L 3 U 547/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 4 U 4118/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 U 547/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufungen der Beklagten und des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 28. November 2011 werden zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung von Unfallfolgen, die Gewährung von Verletztengeld sowie die Bewilligung einer Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v.H. streitig.

Der am 08.02.1973 geborene Kläger zog sich bei einem privaten Sportunfall am 02.07.2008 eine Ruptur des vorderen Kreuzbandes links zu. Am 22.08.2008 erfolgte eine Operation in der Orthopädischen Klinik des Universitätsklinikums Tübingen. Im Operationsbericht vom 26.08.2008 nannte Dr. A. als präoperative Diagnosen einen Zustand nach (Z.n.) Kniegelenksverdrehtrauma links vor ca. zwei Monaten, eine Teilruptur des vorderen Kreuzbandes (posterolaterales Bündel), eine große Plika lateralis sowie einen Knorpelschaden 1-2 medial Femurcondyle. Durchgeführt wurde eine Plika-Resektion mit Resektion des Kreuzbandstumpfes. Der Operationsbericht enthält weiter folgende Angaben: "In der Notch zeigt sich ein verdicktes Faserbündel, das frei im Knie flottiert und distal am Tibiaplateau anhaftet. Es handelt sich um das posterolaterale Bündel. Der intraoperative Lachmann-Test zeigt eine mittelgradige vordere Schublade, der Faserrest des verbliebenen Kreuzbandbündels spannt sich gut an." Als Procedere wurde angegeben: "Beschwerdeabhängige Vollbelastung. Bei Instabilitätsgefühl VKB-Plastik elektiv empfohlen".

In der Folge war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt und bezog vom 01.09.2008 bis 30.09.2008 Krankengeld. Am 01.10.2008 nahm er eine Beschäftigung in seinem erlernten Beruf als Konstruktionsmechaniker in einer Schlosserei auf.

Am 10.10.2008 erlitt der Kläger einen als Arbeitsunfall anerkannten Unfall, als er auf der Ladefläche eines LKW ausrutschte, sich dabei das linke Kniegelenk verdrehte und aus einer Höhe von ca. 1 Meter mit dem linken Fuß voran unkontrolliert auf dem Boden aufkam. Unmittelbar danach verspürte er Schmerzen im linken Knie. Er stellte sofort die Arbeit ein und suchte die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen auf. Im Durchgangsarztbericht vom 13.10.2008 wurde eine Schwellung im Bereich des linken Kniegelenks mit intraartikulärem Erguss sowie eine eingeschränkte Kniegelenksbeweglichkeit links festgestellt und ausgeführt, der Kläger könne mit dem linken Bein kaum auftreten. Als Diagnosen wurden ein Kniebinnentrauma links sowie Verdacht auf vordere Kreuzbandruptur gestellt. Die kernspintomographische Untersuchung am 14.10.2008 bestätigte die Verdachtsdiagnose. Am 11.11.2008 erfolgte in der BG-Klinik Tübingen eine Arthroskopie mit vorderer Kreuzbandersatzplastik (Befund- und Entlassbericht Prof. Dr. B. vom 21.11.2008). Darin wird u. a. ausgeführt, dass sich der Kläger bei einem privaten Sportunfall am 02.07.2008 eine partielle Ruptur des vorderen Kreuzbandes links zugezogen habe und damals die gerissenen Bündel ca. sechs Wochen später in der Orthopädie des Universitätsklinikums Tübingen arthroskopisch reseziert worden seien.

