Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 770/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 3675/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27.07.2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die im Jahr 1964 geborene Klägerin musste eine Ausbildung zur Friseurin wegen einer unfallbedingten Knieverletzung abbrechen. Im Anschluss daran erfolgte zunächst keine berufliche Weiterbildung. Im Jahr 1986 wurde ihr S., den sie als Alleinerziehende aufzog, geboren. Ab Mai 2001 durchlief die Klägerin eine zweijährige Ausbildung zur Bürokauffrau, die sie abschloss. Eine entsprechende Tätigkeit übte die Klägerin jedoch nur für ca. ein halbes Jahr bis Ende 2004 aus. Von April 2005 bis Oktober 2006 war die Klägerin, wie schon von 1990 bis 1999, als Metzgereiverkäuferin tätig.
An Beschwerden beklagt die Klägerin seit einem rheumatischen Fieber im Jahr 1998 mit den Jahren zunehmende, zuletzt jedoch gleich gebliebene (sachverständige Zeugenaussage Dr. G., Bl. 19 SG-Akte, Bl. 20 LSG-Akte) Schmerzen an Gelenken, Gliedern und Muskeln. Insoweit wurde im Rahmen einer im Sommer 2007 durchgeführten stationären Rehabilitationsmaßnahme neben depressiven Episoden eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert, die Klägerin gleichwohl für in der Lage erachtet, eine leichte Tätigkeit ohne Heben, Tragen und Bewegen von Lasten, lang andauerndem Stehen, Zwangshaltungen und Temperaturschwankungen mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Die letzte Tätigkeit als Metzgereiverkäuferin wurde nicht mehr für leidensgerecht erachtet.
Am 26.09.2008 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Die Beklagte holte das orthopädische Gutachten von Dr. Z. und das nervenärztliche Gutachten von Dr. K. ein. Dr. Z. diagnostizierte ein chronisch-rezidivierendes Lenden- und Halswirbelsäulensyndrom ohne radikuläre Reizsymptomatik, eine Gonalgie beidseits, eine Hüftdysplasie links ohne gravierende Arthrose, eine anamnestisch angegebene Poliathralgie vorwiegend am linken Ellbogen und einen beidseitigen Senk-Spreizfuß. Gravierende Funktionseinbußen wegen dieser Erkrankungen sah er nicht. Er hielt die Klägerin vielmehr für in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne Einfluss von Nässe, Kälte und Zugluft, ohne länger dauernde Arbeiten über Kopf sowie ohne andauernde Zwangs- oder Fehlhaltungen der Wirbelsäule mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Dr. K. diagnostizierte eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und erachtete die Klägerin für in der Lage, eine leichte vollschichtige Tätigkeit vorwiegend im Sitzen, ohne Akkordarbeit, ohne Termin- und Zeitdruck und ohne erhebliche Anforderungen an das Umstellungs-, Anpassungs- und Konzentrationsvermögen zu verrichten. Darauf gestützt lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 03.02.2009 den Rentenantrag der Klägerin ab. Im Widerspruchsverfahren holte die Beklagte das internistisch-rheumatologische Gutachten von Dr. M.-E. ein. Diese diagnostizierte ein Fibromyalgiesyndrom vom somatoformen Typ sowie ein derzeit nicht aktives poliarthritisches Syndrom. Sie ging davon aus, dass die Klägerin nur noch drei bis unter sechs Stunden täglich arbeiten könne. Letzterem widersprach die beratende Ärztin der Beklagten S.-P. unter Hinweis auf den von der Gutachterin als unauffällig beschriebenen neurologischen und internistischen Status. Die Beklagte schloss sich dieser Kritik an und wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 10.02.2010 zurück.
Deswegen hat die Klägerin am 25.02.2010 beim Sozialgericht Karlsruhe Klage erhoben. Das Sozialgericht hat den behandelnden Rheumatologen der Klägerin Dr. G. schriftlich als sachverständigen Zeugen befragt. Dieser hat mitgeteilt, die Klägerin leide an einer schweren Form einer Fibromyalgie und könne keine sechs Stunden täglich arbeiten.
Sodann hat das Sozialgericht den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. Br. mit der Erstellung eines nervenärztlichen Gutachtens beauftragt. Dieser hat bei der Klägerin eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung von eher mittelgradiger Ausprägung diagnostiziert und ist von der Möglichkeit einer leichten vollschichtigen Tätigkeit ohne Heben und Tragen von Lasten über zehn kg und ohne körperliche Zwangshaltungen sowie ohne besondere Stressoren, in möglichst sitzender Position mit der Möglichkeit zu gelegentlichem Haltungswechsel ausgegangen. Auch er hat der zeitlichen Leistungseinschätzung von Dr. M.-E. wegen einer fehlenden befundmäßigen Begründung widersprochen.
