Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 1 KR 115/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 2366/12 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 02.05.2012 aufgehoben.
Dem Kläger wird für das Klageverfahren S 1 KR 115/10 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Prozessbevollmächtigten bewilligt.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger seit 20.6.2006 bei der Beklagten (bzw. der bei ihr errichteten Pflegekasse) freiwillig versichert ist.
Der 1941 geborene Kläger bezog bis 19.6.2006 Grundsicherung für Arbeitssuchende und war deswegen bei der Beklagten/Pflegekasse pflichtversichert. Ab 20.6.2006 wurde dem Kläger Sozialhilfe gewährt. Am 23.3.2006 beantragte der Kläger Regelaltersrente. Diese wurde mit Rentenbescheid vom 21.6.2006 ab 1.7.2006 bewilligt. Mangels Vorversicherungszeit ist der Kläger nicht versicherungspflichtig zur Kranken- bzw. Pflegeversicherung der Rentner. Gleichwohl wurden von der Rente (zunächst) bis 22.4.2008 Kranken- und Rentenversicherungsbeiträge einbehalten. Der Kläger erlitt außerdem am 1.7.2007 einen Schlaganfall mit halbseitiger Lähmung, Urininkontinenz und ausgeprägter Sprachstörung, weswegen das Amtsgericht Freiburg ein Betreuungsverfahren einleitete. In diesem Verfahren ist ein amtsärztliches Gutachten der Psychiaterin B. erhoben worden (mittelgradige depressive Episode und Hemiparese rechts). Die mit Beschluss des Amtsgerichts Freiburg vom 17.4.2008 (dauerhaft, zuvor seit 6.12.2007 vorläufig) bestellte Betreuerin des Klägers beantragte am 16.1.2008 die freiwillige Mitgliedschaft bei der Beklagten (ab 20.6.2006), was diese wegen Verstreichens der 3-Monatsfrist des § 9 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 SGB V ablehnte. Mit der nach erfolglosem Widerspruchsverfahren (Widerspruchsbescheid vom 14.12.2009) deswegen am 7.1.2010 beim Sozialgericht Freiburg erhobenen Klage machte der Kläger i. W. geltend, er sei seinerzeit mangels Geschäftsfähigkeit an der rechtzeitigen Antragstellung gehindert gewesen und sei außerdem im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als habe er die freiwillige Mitgliedschaft bei der Beklagten rechtzeitig beantragt. Das Sozialgericht hat über einen mit Klageerhebung (ebenfalls) am 7.1.2010 gestellten Prozesskostenhilfeantrag des Klägers (Einreichung der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse am 18.2.2010) zunächst nicht entschieden und die Klage mit Urteil vom 28.3.2012 abgewiesen; die dagegen eingelegte Berufung des Klägers ist beim Senat unter dem Aktenzeichen L 5 KR 2365/12 anhängig.
Mit - nach Abschluss des Klageverfahrens - ergangenem Beschluss vom 2.5.2012 lehnte das Sozialgericht den Prozesskostenhilfeantrag des Klägers ab. Die Rechtsverfolgung habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg; hierfür verwies das Sozialgericht auf das bereits ergangene Urteil vom 28.3.2012. Der Kläger hat rechtzeitig Beschwerde gegen die Ablehnung des Prozesskostenhilfeantrags erhoben.
Unter den Beteiligten war im Klageverfahren - und ist im Berufungsverfahren - (u.a.) streitig, ob der Kläger von der Beklagten über das Nichtbestehen von Versicherungspflicht zur Krankenversicherung der Rentner und die Möglichkeit der freiwilligen Weiterversicherung unterrichtet worden ist; ein - so die Beklagte - hierüber ergangener Bescheid vom 12.6.2006 liegt nicht vor. Der Kläger ist seinerzeit offenbar von einer Einrichtung für Wohnsitzlose ("P. F." des Caritasverbandes) betreut worden und bestreitet den Zugang eines solchen Bescheids sowie die Fähigkeit, die eigenen Geschäfte besorgen zu können. Streitig ist auch, ob er vom zuständigen Sozialhilfeträger hinreichend auf die Möglichkeit der freiwilligen Weiterversicherung hingewiesen worden ist. Die Beteiligten streiten im Hinblick auf die Feststellungen im späteren Betreuungsverfahren schließlich darüber, ob der Kläger während der maßgeblichen Zeit (des Jahres 2006) nicht möglicherweise geschäftsunfähig gewesen ist.
