihr Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren. Sie hat darauf keinen Anspruch.

Das Sozialgericht hat in seinem Urteil zutreffend dargelegt, nach welchen Rechtsvorschriften (§ 43 SGB VI) das Rentenbegehren der Klägerin zu beurteilen ist, und weshalb ihr danach Rente nicht zusteht. Der Senat nimmt auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist insbesondere im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Beteiligten und die Ergebnisse der Beweisaufnahme im Berufungsverfahren anzumerken:

Auch der Senat ist der Auffassung, dass die Klägerin leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts (unter qualitativen Einschränkungen) mindestens 6 Stunden täglich verrichten kann, weshalb Erwerbsminderung nicht vorliegt (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Das geht aus dem Gerichtsgutachten von Dr. H. (in Übereinstimmung mit den bisherigen Leistungseinschätzungen der Reha-Klinik W. im Entlassungsbericht vom 14.4.2003, des Dr. N. im Verwaltungsgutachten vom 24.1.2005 und des Gerichtsgutachtens (nach § 109 SGG) des Dr. B. vom 18.1.2008) überzeugend hervor. Der abweichenden Auffassung des Orthopäden W. in dessen auf Antrag der Klägerin gem. § 109 SGG erhobenen Gutachten kann sich der Senat nicht anschließen.

In orthopädischer Hinsicht liegen rentenberechtigende (quantitative) Leistungseinschränkungen nicht vor. Der gem. § 109 SGG mit der Begutachtung der Klägerin beauftragte Orthopäde W. hat die Klägerin in orthopädischer Hinsicht untersucht und eine Vielzahl von Diagnosen festgehalten. Für die Gewährung von Erwerbsminderungsrente sind indessen nicht Diagnosen, auch nicht die Diagnose einer Fibromyalgie, sondern Funktionseinschränkungen maßgeblich, die (vor allem) das quantitative (zeitliche) Leistungsvermögen auf unter 6 Stunden täglich einschränken. Der Gutachter W. hat eine derartige quantitative Leistungseinschränkung in seinem Gutachten zwar postuliert, aber aus den erhobenen Befunden nicht begründet; sie ist daher weder nachvollziehbar noch überzeugend. Die Chirurgin und Sozialmedizinerin Z. hat das in ihrer eingehenden beratungsärztlichen Stellungnahme vom 26.11.2012 zutreffend dargelegt. So ist die Wirbelsäulenbeweglichkeit der Klägerin (u.a.) wegen (auch altersgemäß zu erwartender) degenerativer Veränderungen und wegen des erheblichen Übergewichts und darauf zurückgehender ungünstiger Statik sowie Muskelverspannungen und -dysbalancen sicherlich eingeschränkt, jedoch nicht aufgehoben. Gleiches gilt für die Beweglichkeit der Hände und Schultern. Die Leistungsfähigkeit der Klägerin ist deswegen qualitativ eingeschränkt; sie kann - wie die Beratungsärztin Z. ausgeführt hat - nur leichte Tätigkeiten in überwiegend sitzender, zeitweise gehender und stehender Arbeitshaltung (ohne Wirbelsäulenzwangshaltungen, ohne häufiges Bücken und länger dauerndes Hocken, ohne erhöhte Anforderung an die Kraft und Feinmotorik beider Hände) verrichten. Eine quantitative und damit rentenberechtigende Leistungseinschränkung folgt aus den orthopädischen Leiden indessen - wie die Beratungsärztin Z. schlüssig dargelegt hat - aber nicht. Hierbei ist zusätzlich zu beachten, dass (wie schon in der Vergangenheit) eine adäquate Behandlung, der insbesondere Muskelverspannungen und Muskeldysbalancen zugänglich sind, nicht stattfindet. Auch eine hierfür geeignete Physiotherapie nimmt die Klägerin nicht wahr. Dass ihr dies wegen Schmerzen nicht möglich sein solle (so der Gutachter W. im Gutachten vom 23.5.2012), ist nicht nachvollziehbar, zumal eine höhergradige Schmerzerkrankung (wie sogleich darzulegen sein wird) ebenfalls nicht vorliegt.