Mit Urteil vom 27.07.2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin leide im Schwerpunkt an einem chronischen Schmerzzustand, der medizinisch als anhaltende somatoforme Schmerzstörung einzuordnen sei. Das Sozialgericht hat sich dabei auf den Rehabilitationsentlassungsbericht (s.o.) sowie die Gutachten von Dr. K. und Prof. Dr. Br. gestützt. Daneben liege bei der Klägerin noch eine rheumatoide Arthritis vor, die jedoch nach den Angaben der Fachärztin Dr. M.-E. derzeit nicht aktiv sei. Außerdem bestünden bei der Klägerin Erkrankungen auf dem orthopädischen Fachgebiet in Form eines wiederkehrenden Syndroms der Lenden- und Halswirbelsäule, einer beidseitigen Gonalgie und einer Hüftdysplasie. Soweit ärztlicherseits die Diagnose eines Fibromyalgiesyndroms gestellt wurde, ist das Sozialgericht davon ausgegangen, dass es sich nur um eine andere Bezeichnung oder Herleitung des bei der Klägerin vorliegenden Schmerzzustands handle. Entscheidend seien der Ausprägungsgrad und die Auswirkungen auf die alltägliche und berufliche Leistungsfähigkeit. Die Klägerin sei durch ihre Erkrankungen in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt. Mittelschwere oder schwere Tätigkeiten sowie Tätigkeiten mit besonderem Stress, körperlichen Zwangshaltungen oder gleichförmigen Körperhaltungen seien nicht mehr möglich. Leichte körperliche Tätigkeiten seien jedoch in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Der Ausprägungsgrad der Schmerzerkrankung sei nicht so schwerwiegend, als dass sich hieraus eine (rentenrelevante) quantitative Leistungseinschränkung ergeben würde. Zwar habe die Klägerin angegeben, tageweise in ihrer persönlichen Hygiene eingeschränkt zu sein. Allerdings habe sie sich beispielsweise bei der gutachtlichen Untersuchung durch Prof. Dr. Br. uneingeschränkt zügig an- und ausziehen können und ihre Lage auf der Untersuchungsliege wechseln können. Prof. Dr. Br. habe keine beeinträchtigte Aufmerksamkeitsleistung festgestellt. Soweit die Rheumatologin Dr. M.-E. die Leistungsfähigkeit auf unter sechs Stunden eingeschätzt habe, habe sie sich auf fachfremde Diagnosen gestützt.
Gegen das ihr am 03.08.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 26.08.2011 Berufung eingelegt.
Der Senat hat Dr. G. nochmals schriftlich als sachverständigen Zeugen befragt. Dieser hat mitgeteilt, es hätten sich nach seiner Aussage gegenüber dem Sozialgericht keine Änderungen ergeben.
Sodann hat der Senat den Leiter der Gutachtensambulanz und Schmerztherapie und Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, physikalische und rehabilitative Medizin am Universitätsklinikum H., Prof. Dr. S., mit der Erstellung eines interdisziplinären Sachverständigengutachtens beauftragt. Dieser hat nach Untersuchung der Klägerin am 19.09.2012 unter Berücksichtigung der von Dipl.-Psych. Ge. am gleichen Tag durchgeführten psychologischen Evaluation bei der Klägerin eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren oder ein Fibromyalgiesyndrom sowie Schulterschmerzen rechts ohne zuordnungsfähigen körperlichen Schädigungsbefund diagnostiziert. Er hat die Klägerin für in der Lage erachtet, leichte körperliche Tätigkeiten ohne erhöhten Arbeitsdruck, ohne erhöhte Verantwortung, ohne Körperzwangshaltungen und mit der Möglichkeit des regelmäßigen Körperhaltungswechsels zu verrichten. Unter Berücksichtigung verschiedener Gesichtspunkte (beispielsweise Selbstversorgung, Wert legen auf ein gepflegtes Äußeres, Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, konzentriertes Arbeiten bei der Begutachtung etc.) ist er zu der Überzeugung gelangt, dass die Gesundheitsstörungen keine schwerwiegenden Auswirkungen auf die berufliche Leistungsfähigkeit, insbesondere nicht auf die zeitliche Leistungsfähigkeit begründeten.
Auf die Einwendungen der Klägerin gegen sein Gutachten hat Prof. Dr. S. ergänzend gegenüber dem Senat Stellung genommen und mitgeteilt, dass die von der Klägerin teilweise nicht beantworteten Fragen des Schmerzfragebogens keine Auswirkungen auf seine gutachtliche Gesamteinschätzung gehabt hätten, auch eine Seitenverwechslung der Ellenbogen sei für die sozialmedizinische Einschätzung ohne Bedeutung. Aus der Einnahme der von der Klägerin angegebenen Schmerzmittel ergebe sich nicht zwingend der Verzicht auf das Führen eines PKW. Obwohl die gutachtliche Befragung und Untersuchung psychisch wie auch körperlich anstrengend sei und die Schmerzen der Klägerin nicht zu belächeln seien, habe er während der Befragung keine wesentlichen Einschränkungen der Stütz- und Bewegungsorgane, der Schwingungsfähigkeit, der Konzentrationsfähigkeit oder des Denkvermögens beobachtet. Er gehe davon aus, dass die Dipl.-Psych. Ge. die Angaben der Klägerin wahrheitsgemäß wiedergegeben habe. Er habe keine Textbausteine verwendet und zu den Vorgutachten Stellung genommen.
Die Klägerin kritisiert sowohl das Gutachten von Prof. Dr. Br. als auch das Gutachten von Prof. Dr. S ... Erfolglose Therapieversuche seien nicht hinreichend gewürdigt worden. Sie nehme hochpotente Schmerzmittel, leide unter Morgensteifigkeit und schaffe kaum ihren Haushalt. Dipl.-Psych. Ge. habe Angaben falsch wiedergegeben. Im Verlauf des gesamten Verfahrens sei ignoriert worden, dass Dr. M.-E. ein Restleistungsvermögen von unter sechs Stunden und Dr. G. von unter drei Stunden festgestellt hätten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27.07.2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 03.02.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.02.2010 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung ab Antragstellung zu gewähren.
Die Beklage beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtliche Grundlage für die hier von der Klägerin beanspruchten Renten dargelegt (§ 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI) und ist überzeugend zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin die Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt, weil sie trotz ihrer Schmerzerkrankung und auch unter Berücksichtigung der auf dem orthopädischen und dem internistisch/ rheumatologischen Fachgebiet gestellten Diagnosen zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts unter Berücksichtigung gewisser qualitativer Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich verrichten kann. Der Senat schließt sich den Ausführungen des Sozialgerichts, die durch die im Berufungsverfahren ergänzend vorgenommenen Ermittlungen in vollem Umfang bestätigt worden sind, an und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung gemäß § 153 Abs. 2 SGG zurück.
So hat das Gutachten von Prof. Dr. S. bestätigt, dass das Sozialgericht die Frage, ob die Schmerzerkrankung der Klägerin als somatoforme Schmerzstörung oder als Fibromyalgie zu diagnostizieren ist, für die hier zu treffende Beurteilung des beruflichen Leistungsvermögens offen bleiben kann. Prof. Dr. S. hat nachvollziehbar dargelegt, dass beide Diagnosen bei der Klägerin (alternativ) gestellt werden können, und dies mehr eine Frage der Perspektive ist, als von sozialmedizinischer Bedeutung. Selbiges gilt im Übrigen zur Überzeugung des Senats auch, soweit Prof. Dr. S. die von Dr. Z. gestellten und vom Sozialgericht zu Grunde gelegten Diagnosen auf dem orthopädischen Fachgebiet als solche nicht für gerechtfertigt erachtet hat, vielmehr auch die damit in Zusammenhang gebrachten Beschwerden der somatoformen Schmerzstörung zugeordnet hat.
Prof. Dr. S. hat das von ihm gesehene zeitliche Leistungsvermögen der Klägerin von mindestens sechs Stunden täglich nach umfassender Befragung und Befunderhebung unter Einbeziehung der psychologischen Evaluation nachvollziehbar hergeleitet und - wie er auf die Einwendungen der Klägerin ausdrücklich bestätigt hat - dabei die Beschwerden der Klägerin nicht in Frage gestellt. Vielmehr hat er schon in seinem Hauptgutachten eine Simulation oder Aggravation seitens der Klägerin ausdrücklich ausgeschlossen. Er hat lediglich eine in Begutachtungssituationen als Ausdruck eines Kampfes um die Legitimität der vorgebrachten Schmerzen und Beschwerden typische Verdeutlichung beschrieben. Prof. Dr. S. hat zudem nicht außer Acht gelassen, dass die Klägerin nach ihren eigenen Angaben einen strukturierten Tagesablauf weitgehend verloren und außerfamiliäre Kontakte weitgehend aufgegeben hat. Soweit er dennoch keine schwerwiegenden Auswirkungen auf die berufliche Leistungsfähigkeit und insbesondere keine rentenrelevante zeitliche Leistungsminderung gesehen hat, hat er dies nachvollziehbar damit begründet, dass die Klägerin sich nach wie vor selbst versorgt, dabei nach eigenem Bekunden Wert auf ein gepflegtes Äußeres legt, ihren Haushalt mit wenigen Ausnahmen bewältigt, Kleidungsstücke selbständig einkauft, öffentliche Verkehrsmittel benutzt, im klinischen Eindruck keine kognitive Einschränkungen bestanden haben, bei der Begutachtung ein konzentriertes Arbeiten über ca. zwei Stunden ohne Pausen möglich gewesen ist, keine Beeinträchtigungen des Kurz- und Langzeitgedächtnisses festzustellen gewesen sind, eine ausreichende Schwingungsfähigkeit und Sitzfähigkeit bestanden hat und strukturelle Einschränkungen der Stütz- und Bewegungsorgane sowie feinmotorische Beeinträchtigungen nicht vorgelegen haben. Ferner haben sich weder körperliche noch physische Störungsdiagnosen benennen lassen, die ein regelmäßiges Ausdauerprogramm und Außenkontakte als nicht mehr zumutbar erscheinen ließen.
In der Zusammenschau haben damit im Laufe des Verwaltungs- und der Gerichtsverfahren bis auf die Internistin und Rheumatologin Dr. M.-E. alle tätig gewordenen Gutachter in zeitlicher Hinsicht kein rentenrelevant eingeschränktes Leistungsvermögen gesehen. Im Hinblick auf die Einwendung der Klägerin, die Auffassung von Dr. M.-E. sei nicht berücksichtigt worden, ist einzuräumen, dass Prof. Dr. S. hier in der Tat unzutreffend in seinem Hauptgutachten angegeben hat, die Gutachterin habe aus rheumatologischer Sicht eine vollschichtige Tätigkeit für möglich erachtet. Die Richtigkeit seiner gutachtlichen Leistungseinschätzung wird jedoch dadurch nicht in Frage gestellt. Denn der Senat hält die von der beratenden Ärztin S.-P. und von Prof. Dr. Br. gegen die zeitlichen Leistungseinschätzung der Dr. M.-E. erhobenen Einwände für überzeugend. Zwar beschrieb Dr. M.-E. eine mäßiggradig reduzierte Handkraft, eine leichte Bewegungseinschränkung der Hals- und Lendenwirbelsäule bei erheblichen Muskelverspannungen und diffusem Klopfschmerz über der gesamten Wirbelsäule sowie eine Berührungsempfindlichkeit am ganzen Körper. In der Zusammenschau erachtete sie jedoch den allgemein-internistischen und neurologischen Status als im Wesentlichen unauffällig und schloss in rheumatologischer Hinsicht eine Aktivität eines arthritischen Syndrom aus. Letztlich überzeugend hat Prof. Dr. Br. wie schon die beratende Ärztin S.-P. eingewandt, dass sich mit diesem Befund keine rentenrelevante zeitliche Leistungseinschätzung begründen lässt. Dabei hat Prof. Dr. Br. das Vorliegen einer Schmerzstörung durchaus nicht unberücksichtigt gelassen. Er hat jedoch die Ausprägung dieser Störung, wie nun von Prof. Dr. S. sinngemäß bestätigt, als (lediglich) eher mittelgradig beschrieben und eine schwerwiegend Form ausdrücklich ausgeschlossen. In diesem Zusammenhang ist das Sozialgericht auch der sachverständigen Zeugenaussage von Dr. G., der eine rentenrelevante zeitliche Leistungseinschränkung mit einer zunehmenden Einschränkung der schmerzfrei möglichen Bewegungsfähigkeit und einem zunehmenden sozialen und privaten Rückzug begründet hat, zu Recht nicht gefolgt. Hierzu hat Prof. Dr. S. - wie eben ausgeführt - nachvollziehbar dargelegt, dass bei einem im klinischen Eindruck weitgehend unauffälligen Befund auch die vorgetragenen und für glaubhaft erachteten Schmerzen eine rentenrelevante zeitliche Leistungseinschränkung nicht begründen (s.o.) und der geschilderte Rückzug nicht unüberwindbar ist. Die Klägerin hat sich im klinischen Untersuchungsbefund und auch im Hinblick auf die von ihr geschilderten verbliebenen Fähigkeiten im täglichen Leben nicht als derart gravierend eingeschränkt erwiesen. Störungen der Kontakt- und Öffentlichkeitsfähigkeit wie beispielsweise eine Agoraphobie oder eine soziale Phobie sind bei ihr nicht festzustellen.
Die Einwendungen der Klägerin gegen einzelne Aspekte im Gutachten von Prof. Dr. Br. als auch im Gutachten von Prof. Dr. S. betreffen Gesichtspunkte, die, wie Prof. Dr. S. ausführlich dargelegt hat, seine sozialmedizinische Leistungsbeurteilung nicht in Frage stellen. Dies gilt auch, soweit sich die Klägerin durch die Dipl.-Psych. Ge. in einzelnen Punkten der psychologischen Evaluation als unzutreffend wiedergegeben ansieht. Der Senat schließt aus, dass hier bewusst Unwahrheiten geschrieben worden sind, um die Klägerin in ein nicht den Tatsachen entsprechendes Licht zu rücken. Es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, weswegen Dipl.-Psych. Ge. derartiges beabsichtigen sollte. Prof. Dr. S. hat ein solches Verhalten ausgeschlossen. Darüber hinaus hat Prof. Dr. S. seine Leistungseinschätzung nicht aus den Angaben der Klägerin zu ihrer Biographie hergeleitet, sondern aus den Angaben zu ihrem aktuellen Leben und ihren Beschwerden und dem bei der gutachtlichen Untersuchung erhobenen klinischen Befund. Selbst wenn hier einzelne biographische Angaben, etwa auf Grund von Missverständnissen nicht in Gänze zutreffend wiedergegeben worden sein sollten, spielt dies daher für die Überzeugungskraft der von der Klägerin angegriffenen Gutachten keine entscheidende Bedeutung.
Soweit die Klägerin wegen der Einnahme von Schmerzmitteln ihre Fähigkeit, einen PKW zu führen in Frage gestellt hat, ist anzumerken, dass auch dies nicht streitentscheidend ist. Auch ohne Benutzung eines PKW wäre die Klägerin zur Überzeugung des Senats nach dem hier anzuwendenden generalisierenden Maßstab in der Lage, eine Arbeitsstelle aufzusuchen (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 28.08.2002, B 5 RJ 12/02 R m.w.N.). Von einer insoweit ausreichenden Wegefähigkeit ist auszugehen, wenn der Versicherte vier Mal am Tag eine Wegstrecke von ca. 500 m mit zumutbarem Zeitaufwand (weniger als 20 Minuten) zu Fuß bewältigen und zwei Mal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren kann. Davon ist bei der Klägerin, die nach eigenen Angaben regelmäßig öffentliche Verkehrsmittel benutzt und selbst einkaufen, auf Ämter und zu Ärzten geht, auszugehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die im Jahr 1964 geborene Klägerin musste eine Ausbildung zur Friseurin wegen einer unfallbedingten Knieverletzung abbrechen. Im Anschluss daran erfolgte zunächst keine berufliche Weiterbildung. Im Jahr 1986 wurde ihr S., den sie als Alleinerziehende aufzog, geboren. Ab Mai 2001 durchlief die Klägerin eine zweijährige Ausbildung zur Bürokauffrau, die sie abschloss. Eine entsprechende Tätigkeit übte die Klägerin jedoch nur für ca. ein halbes Jahr bis Ende 2004 aus. Von April 2005 bis Oktober 2006 war die Klägerin, wie schon von 1990 bis 1999, als Metzgereiverkäuferin tätig.
An Beschwerden beklagt die Klägerin seit einem rheumatischen Fieber im Jahr 1998 mit den Jahren zunehmende, zuletzt jedoch gleich gebliebene (sachverständige Zeugenaussage Dr. G., Bl. 19 SG-Akte, Bl. 20 LSG-Akte) Schmerzen an Gelenken, Gliedern und Muskeln. Insoweit wurde im Rahmen einer im Sommer 2007 durchgeführten stationären Rehabilitationsmaßnahme neben depressiven Episoden eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert, die Klägerin gleichwohl für in der Lage erachtet, eine leichte Tätigkeit ohne Heben, Tragen und Bewegen von Lasten, lang andauerndem Stehen, Zwangshaltungen und Temperaturschwankungen mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Die letzte Tätigkeit als Metzgereiverkäuferin wurde nicht mehr für leidensgerecht erachtet.
Am 26.09.2008 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Die Beklagte holte das orthopädische Gutachten von Dr. Z. und das nervenärztliche Gutachten von Dr. K. ein. Dr. Z. diagnostizierte ein chronisch-rezidivierendes Lenden- und Halswirbelsäulensyndrom ohne radikuläre Reizsymptomatik, eine Gonalgie beidseits, eine Hüftdysplasie links ohne gravierende Arthrose, eine anamnestisch angegebene Poliathralgie vorwiegend am linken Ellbogen und einen beidseitigen Senk-Spreizfuß. Gravierende Funktionseinbußen wegen dieser Erkrankungen sah er nicht. Er hielt die Klägerin vielmehr für in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne Einfluss von Nässe, Kälte und Zugluft, ohne länger dauernde Arbeiten über Kopf sowie ohne andauernde Zwangs- oder Fehlhaltungen der Wirbelsäule mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Dr. K. diagnostizierte eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und erachtete die Klägerin für in der Lage, eine leichte vollschichtige Tätigkeit vorwiegend im Sitzen, ohne Akkordarbeit, ohne Termin- und Zeitdruck und ohne erhebliche Anforderungen an das Umstellungs-, Anpassungs- und Konzentrationsvermögen zu verrichten. Darauf gestützt lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 03.02.2009 den Rentenantrag der Klägerin ab. Im Widerspruchsverfahren holte die Beklagte das internistisch-rheumatologische Gutachten von Dr. M.-E. ein. Diese diagnostizierte ein Fibromyalgiesyndrom vom somatoformen Typ sowie ein derzeit nicht aktives poliarthritisches Syndrom. Sie ging davon aus, dass die Klägerin nur noch drei bis unter sechs Stunden täglich arbeiten könne. Letzterem widersprach die beratende Ärztin der Beklagten S.-P. unter Hinweis auf den von der Gutachterin als unauffällig beschriebenen neurologischen und internistischen Status. Die Beklagte schloss sich dieser Kritik an und wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 10.02.2010 zurück.
Deswegen hat die Klägerin am 25.02.2010 beim Sozialgericht Karlsruhe Klage erhoben. Das Sozialgericht hat den behandelnden Rheumatologen der Klägerin Dr. G. schriftlich als sachverständigen Zeugen befragt. Dieser hat mitgeteilt, die Klägerin leide an einer schweren Form einer Fibromyalgie und könne keine sechs Stunden täglich arbeiten.
Sodann hat das Sozialgericht den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. Br. mit der Erstellung eines nervenärztlichen Gutachtens beauftragt. Dieser hat bei der Klägerin eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung von eher mittelgradiger Ausprägung diagnostiziert und ist von der Möglichkeit einer leichten vollschichtigen Tätigkeit ohne Heben und Tragen von Lasten über zehn kg und ohne körperliche Zwangshaltungen sowie ohne besondere Stressoren, in möglichst sitzender Position mit der Möglichkeit zu gelegentlichem Haltungswechsel ausgegangen. Auch er hat der zeitlichen Leistungseinschätzung von Dr. M.-E. wegen einer fehlenden befundmäßigen Begründung widersprochen.
Mit Urteil vom 27.07.2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin leide im Schwerpunkt an einem chronischen Schmerzzustand, der medizinisch als anhaltende somatoforme Schmerzstörung einzuordnen sei. Das Sozialgericht hat sich dabei auf den Rehabilitationsentlassungsbericht (s.o.) sowie die Gutachten von Dr. K. und Prof. Dr. Br. gestützt. Daneben liege bei der Klägerin noch eine rheumatoide Arthritis vor, die jedoch nach den Angaben der Fachärztin Dr. M.-E. derzeit nicht aktiv sei. Außerdem bestünden bei der Klägerin Erkrankungen auf dem orthopädischen Fachgebiet in Form eines wiederkehrenden Syndroms der Lenden- und Halswirbelsäule, einer beidseitigen Gonalgie und einer Hüftdysplasie. Soweit ärztlicherseits die Diagnose eines Fibromyalgiesyndroms gestellt wurde, ist das Sozialgericht davon ausgegangen, dass es sich nur um eine andere Bezeichnung oder Herleitung des bei der Klägerin vorliegenden Schmerzzustands handle. Entscheidend seien der Ausprägungsgrad und die Auswirkungen auf die alltägliche und berufliche Leistungsfähigkeit. Die Klägerin sei durch ihre Erkrankungen in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt. Mittelschwere oder schwere Tätigkeiten sowie Tätigkeiten mit besonderem Stress, körperlichen Zwangshaltungen oder gleichförmigen Körperhaltungen seien nicht mehr möglich. Leichte körperliche Tätigkeiten seien jedoch in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Der Ausprägungsgrad der Schmerzerkrankung sei nicht so schwerwiegend, als dass sich hieraus eine (rentenrelevante) quantitative Leistungseinschränkung ergeben würde. Zwar habe die Klägerin angegeben, tageweise in ihrer persönlichen Hygiene eingeschränkt zu sein. Allerdings habe sie sich beispielsweise bei der gutachtlichen Untersuchung durch Prof. Dr. Br. uneingeschränkt zügig an- und ausziehen können und ihre Lage auf der Untersuchungsliege wechseln können. Prof. Dr. Br. habe keine beeinträchtigte Aufmerksamkeitsleistung festgestellt. Soweit die Rheumatologin Dr. M.-E. die Leistungsfähigkeit auf unter sechs Stunden eingeschätzt habe, habe sie sich auf fachfremde Diagnosen gestützt.
Gegen das ihr am 03.08.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 26.08.2011 Berufung eingelegt.
Der Senat hat Dr. G. nochmals schriftlich als sachverständigen Zeugen befragt. Dieser hat mitgeteilt, es hätten sich nach seiner Aussage gegenüber dem Sozialgericht keine Änderungen ergeben.
Sodann hat der Senat den Leiter der Gutachtensambulanz und Schmerztherapie und Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, physikalische und rehabilitative Medizin am Universitätsklinikum H., Prof. Dr. S., mit der Erstellung eines interdisziplinären Sachverständigengutachtens beauftragt. Dieser hat nach Untersuchung der Klägerin am 19.09.2012 unter Berücksichtigung der von Dipl.-Psych. Ge. am gleichen Tag durchgeführten psychologischen Evaluation bei der Klägerin eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren oder ein Fibromyalgiesyndrom sowie Schulterschmerzen rechts ohne zuordnungsfähigen körperlichen Schädigungsbefund diagnostiziert. Er hat die Klägerin für in der Lage erachtet, leichte körperliche Tätigkeiten ohne erhöhten Arbeitsdruck, ohne erhöhte Verantwortung, ohne Körperzwangshaltungen und mit der Möglichkeit des regelmäßigen Körperhaltungswechsels zu verrichten. Unter Berücksichtigung verschiedener Gesichtspunkte (beispielsweise Selbstversorgung, Wert legen auf ein gepflegtes Äußeres, Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, konzentriertes Arbeiten bei der Begutachtung etc.) ist er zu der Überzeugung gelangt, dass die Gesundheitsstörungen keine schwerwiegenden Auswirkungen auf die berufliche Leistungsfähigkeit, insbesondere nicht auf die zeitliche Leistungsfähigkeit begründeten.
Auf die Einwendungen der Klägerin gegen sein Gutachten hat Prof. Dr. S. ergänzend gegenüber dem Senat Stellung genommen und mitgeteilt, dass die von der Klägerin teilweise nicht beantworteten Fragen des Schmerzfragebogens keine Auswirkungen auf seine gutachtliche Gesamteinschätzung gehabt hätten, auch eine Seitenverwechslung der Ellenbogen sei für die sozialmedizinische Einschätzung ohne Bedeutung. Aus der Einnahme der von der Klägerin angegebenen Schmerzmittel ergebe sich nicht zwingend der Verzicht auf das Führen eines PKW. Obwohl die gutachtliche Befragung und Untersuchung psychisch wie auch körperlich anstrengend sei und die Schmerzen der Klägerin nicht zu belächeln seien, habe er während der Befragung keine wesentlichen Einschränkungen der Stütz- und Bewegungsorgane, der Schwingungsfähigkeit, der Konzentrationsfähigkeit oder des Denkvermögens beobachtet. Er gehe davon aus, dass die Dipl.-Psych. Ge. die Angaben der Klägerin wahrheitsgemäß wiedergegeben habe. Er habe keine Textbausteine verwendet und zu den Vorgutachten Stellung genommen.
Die Klägerin kritisiert sowohl das Gutachten von Prof. Dr. Br. als auch das Gutachten von Prof. Dr. S ... Erfolglose Therapieversuche seien nicht hinreichend gewürdigt worden. Sie nehme hochpotente Schmerzmittel, leide unter Morgensteifigkeit und schaffe kaum ihren Haushalt. Dipl.-Psych. Ge. habe Angaben falsch wiedergegeben. Im Verlauf des gesamten Verfahrens sei ignoriert worden, dass Dr. M.-E. ein Restleistungsvermögen von unter sechs Stunden und Dr. G. von unter drei Stunden festgestellt hätten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27.07.2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 03.02.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.02.2010 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung ab Antragstellung zu gewähren.
Die Beklage beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtliche Grundlage für die hier von der Klägerin beanspruchten Renten dargelegt (§ 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI) und ist überzeugend zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin die Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt, weil sie trotz ihrer Schmerzerkrankung und auch unter Berücksichtigung der auf dem orthopädischen und dem internistisch/ rheumatologischen Fachgebiet gestellten Diagnosen zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts unter Berücksichtigung gewisser qualitativer Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich verrichten kann. Der Senat schließt sich den Ausführungen des Sozialgerichts, die durch die im Berufungsverfahren ergänzend vorgenommenen Ermittlungen in vollem Umfang bestätigt worden sind, an und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung gemäß § 153 Abs. 2 SGG zurück.
So hat das Gutachten von Prof. Dr. S. bestätigt, dass das Sozialgericht die Frage, ob die Schmerzerkrankung der Klägerin als somatoforme Schmerzstörung oder als Fibromyalgie zu diagnostizieren ist, für die hier zu treffende Beurteilung des beruflichen Leistungsvermögens offen bleiben kann. Prof. Dr. S. hat nachvollziehbar dargelegt, dass beide Diagnosen bei der Klägerin (alternativ) gestellt werden können, und dies mehr eine Frage der Perspektive ist, als von sozialmedizinischer Bedeutung. Selbiges gilt im Übrigen zur Überzeugung des Senats auch, soweit Prof. Dr. S. die von Dr. Z. gestellten und vom Sozialgericht zu Grunde gelegten Diagnosen auf dem orthopädischen Fachgebiet als solche nicht für gerechtfertigt erachtet hat, vielmehr auch die damit in Zusammenhang gebrachten Beschwerden der somatoformen Schmerzstörung zugeordnet hat.
Prof. Dr. S. hat das von ihm gesehene zeitliche Leistungsvermögen der Klägerin von mindestens sechs Stunden täglich nach umfassender Befragung und Befunderhebung unter Einbeziehung der psychologischen Evaluation nachvollziehbar hergeleitet und - wie er auf die Einwendungen der Klägerin ausdrücklich bestätigt hat - dabei die Beschwerden der Klägerin nicht in Frage gestellt. Vielmehr hat er schon in seinem Hauptgutachten eine Simulation oder Aggravation seitens der Klägerin ausdrücklich ausgeschlossen. Er hat lediglich eine in Begutachtungssituationen als Ausdruck eines Kampfes um die Legitimität der vorgebrachten Schmerzen und Beschwerden typische Verdeutlichung beschrieben. Prof. Dr. S. hat zudem nicht außer Acht gelassen, dass die Klägerin nach ihren eigenen Angaben einen strukturierten Tagesablauf weitgehend verloren und außerfamiliäre Kontakte weitgehend aufgegeben hat. Soweit er dennoch keine schwerwiegenden Auswirkungen auf die berufliche Leistungsfähigkeit und insbesondere keine rentenrelevante zeitliche Leistungsminderung gesehen hat, hat er dies nachvollziehbar damit begründet, dass die Klägerin sich nach wie vor selbst versorgt, dabei nach eigenem Bekunden Wert auf ein gepflegtes Äußeres legt, ihren Haushalt mit wenigen Ausnahmen bewältigt, Kleidungsstücke selbständig einkauft, öffentliche Verkehrsmittel benutzt, im klinischen Eindruck keine kognitive Einschränkungen bestanden haben, bei der Begutachtung ein konzentriertes Arbeiten über ca. zwei Stunden ohne Pausen möglich gewesen ist, keine Beeinträchtigungen des Kurz- und Langzeitgedächtnisses festzustellen gewesen sind, eine ausreichende Schwingungsfähigkeit und Sitzfähigkeit bestanden hat und strukturelle Einschränkungen der Stütz- und Bewegungsorgane sowie feinmotorische Beeinträchtigungen nicht vorgelegen haben. Ferner haben sich weder körperliche noch physische Störungsdiagnosen benennen lassen, die ein regelmäßiges Ausdauerprogramm und Außenkontakte als nicht mehr zumutbar erscheinen ließen.
In der Zusammenschau haben damit im Laufe des Verwaltungs- und der Gerichtsverfahren bis auf die Internistin und Rheumatologin Dr. M.-E. alle tätig gewordenen Gutachter in zeitlicher Hinsicht kein rentenrelevant eingeschränktes Leistungsvermögen gesehen. Im Hinblick auf die Einwendung der Klägerin, die Auffassung von Dr. M.-E. sei nicht berücksichtigt worden, ist einzuräumen, dass Prof. Dr. S. hier in der Tat unzutreffend in seinem Hauptgutachten angegeben hat, die Gutachterin habe aus rheumatologischer Sicht eine vollschichtige Tätigkeit für möglich erachtet. Die Richtigkeit seiner gutachtlichen Leistungseinschätzung wird jedoch dadurch nicht in Frage gestellt. Denn der Senat hält die von der beratenden Ärztin S.-P. und von Prof. Dr. Br. gegen die zeitlichen Leistungseinschätzung der Dr. M.-E. erhobenen Einwände für überzeugend. Zwar beschrieb Dr. M.-E. eine mäßiggradig reduzierte Handkraft, eine leichte Bewegungseinschränkung der Hals- und Lendenwirbelsäule bei erheblichen Muskelverspannungen und diffusem Klopfschmerz über der gesamten Wirbelsäule sowie eine Berührungsempfindlichkeit am ganzen Körper. In der Zusammenschau erachtete sie jedoch den allgemein-internistischen und neurologischen Status als im Wesentlichen unauffällig und schloss in rheumatologischer Hinsicht eine Aktivität eines arthritischen Syndrom aus. Letztlich überzeugend hat Prof. Dr. Br. wie schon die beratende Ärztin S.-P. eingewandt, dass sich mit diesem Befund keine rentenrelevante zeitliche Leistungseinschätzung begründen lässt. Dabei hat Prof. Dr. Br. das Vorliegen einer Schmerzstörung durchaus nicht unberücksichtigt gelassen. Er hat jedoch die Ausprägung dieser Störung, wie nun von Prof. Dr. S. sinngemäß bestätigt, als (lediglich) eher mittelgradig beschrieben und eine schwerwiegend Form ausdrücklich ausgeschlossen. In diesem Zusammenhang ist das Sozialgericht auch der sachverständigen Zeugenaussage von Dr. G., der eine rentenrelevante zeitliche Leistungseinschränkung mit einer zunehmenden Einschränkung der schmerzfrei möglichen Bewegungsfähigkeit und einem zunehmenden sozialen und privaten Rückzug begründet hat, zu Recht nicht gefolgt. Hierzu hat Prof. Dr. S. - wie eben ausgeführt - nachvollziehbar dargelegt, dass bei einem im klinischen Eindruck weitgehend unauffälligen Befund auch die vorgetragenen und für glaubhaft erachteten Schmerzen eine rentenrelevante zeitliche Leistungseinschränkung nicht begründen (s.o.) und der geschilderte Rückzug nicht unüberwindbar ist. Die Klägerin hat sich im klinischen Untersuchungsbefund und auch im Hinblick auf die von ihr geschilderten verbliebenen Fähigkeiten im täglichen Leben nicht als derart gravierend eingeschränkt erwiesen. Störungen der Kontakt- und Öffentlichkeitsfähigkeit wie beispielsweise eine Agoraphobie oder eine soziale Phobie sind bei ihr nicht festzustellen.
Die Einwendungen der Klägerin gegen einzelne Aspekte im Gutachten von Prof. Dr. Br. als auch im Gutachten von Prof. Dr. S. betreffen Gesichtspunkte, die, wie Prof. Dr. S. ausführlich dargelegt hat, seine sozialmedizinische Leistungsbeurteilung nicht in Frage stellen. Dies gilt auch, soweit sich die Klägerin durch die Dipl.-Psych. Ge. in einzelnen Punkten der psychologischen Evaluation als unzutreffend wiedergegeben ansieht. Der Senat schließt aus, dass hier bewusst Unwahrheiten geschrieben worden sind, um die Klägerin in ein nicht den Tatsachen entsprechendes Licht zu rücken. Es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, weswegen Dipl.-Psych. Ge. derartiges beabsichtigen sollte. Prof. Dr. S. hat ein solches Verhalten ausgeschlossen. Darüber hinaus hat Prof. Dr. S. seine Leistungseinschätzung nicht aus den Angaben der Klägerin zu ihrer Biographie hergeleitet, sondern aus den Angaben zu ihrem aktuellen Leben und ihren Beschwerden und dem bei der gutachtlichen Untersuchung erhobenen klinischen Befund. Selbst wenn hier einzelne biographische Angaben, etwa auf Grund von Missverständnissen nicht in Gänze zutreffend wiedergegeben worden sein sollten, spielt dies daher für die Überzeugungskraft der von der Klägerin angegriffenen Gutachten keine entscheidende Bedeutung.
Soweit die Klägerin wegen der Einnahme von Schmerzmitteln ihre Fähigkeit, einen PKW zu führen in Frage gestellt hat, ist anzumerken, dass auch dies nicht streitentscheidend ist. Auch ohne Benutzung eines PKW wäre die Klägerin zur Überzeugung des Senats nach dem hier anzuwendenden generalisierenden Maßstab in der Lage, eine Arbeitsstelle aufzusuchen (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 28.08.2002, B 5 RJ 12/02 R m.w.N.). Von einer insoweit ausreichenden Wegefähigkeit ist auszugehen, wenn der Versicherte vier Mal am Tag eine Wegstrecke von ca. 500 m mit zumutbarem Zeitaufwand (weniger als 20 Minuten) zu Fuß bewältigen und zwei Mal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren kann. Davon ist bei der Klägerin, die nach eigenen Angaben regelmäßig öffentliche Verkehrsmittel benutzt und selbst einkaufen, auf Ämter und zu Ärzten geht, auszugehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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