Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 8 U 4263/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 5551/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 25.10.2010 wird aufgehoben und die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids vom 22.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.11.2009 verurteilt, dem Kläger ab dem 09.01.2009 eine Verletztenrente nach einer MdE um 25 v.H. zu gewähren.
Die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen trägt die Beklagte.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Verletztenrente.
Der im Jahr 1952 geborene Kläger ist italienischer Staatsangehöriger. Seit Januar 1971 war er mit Ausnahme einer Unterbrechung in den Jahren 1974 bis 1976 als Helfer im Hochbau tätig. Er führte anfallende Rohbauarbeiten, insbesondere Maurer, Schal-, Betonier-, Transport- und Abrissarbeiten aus. Bis März 2009 war er dadurch über einen Zeitraum von ca. 35 Jahren einer beruflichen Lärmbelastung mit einem personenbezogenen Beurteilungspegel von 90 dB (A) ausgesetzt (Stellungnahme des Dipl.Ing. T., Präventionsdienst der Beklagten, Bl. 48 VA). Im Jahr 1979 erwies sich das Gehör des Klägers bei Erstellung eines Tonaudiogramms noch als annähernd normal (Dr. Z. Bl. 65 VA, Prof. Dr. R. Bl. 87 LSG-Akte). Ab dem Jahr 2000 und verstärkt ab dem Jahr 2006 bemerkte der Kläger eine Hörverschlechterung (so die Zusammenschau der vom Kläger gemachten Angaben im Fragebogen der Beklagten, gegenüber Dr. Z. und Prof. Dr. R., Bl. 23, 66 VA, 78 LSG-Akte). Ab Dezember 2008 suchte der Kläger den HNO-Arzt Dr. Ro. auf. Dieser diagnostizierte nach Erstellung eines Tonaudiogramms am 08.01.2009 eine beidseitige Hochtonschwerhörigkeit und zeigte bei der Beklagten am Folgetag seinen Verdacht auf das Vorliegen einer Berufskrankheit (BK) an (Bl. 1, 19 ff VA).
Die Beklagte holte beim HNO-Arzt Dr. Z. ein Gutachten ein. Ihm teilte der Kläger im April 2009 mit, ein Tinnitus sei nicht ständig vorhanden, jedoch zeitweise ein Pfeifen in den Ohren nach lauter Arbeit. Dr. Z. kam zu dem Schluss, dass eine beruflich bedingte Lärmschwerhörigkeit vorliege. Den Hörverlust nach dem Sprachaudiogramm gab er mit 50 % rechts und 40 % links an. Anhand des Tonaudiogramms unter Heranziehung der Drei-Frequenz-Tabelle nach Röser ermittelte er einen Hörverlust von 45 % rechts und 35 % links, gestützt auf die zuletzt genannten Werte schätze er unter integrativer Berücksichtigung nur zeitweise bestehender Ohrgeräusche die beruflich bedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) auf 25 von Hundert (v.H.) ein. Der beratende Arzt der Beklagten Dr. Kö. wandte dagegen ein, der Tinnitus sei nicht ständig vorhanden und daher für die MdE nicht relevant. Der Hörverlust im Tieftonbereich sei nicht durch Lärm erklärbar, allerdings sei es wegen der langen relativ hohen Lärmbelastung unbillig, eine Lärmbedingtheit zu verneinen. Bei aus seiner Sicht nicht abgrenzbaren lärmbedingten und lärmfremden Anteilen müsste nach der Theorie der wesentlichen Bedingung alles entschädigt werden. Er schlug vor, auf das im Januar 2009 erstellte Tonaudiogramm mit einem Hörverlust rechts von 35 % und links 50 % abzustellen, die Verschlechterung bis April 2009 nicht als lärmbedingt anzusehen und unter Berücksichtigung der "Symmetrieregel" von einem beidseitigen Hörverlust von 35 % und damit nach der Tabelle von Feldmann von einer MdE um 15 v.H. auszugehen.
Mit Bescheid vom 22.07.2009 anerkannte die Beklagte das Vorliegen der Voraussetzungen der BK Nr. 2301 (Lärmschwerhörigkeit) der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (nachfolgend BK 2301). Die Gewährung einer Verletztenrente lehnte sie ab, da die aus der BK resultierende MdE nicht mindestens 20 v.H. betrage. Zur Begründung führte sie aus, beim Kläger liege als Folge der beruflichen Lärmeinwirkung eine geringgradige Innenohrhochtonschwerhörigkeit beidseits vor. Der darüber hinausgehende Hörverlust im Mittel- und Tieftonbereich mit einer Asymmetrie sei nicht Folge der beruflichen Lärmeinwirkung. Ohrgeräusche seien nach eigenen Angaben des Klägers nicht ständig vorhanden und hätten im Rahmen der gutachtlichen Untersuchung nicht objektiviert werden können. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 16.11.2009).
Deswegen hat der Kläger am 14.12.2009 beim Sozialgericht Mannheim Klage erhoben. Auf ergänzende Befragung durch das Sozialgericht hat Dr. Z. an seiner früheren Auffassung festgehalten. Dr. Kö. hat dagegen von seiner früheren "Empfehlung" für einen "Kompromiss" Abstand genommen und den beruflich bedingten Anteil der Schwerhörigkeit nur noch mit einer MdE um 10 v.H. bewertet.
Sodann hat das Sozialgericht den HNO-Arzt Dr. Ze. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser hat ausgeführt, der Kläger habe ihn im Rahmen der Untersuchung vom September 2010 auf die Frage nach der "Güte des Schlafes" geantwortet, dass dieser gut sei. "Expressis verbis" nach dem Vorliegen von Ohrgeräuschen gefragt, habe er angegeben, diese lägen teilweise vor, jedoch nicht zum Zeitpunkt der jetzigen Untersuchung Dr. Ze. hat beim Kläger eine nicht sicher ausschließbare lärmbedingte Schwerhörigkeit im Hochtonbereich und eine mit hinreichender Wahrscheinlichkeit lärmunabhängige Hörverminderung im Tieftonbereich gesehen. Bei der Berechnung der MdE hat er die lärmunabhängige Teilkomponente im Rahmen der Vorschadensregelung berücksichtigt und ist zu einer MdE um 10 v.H. gelangt. Eine "Alles-oder- nichts-Abschätzung" hat er für problembehaftet erachtet.
Mit Gerichtsbescheid vom 25.10.2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat sich im Wesentlichen auf die Auffassung von Dr. Ze. gestützt.
Gegen den ihm am 28.10.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 23.11.2010 Berufung eingelegt. Im Erörterungstermin vom 25.08.2011 hat der Kläger auf Nachfrage angegeben, er habe Ohrgeräusche während des Tages bei der Arbeit, aber auch bei Nacht. Oft wache er auf und könne nicht schlafen Er habe ein Pfeifen im Ohr und fühle sich durcheinander. Mit seinem Arzt habe er gesprochen und am Anfang Medizin bekommen. Er habe nicht immer alles verstanden, was Dr. Ze. sagte. Hierzu hat der Kläger schriftsätzlich vorgetragen, er könne kaum Deutsch. Bei den Untersuchungen seien keine Dolmetscher anwesend gewesen.
Die Beklagte hat nach Widerruf eines im Erörterungstermin geschlossenen Vergleichs (MdE 20 v.H.) die beratungsärztliche Stellungnahme des HNO-Arztes Br. vorgelegt. Dieser hat auf eine erneute Begutachtung gedrungen.
Auf der Grundlage der in Anwesenheit eines Dolmetschers im Januar 2012 erfolgten Untersuchung hat der Leiter des Zentrums für Musikermedizin im Universitätsklinikum F. Prof. Dr. R. ein HNO-fachärztliches Gutachten erstellt. Der Kläger hat ihm gegenüber mitgeteilt, Ohrgeräusche seien immer vorhanden. Nachts wache er wegen der Ohrgeräusche drei bis vier Mal auf. Seit etwa 2009 leide er gelegentlich auch unter Schwindelbeschwerden. Bei der gutachtlichen Untersuchung entsprach das vom Kläger angegebene Rauschen einer Frequenz um 125 Hz. Prof. Dr. R. hat ausgeführt, eine klare Trennung der Ursachen der Schwerhörigkeit des Klägers sei nicht zu erbringen, da zum einen die Audiogramme im zeitlichen Verlauf fehlten und zum anderen keine klaren Hinweise auf sonstige schädigende Erkrankungen vorhanden seien. Zwar stehe die Schwerhörigkeit im Mittel- und Tieftonbereich in der Ausprägung, wie sie beim Kläger vorliege, selten in einem ursächlichen Zusammenhang mit einer beruflichen Lärmexposition. Ein solcher Zusammenhang sei jedoch nicht unmöglich, insbesondere dann nicht, wenn die vom Technischen Aufsichtsdienst hier nur geschätzten Expositionspegel tatsächlich höher gewesen wären. Der Technische Aufsichtsdienst habe hier insbesondere keinen Impulszuschlag addiert. Nach der laut Königersteiner Empfehlung (Empfehlung für die Begutachtung der Lärmschwerhörigkeit, herausgegeben von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Stand März 2012) wegweisenden Literaturempfehlung der Arbeit von Liedtke 2010 wiesen statistische Berechnungen durchaus Grenzbereiche auf, in denen bei entsprechend hohen Expositionspegeln und Einwirkdauern durchaus Lärmschädigungen zu beobachten seien, die im Hochtonbereich nur angedeutet eine C 5-Senke aufwiesen und den Mittel- und Tieftonbereich erfassten. Den Hörverlust nach dem Sprachaudiogramm hat Prof. Dr. R. mit rechts 50 % und links 40 % angegeben. Diese Werte hat er wegen der geringen Deutschkenntnisse des Klägers in Frage gestellt und gestützt auf das Tonaudiogramm und die Drei-Frequenz-Tabelle den prozentualen Verlust mit rechts 60 % und links 50 % angegeben und hieraus eine MdE von 30 v.H. ermittelt. Zusätzlich müsse der Tinnitus, der eine MdE um 20 v.H. bedinge, berücksichtigt werden. Insgesamt hat er die MdE mit 35 v.H. bewertet.
Die Beklagte hat zum Gutachten von Prof. Dr. R. eine zweite beratungsärztliche Stellungnahme des HNO-Arztes Br. vorgelegt. Dieser hat - wie Prof. Dr. R. - bei erfülltem Nachweis einer Haarzellschädigung des Innenohrs den nachgewiesenen Hörschaden als Lärmfolge gewertet, ungeachtet nicht als Lärmfolge wahrscheinlicher Teilschädigungen im Mittel- und Tieftonbereich. Hieraus ergebe sich jedoch nur eine MdE um 20 v.H. ab der Erstbegutachtung. Er hat dem Rechenweg von Prof. Dr. R. widersprochen, da für eine MdE über 10 v.H. bei beschaffbaren oder anzufertigendem Sprachaudiogramm das Tonaudiogramm nicht mehr heranzuziehen sei. Aus dem Hörverlusten von rechts 50 % und links 40 % (Sprachaudiogramm) ergebe sich eine MdE von 20 v.H. Nicht zu folgen sei Prof. Dr. R. hinsichtlich der Ohrgeräusche. Das vom Kläger angegebene (Tiefton)Frequenzgeräusch komme als Folge eines chronischen Lärmtraumas im Sinne einer BK nicht in Betracht. Während es nicht gelinge, eine relevante Teilschwerhörigkeit als lärmfremd zu klassifizieren, sei dies über die Frequenzbestimmung der Ohrgeräusche unproblematisch möglich.
Der Kläger beantragt (Bl. 29 LSG-Akte),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 22.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.11.2009 zu verurteilen, ihm wegen der Folgen der anerkannten Lärmschwerhörigkeit Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 25 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist begründet.
Streitgegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 22.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.11.2009 soweit darin die Gewährung einer Verletztenrente abgelehnt wurde. Die im gleichen Bescheid erfolgte Anerkennung der BK 2301 wurde vom Kläger nicht angegriffen und ist damit bestandskräftig geworden. Statthafte Klageart ist damit allein die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 4 SGG. Der Senat entscheidet somit nur darüber, ob und ggf. in welcher Höhe unter Abänderung der angefochtenen Bescheide und Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Mannheim eine Verletztenrente zu gewähren ist.
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtli¬chen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.
Der Senat ist in der Zusammenschau der eingeholten medizinischen Stellungnahmen und unter Berücksichtigung der auch von den Gutachtern bzw. Beratungsärzten herangezogenen Königersteiner Empfehlung im Rahmen der letztlich von ihm zu treffenden Bewertung zu der Überzeugung gelangt, dass die Folgen der beim Kläger anerkannten BK 2301 mit einer MdE um 25 v.H. zu bewerten sind.
Der Senat stützt sich dabei im Wesentlichen auf das Gutachten von Prof. Dr. R ... Dieser hat ausführlich und für den Senat nachvollziehbar dargelegt, dass hinsichtlich der unterschiedlichen Frequenzbereiche, die beim Kläger von der Hörstörung betroffen sind, eine Aufteilung in einen lärmbedingten und lärmunabhängigen Anteil nicht sicher möglich ist. In diesem Fall ist aber - so die Königsteiner Empfehlung (S. 29; s. auch die von Prof. Dr. R. zitierte Publikation von Feldmann und Brusis, Bl. 90, 108 LSG-Akte) - die gesamte Schwerhörigkeit der BK 2301 "als Folge" zuzuordnen.
Sicher lärmbedingt ist - so letztlich die Einschätzung aller hier tätig gewordenen Mediziner - die Beeinträchtigung des Hörvermögens im Hochtonbereich. Zwar ist die Schwerhörigkeit im Mittel- und Tieftonbereich, in der Ausprägung, wie sie beim Kläger vorliegt - so zuletzt auch Prof. Dr. R. - selten in einem ursächlichen Zusammenhang mit einer beruflichen Lärmexposition zu sehen. Prof. Dr. R. hat aber unter Hinweis auf die aktuelle medizinische Literatur dargelegt, dass hier durchaus Grenzbereiche vorliegen, bei denen nach entsprechend hohen Expositionspegel und Einwirkdauern Lärmschädigungen zu beobachten sind, die auch den Mittel- und Tieftonbereich erfassen. Gestützt auf die Ausführungen von Prof. Dr. R. geht der Senat davon aus, dass sich die jahrzehntelange berufliche Lärmbelastung des Klägers in diesem Grenzbereich bewegte. Hierzu hat Prof. Dr. R. darauf hingewiesen, dass der Technische Aufsichtsdienst bei seinen Berechnungen keinen Impulszuschlag von 6 Dezibel berücksichtigte. Die langjährige erhebliche Lärmbelastung veranlasste selbst den Beratungsarzt Dr. Kö. in seiner ersten beratungsärztlichen Stellungnahme zur Empfehlung eines Kompromisses - aus Sicht des Senats Ausdruck seiner fehlenden Sicherheit bei der Abgrenzung von Verursachungsanteilen. Konkurrierende Ursachen für die Entstehung der Schwerhörigkeit im Mittel- und Tieftonbereich hat Prof. Dr. R. gestützt auf das im Jahr 1979 erstellte Audiogramm ausgeschlossen. Soweit er - als Mediziner - lediglich von einer "denkbaren" wesentlichen Bedeutung der beruflichen Lärmexposition für die Entstehung auch der Mittel- und Tieftonschwerhörigkeit gesprochen und eingeräumt hat, dass die Entwicklung der Mittel- und Tieftonschwerhörigkeit des Klägers im konkretem Fall nicht eindeutig beweisbar ist, steht dies wegen der - wie eben dargelegt - nicht sicher möglichen Abgrenzung nicht arbeitsbedingter Anteile von den eindeutig lärmbedingten Anteilen (im Hochtonbereich) einer Anerkennung der gesamten Schwerhörigkeit als Folge der BK 2301 nach den dargelegten und von Prof. Dr. R. im Ergebnis zutreffend angewandten Kriterien in der Königsteiner Empfehlung nicht entgegen. Die gesamte Hörstörung ist mithin als wahrscheinliche Folge der beruflichen Lärmexposition anzusehen.
Der Senat sieht sich in seiner Überzeugungsbildung darin bestärkt, dass auch der HNO-Arzt Br. die Hörstörung als "komplex" angesehen und bei erfülltem Nachweis einer Haarzellschädigung des Innenohrs den Hörschaden insgesamt als Lärmfolge bewertet hat - ungeachtet einer von ihm nicht als wahrscheinlichen Lärmfolge angenommenen Teilschädigung in Mittel- und Tieftonbereich. So sahen es im Übrigen auch bereits Dr. Z. und der beratende Arzt Dr. Kö., jedenfalls - wie eben erwähnt - in seiner ersten Stellungnahme. Soweit Dr. Ze. in seinem für das Sozialgericht erstellten Gutachten hier insbesondere bei der Bewertung der MdE eine anteilige Betrachtungsweise vorgenommen hat, ist seine Auffassung durch die Ausführungen von Prof. Dr. R. zur fehlenden Abgrenzbarkeit nicht lärmbedingter Anteile widerlegt. Auf die fragliche Nachvollziehbarkeit seiner Berechnung der MdE bei einer aus seiner Sicht nur anteilig durch Lärm bedingten Schwerhörigkeit muss daher nicht weiter eingegangen werden. Hier ist vielmehr in der Tat, wie von Dr. Kö. (jedenfalls zunächst), Prof. Dr. R. und HNO-Arzt Br. vertreten, eine Alles-oder-nichts-Betrachtung vorzunehmen.
Der Senat kann sich allerdings entgegen der Einschätzung von Prof. Dr. R. nicht davon überzeugen, dass die Hörstörung als solche und insgesamt betrachtet eine MdE um 30 v.H. rechtfertigt. HNO-Arzt Br. hat überzeugend ausgeführt, dass hier bei der Bewertung der MdE das Sprachaudiogramm zu Grunde zu legen ist. Zwar sieht die Königsteiner Empfehlung vor, dass bei Versicherten wie dem Kläger, die nur über geringe Deutschkenntnisse verfügen, an die Erstellung eines Tonaudiogramms zu denken ist. Dies jedoch nur dann, wenn die sprachaudiometrische Untersuchung keine verlässlichen Werte ergibt. Davon geht der Senat hier nicht aus. Schließlich ist bei der Begutachtung durch Prof. Dr. R. auf Veranlassung des Senats ein Dolmetscher anwesend gewesen, so dass eine erhebliche Auswirkung der geringen Deutschkenntnisse auf die Erstellung des Sprachaudiogramms trotz der Bedenken von Prof. Dr. R. nicht anzunehmen ist. Beim Test selbst werden nur einfache Worte (Zahlwörter und Einsilber, s. Königsteiner Empfehlung S. 25) verwandt. Der Kläger war über Jahrzehnte im Baugewerbe tätig. Mithin kann unterstellt werden, dass er dort auf einfache Zurufe sicher reagieren konnte, warum dies bei einer Hörprüfung mit Zahlwörtern und Einsilbern anders sein sollte, erschließt sich nicht. Gegen Verständnisschwierigkeiten mit deswegen zufälligen Ergebnissen spricht auch, dass bei den Begutachtungen durch Dr. Z. und Prof. Dr. R. die erstellten Sprachaudiogramme trotz des großen zeitlichen Abstands die gleichen prozentualen Hörverluste ergaben. Die so ermittelten Hörverluste wichen auch nicht erheblich von den Tonaudiogrammen ab. Wobei nach der Königsteiner Empfehlung zu berücksichtigen ist, dass sich - wie hier auch der Fall - bei Anwendung der Drei-Frequenz-Tabelle nach Berechnung des prozentualen Hörverlustes aus dem Tonaudiogramm zumeist ein etwa höherer prozentualer Hörverlust als aus dem Sprachaudiogramm ergibt (S. 33). Nach der Königsteiner Empfehlung ist die zusätzliche Erstellung eines Tonaudiogramms aber nur dann gefordert, wenn sich nach dem Sprachaudiogramm Werte von weniger als 20 % ergeben - was hier nicht der Fall ist. Bei Versicherten, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, soll nur dann auf das Tonaudiogramm zurückgegriffen werden, wenn die Ergebnisse im Sprachaudiogramm zu schlecht ausfallen (S. 25). Mit dem Tonaudiogramm soll also die Korrektur auf ein besseres Hörergebnis und nicht wie hier beim Kläger auf ein - noch - schlechteres Hörergebnis vorgenommen werden.
Unter Zugrundelegung des Hörverlustes nach dem Sprachaudiogramm (rechts 50%, links 40%) bewertet der Senat die MdE auf der Grundlage der Tabelle von Feldmann (Königsteiner Empfehlung, S. 26) mit 25 v.H. Eine MdE um 30 v.H. würde einen beidseitigen Hörverlust von 50% voraussetzen. Die von HNO-Arzt Br. angesetzte MdE um 20 v.H. ist bereits ab einem Hörverlust von beidseitig 40% vorgesehen. Da nach der Königsteiner Empfehlung auch Zwischenwerte angegeben werden können (S. 27), ist die MdE des Klägers, dessen Hörverlust zwischen den beiden eben genannten Konstellationen liegt, mit 25 v.H. zu bewerten.
Entgegen der Auffassung von Prof. Dr. R. vermag der Senat den vom Kläger angegebenen Tinnitus nicht MdE-erhöhend zu berücksichtigen. Hierfür sind die Angaben des Klägers zu diesen Ohrgeräuschen zu widersprüchlich. So gab der Kläger gegenüber Dr. Ziegenmüller an, die Ohrgeräusche seien nicht ständig vorhanden, er habe zeitweise ein Pfeifen nach lauter Arbeit. Auch gegenüber Dr. Ze. hat der Kläger nur über teilweise vorhandene Ohrgeräusche berichtet. Soweit der Kläger im Termin zur Erörterung des Sachverhaltes auf teilweise Verständigungsschwierigkeiten bei der Untersuchung durch Dr. Ze. hingewiesen hat, ist nicht erkennbar, dass dies gerade die unmittelbar auf Ohrgeräusche bezogenen oder gar alle vom Sachverständigen erhobenen tinnitusrelevanten Daten betrifft. Dr. Ze. hat insoweit im Gutachten dokumentiert, am meisten fühle sich der Kläger durch die Hörminderung gestört. Der Schlaf sei gut. Erst nach diesen Angaben hat der Sachverständige den Kläger nach Ohrgeräuschen gefragt (diese lägen - so die dokumentierte Antwort des Klägers - vor, jedoch nicht zum jetzigen Zeitpunkt). Ohrgeräusche sind somit bei der Anamnese erst auf konkrete Nachfrage des Sachverständigen thematisiert und nicht etwa vom Kläger von sich aus als Beeinträchtigung dargestellt worden. Er hat sich vielmehr - so die Dokumentation im Gutachten - durch die Hörminderung am meisten gestört gefühlt. Für den Senat ist nicht nachvollziehbar, dass hier Verständigungsprobleme von durchschlagender Bedeutung gewesen sein sollen. Immerhin hat der Kläger auf Fragen des Sachverständigen adäquat geantwortet, was dafür spricht, dass eine Verständigung im Wesentlichen möglich gewesen ist. Gegenteiliges hat auch der Sachverständige nicht behauptet und der Kläger in zeitlichem Zusammenhang mit seiner Kenntnisnahme vom Gutachten auch nicht vorgetragen. In Bezug auf die nahezu identische Dokumentation von Dr. Ziegenmüller hat der Kläger keine Verständigungsprobleme behauptet. Damit liegen zwei unabhängig voneinander erhobene Anamnesen vor, in denen der Kläger nur gelegentlich vorliegende Ohrgeräusch angegeben hat.
Erstmals im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter hat der Kläger Beeinträchtigungen durch dauerhaft vorhandene Ohrgeräusche in Form von häufigen Durchschlafstörungen behauptet. Beschrieben hat der Kläger die Ohrgeräusche im Termin - wie schon gegenüber Dr. Z. - als "ein Pfeifen". Dies steht im Gegensatz zu den Angaben des Klägers gegenüber Prof. Dr. R ... Dort ist von einem dunklen Rauschen die Rede. Verständigungsschwierigkeiten sind insoweit auszuschließen, weil sowohl die Angaben gegenüber dem Berichterstatter wie jene gegenüber Prof. Dr. R. mit Hilfe eines Dolmetschers erfolgt sind.
Im Rahmen der Begutachtung durch Prof. Dr. R. hat der Kläger dann angegeben, das Geräusch sei ständig vorhanden und derart umfassende Beeinträchtigungen behauptet, dass sich nach dem vom Sachverständigen verwendeten Tinnitusfragebogen ein Schweregrad von 79 (von maximal 84) ergab, was einem - so der Sachverständige - schweren, dekompensierten viertgradigen Tinnitus entspräche. Auch nur annähernd vergleichbare Behauptungen hat der Kläger zu keinem Zeitpunkt zuvor aufgestellt, weder in seinen Schriftsätzen noch bei den früheren Begutachtungen. Dabei ist nicht erkennbar und vom Kläger auch nicht behauptet, dass der Kläger angesichts der gegenüber Prof. Dr. R. behaupteten massiven Beeinträchtigungen fachkundige Hilfe in Anspruch nimmt. Angesichts dieser Widersprüchlichkeiten bei der Beschreibung der Art des Geräusches (Pfeifen einerseits, dunkles Rauschen andererseits), seines Auftretens (gelegentlich einerseits, dauernd andererseits) und den Auswirkungen (keine bis zu völlig dekompensiert) sowie der nicht erfolgten Inanspruchnahme therapeutischer Hilfe vermag der Senat jedenfalls die Angaben des Klägers gegenüber Prof. Dr. R. der Beurteilung nicht zu Grunde zu legen.
Im Ergebnis kann der Senat somit allenfalls von immer wieder auftretenden Ohrgeräuschen ausgehen. Nach den Königsteiner Empfehlungen (S. 37) bleiben derartige Erscheinungen bei der MdE-Bewertung aber unberücksichtigt. Damit beträgt die MdE für die Lärmschwerhörigkeit 25 v.H.
Die Verletztenrente ist gemäß § 72 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII ab dem Tag nach dem Eintritt des Versicherungsfalls - hier der BK - zu zahlen. Der Eintritt des Versicherungsfalls ist vorliegend erst mit der Erstellung des Audiogramms vom 08.01.2009 nachgewiesen. Die Verletztenrente ist daher ab dem 09.01.2009 zu zahlen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen trägt die Beklagte.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Verletztenrente.
Der im Jahr 1952 geborene Kläger ist italienischer Staatsangehöriger. Seit Januar 1971 war er mit Ausnahme einer Unterbrechung in den Jahren 1974 bis 1976 als Helfer im Hochbau tätig. Er führte anfallende Rohbauarbeiten, insbesondere Maurer, Schal-, Betonier-, Transport- und Abrissarbeiten aus. Bis März 2009 war er dadurch über einen Zeitraum von ca. 35 Jahren einer beruflichen Lärmbelastung mit einem personenbezogenen Beurteilungspegel von 90 dB (A) ausgesetzt (Stellungnahme des Dipl.Ing. T., Präventionsdienst der Beklagten, Bl. 48 VA). Im Jahr 1979 erwies sich das Gehör des Klägers bei Erstellung eines Tonaudiogramms noch als annähernd normal (Dr. Z. Bl. 65 VA, Prof. Dr. R. Bl. 87 LSG-Akte). Ab dem Jahr 2000 und verstärkt ab dem Jahr 2006 bemerkte der Kläger eine Hörverschlechterung (so die Zusammenschau der vom Kläger gemachten Angaben im Fragebogen der Beklagten, gegenüber Dr. Z. und Prof. Dr. R., Bl. 23, 66 VA, 78 LSG-Akte). Ab Dezember 2008 suchte der Kläger den HNO-Arzt Dr. Ro. auf. Dieser diagnostizierte nach Erstellung eines Tonaudiogramms am 08.01.2009 eine beidseitige Hochtonschwerhörigkeit und zeigte bei der Beklagten am Folgetag seinen Verdacht auf das Vorliegen einer Berufskrankheit (BK) an (Bl. 1, 19 ff VA).
Die Beklagte holte beim HNO-Arzt Dr. Z. ein Gutachten ein. Ihm teilte der Kläger im April 2009 mit, ein Tinnitus sei nicht ständig vorhanden, jedoch zeitweise ein Pfeifen in den Ohren nach lauter Arbeit. Dr. Z. kam zu dem Schluss, dass eine beruflich bedingte Lärmschwerhörigkeit vorliege. Den Hörverlust nach dem Sprachaudiogramm gab er mit 50 % rechts und 40 % links an. Anhand des Tonaudiogramms unter Heranziehung der Drei-Frequenz-Tabelle nach Röser ermittelte er einen Hörverlust von 45 % rechts und 35 % links, gestützt auf die zuletzt genannten Werte schätze er unter integrativer Berücksichtigung nur zeitweise bestehender Ohrgeräusche die beruflich bedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) auf 25 von Hundert (v.H.) ein. Der beratende Arzt der Beklagten Dr. Kö. wandte dagegen ein, der Tinnitus sei nicht ständig vorhanden und daher für die MdE nicht relevant. Der Hörverlust im Tieftonbereich sei nicht durch Lärm erklärbar, allerdings sei es wegen der langen relativ hohen Lärmbelastung unbillig, eine Lärmbedingtheit zu verneinen. Bei aus seiner Sicht nicht abgrenzbaren lärmbedingten und lärmfremden Anteilen müsste nach der Theorie der wesentlichen Bedingung alles entschädigt werden. Er schlug vor, auf das im Januar 2009 erstellte Tonaudiogramm mit einem Hörverlust rechts von 35 % und links 50 % abzustellen, die Verschlechterung bis April 2009 nicht als lärmbedingt anzusehen und unter Berücksichtigung der "Symmetrieregel" von einem beidseitigen Hörverlust von 35 % und damit nach der Tabelle von Feldmann von einer MdE um 15 v.H. auszugehen.
Mit Bescheid vom 22.07.2009 anerkannte die Beklagte das Vorliegen der Voraussetzungen der BK Nr. 2301 (Lärmschwerhörigkeit) der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (nachfolgend BK 2301). Die Gewährung einer Verletztenrente lehnte sie ab, da die aus der BK resultierende MdE nicht mindestens 20 v.H. betrage. Zur Begründung führte sie aus, beim Kläger liege als Folge der beruflichen Lärmeinwirkung eine geringgradige Innenohrhochtonschwerhörigkeit beidseits vor. Der darüber hinausgehende Hörverlust im Mittel- und Tieftonbereich mit einer Asymmetrie sei nicht Folge der beruflichen Lärmeinwirkung. Ohrgeräusche seien nach eigenen Angaben des Klägers nicht ständig vorhanden und hätten im Rahmen der gutachtlichen Untersuchung nicht objektiviert werden können. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 16.11.2009).
Deswegen hat der Kläger am 14.12.2009 beim Sozialgericht Mannheim Klage erhoben. Auf ergänzende Befragung durch das Sozialgericht hat Dr. Z. an seiner früheren Auffassung festgehalten. Dr. Kö. hat dagegen von seiner früheren "Empfehlung" für einen "Kompromiss" Abstand genommen und den beruflich bedingten Anteil der Schwerhörigkeit nur noch mit einer MdE um 10 v.H. bewertet.
Sodann hat das Sozialgericht den HNO-Arzt Dr. Ze. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser hat ausgeführt, der Kläger habe ihn im Rahmen der Untersuchung vom September 2010 auf die Frage nach der "Güte des Schlafes" geantwortet, dass dieser gut sei. "Expressis verbis" nach dem Vorliegen von Ohrgeräuschen gefragt, habe er angegeben, diese lägen teilweise vor, jedoch nicht zum Zeitpunkt der jetzigen Untersuchung Dr. Ze. hat beim Kläger eine nicht sicher ausschließbare lärmbedingte Schwerhörigkeit im Hochtonbereich und eine mit hinreichender Wahrscheinlichkeit lärmunabhängige Hörverminderung im Tieftonbereich gesehen. Bei der Berechnung der MdE hat er die lärmunabhängige Teilkomponente im Rahmen der Vorschadensregelung berücksichtigt und ist zu einer MdE um 10 v.H. gelangt. Eine "Alles-oder- nichts-Abschätzung" hat er für problembehaftet erachtet.
Mit Gerichtsbescheid vom 25.10.2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat sich im Wesentlichen auf die Auffassung von Dr. Ze. gestützt.
Gegen den ihm am 28.10.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 23.11.2010 Berufung eingelegt. Im Erörterungstermin vom 25.08.2011 hat der Kläger auf Nachfrage angegeben, er habe Ohrgeräusche während des Tages bei der Arbeit, aber auch bei Nacht. Oft wache er auf und könne nicht schlafen Er habe ein Pfeifen im Ohr und fühle sich durcheinander. Mit seinem Arzt habe er gesprochen und am Anfang Medizin bekommen. Er habe nicht immer alles verstanden, was Dr. Ze. sagte. Hierzu hat der Kläger schriftsätzlich vorgetragen, er könne kaum Deutsch. Bei den Untersuchungen seien keine Dolmetscher anwesend gewesen.
Die Beklagte hat nach Widerruf eines im Erörterungstermin geschlossenen Vergleichs (MdE 20 v.H.) die beratungsärztliche Stellungnahme des HNO-Arztes Br. vorgelegt. Dieser hat auf eine erneute Begutachtung gedrungen.
Auf der Grundlage der in Anwesenheit eines Dolmetschers im Januar 2012 erfolgten Untersuchung hat der Leiter des Zentrums für Musikermedizin im Universitätsklinikum F. Prof. Dr. R. ein HNO-fachärztliches Gutachten erstellt. Der Kläger hat ihm gegenüber mitgeteilt, Ohrgeräusche seien immer vorhanden. Nachts wache er wegen der Ohrgeräusche drei bis vier Mal auf. Seit etwa 2009 leide er gelegentlich auch unter Schwindelbeschwerden. Bei der gutachtlichen Untersuchung entsprach das vom Kläger angegebene Rauschen einer Frequenz um 125 Hz. Prof. Dr. R. hat ausgeführt, eine klare Trennung der Ursachen der Schwerhörigkeit des Klägers sei nicht zu erbringen, da zum einen die Audiogramme im zeitlichen Verlauf fehlten und zum anderen keine klaren Hinweise auf sonstige schädigende Erkrankungen vorhanden seien. Zwar stehe die Schwerhörigkeit im Mittel- und Tieftonbereich in der Ausprägung, wie sie beim Kläger vorliege, selten in einem ursächlichen Zusammenhang mit einer beruflichen Lärmexposition. Ein solcher Zusammenhang sei jedoch nicht unmöglich, insbesondere dann nicht, wenn die vom Technischen Aufsichtsdienst hier nur geschätzten Expositionspegel tatsächlich höher gewesen wären. Der Technische Aufsichtsdienst habe hier insbesondere keinen Impulszuschlag addiert. Nach der laut Königersteiner Empfehlung (Empfehlung für die Begutachtung der Lärmschwerhörigkeit, herausgegeben von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Stand März 2012) wegweisenden Literaturempfehlung der Arbeit von Liedtke 2010 wiesen statistische Berechnungen durchaus Grenzbereiche auf, in denen bei entsprechend hohen Expositionspegeln und Einwirkdauern durchaus Lärmschädigungen zu beobachten seien, die im Hochtonbereich nur angedeutet eine C 5-Senke aufwiesen und den Mittel- und Tieftonbereich erfassten. Den Hörverlust nach dem Sprachaudiogramm hat Prof. Dr. R. mit rechts 50 % und links 40 % angegeben. Diese Werte hat er wegen der geringen Deutschkenntnisse des Klägers in Frage gestellt und gestützt auf das Tonaudiogramm und die Drei-Frequenz-Tabelle den prozentualen Verlust mit rechts 60 % und links 50 % angegeben und hieraus eine MdE von 30 v.H. ermittelt. Zusätzlich müsse der Tinnitus, der eine MdE um 20 v.H. bedinge, berücksichtigt werden. Insgesamt hat er die MdE mit 35 v.H. bewertet.
Die Beklagte hat zum Gutachten von Prof. Dr. R. eine zweite beratungsärztliche Stellungnahme des HNO-Arztes Br. vorgelegt. Dieser hat - wie Prof. Dr. R. - bei erfülltem Nachweis einer Haarzellschädigung des Innenohrs den nachgewiesenen Hörschaden als Lärmfolge gewertet, ungeachtet nicht als Lärmfolge wahrscheinlicher Teilschädigungen im Mittel- und Tieftonbereich. Hieraus ergebe sich jedoch nur eine MdE um 20 v.H. ab der Erstbegutachtung. Er hat dem Rechenweg von Prof. Dr. R. widersprochen, da für eine MdE über 10 v.H. bei beschaffbaren oder anzufertigendem Sprachaudiogramm das Tonaudiogramm nicht mehr heranzuziehen sei. Aus dem Hörverlusten von rechts 50 % und links 40 % (Sprachaudiogramm) ergebe sich eine MdE von 20 v.H. Nicht zu folgen sei Prof. Dr. R. hinsichtlich der Ohrgeräusche. Das vom Kläger angegebene (Tiefton)Frequenzgeräusch komme als Folge eines chronischen Lärmtraumas im Sinne einer BK nicht in Betracht. Während es nicht gelinge, eine relevante Teilschwerhörigkeit als lärmfremd zu klassifizieren, sei dies über die Frequenzbestimmung der Ohrgeräusche unproblematisch möglich.
Der Kläger beantragt (Bl. 29 LSG-Akte),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 22.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.11.2009 zu verurteilen, ihm wegen der Folgen der anerkannten Lärmschwerhörigkeit Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 25 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist begründet.
Streitgegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 22.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.11.2009 soweit darin die Gewährung einer Verletztenrente abgelehnt wurde. Die im gleichen Bescheid erfolgte Anerkennung der BK 2301 wurde vom Kläger nicht angegriffen und ist damit bestandskräftig geworden. Statthafte Klageart ist damit allein die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 4 SGG. Der Senat entscheidet somit nur darüber, ob und ggf. in welcher Höhe unter Abänderung der angefochtenen Bescheide und Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Mannheim eine Verletztenrente zu gewähren ist.
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtli¬chen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.
Der Senat ist in der Zusammenschau der eingeholten medizinischen Stellungnahmen und unter Berücksichtigung der auch von den Gutachtern bzw. Beratungsärzten herangezogenen Königersteiner Empfehlung im Rahmen der letztlich von ihm zu treffenden Bewertung zu der Überzeugung gelangt, dass die Folgen der beim Kläger anerkannten BK 2301 mit einer MdE um 25 v.H. zu bewerten sind.
Der Senat stützt sich dabei im Wesentlichen auf das Gutachten von Prof. Dr. R ... Dieser hat ausführlich und für den Senat nachvollziehbar dargelegt, dass hinsichtlich der unterschiedlichen Frequenzbereiche, die beim Kläger von der Hörstörung betroffen sind, eine Aufteilung in einen lärmbedingten und lärmunabhängigen Anteil nicht sicher möglich ist. In diesem Fall ist aber - so die Königsteiner Empfehlung (S. 29; s. auch die von Prof. Dr. R. zitierte Publikation von Feldmann und Brusis, Bl. 90, 108 LSG-Akte) - die gesamte Schwerhörigkeit der BK 2301 "als Folge" zuzuordnen.
Sicher lärmbedingt ist - so letztlich die Einschätzung aller hier tätig gewordenen Mediziner - die Beeinträchtigung des Hörvermögens im Hochtonbereich. Zwar ist die Schwerhörigkeit im Mittel- und Tieftonbereich, in der Ausprägung, wie sie beim Kläger vorliegt - so zuletzt auch Prof. Dr. R. - selten in einem ursächlichen Zusammenhang mit einer beruflichen Lärmexposition zu sehen. Prof. Dr. R. hat aber unter Hinweis auf die aktuelle medizinische Literatur dargelegt, dass hier durchaus Grenzbereiche vorliegen, bei denen nach entsprechend hohen Expositionspegel und Einwirkdauern Lärmschädigungen zu beobachten sind, die auch den Mittel- und Tieftonbereich erfassen. Gestützt auf die Ausführungen von Prof. Dr. R. geht der Senat davon aus, dass sich die jahrzehntelange berufliche Lärmbelastung des Klägers in diesem Grenzbereich bewegte. Hierzu hat Prof. Dr. R. darauf hingewiesen, dass der Technische Aufsichtsdienst bei seinen Berechnungen keinen Impulszuschlag von 6 Dezibel berücksichtigte. Die langjährige erhebliche Lärmbelastung veranlasste selbst den Beratungsarzt Dr. Kö. in seiner ersten beratungsärztlichen Stellungnahme zur Empfehlung eines Kompromisses - aus Sicht des Senats Ausdruck seiner fehlenden Sicherheit bei der Abgrenzung von Verursachungsanteilen. Konkurrierende Ursachen für die Entstehung der Schwerhörigkeit im Mittel- und Tieftonbereich hat Prof. Dr. R. gestützt auf das im Jahr 1979 erstellte Audiogramm ausgeschlossen. Soweit er - als Mediziner - lediglich von einer "denkbaren" wesentlichen Bedeutung der beruflichen Lärmexposition für die Entstehung auch der Mittel- und Tieftonschwerhörigkeit gesprochen und eingeräumt hat, dass die Entwicklung der Mittel- und Tieftonschwerhörigkeit des Klägers im konkretem Fall nicht eindeutig beweisbar ist, steht dies wegen der - wie eben dargelegt - nicht sicher möglichen Abgrenzung nicht arbeitsbedingter Anteile von den eindeutig lärmbedingten Anteilen (im Hochtonbereich) einer Anerkennung der gesamten Schwerhörigkeit als Folge der BK 2301 nach den dargelegten und von Prof. Dr. R. im Ergebnis zutreffend angewandten Kriterien in der Königsteiner Empfehlung nicht entgegen. Die gesamte Hörstörung ist mithin als wahrscheinliche Folge der beruflichen Lärmexposition anzusehen.
Der Senat sieht sich in seiner Überzeugungsbildung darin bestärkt, dass auch der HNO-Arzt Br. die Hörstörung als "komplex" angesehen und bei erfülltem Nachweis einer Haarzellschädigung des Innenohrs den Hörschaden insgesamt als Lärmfolge bewertet hat - ungeachtet einer von ihm nicht als wahrscheinlichen Lärmfolge angenommenen Teilschädigung in Mittel- und Tieftonbereich. So sahen es im Übrigen auch bereits Dr. Z. und der beratende Arzt Dr. Kö., jedenfalls - wie eben erwähnt - in seiner ersten Stellungnahme. Soweit Dr. Ze. in seinem für das Sozialgericht erstellten Gutachten hier insbesondere bei der Bewertung der MdE eine anteilige Betrachtungsweise vorgenommen hat, ist seine Auffassung durch die Ausführungen von Prof. Dr. R. zur fehlenden Abgrenzbarkeit nicht lärmbedingter Anteile widerlegt. Auf die fragliche Nachvollziehbarkeit seiner Berechnung der MdE bei einer aus seiner Sicht nur anteilig durch Lärm bedingten Schwerhörigkeit muss daher nicht weiter eingegangen werden. Hier ist vielmehr in der Tat, wie von Dr. Kö. (jedenfalls zunächst), Prof. Dr. R. und HNO-Arzt Br. vertreten, eine Alles-oder-nichts-Betrachtung vorzunehmen.
Der Senat kann sich allerdings entgegen der Einschätzung von Prof. Dr. R. nicht davon überzeugen, dass die Hörstörung als solche und insgesamt betrachtet eine MdE um 30 v.H. rechtfertigt. HNO-Arzt Br. hat überzeugend ausgeführt, dass hier bei der Bewertung der MdE das Sprachaudiogramm zu Grunde zu legen ist. Zwar sieht die Königsteiner Empfehlung vor, dass bei Versicherten wie dem Kläger, die nur über geringe Deutschkenntnisse verfügen, an die Erstellung eines Tonaudiogramms zu denken ist. Dies jedoch nur dann, wenn die sprachaudiometrische Untersuchung keine verlässlichen Werte ergibt. Davon geht der Senat hier nicht aus. Schließlich ist bei der Begutachtung durch Prof. Dr. R. auf Veranlassung des Senats ein Dolmetscher anwesend gewesen, so dass eine erhebliche Auswirkung der geringen Deutschkenntnisse auf die Erstellung des Sprachaudiogramms trotz der Bedenken von Prof. Dr. R. nicht anzunehmen ist. Beim Test selbst werden nur einfache Worte (Zahlwörter und Einsilber, s. Königsteiner Empfehlung S. 25) verwandt. Der Kläger war über Jahrzehnte im Baugewerbe tätig. Mithin kann unterstellt werden, dass er dort auf einfache Zurufe sicher reagieren konnte, warum dies bei einer Hörprüfung mit Zahlwörtern und Einsilbern anders sein sollte, erschließt sich nicht. Gegen Verständnisschwierigkeiten mit deswegen zufälligen Ergebnissen spricht auch, dass bei den Begutachtungen durch Dr. Z. und Prof. Dr. R. die erstellten Sprachaudiogramme trotz des großen zeitlichen Abstands die gleichen prozentualen Hörverluste ergaben. Die so ermittelten Hörverluste wichen auch nicht erheblich von den Tonaudiogrammen ab. Wobei nach der Königsteiner Empfehlung zu berücksichtigen ist, dass sich - wie hier auch der Fall - bei Anwendung der Drei-Frequenz-Tabelle nach Berechnung des prozentualen Hörverlustes aus dem Tonaudiogramm zumeist ein etwa höherer prozentualer Hörverlust als aus dem Sprachaudiogramm ergibt (S. 33). Nach der Königsteiner Empfehlung ist die zusätzliche Erstellung eines Tonaudiogramms aber nur dann gefordert, wenn sich nach dem Sprachaudiogramm Werte von weniger als 20 % ergeben - was hier nicht der Fall ist. Bei Versicherten, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, soll nur dann auf das Tonaudiogramm zurückgegriffen werden, wenn die Ergebnisse im Sprachaudiogramm zu schlecht ausfallen (S. 25). Mit dem Tonaudiogramm soll also die Korrektur auf ein besseres Hörergebnis und nicht wie hier beim Kläger auf ein - noch - schlechteres Hörergebnis vorgenommen werden.
Unter Zugrundelegung des Hörverlustes nach dem Sprachaudiogramm (rechts 50%, links 40%) bewertet der Senat die MdE auf der Grundlage der Tabelle von Feldmann (Königsteiner Empfehlung, S. 26) mit 25 v.H. Eine MdE um 30 v.H. würde einen beidseitigen Hörverlust von 50% voraussetzen. Die von HNO-Arzt Br. angesetzte MdE um 20 v.H. ist bereits ab einem Hörverlust von beidseitig 40% vorgesehen. Da nach der Königsteiner Empfehlung auch Zwischenwerte angegeben werden können (S. 27), ist die MdE des Klägers, dessen Hörverlust zwischen den beiden eben genannten Konstellationen liegt, mit 25 v.H. zu bewerten.
Entgegen der Auffassung von Prof. Dr. R. vermag der Senat den vom Kläger angegebenen Tinnitus nicht MdE-erhöhend zu berücksichtigen. Hierfür sind die Angaben des Klägers zu diesen Ohrgeräuschen zu widersprüchlich. So gab der Kläger gegenüber Dr. Ziegenmüller an, die Ohrgeräusche seien nicht ständig vorhanden, er habe zeitweise ein Pfeifen nach lauter Arbeit. Auch gegenüber Dr. Ze. hat der Kläger nur über teilweise vorhandene Ohrgeräusche berichtet. Soweit der Kläger im Termin zur Erörterung des Sachverhaltes auf teilweise Verständigungsschwierigkeiten bei der Untersuchung durch Dr. Ze. hingewiesen hat, ist nicht erkennbar, dass dies gerade die unmittelbar auf Ohrgeräusche bezogenen oder gar alle vom Sachverständigen erhobenen tinnitusrelevanten Daten betrifft. Dr. Ze. hat insoweit im Gutachten dokumentiert, am meisten fühle sich der Kläger durch die Hörminderung gestört. Der Schlaf sei gut. Erst nach diesen Angaben hat der Sachverständige den Kläger nach Ohrgeräuschen gefragt (diese lägen - so die dokumentierte Antwort des Klägers - vor, jedoch nicht zum jetzigen Zeitpunkt). Ohrgeräusche sind somit bei der Anamnese erst auf konkrete Nachfrage des Sachverständigen thematisiert und nicht etwa vom Kläger von sich aus als Beeinträchtigung dargestellt worden. Er hat sich vielmehr - so die Dokumentation im Gutachten - durch die Hörminderung am meisten gestört gefühlt. Für den Senat ist nicht nachvollziehbar, dass hier Verständigungsprobleme von durchschlagender Bedeutung gewesen sein sollen. Immerhin hat der Kläger auf Fragen des Sachverständigen adäquat geantwortet, was dafür spricht, dass eine Verständigung im Wesentlichen möglich gewesen ist. Gegenteiliges hat auch der Sachverständige nicht behauptet und der Kläger in zeitlichem Zusammenhang mit seiner Kenntnisnahme vom Gutachten auch nicht vorgetragen. In Bezug auf die nahezu identische Dokumentation von Dr. Ziegenmüller hat der Kläger keine Verständigungsprobleme behauptet. Damit liegen zwei unabhängig voneinander erhobene Anamnesen vor, in denen der Kläger nur gelegentlich vorliegende Ohrgeräusch angegeben hat.
Erstmals im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter hat der Kläger Beeinträchtigungen durch dauerhaft vorhandene Ohrgeräusche in Form von häufigen Durchschlafstörungen behauptet. Beschrieben hat der Kläger die Ohrgeräusche im Termin - wie schon gegenüber Dr. Z. - als "ein Pfeifen". Dies steht im Gegensatz zu den Angaben des Klägers gegenüber Prof. Dr. R ... Dort ist von einem dunklen Rauschen die Rede. Verständigungsschwierigkeiten sind insoweit auszuschließen, weil sowohl die Angaben gegenüber dem Berichterstatter wie jene gegenüber Prof. Dr. R. mit Hilfe eines Dolmetschers erfolgt sind.
Im Rahmen der Begutachtung durch Prof. Dr. R. hat der Kläger dann angegeben, das Geräusch sei ständig vorhanden und derart umfassende Beeinträchtigungen behauptet, dass sich nach dem vom Sachverständigen verwendeten Tinnitusfragebogen ein Schweregrad von 79 (von maximal 84) ergab, was einem - so der Sachverständige - schweren, dekompensierten viertgradigen Tinnitus entspräche. Auch nur annähernd vergleichbare Behauptungen hat der Kläger zu keinem Zeitpunkt zuvor aufgestellt, weder in seinen Schriftsätzen noch bei den früheren Begutachtungen. Dabei ist nicht erkennbar und vom Kläger auch nicht behauptet, dass der Kläger angesichts der gegenüber Prof. Dr. R. behaupteten massiven Beeinträchtigungen fachkundige Hilfe in Anspruch nimmt. Angesichts dieser Widersprüchlichkeiten bei der Beschreibung der Art des Geräusches (Pfeifen einerseits, dunkles Rauschen andererseits), seines Auftretens (gelegentlich einerseits, dauernd andererseits) und den Auswirkungen (keine bis zu völlig dekompensiert) sowie der nicht erfolgten Inanspruchnahme therapeutischer Hilfe vermag der Senat jedenfalls die Angaben des Klägers gegenüber Prof. Dr. R. der Beurteilung nicht zu Grunde zu legen.
Im Ergebnis kann der Senat somit allenfalls von immer wieder auftretenden Ohrgeräuschen ausgehen. Nach den Königsteiner Empfehlungen (S. 37) bleiben derartige Erscheinungen bei der MdE-Bewertung aber unberücksichtigt. Damit beträgt die MdE für die Lärmschwerhörigkeit 25 v.H.
Die Verletztenrente ist gemäß § 72 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII ab dem Tag nach dem Eintritt des Versicherungsfalls - hier der BK - zu zahlen. Der Eintritt des Versicherungsfalls ist vorliegend erst mit der Erstellung des Audiogramms vom 08.01.2009 nachgewiesen. Die Verletztenrente ist daher ab dem 09.01.2009 zu zahlen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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Aus
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