Nachdem es nachfolgend zu einem verzögerten Heilungsverlauf und anhaltenden Bewegungseinschränkungen hinsichtlich Beugung und Streckung sowie einer deutlichen Verschmächtigung der Muskulatur gekommen war (Berichte vom 19.12.2008, 19.01.2009 und 04.02.2009) führte Prof. Dr. B. in der Stellungnahme vom 04.03.2009 aus, der Unfallmechanismus sei durchaus zur Auslösung einer Kreuzbandruptur geeignet. Vor dem Unfall sei der Kläger ohne Beschwerden und mit stabilem Kniegelenk arbeitsfähig gewesen. Im zeitnah nach dem Unfallereignis durchgeführten MRT vier Tage nach dem Unfall hätten sich ein Kniegelenkserguss sowie Signalalterationen hyperintens im lateralen Condylus sowie am dorsolateralen Tibiaplateau als Zeichen eines stattgehabten Verdrehtraumas gezeigt. Diese Signalalterationen seien signifikant vorhanden bei Distorsionen, welche ursächlich für vordere Kreuzbandverletzungen aufträten. Auch sei im MRT die Ruptur des Restes des vorderen Kreuzbandes nach inferior umgeschlagen nachgewiesen. Dieser Befund decke sich mit dem im Rahmen der Arthroskopie erhobenen Befund mit einem Restzügel des restlichen vorderen Kreuzbandes nach Teilresektion des posterolateralen Bündels. Unter Berücksichtigung dieser drei Umstände gehe er zumindest von einer Teilursache für die jetzige Behandlung bezüglich des Unfalls vom 10.10.2008 aus. Ob es sich hierbei um eine wesentliche oder unwesentliche Teilursache handle sei im Rahmen einer Zusammenhangsbegutachtung zu klären. Bis dahin sei die Zuständigkeit der BG für das weitere Heilverfahren gegeben.

Nachdem sich der Kläger am 16.03.2009 in der BG-Sprechstunde vorgestellt hatte teilte Prof. Dr. B. im Zwischenbericht vom 18.03.2009 mit, es bestehe jetzt ein hervorragender Rehabilitationszustand. Das Kniegelenk sei äußerlich reizlos ohne Erguss und ohne Schwellung. Eine minimale sagittale Instabilität sei muskulär vollständig kompensierbar. Es bestehe kaum noch ein muskuläres Defizit. Die Beweglichkeit sei mit 0-0-130 Grad gegenüber der Gegenseite mit 0-0-140 Grad nur geringgradig eingeschränkt. Der Kläger habe noch Beschwerden bei maximaler Beugung angegeben. Sein Training als Kampfsportlehrer sollte er frühestens ein halbes Jahr nach der operativen Versorgung zunächst ohne Gegnerkontakt wieder anfangen. Ab dem 30.03.2009 sei wieder vollschichtige Arbeitsfähigkeit gegeben.

Am 27.03.2009 erfolgte eine erneute Vorsprache in der BG-Sprechstunde, nachdem sich der Kläger gegen die Gesundschreibung gewandt hatte. Im Zwischenbericht vom 02.04.2009 führte Prof. Dr. B. aus, im Vergleich zur letztmaligen Vorstellung am 15.03.2009 zeige sich jetzt zwar ein Gelenkerguss, das Kniegelenk selbst sei ansonsten ohne Hinweis auf Infekt, Überwärmung etc. Die Untersuchungsmerkmale zeigten sich nach erneuter penibler Untersuchung des Kniegelenkes gleich. Die Einschätzung der Arbeitsfähigkeit ab 30.03.2009 werde aufrechterhalten.

Die Beklagte veranlasste daraufhin die gutachterliche Untersuchung des Klägers durch den Arzt für Chirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. D ... Im Gutachten vom 22.06.2009 führte dieser aus, bei dem Unfall am 10.10.2008 sei es lediglich zu einer Zerrung des linken Kniegelenks gekommen. Die operationsbedürftige Instabilität könne nicht auf das Ereignis vom 10.10.2008 zurückgeführt werden. Gegen einen Zusammenhang zwischen diesem Ereignis und der vorderen Kreuzbandruptur spreche zum einen der Nachweis eines Vorschadens mit mittelgradiger Instabilität des linken Kniegelenks und die im OP-Bericht der Orthopädie des Universitätsklinikums Tübingen geäußerte prinzipielle Indikationsstellung zur vorderen Kreuzbandersatzplastik sowie der intraoperative Befund vom 11.11.2008, der lediglich Narbenzügel beschreibe. Aus diesem Befund müsse geschlossen werden, dass über narbige Reste hinaus keine Kreuzbandstruktur mehr vorhanden gewesen sei. Damit könne aber auch nicht davon ausgegangenen werden, dass es bei dem Ereignis vom 10.10.2008 zu einer Zerreißung von Restfasern nach früherer Verletzung gekommen sei. Hinsichtlich des klinischen Befundes teilte der Sachverständige mit, es bestehe ein schmerzhafter Reizzustand mit Ergussbildung des linken Kniegelenks mit Streckdefizit (0-15-130 Grad links; 0-0-150 Grad rechts). Arbeitsfähigkeit könne aufgrund der jetzigen Untersuchung nicht angenommen werden. Dem Kläger sei zu empfehlen, sich in einer anderen Einrichtung mit Kniekompetenz zur Untersuchung vorzustellen.

Am 13.07.2009 erfolgte eine weitere Kniegelenksspiegelung mit Glättung des Außenmeniskus und Resektion der Gelenkhautfalte in der BG-Klinik. Seit September 2009 ist der Kläger wieder in seinem erlernten Beruf tätig.

Mit Bescheid vom 18.08.2009 traf die Beklagte folgende Regelungen: 1. Der Unfall vom 10.10.2008 wird als Arbeitsunfall anerkannt. 2. Als Folge des Unfalls wird anerkannt: Zerrung des linken Kniegelenkes. 3. Keine Folgen des Arbeitsunfalles - weder im Sinne der Entstehung noch im Sinne der Verschlimmerung - sind: Links: Zusammenhangstrennung des vorderen Kreuzbandes mit vorderer Instabilität, Knorpelschaden 1. Grades an der Schienbeingelenkfläche und 2. Grades an der inneren Oberschenkelrolle. 4. Die Gewährung von Leistungen über den 05.12.2008 hinaus wird abgelehnt. Auf die Begründung des Bescheides wird Bezug genommen.

Hiergegen erhob der Kläger am 02.09.2009 Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.11.2009 zurückwies.

Hiergegen hat der Kläger am 10.12.2009 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben.

Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens bei Dr. C., Leitender Arzt des Orthopädischen Forschungsinstituts Stuttgart. Im Gutachten vom 28.03.2011 hat dieser als Diagnosen eine schmerzhafte Funktionsstörung des linken Kniegelenks in Verbindung mit einer objektivierbaren unvollständigen Beweglichkeit nach vorderer Kreuzbandplastik gestellt. Diese sei auch als Unfallfolge zu werten. Zwar habe zum Zeitpunkt des Arbeitsunfalls am 10.10.2008 ein Vorschaden im linken Knie in Form einer Teilzerreißung des vorderen Kreuzbandes bestanden. Jedoch sei innerhalb weniger Wochen nach dem operativen Eingriff bezüglich des Vorschadens die Funktionsfähigkeit des linken Kniegelenkes wieder so weit hergestellt gewesen, dass der Kläger eine körperlich besonders belastende Arbeit habe wieder vollschichtig verrichten können. Erst nach dem Unfall vom 10.10.2008 habe eindeutig eine vollständige Zerreißung des vorderen Kreuzbandes bestanden. Auch habe sich unmittelbar nach dem Unfall im Knie eine deutliche Funktionsstörung in Form einer deutlichen Bewegungseinschränkung in Verbindung mit einem ausgeprägten Gelenkerguss gezeigt. Zum Unfallzeitpunkt habe eine relativ unbedeutende leichte Vorschädigung im linken Knie bestanden, die durch den Unfall wesentlich und anhaltend verschlimmert worden sei. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe bis zum 23.08.2009 bestanden. In den ergänzenden Stellungnahmen vom 13.05.2011, vom 12.07.2011 und 11.10.2011 hat Dr. C. ausgeführt, die MdE sei mit 10 v.H. zu beurteilen. Dies entspreche dem unfallmedizinischen Schrifttum, wonach eine endgradige Behinderung der Beugung- Streckung und eine muskulär kompensierbare Lockerung des Kniebandapparates eine MdE von 10 v.H. rechtfertige.

Mit Urteil vom 28.11.2011 hat das SG den Bescheid vom 18.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.11.2009 aufgehoben und die Beklagte unter Feststellung einer bestehenden schmerzhaften Funktionsstörung des linken Kniegelenks in Verbindung mit einer unvollständigen Beweglichkeit nach vorderer Kreuzbandplastik als Unfallfolgen verurteilt, Verletztengeld bis 23.08.2009 zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es unter Darlegung der gesetzlichen Grundlagen ausgeführt, die vordere Kreuzbandruptur links sei rechtlich wesentlich durch den Arbeitsunfall vom 10.10.2008 verursacht worden. Dafür spreche, dass nur wenige Stunden nach dem Unfall ärztlicherseits ein deutlicher Erguss im linken Knie in Verbindung mit einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung bei Instabilität des vorderen Kreuzbandes festgestellt worden sei. Zudem sei vier Tage nach dem Unfall kernspintomographisch nicht nur eine vollständige Zerreißung des Kreuzbandes, sondern zusätzlich noch ein bone bruise (Signalveränderungen am Ober- und Unterschenkelknochen) feststellt worden, welches als Indiz für eine frische Ruptur des vorderen Kreuzbandes zu werten sei. Es habe zwar bereits ein Vorschaden am linken Knie vorgelegen, dieser habe jedoch lediglich auf einer Teilzerreißung des vorderen Kreuzbandes beruht. Nach dessen arthroskopischer Resektion sei die Funktionsfähigkeit des linken Kniegelenks in der B. wieder hergestellt gewesen, dass der Kläger eine körperlich besonders belastende Arbeit vollschichtig habe verrichten können. Bis zum 23.08.2009 sei der Kläger wegen der Folgen der Kreuzbandruptur durchgehend arbeitsunfähig gewesen und habe deshalb Anspruch auf Verletztengeld bis einschließlich 23.08.2009. Ein Anspruch auf Verletztenrente bestehe nicht, da das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung eine MdE von 20 v.H. nicht erreiche. Die endgradige Behinderung der Beugung/Streckung mit muskulär kompensierbaren instabilen Bandverhältnissen sei von Dr. C. in Übereinstimmung mit dem unfallmedizinischen Schrifttum zutreffend mit einer MdE um 10 v.H. bewertet worden.

Gegen das ihr am 20.01.2012 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 06.02.2012 Berufung eingelegt. Der Kläger, dem das Urteil am 25.01.2012 zugestellt worden ist, hat am 10.02.2012 gleichfalls Berufung eingelegt.

Die Beklagte trägt vor, anhand der bildgebenden Verfahren könne nicht davon ausgegangen werden, dass am 10.10.2008 noch ein funktionstüchtiges Kreuzband vorhanden gewesen sei. Bereits im OP-Bericht vom 11.11.2008 hätten sich nur noch Narbenzügel des restlichen vorderen Kreuzbandes gefunden. Deshalb sei die Beurteilung des Sachverständigen Dr. D. im Gutachten vom 22.06.2009 zutreffend, dass über narbige Reste hinaus keine Kreuzbandstrukturen mehr vorgelegen hätten. Dies werde auch durch den intraoperativen Befund vom 22.08.2008 bestätigt, wonach sich der Faserrest des verbliebenen Kreuzbandbündels noch gut angespannt hätte. Bei der Operation sei der große Faserrest des Kreuzbandes abgetrennt und entfernt worden. Wenn ein großes Faserbündel entfernt werde und nur noch Restfasern verblieben könne nicht von einer vollständigen Zerreißung eines funktionsfähigen vorderen Kreuzbandes ausgegangen werden. Das Kreuzband dürfte danach weniger als zur Hälfte noch vorhanden gewesen sein. Hierfür spreche auch, dass der Operateur vom 22.08.2008 im Procedere bereits die VKB-Plastik elektiv empfohlen habe. Die Auffassung von Dr. C., die Signalveränderungen im Ober- und Unterschenkelknochen (bone bruise) im MRT vom 14.10.2008 sei als Indiz für eine unfallbedingte Zerreißung des vorderen Kreuzbandes zu werten, könne nicht gefolgte werden. Vielmehr sei der Auffassung von Dr. D. zu folgen, der nach Vergleich der MRT-Bilder vom 01.08.2001 (gemeint 2008) mit denen vom 14.10.2008 zu dem Schluss gekommen sei, dass sich eine weitgehende Morphologie der Knochenödeme zeige. Zumal habe der Sachverständige Dr. C. selbst darauf hingewiesen, dass er die kernspintomographischen Bilder vom 10.10.2008 nicht selbst gesehen habe. Allein aus der Tatsache, dass der Kläger vor dem Unfall ca. eine Woche lang vollschichtig eine körperlich belastende Tätigkeit mit Treppensteigen habe ausführen können, lasse sich nicht schließen, dass kein Instabilitätsgefühl vorgelegen habe, zumal der Kläger erst im Oktober 2008 die Arbeitsstelle neu angetreten habe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 28. November 2011 aufzuheben, die Klage abzuweisen sowie die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 28. November 2011 abzuändern und die Beklagte unter weiterer Abänderung des Bescheides vom 18. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. November 2009 zu verurteilen, ihm ab dem 23. August 2009 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v.H. zu gewähren sowie die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er trägt vor, entgegen der Auffassung der Beklagten und der Darstellung durch Dr. D. habe nach dem Sportunfall keine vollständige Zerreißung des Kreuzbandes vorgelegen, es sei vielmehr ein Faserrest mit guter Spannung verblieben. Er habe deshalb auch vor dem streitgegenständlichen Unfall noch mindestens eine Woche lang vollschichtig körperlich besonders belastende Tätigkeiten mit häufigem Besteigen von Treppen und Leitern ausüben können. Auch sei - entgegen der Interpretation durch Dr. D. - im Operationsbericht der Orthopädischen Universitätsklinik Tübingen vom 22.08.2008 keine Instabilität festgestellt worden. Im Operationsbericht werde lediglich ausgeführt, dass im Falle eines Instabilitätsgefühls ggf. eine VKB-Plastik erfolgen solle. Im Hinblick auf das Maß der Beeinträchtigung aufgrund der von ihm gefühlten Beeinträchtigungen im täglichen Leben und bei der Erbringung von Arbeitsleistungen sei er um mindestens 20 v.H. gemindert. Er habe massive Probleme mit dem Knie und müsse ständig begonnene Arbeiten wieder abbrechen. Auch habe Dr. C. in der ergänzenden Stellungnahme ausgeführt, dass "eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 10 bis vielleicht 20 % angemessen" sei.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten und die Berufung des Klägers sind zulässig. Beide Berufungen sind jedoch nicht begründet.

1. Das SG hat im angefochtenen Urteil zu Recht als Unfallfolge des Unfalls vom 10.10.2008 eine schmerzhafte Funktionsstörung des linken Kniegelenks in Verbindung mit einer unvollständigen Beweglichkeit nach vorderer Kreuzbandplastik festgestellt. Gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG kann mit der Klage begehrt werden die Feststellung, ob eine Gesundheitsstörung die Folge eines Arbeitsunfalls ist. Hierbei handelt es sich um den Sonderfall der gesetzlich angeordneten Zulässigkeit einer Elementenfeststellungsklage (Hk-SGG/Castendiek, § 55 Rn. 62 m.w.N.).

Eine Gesundheitsstörung ist Unfallfolge (im engeren Sinne) eines Versicherungsfalls im Sinne des § 8 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII), wenn sie spezifisch durch den Gesundheitserstschaden des (vorliegend anerkannten) Arbeitsunfalls wesentlich verursacht worden ist. Der Anspruch setzt grundsätzlich das "objektive", das heißt aus der nachträglichen Sicht eines optimalen Beobachters gegebene Vorliegen einer Gesundheitsstörung voraus, die spezifisch durch den Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls wesentlich verursacht worden ist. Da der Gesundheitserstschaden (Gesundheitsbeeinträchtigung, Tod oder Krankheit) eine dem Versicherungsfall selbst begründende Tatbestandsvoraussetzung und damit keine Folge des Arbeitsunfalls ist, muss er grundsätzlich bei der Feststellung des Versicherungsfalls benannt werden (BSG, Urteil vom 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R - juris Rn. 27).

Der durch den Arbeitsunfall vom 10.10.2008 verursachte Gesundheitserstschaden stellt die Ruptur des vorderen Kreuzbandes links dar.

Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gilt für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden die Theorie der wesentlichen Bedingung (BSG, Urteil vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus. In einem ersten Schritt ist deshalb zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis eingetreten wäre. Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon deshalb nicht ursächlich. Kann dagegen das Unfallereignis nicht hinweg gedacht werden, ohne dass der Gesundheitsschaden entfiele (conditio sine qua non), ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als ursächlich und rechtserheblich im Sinne des Sozialrechts werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Die Wertung als rechtlich wesentliche Ursache erfordert nicht, dass der berufliche Faktor die alleinige oder die überwiegende Bedingung war. Haben mehrere Ursachen (in medizinisch-naturwissenschaftlicher Hinsicht) gemeinsam zum Entstehen des Körperschadens beigetragen, sind sie nebeneinander (Mit-) Ursachen im Rechtssinne, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite beim Eintritt des Erfolges wesentlich mitgewirkt haben. Der Begriff "wesentlich" ist hierbei nicht identisch mit den Beschreibungen "überwiegend", "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern verhältnismäßig niedriger zu bewertende Bedingung kann für den Erfolg wesentlich sein. Ein mitwirkender Faktor ist nur dann rechtlich unwesentlich, wenn er von einer anderen Ursache ganz in den Hintergrund gedrängt wird. Daher ist es zulässig, eine - rein naturwissenschaftlich betrachtet - nicht gleichwertige (prozentual also verhältnismäßig niedriger zu bewertende) Ursache als "wesentlich" anzusehen, weil gerade und nur durch ihr Hinzutreten zu der anderen wesentlichen Ursache der Erfolg eintreten konnte (Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 8 Rn. 10.1 m.w.N.).

Darüber hinaus ist zu beachten, das im Hinblick auf den Schutzzweck der gesetzlichen Unfallversicherung jeder Versicherte grundsätzlich in dem Gesundheitszustand geschützt ist, in dem er sich bei Aufnahme seiner Tätigkeit befindet, auch wenn etwa dieser Zustand eine größere Gefährdung begründet. Eingebunden sind alle im Unfallzeitpunkt bestehenden Krankheiten, Anlagen, konstitutionell oder degenerativ bedingten Schwächen sowie Krankheitsdispositionen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., S. 81 f.)

Dem entsprechend darf nach ständiger Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 02.02.1999 - B 2 U 6/98 R - juris) eine Schadensanlage als allein wesentliche Ursache nur dann gewertet werden, wenn sie so stark ausgeprägt und so leicht ansprechbar war, dass es zur Auslösung des akuten Krankheitsbildes keiner besonderen, in ihrer Art unersetzlichen äußeren Einwirkung aus der versicherten Tätigkeit bedurft hat und wenn der Gesundheitsschaden voraussichtlich auch ohne diese Einwirkung durch beliebig austauschbare Einwirkungen des alltäglichen Lebens etwa zu der gleichen Zeit und in etwa gleicher Schwere entstanden wäre.

Das SG ist vorliegend zutreffend davon ausgegangen, dass es zumindest wahrscheinlich ist, dass der Unfall die Ursache im naturwissenschaftlichen Sinne für die Ruptur des vorderen Kreuzbandes war, da nur wenige Stunden nach dem Unfall ärztlicherseits ein deutlicher Erguss im linken Knie in Verbindung mit einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung bei Instabilität des vorderen Kreuzbandes festgestellt wurde und vier Tage nach dem Unfall kernspintomographisch nicht nur eine vollständige Zerreißung des Kreuzbandes, sondern zusätzlich noch ein bone bruise als Indiz für eine frische Ruptur des vorderen Kreuzbandes festgestellt worden war.

Soweit die Beklagte zur Begründung der Berufung vorgetragen hat, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass im Zeitpunkt des Arbeitsunfalls am 10.10.2008 noch ein funktionstüchtiges Kreuzband vorhanden gewesen sei, da über narbige Reste hinaus keine Kreuzbandstrukturen mehr vorgelegen hätten, teilt der Senat diese Beurteilung nicht. Diese ist im wesentlichen auf die von Dr. D. im Gutachten vom 22.06.2009 getroffene Feststellung gestützt, der intraoperative Befund vom 11.11.2008 habe lediglich noch Narbenzügel beschrieben und bereits aufgrund des Vorschadens mit mittelgradiger Instabilität des linken Kniegelenks habe eine prinzipielle Indikationsstellung zur vorderen Kreuzbandersatzplastik bestanden.

Zur Überzeugung des Senats lag vor dem 10.10.2008 lediglich eine Teilzerreißung des vorderen Kreuzbandes vor. Unzutreffend ist, dass vor dem Arbeitsunfall über narbige Reste hinaus keine Kreuzbandstrukturen vorgelegen haben, wovon der Sachverständige Dr. D. ausgegangen ist. Soweit er im Gutachten vom 22.06.2009 ausgeführt hat, aus dem Befund vom 11.11.2008 müsse geschlossen werden, dass über narbige Reste hinaus keine Kreuzbandstrukturen vorgelegen hätten, damit könne aber auch nicht davon ausgegangen werden, dass es bei dem Ereignis vom 10.10.2008 zu einer Zerreißung von Restfasern nach früherer Verletzung gekommen sei, kann dies nur so verstanden werden, dass Dr. D. seiner Beurteilung zugrunde gelegt hat, dass es bereits vor dem Arbeitsunfall am 10.10.2008 zu einer vollständigen Zerreißung des vorderen Kreuzbandes gekommen war. Dies ist jedoch nicht zutreffend. Als Vorschaden bestand vielmehr lediglich eine Teilzerreißung des vorderen Kreuzbandes. Denn bei der am 22.08.2008 in der Universitätsklinik Tübingen durchgeführten Kniespiegelung fand sich lediglich eine Teilrissbildung des vorderen Kreuzbandes, woraufhin lediglich die gerissenen Faseranteile abgetragen worden waren, wie dem Operationsbericht entnommen werden kann. Entgegen der Beurteilung der Beklagten spricht der intraoperative Befund vom 22.08.2008, wonach sich der Faserrest des verbliebenen Kreuzbandbündels noch gut angespannt hatte, ausdrücklich gegen eine vollständige Zerreißung und vielmehr dafür, dass der verbliebene Rest des Kreuzbandes noch intakt war.

Auch der Umstand, dass der Operateur vom 22.08.2008 im Procedere bereits die VKB-Plastik elektiv empfohlen hatte, spricht entgegen der Beurteilung der Beklagten nicht dafür, den Vorschaden als rechtlich wesentliche Ursache anzusehen. Denn zum einen wurde die VKB-Plastik nur elektiv empfohlen. Mit dem Begriff "elektiv" werden Eingriffe bezeichnet, die nicht wirklich dringend notwendig sind (Wahloperationen) bzw. Operationen, deren Zeitpunkt man fast frei wählen kann. Zudem hat der Operateur empfohlen, die VKB-Plastik erst durchzuführen, wenn der Kläger ein Instabilitätsgefühl habe. Entgegen der Beurteilung der Beklagten ist der Operateur Dr. A., nachdem er intraoperativ aufgrund des Lachmann-Tests eine mittelgradige vordere Schublade festgestellt hatte, gerade nicht von der Erforderlichkeit einer VKB-Plastik zu diesem Zeitpunkt ausgegangen, weil er ansonsten eine entsprechende Operation durchgeführt hätte. Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Instabilitätsgefühls aufgrund des Vorschadens sind nicht ersichtlich. Vielmehr hatte der Kläger vor dem Unfall am 10.10.2008 noch über eine Woche vollschichtig eine körperlich besonders belastende Arbeit mit häufigem Besteigen von Treppen und Leitern ausüben können.

2. Die Berufung der Beklagten ist auch insoweit unbegründet, als sie sich gegen die Verurteilung zur Gewährung von Verletztengeld bis einschließlich 23.08.2009 richtet. Das SG hat zutreffend entschieden, dass der Kläger durchgehend bis zu diesem Zeitpunkt wegen der Folgen der Kreuzbandruptur arbeitsunfähig krank war. Hierauf wird gem. § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen.

3. Die Berufung des Klägers ist gleichfalls unbegründet. Das SG hat zutreffend entschieden, dass das Ausmaß der verbliebenen Funktionsbeeinträchtigung eine MdE von 20 v.H. nicht erreicht. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich gem. § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet der Erwerbslebens. Hierbei sind die Erfahrungswerte zugrunde zu legen, wie sie im Schrifttum zusammengefasst und in der gerichtlichen Praxis angewandt werden, um einer weitgehenden Gleichbehandlung der Versicherten Rechnung zu tragen.

Die als Unfallfolge verbliebene schmerzhafte Funktionsstörung des linken Kniegelenks in Verbindung mit einer unvollständigen Beweglichkeit nach vorderer Kreuzbandplastik, jedoch mit muskulär kompensierbaren instabilen Bandverhältnissen, ist zutreffend mit einer MdE um 10 v.H. zu bewerten. Der Senat stützt sich hierbei neben der Beurteilung durch den Sachverständigen Dr. C. in den ergänzenden Stellungnahmen vom 13.05.2011 und 11.10.2011 auch auf das unfallmedizinische Schrifttum (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O. S. 612). Das Maß der MdE hängt danach ab von dem vorhandenen Funktionsausfall. Kein geeigneter Maßstab für die Bemessung der MdE ist hingegen die gefühlte Beeinträchtigung im täglichen Leben und bei der Erbringung von Arbeitsleistungen. Eine endgradige Behinderung der Beugung/Streckung mit muskulär kompensierbaren instabilen Bandverhältnissen ist mit einer MdE von 10 v. H. zu bewerten. Dies entspricht auch den von Bereiter-Hahn/Mehrtens (Gesetzliche Unfallversicherung, Stand Nov. 2012, Anhang 12) mitgeteilten MdE-Erfahrungswerten. Dem entsprechen die Bewegungsmaße der Kniegelenke des Klägers, die bzgl. Beugung/Streckung rechts bzw. links 150-0-5 betragen, wie der Sachverständige Dr. C. festgestellt hat. Erst wenn auch eine muskulär nicht kompensierbare Seitenbandinstabilität verblieben ist, rechtfertigt dies eine MdE von 20 v.H: Eine solche liegt beim Kläger nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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