II. Die Beschwerde des Klägers ist gem. §§ 172 ff. Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, insbesondere nicht gem. § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG ausgeschlossen, und auch sonst zulässig. Unschädlich ist, dass die Beschwerde erst nach Abschluss des ersten Rechtszugs eingelegt worden ist, da das Sozialgericht auch über den Prozesskostenhilfeantrag erst nach Ergehen seines den Rechtszug abschließenden Urteils entschieden hat (vgl. dazu etwa OLG Bamberg, Beschl. v. 2.1.1995, - 7 WF 191/94 -). Die Beschwerde ist auch begründet. Dem Kläger ist (nachträglich) Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Prozessbevollmächtigten zu gewähren.
Gem. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussichten liegen vor, wenn nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage, wobei in begrenztem Maße auch eine vorweggenommene Beweiswürdigung zulässig ist (vgl. BVerfG NJW 1997, 2745; BGH NJW 1994, 1160), eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit besteht; entfernte Erfolgschancen genügen nicht (vgl. BVerfGE 81, 347; BSG SozR 3-1500 § 62 Nr. 19).
Nach der Rechtsprechung des BVerfG dient die Prüfung der Erfolgsaussichten im Prozesskostenhilfeverfahren nicht dazu, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen (BVerfGE 81, 347 sowie BVerfG, Beschl. v. 7.11.2011, - 1 BvR 1403/09 -).
Für die gem. § 114 Satz 1 ZPO vorzunehmende Erfolgsprognose ist der Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der Beschlussfassung Entscheidungsgrundlage, wenn alsbald nach Entscheidungsreife entschieden wird. Entscheidungsreife liegt vor, wenn der Antragsteller alle für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erforderlichen Unterlagen vorgelegt hat, insbesondere gem. § 117 Abs. 2 und 4 ZPO den vollständig ausgefüllten Vordruck über die Erklärung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie die entsprechenden Belege, wenn der Gegner gem. § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt hat und alle Erhebungen im Sinne von § 118 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 ZPO zur Klärung der hinreichenden Erfolgsaussicht des PKH-Antrags durchgeführt worden sind. Sind die Erfolgsaussichten in einem Stadium zwischen Entscheidungsreife des Antrags und der Sachentscheidung anders zu beurteilen, z. B. wenn die Entscheidung über den Antrag verzögert oder erst nach Beweiserhebung entschieden wird und sich die Sach- und Rechtslage zum Nachteil des Antragstellers ändert, ist auf den Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Antrags abzustellen (so LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 27.7.2012, - L 11 R 2855/12 B - m. w. N.).
Im Hinblick auf die vom BVerfG betonte Funktion der Prozesskostenhilfe, den rechtsstaatlich gebotenen Rechtsschutz zugänglich zu machen, ist es nicht zulässig, das Hauptsacheverfahren durch klagabweisendes Urteil (oder Gerichtsbescheid) abzuschließen, ohne zuvor über einen (entscheidungsreifen) Prozesskostenhilfeantrag zu befinden, und sodann den Prozesskostenhilfeantrag nach Ergehen des klagabweisenden Urteils (Gerichtsbescheids) mangels Erfolgsaussichten der Klage abzulehnen (vgl. dazu auch etwa BVerfG, Beschl. v. 13.7.2005, - 1 BvR 175/05 - im Hinblick auf eine im Hauptsacheverfahren durchgeführte Beweisaufnahme). Damit wird die Entscheidung über die Prozesskostenhilfe in das Hauptsacheverfahren verlagert. Dies widerspricht der Funktion der Prozesskostenhilfe und den Vorschriften in §§ 114 und 118 Abs. 2 ZPO, die eine Erfolgsprognose im Hinblick auf die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung im Hauptsacheverfahren verlangen; dafür ist nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens naturgemäß kein Raum mehr.
Hier können bei Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags (jedenfalls angemessene Zeit nach Eingang der Klageerwiderung am 18.10.2010) hinreichende Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung i. S. d. § 73a SGG i. V. m. § 114 ZPO nicht verneint werden, da die unter den Beteiligten streitige Wahrung der Frist zur freiwilligen Weiterversicherung des Klägers ohne weitere Aufklärung des Sachverhalts, namentlich hinsichtlich der tatsächlichen Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs, ggf. auch hinsichtlich des damaligen Gesundheitszustands des Klägers, nicht abschließend beurteilt werden kann. Im Berufungsverfahren wird voraussichtlich der Sozialhilfeträger beizuladen und es werden dessen Akten sowie die Akten des Amtsgerichts Freiburg über das durchgeführte Betreuungsverfahren beizuziehen sein.
Die persönlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfegewährung (§§ 114, 115 ZPO) sind ersichtlich erfüllt, weswegen dem Kläger unter Aufhebung des mit der Beschwerde angefochtenen Beschlusses Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Prozessbevollmächtigten für das Verfahren des ersten Rechtszugs zu bewilligen ist. Für das Berufungsverfahren hat der Senat Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom gleichen Tag bewilligt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Dem Kläger wird für das Klageverfahren S 1 KR 115/10 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Prozessbevollmächtigten bewilligt.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger seit 20.6.2006 bei der Beklagten (bzw. der bei ihr errichteten Pflegekasse) freiwillig versichert ist.
