Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 6 SB 790/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 1769/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts H. vom 05. April 2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung) streitig.
Bei dem am 10.03.1940 geborenen kroatischen Kläger, der im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltsberechtigung ist, wurde mit Bescheid vom 20.01.2005 ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie das Vorliegen der Voraussetzungen des Merkzeichens "G" ab dem 15.01.2004 festgestellt. Hierbei wurden folgendes Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde gelegt: Hirndurchblutungsstörungen, Hirnleistungsschwäche, Schlaganfallfolgen, degenerative Verände¬rungen der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen, Knorpelschäden an beiden Kniegelen¬ken, Arthrose, chronisches Schmerzsyndrom, Refluxkrankheit der Speiseröhre, Teilverlust des Dickdarms, Bluthochdruck, Adipositas per magna.
Ein am 03.11.2005 gestellter Antrag des Klägers auf Feststellung des Merkzeichens "aG" blieb erfolglos (Bescheid vom 02.12.2005, Widerspruchsbescheid vom 19.12.2005).
Am 23.01.2007 beantragte der Kläger die Feststellung der Voraussetzungen der Merkzeichen "aG" und "RF" (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht). Der Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid vom 05.07.2007 blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 23.11.2007). Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht H. (SG) (S 9 SB 4429/07) verglichen sich die Beteiligten nach Einholung eines HNO-ärztlichen Gutachtens dahingehend, dass der Beklagte das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" ab 23.01.2007 feststellte und der Kläger die Klage bezüglich der Zuerkennung des Merkzeichens "aG" zurücknahm.
Mit Änderungsantrag vom 15.12.2010 beantragte der Kläger die Feststellung der Merkzeichen "B", "aG" und "H" (Hilflosigkeit). In Auswertung der daraufhin eingeholten Befundberichte führte Dr. S. in den Gutachtlichen Stellungnahmen vom 12.01.2011 und 18.01.2011 aus, es lägen folgende Funktionsbeeinträchtigungen vor: Hirndurchblutungsstörungen, Schlaganfallfolgen, Hirnleistungsschwäche GdB 50 Schwerhörigkeit beidseits GdB 80 Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen GdB 30 Knorpelschäden an beiden Kniegelenken, chronisches Schmerzsyndrom, Arthrose, Gebrauchseinschränkung des rechten Beines GdB 30 Adipositas permagna, Bluthochdruck, Koronare Herzkrankheit, Stent- Implantation GdB 30 Refluxkrankheit der Speiseröhre, Teilverlust des Dickdarms GdB 20.
Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" lägen nicht vor.
Mit Bescheid vom 24.01.2011 lehnte das Landratsamt H. - Sozial- und Versorgungsamt - den Antrag ab. Hiergegen erhob der Kläger bei einer persönlichen Vorsprache im Landratsamt H. am 26.01.2011 unter Vorlage einer Liste seiner behandelnden Ärzte Widerspruch. Nach Einholung eines weiteren Befundberichtes des behandelnden Facharztes für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. T. vom 01.02.2011, auf den Bezug genommen wird, wies der Beklagte nach erneuter Gutachtlicher Stellungnahme durch Dr. S. vom 15.02.2011 mit Widerspruchsbescheid vom 17.02.2011 den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 02.03.2011 Klage zum SG erhoben.
Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen gehört. Dr. T. hat unter dem 26.04.2011 die Diagnosen eines chronischen HWS-/BWS-/LWS-Syndroms bei fortgeschrittener Abnützung der Wirbelsäule und Foramen-Stenose im Segment L3/L4 mit chronischer Wurzelreizung L5/S1, eine Gonarthrose beidseits mit chronischer Gonalgie und Gehbehinderung, eine Polyneuropathie und Sensibilitätsstörungen im Bereich des rechten und linken Fußes genannt. Unter Berücksichtigung der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers, eines Zustandes nach Myocardinfarkt im März 2005 und mehrmaligen Stenteinsätzen, einer koronaren Drei-Gefäßerkrankung und arteriellen Hypertonie, eines Zustandes nach Apoplexie 2004 mit Hemiparese rechts sowie einer peripheren arteriellen Verschlußkrankheit (AVK) Stadium 1 hat Dr. T. die Auffassung vertreten, die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" sei gerechtfertigt. Der Kläger könne sich nur noch unter großen Anstrengungen mit dem Rollator langsam fortbewegen und hierbei kurze Strecken von 100 bis 150 Meter zurücklegen. Wegen der schweren koronaren Herzerkrankung müsse er immer wieder stehen bleiben. Beigefügt war u.a. ein Arztbrief der Medizinischen Klinik T./Abteilung Innere Medizin III Kardiologie und Kreislauferkrankungen vom 07.03.2011 über einen stationären Aufenthalt des Klägers vom 04.03.2011 bis 09.03.2011 wegen eines Nicht-ST-Hebungsinfarktes bei koronarer Drei-Gefäßerkrankung mit mittelgradig eingeschränkter linksventrikulärer Pumpfunktion. Nach Durchführung einer PTCA und "drug eluting"-Stentimplantation sei der postinterventionelle Verlauf komplikationslos gewesen. Der Kläger sei in kardiopulmonal stabilem Zustand entlassen worden.
Der Facharzt für Neurochirurgie/Spezielle Schmerztherapie Dr. V. hat in der sachverständigen Zeugenaussage vom 10.05.2011 mitgeteilt, das Gehvermögen des Klägers sei zum einen durch deutliche degenerative Veränderungen der LWS, zum anderen durch einen vor drei Jahren stattgehabten Schlaganfall beeinträchtigt. Nach den Behandlungen durch ihn trete eine jeweils vier bis sechs Wochen andauernde kurzzeitige Besserung ein. Eine schwere Hemisymptomatik müsse durch einen Neurologen gesondert beurteilt werden.
Das SG hat sodann Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. D. mit der Erstattung eines orthopädischen Gutachtens beauftragt. Im Gutachten vom 19.11.2011 hat Dr. D. nach Untersuchung des Klägers am 16.11.2011 und unter Auswertung der vorliegenden Unterlagen folgende Diagnosen gestellt:
1. Chronisch rezidivierende Lumboischialgie bei Spinalkanalstenose und deutlichen degenerativen Veränderungen mit Claudicatio-spinalis-Symptomatik. 2. Gonarthrose links. 3. Spreizfuß, leichter Knick-Senkfuß beidseits, Großzehengrundgelenksarthrose bei Hallux valgus beidseits. 4. Chronische Cervikalgie. 5. Subacromiales Schmerzsyndrom rechts.
Als nichtorthopädische Diagnosen hat er eine Hemiparese rechts nach Apoplex, Pollakisurie, Zustand nach (Z.n.) Dickdarmkarzinom, Z.n. Lipomentfernung, Z.n. Myocardinfarkt und Stent-Implantation sowie Adipositas genannt. Nach korrekter Einstellung des Rollators habe sich insgesamt ein relativ zügiges und recht flüssiges Gangbild gezeigt. Zwar könne der Kläger ohne Unterarmstützen bzw. Rollator nur wenige Meter gehen. Unter Zuhilfenahme dieser Hilfsmittel sei das Gangbild jedoch wesentlich besser und sicherer. Insgesamt sei eine Gehstrecke von über 200 Meter bewältigt worden, auf welcher der Kläger sich achtmal für jeweils zwei bis maximal drei Sekunden bei kurzem Stehenbleiben auf dem Rollator bzw. den Gehstützen abgestützt habe. Durch eine Peronäusschiene könne das vom Kläger beklagte Hängenbleiben des rechten Fußes und somit die Gehqualität zusätzlich verbessert werden. Der Kläger habe eine wegen Schmerzen der LWS verordnete Rückenbandage bei der gutachterlichen Untersuchung nicht getragen, diese vielmehr zuhause gelassen. Er habe jedoch angegeben, dass mit der Bandage die Beschwerden etwas besser seien. Auch hierdurch könne die Gehstrecke positiv unterstützt werden. Eine Gehstrecke von über 200 Metern auf dem Praxisflur mit mehrfach 180 Grad-Richtungswechseln habe der Kläger zügig bewältigen können. Eine außergewöhnliche Gehbehinderung liege nicht vor.
Mit Gerichtsbescheid vom 05.04.2012 hat das SG, gestützt auf das von Dr. D. erstattete Gutachten, abgewiesen. Der Einschätzung der behandelnden Ärzte und insbesondere des Dr. T. sei nicht zu folgen, da dessen Feststellungen im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung widerlegt worden seien.
Gegen den am 18.04.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 26.04.2012 Berufung eingelegt. Er hat hierzu folgende medizinischen Unterlagen vorgelegt:
- Arztbrief der Fachklinik für Prävention und Rehabilitation SRH Gesundheitszentrum W.- Abteilung Kardiologie - vom 05.04.2011 über eine stationäre Anschlussheilbehandlung vom 16.03. bis 06.04.2011. Darin wird angegeben, der Kläger berichte über Atemnot unter leichter Belastung und Palpitationen. Er beklage auch stechende Schmerzen kurzzeitig anhaltend links thorakal. Er laufe auf der Ebene am Rollator. Psychosoziale Probleme würden nicht berichtet. Ein orthopädisches Konzil vom 23.03.2011 ergab Schmerzen im unteren Teil der LWS, in beide Beine einstrahlend, nach Gehstrecken zwischen 20 und 50 Metern. Bei Vornüberbeugen durch Abstützung des Oberkörpers mit zwei Händen auf den Oberschenkeln komme es zu einer deutlichen Reduktion der Symptomatik. Während des Aufenthalts habe der Kläger über kurze linksthorakale, stechende Schmerzen geklagt, die meistens beim Laufen aufgetreten seien.
- Arztbrief der Medizinischen Klinik T. vom 27.10.2011 über eine stationäre Behandlung vom 26.10. bis 28.10.2011. In der Koronarangiographie vom 27.10.2011 habe sich eine hochgradige Stenose im Bereich der LCx gezeigt, die erfolgreich durch eine primäre Stentimplantation behandelt worden sei. Der postinterventionelle Verlauf sei komplikationslos gewesen. Der Kläger sei darauf hingewiesen worden, sich in den nächsten 10 Tagen zu schonen und nicht schwer zu heben.
- Sozialmedizinisches Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Dr. B. vom 19.04.2011 wegen der Verordnung orthopädischer Halbschuhe nach Maß. Die Notwendigkeit einer Maßschuhversorgung bestehe nicht. Bei der vorliegenden Fußheberparese könne ggf. die Versorgung mit einer Peronäusorthese das Gangbild verbessern und Stürze vermeiden helfen.
- Arztbrief des Internisten Dr. K. vom 26.12.2010, wonach hinsichtlich des Zoekumkarzinoms weiterhin erfreulicherweise eine Vollremission vorliege. Im Vordergrund der Beschwerden stehe nach der nicht ganz einfachen Anamnese offensichtlich die konservativ behandelte Spinalkanalstenose, die nach Erschöpfung der konservativen Möglichkeiten durchaus mit vertretbarem Risiko operiert werden könne.
- Arztbrief Prof. Dr. L., Direktor der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie der X-Kliniken, vom 01.12.2010, wonach unter Berücksichtigung der neurologischen und kernspin-tomographischen aktuellen Befunde und der derzeit erfolgreich laufenden schmerz-therapeutischen Einstellung des Klägers unter Berücksichtigung der Vorerkrankung eine operative Intervention der rezidivierenden Lumboischialgien und der Spinalkanalstenose aus unfallchirurgisch-orthopädischer Sicht derzeit nicht indiziert sei.
- Arztbrief des Facharztes für Neurologie Dr. F. vom 02.12.2010 mit der Diagnose einer lumbalen schweren Spinalkanalstenose. Aktuell bestehe seit zwei Wochen wieder eine Verschlechterung, die Gehstrecke betrage aktuell 20 Meter, unter Schmerzmedikation 200 Meter bei dann massiv zunehmenden Schmerzen. Autofahren sei im Sitzen sehr gut, es bestünden nur Probleme beim Aufstehen. Die kurze Gehstrecke bei erneut zunehmenden Schmerzen deute darauf hin, dass die hochgradige lumbale Spinalkanalstenose L 3/4 rechts eine Hauptursache der Gesamtsymptomatik sei.
- Bericht des Kardiologen Dr. E. vom 14.01.2011 über eine Langzeit-EKG vom 13.01.2011 ohne pathologischen Befund.
- Arztbrief des Arztes für Radiologie und Nukleare Medizin Dr. C. vom 05.10.2010, wonach eine MR-LWS nativ eine chronische Lumboischialgie und den Verdacht auf NPP ergeben habe. Im Vergleich zur Voruntersuchung vom 01.10.2009 bestehe keine relevante Änderung.
- Arztbrief des Urologen Dr. M. vom 26.04.2010 mit den Diagnosen eines obstruktiven Prostataadenoms sowie einer Blasenentleerungsstörung, derzeit bedürfe es keiner Operation.
- Im Verfahren S 9 SB 4429/07 im November 2009 erstattetes HNO-ärztliches Sachverständigengutachten von Prof. Dr. L. mit der Diagnose einer beidseitig an Taubheit grenzenden Innenohrschwerhörigkeit, die einen GdB von 80 bedinge.
Vom 12.06.2012 bis 03.07.2012 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung der Klinik Hohenlohe, Fachklinik für Orthopädie und Innere Medizin. Im Arztbrief vom 06.07.2012 hat Chefarzt Dr. U. ausgeführt, bei der Aufnahme habe eine schmerzfreie Gehstrecke am Rollator von ca. 30 Meter bestanden, dann habe sich der Kläger hinsetzen müssen. Im Rahmen der physiotherapeutischen Maßnahme habe der Kläger eine intensive krankengymnastische Übungsbehandlung zur Stabilisierung der Rumpfmuskulatur sowie ein intensives Gehtraining erhalten. Bei der Abschlussuntersuchung habe eine geringfügige Beschwerdebesserung von Seiten der LWS mit immer noch zum Teil starken Schmerzen lumbal bestanden. Am Rollator gehe der Kläger ausreichend sicher, die schmerzfreie Gehstrecke betrage ca. 30 Meter. Für die Weiterbehandlung werde ein intensives Gehtraining am Rollator empfohlen.
Der Kläger hat schließlich einen Entlassbericht der Klinik am G. für Neurologie H. vom 10.10.2012 vorgelegt. Danach befand er sich dort vom 07.10.2012 bis 10.12. 2012 in stationärer Behandlung, nachdem er nach seinen Angaben am 29.09.2012 in Kroatien gestürzt und kollabiert war. Nach der Rückreise nach Deutschland am 30.09.2012 hätten initial weiterhin Sehstörungen auf beiden Augen bestanden, zwischenzeitlich sei eine Besserung eingetreten, seit dem 07.10.2012 verspüre er Kopfschmerzen. Der stationäre Aufenthalt sei komplikationslos verlaufen, am Entlassungsdatum hätten noch Mouches volantes (schwarze Punkte in der oberen Gesichtsfeldhälfte) bestanden, jedoch keine Beschwerden mehr bezüglich der Visusminderung, der Kopfschmerzen bzw. des Schwindels. Die residuale Hemisymptomatik rechts habe sich erwartungsgemäß nicht verändert.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts H. vom 05. April 2012 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 24. Januar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Februar 2011 zu verurteilen, die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" ab dem 15. Dezember 2010 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er trägt unter Bezugnahme auf die Versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. G. vom 09.08.2012 vor, das Gehvermögen des Klägers sei durch den Sachverständigen Dr. D. zutreffend beurteilt. Auch der Myocardinfarkt vom 04.03.2011 habe kein Ausmaß der kardialen Leistungseinschränkung bedingt, welches die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" begründen könne.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" liegen nicht vor.
Anspruchsgrundlage für die begehrte Feststellung ist § 69 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX). Danach stellen die zuständigen Behörden neben einer Behinderung auch gesundheitliche Merkmale fest, die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen für schwerbehinderte Menschen sind. Zu diesen Merkmalen gehört die außergewöhnliche Gehbehinderung im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 Straßenverkehrsgesetz (StVG) oder entsprechender straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften, für die in den Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen "aG" einzutragen ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Schwerbehindertenausweisverordnung). Diese Feststellung zieht straßenverkehrsrechtlich die Gewährung von Parkerleichterungen im Sinne von § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO nach sich, insbesondere die Nutzung von gesondert ausgewiesenen "Behindertenparkplätzen" und die Befreiung von verschiedenen Parkbeschränkungen. Darüber hinaus führt sie unter anderem zur Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer (§ 3a Abs. 1 Kraftfahrzeugsteuergesetz) bei gleichzeitiger Möglichkeit der unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr (§ 145 Abs. 1 SGB IX) und ggf. zur Ausnahme von allgemeinen Fahrverboten nach § 40 Bundesimmissionsschutzgesetz.
Ausgangspunkt für die Feststellung der außergewöhnlichen Gehbehinderung ist Abschnitt 2 Nr. 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO. Die VwV-StVO ist als allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung nach Art. 84 Abs. 2 Grundgesetz wirksam erlassen worden. Hiernach ist außergewöhnlich gehbehindert im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG, wer sich wegen der Schwere seines Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb seines Kraftfahrzeugs bewegen kann. Hierzu zählen Querschnitts-gelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, sowie andere Schwerbehinderte, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch auf Grund von Erkrankungen, dem vorstehenden Personenkreis gleichzustellen sind. Als Erkrankungen der inneren Organe, die eine solche Gleichstellung rechtfertigen, sind beispielsweise Herzschäden mit schweren Dekompensationserscheinungen oder Ruhein¬suffizienz sowie Krankheiten der Atmungsorgane mit Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades anzusehen. Ein Betroffener ist gleichzustellen, wenn seine Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und er sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die erstgenannten Gruppen von Schwerbehinderten oder nur mit fremder Hilfe fortbewegen kann. Hierbei kann es auf die individuelle prothetische Versorgung der aufgeführten behinderten Gruppen grundsätzlich nicht ankommen. Der Maßstab für die Bestimmung der Gleichstellung muss sich strikt an dem der einschlägigen Regelung vorangestellten Obersatz orientieren; dies ist Satz 1 in Abschnitt 2 Nr. 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO bzw. § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Parkraum für diejenigen Schwerbehinderten geschaffen werden soll, denen es unzumutbar ist, längere Wege zu Fuß zurückzulegen. Wegen der begrenzten städtebaulichen Möglichkeiten, Raum für Parkerleichterungen zu schaffen, sind hohe Anforderungen zu stellen, um den Kreis der Begünstigten klein zu halten. Für die Gleichstellung ist bei dem Restgehvermögen des Betroffenen anzusetzen, wobei sich ein den Anspruch ausschließendes Restgehvermögen griffig weder quantifizieren noch qualifizieren lässt. Der gleichzustellende Personenkreis beschränkt sich auf Schwerbehinderte, deren Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und die sich nur unter ebenso großen körperlichen Anstrengungen fortbewegen können wie die in Abschnitt 2 Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO einzeln aufgeführten Vergleichsgruppen (vgl. BSG, Urteil vom 29.03.2007 - B 9a SB 5/05 R - in juris). Diese Voraussetzungen müssen praktisch von den ersten Schritten außerhalb des Kraftfahrzeugs an erfüllt sein (BSG, Urteil vom 10.12.2002 - B 9 SB 7/01R - in SozR 3 - 3250 § 69 Nr. 1).
Zu den in der Verwaltungsvorschrift beispielhaft aufgeführten Gruppen von schwerbehinderten Menschen gehört der Kläger unbestrittenermaßen nicht. Sein Gehvermögen wird maßgeblich eingeschränkt durch eine chronisch rezidivierende Lumboischialgie bei Spinalkanalstenose und deutlichen degenerativen Veränderungen mit Claudicatio-spinalis-Symptomatik.
Beim Kläger bestehen insbesondere keine Herzschäden mit schweren Dekompensations-erscheinungen oder Ruheinsuffizienz, die eine Gleichstellung mit dem in der Verwaltungs-vorschrift genannten Gruppen rechtfertigen könnte. Ausweislich des Berichts über die stationäre Anschlussheilbehandlung der SRH Klinik W. vom 05.04.2011 bestand beim Kläger Dyspnoe erst unter leichter Belastung, jedoch keine Zyanose und kein Ikterus. Dem Kläger war neben der Fortbewegung mit dem Rollator auch das Gehen mit Unterarmgehstützen möglich, wie gleichfalls dem Entlassungsbericht entnommen werden kann, wonach der Kläger zur Aufnahme mit Unterarmstützen kam. Bei dem dort durchgeführten orthopädischen Konsil am 23.03.2011 war dem Kläger auch noch eine schmerzfreie Gehstrecke von bis zu 50 Metern möglich, erst danach kam es zu Schmerzen im unteren Teil der LWS, die in beide Beine einstrahlten. Eine deutliche Reduktion der Symptomatik konnte jedoch durch Vornüberbeugen und Abstützung des Oberkörpers mit zwei Händen auf den Oberschenkeln erreicht werden. Der Senat entnimmt diesem Befundbericht, dass dem Kläger auch ein nicht abgestütztes Stehen möglich war. Eine dauerhafte Verschlechterung der kardialen Situation liegt nicht vor. Zwar kam es im Oktober 2011 zu einer hochgradigen Stenose im Bereich der LCx, diese konnte jedoch durch eine Stent-Implantation in der Medizinischen Klinik T. erfolgreich behandelt werden. Auch aus den mit der Berufungsschrift vorgelegten medizinischen Unterlagen ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine weitergehende Einschränkung des Gehvermögens. Insbesondere dem Brief des Neurologen Dr. F. vom 02.12.2010 kann entnommen werden, dass auch dieser unter Schmerzmedikation eine Gehstrecke von noch 200 m als möglich erachtet hat. Entsprechende Gehstrecken hat auch der Sachverständige Dr. D. im Gutachten vom 19.11.2011 festgestellt. Zwar konnte der Kläger bei der gutachterlichen Untersuchung ohne Unterarmgehstützen bzw. ohne Rollator nur wenige Meter gehen. Unter Zuhilfenahme der Hilfsmittel war sein Gangbild jedoch wesentlich besser und sicherer. Eine Gehstrecke von über 200 Meter konnte der Kläger mit mehrfachen Richtungswechseln zügig bewältigen, unterbrochen lediglich von jeweils nur ein bis drei Sekunden dauernden Ruhephasen. Diese können zwar ein Indiz für eine Erschöpfung darstellen, sie sind jedoch für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" nicht ausreichend. Erschöpfungszustände müssen vielmehr in ihrer Intensität gleichwertig mit den Erschöpfungszuständen sein, die Schwerbehinderte der in Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VWV-StVO einzeln aufgeführten Gruppen erleiden. Gradmesser hierfür ist die Intensität der Schmerzen bzw. der Luftnot nach dem Zurücklegen einer bestimmten Wegstrecke. Ein solches Erschöpfungsbild lässt sich unter anderem aus der Dauer der erforderlichen Pausen sowie den Umständen herleiten, unter denen der Schwerbehinderte nach der Pause seinen Weg fortsetzt. Nur kurzes Pausieren mit anschließendem Fortsetzen des Weges ohne zusätzliche Probleme - wie vorliegend beim Kläger - ist im Hinblick auf den durch die Vergleichsgruppen gebildeten Maßstab zumutbar (BSG, Urteil vom 29.03.2007 - B 9 a SB 5/05 R - juris).
Diese Beurteilung deckt sich auch mit den von Dr. D. ermittelten orthopädischen Diagnosen, nämlich einer chronisch-rezidivierenden Lumboischialgie bei Spinalkanalstenose und deutlichen degenerativen Veränderungen mit Claudicatio-spinalis-Symptomatik, einer Gonarthrose links, einem Spreizfuß mit leichter Knickfuß-Senkfuß beidseits, Großzehengrundgelenksarthrose bei Hallux valgus beidseits, chronischer Zervikalgie sowie einem subacromialen Schmerzsyndrom rechts.
Zwar beklagt der Kläger beim Gehen ein Hängenbleiben des rechten Fußes, bedingt durch die Folgen eines 2004 erlittenen Schlaganfalls mit Hemiparese rechts. Dies allein mindert die Gehfähigkeit jedoch nicht in der für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" erforderlichen Weise. Hierbei ist weiter zu berücksichtigen, dass das Tragen einer Peronäusschiene die Gehqualität insoweit zusätzlich verbessern könnte. Die Verordnung eines entsprechenden Hilfsmittels hat bereits Dr. B. im sozialmedizinischen Gutachten vom 19.04.2011 empfohlen, um die Einschränkung des Gangbildes durch die Fußheberparese zu verbessern und Stürze zu vermeiden. Eine weitere Verbesserung der Gehfähigkeit kann zudem erreicht werden, wenn der Kläger die vorhandene LWS-Bandage benützt, worauf Dr. D. zutreffend hingewiesen hat.
Auch nach der gutachterlichen Untersuchung durch Dr. D. am 16.11.2011 ist in den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers keine Verschlechterung derart eingetreten, die nunmehr die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" rechtfertigen könnte. Dies gilt zum einen hinsichtlich der anlässlich der stationären Behandlung vom 12.06. bis 03.07.2012 in der Klinik Hohenlohe erhobenen Befunde. Der Entlassbericht vom 06.07.2012 beschreibt ein ausreichend sicheres Gangbild am Rollator, die schmerzfreie Gehstrecke hat ca. 30 Meter betragen. Es bestand schließlich auch keine Ruhedyspnoe bei rhythmischen Herzaktionen. Über die - auch mit zumutbaren Schmerzen - noch mögliche Gehstrecke enthält der Entlassbericht keine Aussagen.
Eine andere Beurteilung ergibt sich schließlich auch nicht aus dem Entlassbericht der Klinik für Neurologie am Klinikum am Gesundbrunnen H. vom 10.10.2012. Eine nach einem Sturz am 29.09.2012 in Kroatien aufgetretene Sehstörung auf beiden Augen hatte sich im Zeitpunkt der Entlassung am 10.10.2012 wesentlich gebessert, es bestanden auch keine Beschwerden mehr hinsichtlich Visusminderung, Kopfschmerzen oder Schwindel. Weitere Einschränkungen des Gehvermögens ergeben sich hieraus nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung) streitig.
Bei dem am 10.03.1940 geborenen kroatischen Kläger, der im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltsberechtigung ist, wurde mit Bescheid vom 20.01.2005 ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie das Vorliegen der Voraussetzungen des Merkzeichens "G" ab dem 15.01.2004 festgestellt. Hierbei wurden folgendes Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde gelegt: Hirndurchblutungsstörungen, Hirnleistungsschwäche, Schlaganfallfolgen, degenerative Verände¬rungen der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen, Knorpelschäden an beiden Kniegelen¬ken, Arthrose, chronisches Schmerzsyndrom, Refluxkrankheit der Speiseröhre, Teilverlust des Dickdarms, Bluthochdruck, Adipositas per magna.
Ein am 03.11.2005 gestellter Antrag des Klägers auf Feststellung des Merkzeichens "aG" blieb erfolglos (Bescheid vom 02.12.2005, Widerspruchsbescheid vom 19.12.2005).
Am 23.01.2007 beantragte der Kläger die Feststellung der Voraussetzungen der Merkzeichen "aG" und "RF" (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht). Der Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid vom 05.07.2007 blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 23.11.2007). Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht H. (SG) (S 9 SB 4429/07) verglichen sich die Beteiligten nach Einholung eines HNO-ärztlichen Gutachtens dahingehend, dass der Beklagte das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" ab 23.01.2007 feststellte und der Kläger die Klage bezüglich der Zuerkennung des Merkzeichens "aG" zurücknahm.
Mit Änderungsantrag vom 15.12.2010 beantragte der Kläger die Feststellung der Merkzeichen "B", "aG" und "H" (Hilflosigkeit). In Auswertung der daraufhin eingeholten Befundberichte führte Dr. S. in den Gutachtlichen Stellungnahmen vom 12.01.2011 und 18.01.2011 aus, es lägen folgende Funktionsbeeinträchtigungen vor: Hirndurchblutungsstörungen, Schlaganfallfolgen, Hirnleistungsschwäche GdB 50 Schwerhörigkeit beidseits GdB 80 Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen GdB 30 Knorpelschäden an beiden Kniegelenken, chronisches Schmerzsyndrom, Arthrose, Gebrauchseinschränkung des rechten Beines GdB 30 Adipositas permagna, Bluthochdruck, Koronare Herzkrankheit, Stent- Implantation GdB 30 Refluxkrankheit der Speiseröhre, Teilverlust des Dickdarms GdB 20.
Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" lägen nicht vor.
Mit Bescheid vom 24.01.2011 lehnte das Landratsamt H. - Sozial- und Versorgungsamt - den Antrag ab. Hiergegen erhob der Kläger bei einer persönlichen Vorsprache im Landratsamt H. am 26.01.2011 unter Vorlage einer Liste seiner behandelnden Ärzte Widerspruch. Nach Einholung eines weiteren Befundberichtes des behandelnden Facharztes für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. T. vom 01.02.2011, auf den Bezug genommen wird, wies der Beklagte nach erneuter Gutachtlicher Stellungnahme durch Dr. S. vom 15.02.2011 mit Widerspruchsbescheid vom 17.02.2011 den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 02.03.2011 Klage zum SG erhoben.
Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen gehört. Dr. T. hat unter dem 26.04.2011 die Diagnosen eines chronischen HWS-/BWS-/LWS-Syndroms bei fortgeschrittener Abnützung der Wirbelsäule und Foramen-Stenose im Segment L3/L4 mit chronischer Wurzelreizung L5/S1, eine Gonarthrose beidseits mit chronischer Gonalgie und Gehbehinderung, eine Polyneuropathie und Sensibilitätsstörungen im Bereich des rechten und linken Fußes genannt. Unter Berücksichtigung der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers, eines Zustandes nach Myocardinfarkt im März 2005 und mehrmaligen Stenteinsätzen, einer koronaren Drei-Gefäßerkrankung und arteriellen Hypertonie, eines Zustandes nach Apoplexie 2004 mit Hemiparese rechts sowie einer peripheren arteriellen Verschlußkrankheit (AVK) Stadium 1 hat Dr. T. die Auffassung vertreten, die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" sei gerechtfertigt. Der Kläger könne sich nur noch unter großen Anstrengungen mit dem Rollator langsam fortbewegen und hierbei kurze Strecken von 100 bis 150 Meter zurücklegen. Wegen der schweren koronaren Herzerkrankung müsse er immer wieder stehen bleiben. Beigefügt war u.a. ein Arztbrief der Medizinischen Klinik T./Abteilung Innere Medizin III Kardiologie und Kreislauferkrankungen vom 07.03.2011 über einen stationären Aufenthalt des Klägers vom 04.03.2011 bis 09.03.2011 wegen eines Nicht-ST-Hebungsinfarktes bei koronarer Drei-Gefäßerkrankung mit mittelgradig eingeschränkter linksventrikulärer Pumpfunktion. Nach Durchführung einer PTCA und "drug eluting"-Stentimplantation sei der postinterventionelle Verlauf komplikationslos gewesen. Der Kläger sei in kardiopulmonal stabilem Zustand entlassen worden.
Der Facharzt für Neurochirurgie/Spezielle Schmerztherapie Dr. V. hat in der sachverständigen Zeugenaussage vom 10.05.2011 mitgeteilt, das Gehvermögen des Klägers sei zum einen durch deutliche degenerative Veränderungen der LWS, zum anderen durch einen vor drei Jahren stattgehabten Schlaganfall beeinträchtigt. Nach den Behandlungen durch ihn trete eine jeweils vier bis sechs Wochen andauernde kurzzeitige Besserung ein. Eine schwere Hemisymptomatik müsse durch einen Neurologen gesondert beurteilt werden.
Das SG hat sodann Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. D. mit der Erstattung eines orthopädischen Gutachtens beauftragt. Im Gutachten vom 19.11.2011 hat Dr. D. nach Untersuchung des Klägers am 16.11.2011 und unter Auswertung der vorliegenden Unterlagen folgende Diagnosen gestellt:
1. Chronisch rezidivierende Lumboischialgie bei Spinalkanalstenose und deutlichen degenerativen Veränderungen mit Claudicatio-spinalis-Symptomatik. 2. Gonarthrose links. 3. Spreizfuß, leichter Knick-Senkfuß beidseits, Großzehengrundgelenksarthrose bei Hallux valgus beidseits. 4. Chronische Cervikalgie. 5. Subacromiales Schmerzsyndrom rechts.
Als nichtorthopädische Diagnosen hat er eine Hemiparese rechts nach Apoplex, Pollakisurie, Zustand nach (Z.n.) Dickdarmkarzinom, Z.n. Lipomentfernung, Z.n. Myocardinfarkt und Stent-Implantation sowie Adipositas genannt. Nach korrekter Einstellung des Rollators habe sich insgesamt ein relativ zügiges und recht flüssiges Gangbild gezeigt. Zwar könne der Kläger ohne Unterarmstützen bzw. Rollator nur wenige Meter gehen. Unter Zuhilfenahme dieser Hilfsmittel sei das Gangbild jedoch wesentlich besser und sicherer. Insgesamt sei eine Gehstrecke von über 200 Meter bewältigt worden, auf welcher der Kläger sich achtmal für jeweils zwei bis maximal drei Sekunden bei kurzem Stehenbleiben auf dem Rollator bzw. den Gehstützen abgestützt habe. Durch eine Peronäusschiene könne das vom Kläger beklagte Hängenbleiben des rechten Fußes und somit die Gehqualität zusätzlich verbessert werden. Der Kläger habe eine wegen Schmerzen der LWS verordnete Rückenbandage bei der gutachterlichen Untersuchung nicht getragen, diese vielmehr zuhause gelassen. Er habe jedoch angegeben, dass mit der Bandage die Beschwerden etwas besser seien. Auch hierdurch könne die Gehstrecke positiv unterstützt werden. Eine Gehstrecke von über 200 Metern auf dem Praxisflur mit mehrfach 180 Grad-Richtungswechseln habe der Kläger zügig bewältigen können. Eine außergewöhnliche Gehbehinderung liege nicht vor.
Mit Gerichtsbescheid vom 05.04.2012 hat das SG, gestützt auf das von Dr. D. erstattete Gutachten, abgewiesen. Der Einschätzung der behandelnden Ärzte und insbesondere des Dr. T. sei nicht zu folgen, da dessen Feststellungen im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung widerlegt worden seien.
Gegen den am 18.04.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 26.04.2012 Berufung eingelegt. Er hat hierzu folgende medizinischen Unterlagen vorgelegt:
- Arztbrief der Fachklinik für Prävention und Rehabilitation SRH Gesundheitszentrum W.- Abteilung Kardiologie - vom 05.04.2011 über eine stationäre Anschlussheilbehandlung vom 16.03. bis 06.04.2011. Darin wird angegeben, der Kläger berichte über Atemnot unter leichter Belastung und Palpitationen. Er beklage auch stechende Schmerzen kurzzeitig anhaltend links thorakal. Er laufe auf der Ebene am Rollator. Psychosoziale Probleme würden nicht berichtet. Ein orthopädisches Konzil vom 23.03.2011 ergab Schmerzen im unteren Teil der LWS, in beide Beine einstrahlend, nach Gehstrecken zwischen 20 und 50 Metern. Bei Vornüberbeugen durch Abstützung des Oberkörpers mit zwei Händen auf den Oberschenkeln komme es zu einer deutlichen Reduktion der Symptomatik. Während des Aufenthalts habe der Kläger über kurze linksthorakale, stechende Schmerzen geklagt, die meistens beim Laufen aufgetreten seien.
- Arztbrief der Medizinischen Klinik T. vom 27.10.2011 über eine stationäre Behandlung vom 26.10. bis 28.10.2011. In der Koronarangiographie vom 27.10.2011 habe sich eine hochgradige Stenose im Bereich der LCx gezeigt, die erfolgreich durch eine primäre Stentimplantation behandelt worden sei. Der postinterventionelle Verlauf sei komplikationslos gewesen. Der Kläger sei darauf hingewiesen worden, sich in den nächsten 10 Tagen zu schonen und nicht schwer zu heben.
- Sozialmedizinisches Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Dr. B. vom 19.04.2011 wegen der Verordnung orthopädischer Halbschuhe nach Maß. Die Notwendigkeit einer Maßschuhversorgung bestehe nicht. Bei der vorliegenden Fußheberparese könne ggf. die Versorgung mit einer Peronäusorthese das Gangbild verbessern und Stürze vermeiden helfen.
- Arztbrief des Internisten Dr. K. vom 26.12.2010, wonach hinsichtlich des Zoekumkarzinoms weiterhin erfreulicherweise eine Vollremission vorliege. Im Vordergrund der Beschwerden stehe nach der nicht ganz einfachen Anamnese offensichtlich die konservativ behandelte Spinalkanalstenose, die nach Erschöpfung der konservativen Möglichkeiten durchaus mit vertretbarem Risiko operiert werden könne.
- Arztbrief Prof. Dr. L., Direktor der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie der X-Kliniken, vom 01.12.2010, wonach unter Berücksichtigung der neurologischen und kernspin-tomographischen aktuellen Befunde und der derzeit erfolgreich laufenden schmerz-therapeutischen Einstellung des Klägers unter Berücksichtigung der Vorerkrankung eine operative Intervention der rezidivierenden Lumboischialgien und der Spinalkanalstenose aus unfallchirurgisch-orthopädischer Sicht derzeit nicht indiziert sei.
- Arztbrief des Facharztes für Neurologie Dr. F. vom 02.12.2010 mit der Diagnose einer lumbalen schweren Spinalkanalstenose. Aktuell bestehe seit zwei Wochen wieder eine Verschlechterung, die Gehstrecke betrage aktuell 20 Meter, unter Schmerzmedikation 200 Meter bei dann massiv zunehmenden Schmerzen. Autofahren sei im Sitzen sehr gut, es bestünden nur Probleme beim Aufstehen. Die kurze Gehstrecke bei erneut zunehmenden Schmerzen deute darauf hin, dass die hochgradige lumbale Spinalkanalstenose L 3/4 rechts eine Hauptursache der Gesamtsymptomatik sei.
- Bericht des Kardiologen Dr. E. vom 14.01.2011 über eine Langzeit-EKG vom 13.01.2011 ohne pathologischen Befund.
- Arztbrief des Arztes für Radiologie und Nukleare Medizin Dr. C. vom 05.10.2010, wonach eine MR-LWS nativ eine chronische Lumboischialgie und den Verdacht auf NPP ergeben habe. Im Vergleich zur Voruntersuchung vom 01.10.2009 bestehe keine relevante Änderung.
- Arztbrief des Urologen Dr. M. vom 26.04.2010 mit den Diagnosen eines obstruktiven Prostataadenoms sowie einer Blasenentleerungsstörung, derzeit bedürfe es keiner Operation.
- Im Verfahren S 9 SB 4429/07 im November 2009 erstattetes HNO-ärztliches Sachverständigengutachten von Prof. Dr. L. mit der Diagnose einer beidseitig an Taubheit grenzenden Innenohrschwerhörigkeit, die einen GdB von 80 bedinge.
Vom 12.06.2012 bis 03.07.2012 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung der Klinik Hohenlohe, Fachklinik für Orthopädie und Innere Medizin. Im Arztbrief vom 06.07.2012 hat Chefarzt Dr. U. ausgeführt, bei der Aufnahme habe eine schmerzfreie Gehstrecke am Rollator von ca. 30 Meter bestanden, dann habe sich der Kläger hinsetzen müssen. Im Rahmen der physiotherapeutischen Maßnahme habe der Kläger eine intensive krankengymnastische Übungsbehandlung zur Stabilisierung der Rumpfmuskulatur sowie ein intensives Gehtraining erhalten. Bei der Abschlussuntersuchung habe eine geringfügige Beschwerdebesserung von Seiten der LWS mit immer noch zum Teil starken Schmerzen lumbal bestanden. Am Rollator gehe der Kläger ausreichend sicher, die schmerzfreie Gehstrecke betrage ca. 30 Meter. Für die Weiterbehandlung werde ein intensives Gehtraining am Rollator empfohlen.
Der Kläger hat schließlich einen Entlassbericht der Klinik am G. für Neurologie H. vom 10.10.2012 vorgelegt. Danach befand er sich dort vom 07.10.2012 bis 10.12. 2012 in stationärer Behandlung, nachdem er nach seinen Angaben am 29.09.2012 in Kroatien gestürzt und kollabiert war. Nach der Rückreise nach Deutschland am 30.09.2012 hätten initial weiterhin Sehstörungen auf beiden Augen bestanden, zwischenzeitlich sei eine Besserung eingetreten, seit dem 07.10.2012 verspüre er Kopfschmerzen. Der stationäre Aufenthalt sei komplikationslos verlaufen, am Entlassungsdatum hätten noch Mouches volantes (schwarze Punkte in der oberen Gesichtsfeldhälfte) bestanden, jedoch keine Beschwerden mehr bezüglich der Visusminderung, der Kopfschmerzen bzw. des Schwindels. Die residuale Hemisymptomatik rechts habe sich erwartungsgemäß nicht verändert.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts H. vom 05. April 2012 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 24. Januar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Februar 2011 zu verurteilen, die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" ab dem 15. Dezember 2010 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er trägt unter Bezugnahme auf die Versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. G. vom 09.08.2012 vor, das Gehvermögen des Klägers sei durch den Sachverständigen Dr. D. zutreffend beurteilt. Auch der Myocardinfarkt vom 04.03.2011 habe kein Ausmaß der kardialen Leistungseinschränkung bedingt, welches die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" begründen könne.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" liegen nicht vor.
Anspruchsgrundlage für die begehrte Feststellung ist § 69 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX). Danach stellen die zuständigen Behörden neben einer Behinderung auch gesundheitliche Merkmale fest, die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen für schwerbehinderte Menschen sind. Zu diesen Merkmalen gehört die außergewöhnliche Gehbehinderung im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 Straßenverkehrsgesetz (StVG) oder entsprechender straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften, für die in den Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen "aG" einzutragen ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Schwerbehindertenausweisverordnung). Diese Feststellung zieht straßenverkehrsrechtlich die Gewährung von Parkerleichterungen im Sinne von § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO nach sich, insbesondere die Nutzung von gesondert ausgewiesenen "Behindertenparkplätzen" und die Befreiung von verschiedenen Parkbeschränkungen. Darüber hinaus führt sie unter anderem zur Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer (§ 3a Abs. 1 Kraftfahrzeugsteuergesetz) bei gleichzeitiger Möglichkeit der unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr (§ 145 Abs. 1 SGB IX) und ggf. zur Ausnahme von allgemeinen Fahrverboten nach § 40 Bundesimmissionsschutzgesetz.
Ausgangspunkt für die Feststellung der außergewöhnlichen Gehbehinderung ist Abschnitt 2 Nr. 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO. Die VwV-StVO ist als allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung nach Art. 84 Abs. 2 Grundgesetz wirksam erlassen worden. Hiernach ist außergewöhnlich gehbehindert im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG, wer sich wegen der Schwere seines Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb seines Kraftfahrzeugs bewegen kann. Hierzu zählen Querschnitts-gelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, sowie andere Schwerbehinderte, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch auf Grund von Erkrankungen, dem vorstehenden Personenkreis gleichzustellen sind. Als Erkrankungen der inneren Organe, die eine solche Gleichstellung rechtfertigen, sind beispielsweise Herzschäden mit schweren Dekompensationserscheinungen oder Ruhein¬suffizienz sowie Krankheiten der Atmungsorgane mit Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades anzusehen. Ein Betroffener ist gleichzustellen, wenn seine Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und er sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die erstgenannten Gruppen von Schwerbehinderten oder nur mit fremder Hilfe fortbewegen kann. Hierbei kann es auf die individuelle prothetische Versorgung der aufgeführten behinderten Gruppen grundsätzlich nicht ankommen. Der Maßstab für die Bestimmung der Gleichstellung muss sich strikt an dem der einschlägigen Regelung vorangestellten Obersatz orientieren; dies ist Satz 1 in Abschnitt 2 Nr. 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO bzw. § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Parkraum für diejenigen Schwerbehinderten geschaffen werden soll, denen es unzumutbar ist, längere Wege zu Fuß zurückzulegen. Wegen der begrenzten städtebaulichen Möglichkeiten, Raum für Parkerleichterungen zu schaffen, sind hohe Anforderungen zu stellen, um den Kreis der Begünstigten klein zu halten. Für die Gleichstellung ist bei dem Restgehvermögen des Betroffenen anzusetzen, wobei sich ein den Anspruch ausschließendes Restgehvermögen griffig weder quantifizieren noch qualifizieren lässt. Der gleichzustellende Personenkreis beschränkt sich auf Schwerbehinderte, deren Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und die sich nur unter ebenso großen körperlichen Anstrengungen fortbewegen können wie die in Abschnitt 2 Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO einzeln aufgeführten Vergleichsgruppen (vgl. BSG, Urteil vom 29.03.2007 - B 9a SB 5/05 R - in juris). Diese Voraussetzungen müssen praktisch von den ersten Schritten außerhalb des Kraftfahrzeugs an erfüllt sein (BSG, Urteil vom 10.12.2002 - B 9 SB 7/01R - in SozR 3 - 3250 § 69 Nr. 1).
Zu den in der Verwaltungsvorschrift beispielhaft aufgeführten Gruppen von schwerbehinderten Menschen gehört der Kläger unbestrittenermaßen nicht. Sein Gehvermögen wird maßgeblich eingeschränkt durch eine chronisch rezidivierende Lumboischialgie bei Spinalkanalstenose und deutlichen degenerativen Veränderungen mit Claudicatio-spinalis-Symptomatik.
Beim Kläger bestehen insbesondere keine Herzschäden mit schweren Dekompensations-erscheinungen oder Ruheinsuffizienz, die eine Gleichstellung mit dem in der Verwaltungs-vorschrift genannten Gruppen rechtfertigen könnte. Ausweislich des Berichts über die stationäre Anschlussheilbehandlung der SRH Klinik W. vom 05.04.2011 bestand beim Kläger Dyspnoe erst unter leichter Belastung, jedoch keine Zyanose und kein Ikterus. Dem Kläger war neben der Fortbewegung mit dem Rollator auch das Gehen mit Unterarmgehstützen möglich, wie gleichfalls dem Entlassungsbericht entnommen werden kann, wonach der Kläger zur Aufnahme mit Unterarmstützen kam. Bei dem dort durchgeführten orthopädischen Konsil am 23.03.2011 war dem Kläger auch noch eine schmerzfreie Gehstrecke von bis zu 50 Metern möglich, erst danach kam es zu Schmerzen im unteren Teil der LWS, die in beide Beine einstrahlten. Eine deutliche Reduktion der Symptomatik konnte jedoch durch Vornüberbeugen und Abstützung des Oberkörpers mit zwei Händen auf den Oberschenkeln erreicht werden. Der Senat entnimmt diesem Befundbericht, dass dem Kläger auch ein nicht abgestütztes Stehen möglich war. Eine dauerhafte Verschlechterung der kardialen Situation liegt nicht vor. Zwar kam es im Oktober 2011 zu einer hochgradigen Stenose im Bereich der LCx, diese konnte jedoch durch eine Stent-Implantation in der Medizinischen Klinik T. erfolgreich behandelt werden. Auch aus den mit der Berufungsschrift vorgelegten medizinischen Unterlagen ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine weitergehende Einschränkung des Gehvermögens. Insbesondere dem Brief des Neurologen Dr. F. vom 02.12.2010 kann entnommen werden, dass auch dieser unter Schmerzmedikation eine Gehstrecke von noch 200 m als möglich erachtet hat. Entsprechende Gehstrecken hat auch der Sachverständige Dr. D. im Gutachten vom 19.11.2011 festgestellt. Zwar konnte der Kläger bei der gutachterlichen Untersuchung ohne Unterarmgehstützen bzw. ohne Rollator nur wenige Meter gehen. Unter Zuhilfenahme der Hilfsmittel war sein Gangbild jedoch wesentlich besser und sicherer. Eine Gehstrecke von über 200 Meter konnte der Kläger mit mehrfachen Richtungswechseln zügig bewältigen, unterbrochen lediglich von jeweils nur ein bis drei Sekunden dauernden Ruhephasen. Diese können zwar ein Indiz für eine Erschöpfung darstellen, sie sind jedoch für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" nicht ausreichend. Erschöpfungszustände müssen vielmehr in ihrer Intensität gleichwertig mit den Erschöpfungszuständen sein, die Schwerbehinderte der in Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VWV-StVO einzeln aufgeführten Gruppen erleiden. Gradmesser hierfür ist die Intensität der Schmerzen bzw. der Luftnot nach dem Zurücklegen einer bestimmten Wegstrecke. Ein solches Erschöpfungsbild lässt sich unter anderem aus der Dauer der erforderlichen Pausen sowie den Umständen herleiten, unter denen der Schwerbehinderte nach der Pause seinen Weg fortsetzt. Nur kurzes Pausieren mit anschließendem Fortsetzen des Weges ohne zusätzliche Probleme - wie vorliegend beim Kläger - ist im Hinblick auf den durch die Vergleichsgruppen gebildeten Maßstab zumutbar (BSG, Urteil vom 29.03.2007 - B 9 a SB 5/05 R - juris).
Diese Beurteilung deckt sich auch mit den von Dr. D. ermittelten orthopädischen Diagnosen, nämlich einer chronisch-rezidivierenden Lumboischialgie bei Spinalkanalstenose und deutlichen degenerativen Veränderungen mit Claudicatio-spinalis-Symptomatik, einer Gonarthrose links, einem Spreizfuß mit leichter Knickfuß-Senkfuß beidseits, Großzehengrundgelenksarthrose bei Hallux valgus beidseits, chronischer Zervikalgie sowie einem subacromialen Schmerzsyndrom rechts.
Zwar beklagt der Kläger beim Gehen ein Hängenbleiben des rechten Fußes, bedingt durch die Folgen eines 2004 erlittenen Schlaganfalls mit Hemiparese rechts. Dies allein mindert die Gehfähigkeit jedoch nicht in der für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" erforderlichen Weise. Hierbei ist weiter zu berücksichtigen, dass das Tragen einer Peronäusschiene die Gehqualität insoweit zusätzlich verbessern könnte. Die Verordnung eines entsprechenden Hilfsmittels hat bereits Dr. B. im sozialmedizinischen Gutachten vom 19.04.2011 empfohlen, um die Einschränkung des Gangbildes durch die Fußheberparese zu verbessern und Stürze zu vermeiden. Eine weitere Verbesserung der Gehfähigkeit kann zudem erreicht werden, wenn der Kläger die vorhandene LWS-Bandage benützt, worauf Dr. D. zutreffend hingewiesen hat.
Auch nach der gutachterlichen Untersuchung durch Dr. D. am 16.11.2011 ist in den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers keine Verschlechterung derart eingetreten, die nunmehr die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" rechtfertigen könnte. Dies gilt zum einen hinsichtlich der anlässlich der stationären Behandlung vom 12.06. bis 03.07.2012 in der Klinik Hohenlohe erhobenen Befunde. Der Entlassbericht vom 06.07.2012 beschreibt ein ausreichend sicheres Gangbild am Rollator, die schmerzfreie Gehstrecke hat ca. 30 Meter betragen. Es bestand schließlich auch keine Ruhedyspnoe bei rhythmischen Herzaktionen. Über die - auch mit zumutbaren Schmerzen - noch mögliche Gehstrecke enthält der Entlassbericht keine Aussagen.
Eine andere Beurteilung ergibt sich schließlich auch nicht aus dem Entlassbericht der Klinik für Neurologie am Klinikum am Gesundbrunnen H. vom 10.10.2012. Eine nach einem Sturz am 29.09.2012 in Kroatien aufgetretene Sehstörung auf beiden Augen hatte sich im Zeitpunkt der Entlassung am 10.10.2012 wesentlich gebessert, es bestanden auch keine Beschwerden mehr hinsichtlich Visusminderung, Kopfschmerzen oder Schwindel. Weitere Einschränkungen des Gehvermögens ergeben sich hieraus nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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