In internistischer Hinsicht liegen bei der Klägerin Erkrankungen, wie Diabetes und Kreislaufleiden vor, die rentenberechtigende (quantitative) Leistungseinschränkungen ebenfalls nicht bedingen, freilich (nicht zuletzt wegen des erheblichen Übergewichts der Klägerin) behandlungsbedürftig sind. Auch insoweit hat in der Vergangenheit eine angemessene Behandlung nicht stattgefunden (Gutachten des Internisten B. vom 5.10.2004); derzeit wird offenbar eine medikamentöse Therapie mit Marcumar (so der Gutachter W. im Gutachten vom 23.5.2012) durchgeführt. Eine quantitative Leistungseinschränkung folgt daraus nicht.

Im Kern hat die Klägerin ihr Rentenbegehren auf eine (ggf. durch orthopädisch bedingte Leiden (Gutachten W.) begründete) Schmerzerkrankung bzw. Erkrankungen des psychiatrischen/psychosomatischen Fachgebiets (wie ein Fibromyalgiesyndrom) stützen wollen. Rentenberechtigende Leistungseinschränkungen sind aber auch insoweit nicht festzustellen. Der Neurologe und Psychiater Dr. N. hat schon im Verwaltungsgutachten vom 24.1.2005 (leichte bis mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig möglich) eine depressive Symptomatik bei unauffälliger Stimmung, ungeachtet der Klagen über massive Schmerzen bei teils heiterer Grundstimmung und normalem Antrieb nicht gefunden. Daran hat sich in der Folgezeit nichts wesentliches geändert. Der Neurologe und Psychiater Dr. B. hat im (gem. § 109 SGG erhobenen) Gutachten vom 18.1.2008 eine deutliche Diskrepanz zwischen dem beklagten und dem vermittelten Leiden festgestellt und die Klägerin trotz behaupteter Schmerzausprägungsgrade von 8/10 (maximaler Schmerz 10) nicht schmerzleidend befunden und ebenfalls ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten angenommen. Schließlich hat die Neurologin und Psychiaterin Dr. H. im Gutachten vom 20.1.2010 - bei nicht wesentlich beeinträchtigtem Tagesablauf und Alltagsverhalten (Fähigkeit zur Haushaltsführung eher gebessert) und nahezu identischen Angaben der Klägerin im Vergleich zu den Vorbegutachtungen - wiederum eine ausgeglichene Stimmung, eine gut erhaltene emotionale Schwingungsfähigkeit und ungestörten Antrieb und keine depressive Erkrankung gefunden. Wie Dr. B. hat auch sie einen überzeugenden Leidensdruck nicht erkennen können. Dies wird unterstrichen durch das Fehlen jeglicher adäquater (multimodaler) Therapie in nervenärztlicher, psychotherapeutischer oder psychopharmakologischer bzw. schmerztherapeutischer Hinsicht (dazu Senatsurteil vom 11.5.2011, - L 5 R 1823/10 -); mittlerweile werden nur entzündungshemmende Schmerzmedikamente angewendet (Beratungsärztin Z. in der Stellungnahme vom 26.11.2012). Eine sozialmedizinisch (rentenrechtlich) beachtliche Schmerzerkrankung - und sei es infolge der von dem Gutachter W. diagnostizierten orthopädischen Leiden - liegt damit ebenso wenig vor wie eine sozialmedizinisch beachtliche Erkrankung des depressiven Formenkreises.

Die abweichenden Auffassungen einzelner behandelnder Ärzte (etwa des Dr. St.) - die Arztberichte haben der Gutachterin Dr. H. vorgelegen - stellen ärztliche Meinungsäußerungen dar, enthalten aber keine aus Befunden schlüssig begründete sozialmedizinische Leistungseinschätzung und können insbesondere im Hinblick auf das Rentengutachten von Dr. H. nicht überzeugen. Die Annahme einer leichtgradig depressiven Episode bei der einstündigen Vorstellung der Klägerin in der Universitätsklinik H. am 17.8.2009 steht den Erkenntnissen der Rentengutachterin Dr. H. im Gutachten vom 20.1.2010 nicht entgegen.

Angesichts der vorliegenden Gutachten und Arztberichte drängen sich dem Senat weitere Ermittlungen, etwa weitere Begutachtungen, nicht auf. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung der Klägerin erfolglos bleiben muss. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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