Der 1941 geborene Kläger bezog bis 19.6.2006 Grundsicherung für Arbeitssuchende und war deswegen bei der Beklagten/Pflegekasse pflichtversichert. Ab 20.6.2006 wurde dem Kläger Sozialhilfe gewährt. Am 23.3.2006 beantragte der Kläger Regelaltersrente. Diese wurde mit Rentenbescheid vom 21.6.2006 ab 1.7.2006 bewilligt. Mangels Vorversicherungszeit ist der Kläger nicht versicherungspflichtig zur Kranken- bzw. Pflegeversicherung der Rentner. Gleichwohl wurden von der Rente (zunächst) bis 22.4.2008 Kranken- und Rentenversicherungsbeiträge einbehalten. Der Kläger erlitt außerdem am 1.7.2007 einen Schlaganfall mit halbseitiger Lähmung, Urininkontinenz und ausgeprägter Sprachstörung, weswegen das Amtsgericht Freiburg ein Betreuungsverfahren einleitete. In diesem Verfahren ist ein amtsärztliches Gutachten der Psychiaterin B. erhoben worden (mittelgradige depressive Episode und Hemiparese rechts). Die mit Beschluss des Amtsgerichts Freiburg vom 17.4.2008 (dauerhaft, zuvor seit 6.12.2007 vorläufig) bestellte Betreuerin des Klägers beantragte am 16.1.2008 die freiwillige Mitgliedschaft bei der Beklagten (ab 20.6.2006), was diese wegen Verstreichens der 3-Monatsfrist des § 9 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 SGB V ablehnte. Mit der nach erfolglosem Widerspruchsverfahren (Widerspruchsbescheid vom 14.12.2009) deswegen am 7.1.2010 beim Sozialgericht Freiburg erhobenen Klage machte der Kläger i. W. geltend, er sei seinerzeit mangels Geschäftsfähigkeit an der rechtzeitigen Antragstellung gehindert gewesen und sei außerdem im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als habe er die freiwillige Mitgliedschaft bei der Beklagten rechtzeitig beantragt. Das Sozialgericht hat über einen mit Klageerhebung (ebenfalls) am 7.1.2010 gestellten Prozesskostenhilfeantrag des Klägers (Einreichung der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse am 18.2.2010) zunächst nicht entschieden und die Klage mit Urteil vom 28.3.2012 abgewiesen; die dagegen eingelegte Berufung des Klägers ist beim Senat unter dem Aktenzeichen L 5 KR 2365/12 anhängig.
Mit - nach Abschluss des Klageverfahrens - ergangenem Beschluss vom 2.5.2012 lehnte das Sozialgericht den Prozesskostenhilfeantrag des Klägers ab. Die Rechtsverfolgung habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg; hierfür verwies das Sozialgericht auf das bereits ergangene Urteil vom 28.3.2012. Der Kläger hat rechtzeitig Beschwerde gegen die Ablehnung des Prozesskostenhilfeantrags erhoben.
Unter den Beteiligten war im Klageverfahren - und ist im Berufungsverfahren - (u.a.) streitig, ob der Kläger von der Beklagten über das Nichtbestehen von Versicherungspflicht zur Krankenversicherung der Rentner und die Möglichkeit der freiwilligen Weiterversicherung unterrichtet worden ist; ein - so die Beklagte - hierüber ergangener Bescheid vom 12.6.2006 liegt nicht vor. Der Kläger ist seinerzeit offenbar von einer Einrichtung für Wohnsitzlose ("P. F." des Caritasverbandes) betreut worden und bestreitet den Zugang eines solchen Bescheids sowie die Fähigkeit, die eigenen Geschäfte besorgen zu können. Streitig ist auch, ob er vom zuständigen Sozialhilfeträger hinreichend auf die Möglichkeit der freiwilligen Weiterversicherung hingewiesen worden ist. Die Beteiligten streiten im Hinblick auf die Feststellungen im späteren Betreuungsverfahren schließlich darüber, ob der Kläger während der maßgeblichen Zeit (des Jahres 2006) nicht möglicherweise geschäftsunfähig gewesen ist.
II. Die Beschwerde des Klägers ist gem. §§ 172 ff. Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, insbesondere nicht gem. § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG ausgeschlossen, und auch sonst zulässig. Unschädlich ist, dass die Beschwerde erst nach Abschluss des ersten Rechtszugs eingelegt worden ist, da das Sozialgericht auch über den Prozesskostenhilfeantrag erst nach Ergehen seines den Rechtszug abschließenden Urteils entschieden hat (vgl. dazu etwa OLG Bamberg, Beschl. v. 2.1.1995, - 7 WF 191/94 -). Die Beschwerde ist auch begründet. Dem Kläger ist (nachträglich) Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Prozessbevollmächtigten zu gewähren.
Gem. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussichten liegen vor, wenn nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage, wobei in begrenztem Maße auch eine vorweggenommene Beweiswürdigung zulässig ist (vgl. BVerfG NJW 1997, 2745; BGH NJW 1994, 1160), eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit besteht; entfernte Erfolgschancen genügen nicht (vgl. BVerfGE 81, 347; BSG SozR 3-1500 § 62 Nr. 19).
Nach der Rechtsprechung des BVerfG dient die Prüfung der Erfolgsaussichten im Prozesskostenhilfeverfahren nicht dazu, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen (BVerfGE 81, 347 sowie BVerfG, Beschl. v. 7.11.2011, - 1 BvR 1403/09 -).
Für die gem. § 114 Satz 1 ZPO vorzunehmende Erfolgsprognose ist der Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der Beschlussfassung Entscheidungsgrundlage, wenn alsbald nach Entscheidungsreife entschieden wird. Entscheidungsreife liegt vor, wenn der Antragsteller alle für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erforderlichen Unterlagen vorgelegt hat, insbesondere gem. § 117 Abs. 2 und 4 ZPO den vollständig ausgefüllten Vordruck über die Erklärung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie die entsprechenden Belege, wenn der Gegner gem. § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt hat und alle Erhebungen im Sinne von § 118 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 ZPO zur Klärung der hinreichenden Erfolgsaussicht des PKH-Antrags durchgeführt worden sind. Sind die Erfolgsaussichten in einem Stadium zwischen Entscheidungsreife des Antrags und der Sachentscheidung anders zu beurteilen, z. B. wenn die Entscheidung über den Antrag verzögert oder erst nach Beweiserhebung entschieden wird und sich die Sach- und Rechtslage zum Nachteil des Antragstellers ändert, ist auf den Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Antrags abzustellen (so LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 27.7.2012, - L 11 R 2855/12 B - m. w. N.).
Im Hinblick auf die vom BVerfG betonte Funktion der Prozesskostenhilfe, den rechtsstaatlich gebotenen Rechtsschutz zugänglich zu machen, ist es nicht zulässig, das Hauptsacheverfahren durch klagabweisendes Urteil (oder Gerichtsbescheid) abzuschließen, ohne zuvor über einen (entscheidungsreifen) Prozesskostenhilfeantrag zu befinden, und sodann den Prozesskostenhilfeantrag nach Ergehen des klagabweisenden Urteils (Gerichtsbescheids) mangels Erfolgsaussichten der Klage abzulehnen (vgl. dazu auch etwa BVerfG, Beschl. v. 13.7.2005, - 1 BvR 175/05 - im Hinblick auf eine im Hauptsacheverfahren durchgeführte Beweisaufnahme). Damit wird die Entscheidung über die Prozesskostenhilfe in das Hauptsacheverfahren verlagert. Dies widerspricht der Funktion der Prozesskostenhilfe und den Vorschriften in §§ 114 und 118 Abs. 2 ZPO, die eine Erfolgsprognose im Hinblick auf die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung im Hauptsacheverfahren verlangen; dafür ist nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens naturgemäß kein Raum mehr.
Hier können bei Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags (jedenfalls angemessene Zeit nach Eingang der Klageerwiderung am 18.10.2010) hinreichende Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung i. S. d. § 73a SGG i. V. m. § 114 ZPO nicht verneint werden, da die unter den Beteiligten streitige Wahrung der Frist zur freiwilligen Weiterversicherung des Klägers ohne weitere Aufklärung des Sachverhalts, namentlich hinsichtlich der tatsächlichen Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs, ggf. auch hinsichtlich des damaligen Gesundheitszustands des Klägers, nicht abschließend beurteilt werden kann. Im Berufungsverfahren wird voraussichtlich der Sozialhilfeträger beizuladen und es werden dessen Akten sowie die Akten des Amtsgerichts Freiburg über das durchgeführte Betreuungsverfahren beizuziehen sein.
Die persönlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfegewährung (§§ 114, 115 ZPO) sind ersichtlich erfüllt, weswegen dem Kläger unter Aufhebung des mit der Beschwerde angefochtenen Beschlusses Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Prozessbevollmächtigten für das Verfahren des ersten Rechtszugs zu bewilligen ist. Für das Berufungsverfahren hat der Senat Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom gleichen Tag bewilligt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved