L 11 KR 2656/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 KR 1026/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 2656/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufungen der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27.05.2011 werden zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Kläger wenden sich gegen die Erhebung eines kassenindividuellen Zusatzbeitrags ab dem 01.02.2010 (bis zum 31.12.2011) iHv jeweils 8,00 EUR monatlich.

Die miteinander verheirateten Kläger sind pflichtversicherte Mitglieder in der Krankenversicherung der Rentner bei der Beklagten. Deren Verwaltungsrat stimmte am 28.01.2010 dem 1. Nachtrag zur Satzung der Beklagten vom 01.01.2010 zu, der in Artikel I Ziff 1 folgende Änderungen vorsah (http://www.dak.de/dak/download/Satzung der DAK vom01 01 2010 in der Fassung des 1 Nachtrags-1096374.pdf):

"§ 14 Zusatzbeitrag Für Mitglieder beträgt der Zusatzbeitrag nach § 242 SGB V monatlich 8,00 EUR."

Nach § 17 Abs 1 Satz 3 (Fälligkeit und Zahlung der Beiträge) der - ursprünglichen und insoweit nicht geänderten - Satzung der Beklagten sind die Zusatzbeiträge spätestens am 15. des Monats (Zahltag) fällig, der dem Monat folgt, für den der Zusatzbeitrag gilt. Die Satzungsänderung wurde durch das Bundesversicherungsamt am 29.01.2010 genehmigt und am 03.02.2010 im Bundesanzeiger veröffentlicht. Sie ist am 01.02.2010 in Kraft getreten. In der seit 01.01.2012 geltenden Satzung ist die Erhebung eines Zusatzbeitrags nicht mehr vorgesehen (§ 11 Abs 1 Satz 2 iVm Abs 2 der seit 01.01.2012 geltenden Satzung - http://www.dak.de/dak/download/Satzung vom 1 1 2012 i d F des 1 Nachtrags-1096296.pdf).

Mit Schreiben vom Februar 2010 informierte die Beklagte jeweils getrennt die Kläger über die beabsichtigte Erhebung des Zusatzbeitrags ab Februar 2010 iHv 8,00 EUR monatlich. In der Anlage zu diesem Schreiben wurden die Kläger unter der Überschrift "Weitere allgemeine Hinweise" ua auf § 175 Abs 4 Satz 5 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) hingewiesen, wonach bei Erhebung eines Zusatzbeitrags ab dem 01.01.2009 die Mitgliedschaft bis zur erstmaligen Fälligkeit der Beitragserhebung, der Beitragserhöhung oder der Prämienverringerung gekündigt werden könne. Zugleich wurde auf die erstmalige Fälligkeit der Zusatzbeitragszahlung am 15.03.2010 hingewiesen.

Die Kläger erhielten das Schreiben der Beklagten und erhoben mit gemeinsamem Schreiben vom 10.02.2010 Einwände hiergegen. Sie seien beide chronisch krank, der Beitrag sei auf 1 % des Einkommens beschränkt. Durch die immer größer werdende Anzahl rezeptfreier Medikamente müssten sie schon mehr als 2 % an die Apotheken bezahlen.

Die Beklagte wies daraufhin mit zwei Schreiben vom 16.02.2010 die Kläger darauf hin, dass sie aus "formalen Gründen" einen Bescheid über den Zusatzbeitrag erhielten. Gegen diesen Bescheid könnten sie Widerspruch einlegen, der nicht begründet werden müsse. Dem Schreiben waren jeweils ein Bescheid vom 16.02.2010 beigefügt, wonach die Kläger gemäß § 242 SGB V iVm § 14 der Satzung verpflichtet seien, ab dem 01.02.2010 einen monatlichen Zusatzbeitrag iHv 8,00 EUR zu entrichten. Der Beitrag werde am 15. des Folgemonats fällig.

Mit Schreiben vom 09.03.2010, bei der Beklagten am 18.03.2010 eingegangen, legten die Kläger Widerspruch gegen die monatliche Zahlung des Zusatzbeitrags iHv 8,00 EUR ein. Sie zahlten jedoch den monatlichen Zusatzbeitrag unter Vorbehalt einer gerichtlichen Prüfung.

Mit weiterem Schreiben vom 09.03.2010, beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) am 10.03.2010 eingegangen, haben die Kläger Klage erhoben. Sie seien beide seit dem 24.02.2010 von den Zuzahlungen nach § 62 SGB V befreit. Insoweit verstoße der Zusatzbeitrag gegen § 62 SGB V. Auch handele es sich nicht um eine prozentuale Beitragszahlung aus dem Einkommen. Als chronisch Kranke seien, wegen der vielen von der Leistungspflicht der GKV ausgeschlossenen Leistungen, von ihnen Mehrkosten zu tragen.

Mit zwei Widerspruchsbescheiden vom 14.07.2010 wies die Beklagte die Widersprüche zurück. Krankenkassen hätten einen Zusatzbeitrag zu erheben, wenn ihr Finanzbedarf durch die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds nicht gedeckt sei. Sie hätten eine entsprechende Bestimmung in ihre Satzung aufzunehmen. Die Krankenkasse könne dabei wählen, ob sie den Zusatzbeitrag prozentual (abhängig von der Höhe der beitragspflichtigen Einnahmen) oder in Höhe eines gleichbleibenden monatlichen Betrags erhebe. Die Höhe des Zusatzbeitrags dürfe 1 % der beitragspflichtigen Einnahmen nicht überschreiten. Nur wenn der monatliche Zusatzbeitrag den Betrag von 8,00 EUR nicht übersteige, entfalle die Prüfung der Einnahmen des Mitglieds. Erhebe die Krankenkasse einen Zusatzbeitrag, könne die Mitgliedschaft zum Ablauf des übernächsten Kalendermonats gekündigt werden. Die Krankenkasse habe ihre Mitglieder auf dieses Kündigungsrecht spätestens einen Monat vor erstmaliger Fälligkeit hinzuweisen (§ 175 Abs 4 Abs 5 und 6 SGB V). Mit dem Informationsschreiben aus dem Februar 2010 seien die Kläger über die Erhebung des Zusatzbeitrags und das damit verbundene Sonderkündigungsrecht informiert worden. Dieses Schreiben sei den Klägern spätestens am 15.02.2010, also einen Monat vor Fälligkeit des Zusatzbeitrags, zugestellt worden. Von ihrem Kündigungsrecht hätten sie keinen Gebrauch gemacht. Da der Zusatzbeitrag auf 8,00 EUR monatlich festgesetzt worden sei, gelte er für alle Mitglieder unabhängig von der Höhe ihrer Einnahmen. Ausnahmen seien nicht möglich; auch dann nicht, wenn die monatlichen beitragspflichtigen Einnahmen niedriger als 800,00 EUR seien. Die Belastungsgrenzen nach § 62 SGB V beträfen nicht den Zusatzbeitrag.

Am 10.03.2010 haben die Kläger beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben und ua ausgeführt, mit dem Zusatzbeitrag in Form einer Pauschale werde der Grundsatz des § 1 SGB V, die soziale Gerechtigkeit, verlassen. Dies verstoße auch gegen europäisches Sozialrecht. Grundsätzlich werde eine prozentuale Beitragszahlung nach Einkommen akzeptiert. Auch eine weitere Beteiligung bei speziellen Kosten werde akzeptiert, die jedoch bei der Belastungsgrenze des § 62 SGB V aufhören müsse. Grundgesetz und europäisches Recht garantierten ein Leben in Würde in einer Solidargemeinschaft. Dies solle nicht mit einer einseitigen Interessenabwägung und unter Außerachtlassung der Grenzen der Leistungsfähigkeit der Mitglieder geschehen.

Mit Gerichtsbescheid vom 27.05.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe zutreffend die rechtlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Zusatzbeitrages wiedergegeben und rechtmäßig einen Zusatzbeitrag von jeweils 8,00 EUR monatlich gefordert. Es sei mit der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage vereinbar, dass die Beklagte den Zusatzbeitrag einkommensunabhängig auf 8,00 EUR pro Mitglied und Monat festgesetzt habe. Die von den Klägern angeführte Belastungsgrenze iSd § 62 SGB V gelte für den Zusatzbeitrag nach § 242 SGB V nicht. Für diesen bestehe eine Überforderungsklausel nur insoweit, als der Zusatzbeitrag für jedes Mitglied bis zu 8,00 EUR betragen dürfe und darüber hinausgehende Zusatzbeiträge nur bis zur Grenze von 1 % der beitragspflichtigen Einnahmen zulässig seien.

Gegen den ihnen am 31.05.2011 zugestellten Gerichtsbescheid haben die Kläger am 20.06.2011 beim SG (Eingang bei Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) am 27.06.2011) Berufung eingelegt. Die Beklagte habe die Wahl zwischen einem prozentualen und einem gleichhohen Zusatzbeitrag aller Mitglieder gehabt. Dabei sei gegen die sozialen Aufgaben und die Gründungsziele der GKV verstoßen worden. Auch bei den Gerichten urteilten besser Verdienende über den sozialen Ausgleich gegen den Gründungs- und verfassungsmäßigen Auftrag zum eigenen Vorteil. Außerdem verstoße der Zusatzbeitrag gegen die Belastungsgrenze des § 62 SGB V, denn als feststehender Kostenfaktor sei er von der Belastungsgrenze ausgeschlossen. Das Argument, sie könnten die Krankenkasse wechseln, sei fadenscheinig. Inwieweit die Erhöhungen gerechtfertigt seien, könnten sie als Mitglieder nicht abschätzen. Sie hätten auch erfahren, dass die Beklagte das Jahr 2010 mit Gewinn abgeschlossen habe. So würden Leistungskürzungen in 2011 auch dann noch vorgenommen und der Zusatzbeitrag erhoben, obwohl die Beklagte das Jahr 2010 mit einem Gewinn abgeschlossen habe.

Die Kläger beantragen, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27.05.2011 sowie die Bescheide der Beklagten vom 16.02.2010 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 14.07.2010 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Berufungen zurückzuweisen.

Die Beklagte ist den Berufungen entgegengetreten. Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Beklagte hat den Zusatzbeitrag von Februar 2010 bis 31.12.2011 erhoben und die Kläger haben den Zusatzbeitrag unter Vorbehalt gezahlt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des LSG (L 4 KR 2453/10 ER-B), des SG (S 3 KR 1026/10, S 3 KR 1395/10 ER) und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 151 Abs 2 SGG form-und fristgerecht eingelegten Berufungen der Kläger ist statthaft und zulässig. Denn die Beklagte hat den monatlichen Zusatzbeitrag ab 01.02.2010 iHv jeweils 8,00 EUR in den angefochtenen Bescheiden ursprünglich zeitlich unbegrenzt und damit für mehr als ein Jahr gefordert (§ 144 Abs 1 Satz 2 SGG). Die zulässigen Berufungen sind jedoch nicht begründet. Das SG hat zu Recht entschieden, dass die angegriffenen Bescheide der Beklagten nicht rechtswidrig sind. Die Kläger waren verpflichtet, ab 01.02.2010 bis 31.12.2011 einen kassenindividuellen Zusatzbeitrag iHv jeweils 8,00 EUR monatlich zu entrichten.

Streitgegenstand der Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG) sind die Bescheide der Beklagten vom 16.02.2010 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 14.07.2010 (§ 95 SGG), nicht hingegen das Informationsschreiben der Beklagten vom Februar 2010. Bei diesem Schreiben handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt iSv § 31 SGB X (dazu vgl Senatsurteil vom 15.11.2011, L 11 KR 3607/10, juris). Die konkrete Umsetzung dieses Schreibens erfolgte erst durch die Bescheide vom 16.02.2010.

Rechtsgrundlage für die Erhebung des kassenindividuellen Zusatzbeitrages ist § 242 Abs 1 Satz 1 SGB V in der hier anzuwendenden Fassung des Art 1 Nr 161 des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz) vom 26.03.2007 (BGBl I, 378), seit 01.01.2011 in der Fassung des Art 1 Nr 18 des Gesetzes zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzierungsgesetz – GKV-FinG) vom 22.12.2010 (BGBl I 2309) iVm § 14 der Satzung der Beklagten vom 01.02.2010 in der Fassung des ersten Nachtrages. § 242 Abs 1 SGB V in der bis 31.12.2010 geltenden Fassung bestimmt: Soweit der Finanzbedarf einer Krankenkasse durch die Zuweisungen aus dem Fonds nicht gedeckt ist, hat sie in ihrer Satzung zu bestimmen, dass von ihren Mitgliedern ein Zusatzbeitrag erhoben wird (Satz 1). Der Zusatzbeitrag ist auf 1 vH der beitragspflichtigen Einnahmen des Mitglieds begrenzt. Abweichend von Satz 2 erhebt die Krankenkasse den Zusatzbeitrag ohne Prüfung der Höhe der Einnahmen des Mitglieds, wenn der monatliche Zusatzbeitrag den Betrag von 8,00 EUR nicht übersteigt (Satz 2). Von Mitgliedern, die das Sonderkündigungsrecht nach § 175 Abs 4 Satz 5 SGB V wegen der erstmaligen Erhebung des Zusatzbeitrags fristgemäß ausgeübt haben, wird der Zusatzbeitrag nicht erhoben (Satz 3). Wird das Sonderkündigungsrecht wegen einer Erhöhung des Zusatzbeitrags ausgeübt, wird der erhöhte Zusatzbeitrag nicht erhoben (Satz 4). Wird die Kündigung nicht wirksam, wird der Zusatzbeitrag in vollem Umfang erhoben (Satz 5).

Seit dem 01.01.2011 bestimmt § 242 Abs 1 Satz 1 SGB V, dass der Zusatzbeitrag einkommensunabhängig erhoben wird, soweit der Finanzbedarf einer Krankenkasse durch die Zuweisungen aus dem Fonds nicht gedeckt ist.

Unter Beachtung dieser gesetzlichen Vorgaben ergibt sich für den vorliegenden Fall Folgendes: Die Kläger waren und sind Mitglied in der Krankenversicherung der Rentner bei der Beklagten (§ 5 Abs 1 Nr 11 SGB V). Sie haben insbesondere ihr Sonderkündigungsrecht gemäß § 175 Abs 4 Satz 5 SGB V nicht ausgeübt. § 242 Abs 1 SGB V ist daher auf die Kläger als Mitglied der Beklagten anzuwenden. Nach § 14 der Satzung der Beklagten vom 01.02.2010 in der Fassung des 1. Nachtrages beträgt für Mitglieder der Zusatzbeitrag nach § 242 SGB V monatlich 8,00 EUR. Die Zusatzbeiträge sind spätestens am 15. des Monats fällig, der dem Monat folgt, für den der Zusatzbeitrag gilt (§ 17 Abs 1 der Satzung). Die Satzung trat mit Wirkung vom 01.01.2010 in Kraft (§ 36 der Satzung). Erstmals war der ab 01.02.2010 erhobene Zusatzbeitrag somit am 15. März 2010 fällig.

Die Satzungsänderung zum 01.02.2010 ist auch wirksam zustande gekommen. Die Festlegung des Zusatzbeitrages hat grundsätzlich durch den Verwaltungsrat der Krankenkasse per Satzungsbeschluss, der der Genehmigung der Aufsichtsbehörde (Bundesversicherungsamt) bedarf, zu erfolgen (vgl § 197 Abs 1 Nr 1 sowie § 195 Abs 1 Satz 1 SGB V; hierzu auch Gerlach in Hauck/Noftz, § 242 SGB V Rdnr 4 und 11). Vorliegend hat der Verwaltungsrat der Beklagten am 28.01.2010 dem 1. Nachtrag (Artikel I und II) zugestimmt und das Bundesversicherungsamt hat den genannten Nachtrag gemäß § 195 Abs 1 SGB V iVm § 90 Abs 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) genehmigt.

Die Satzung der Beklagten in der Fassung des 1. Nachtrages enthält auch die nach § 194 Abs 1 Nr 4 SGB V notwendigen Bestimmungen über die Festsetzung, Fälligkeit und Zahlung des Zusatzbeitrags nach § 242 SGB V. Die Beklagte durfte hierbei gemäß § 242 Abs 1 Satz 3 SGB V den Zusatzbeitrag ohne Prüfung der Höhe der Einnahmen des Mitglieds auf 8,00 EUR festsetzen.

Nach der Gesetzessystematik ist die Krankenkasse, deren Finanzbedarf - wie vorliegend - durch die Zuweisung aus dem Gesundheitsfonds nicht gedeckt werden kann, verpflichtet einen Zusatzbeitrag zu erheben, ohne dass ihr Ermessen eingeräumt ist (vgl nur den Wortlaut: "hat zu bestimmen"). Die satzungsmäßige Festlegung des Zusatzbeitrags ist daher nicht als Option der Selbstverwaltung, sondern vielmehr als zwingende Konsequenz bei Eintritt der gesetzlich vorgegebenen Voraussetzungen zu verstehen (Gerlach, aaO, Rdnr 12; Baier in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, § 242 Rdnr 5, Stand Juni 2010). Der Senat kann auch im hier zu entscheidenden Fall offenlassen, ob und in welchem Umfang die Frage der finanziellen Unterdeckung als Voraussetzung der Erhebung des Zusatzbeitrags der gerichtlichen Überprüfung unterliegt (vgl hierzu bereits Senatsurteil vom 12.07.2011, L 11 KR 4711/10). Denn Voraussetzung für eine gerichtliche Überprüfung der Frage der finanziellen Unterdeckung ist, dass dies vom Betroffenen zumindest behauptet und das Klagebegehren darauf gestützt wird. Das SGG enthält zwar für die Begründung der Klage und der Berufung, insbesondere für die Angabe von Beweismitteln und von Tatsachen, durch deren Nichtberücksichtigung der Kläger sich beschwert fühlt, keine zwingenden Vorschriften (§ 92 Abs 1 Satz 4, § 151 Abs 3 SGG: "sollen" bzw "soll"). Das Gericht hat die Beteiligten aber insoweit heranzuziehen, wie sich aus § 103 Satz 1 Halbs 2 SGG ergibt. Das Gericht ist nicht verpflichtet, von sich aus in jede nur mögliche Richtung zu ermitteln und Beweis zu erheben (BSG 01.07.2010, B 13 R 58/09 R, SozR 4-1500 § 102 Nr 1 RdNr 47; vgl auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Aufl 2008, § 103 RdNr 16). Darüber hinaus bestehen auch keine sonstigen Anhaltspunkte (etwa entsprechende Veröffentlichungen in der Tagespresse oder in der Fachliteratur), die vorliegend an der Voraussetzung der finanziellen Unterdeckung zweifeln ließen. Auch dass die Beklagte das Jahr 2010 einem Gewinn abgeschlossen hatte, bedeutet nicht, dass dadurch im Nachhinein die Grundlage für die Festsetzung des Zusatzbeitrags für entfällt. Denn ob ein Zusatzbeitrag festzusetzen ist, hat die Krankenkasse grds bereits bei Aufstellung des Haushalts für das Folgejahr prognostisch festzustellen. Ob ein Überschuss erwirtschaftet worden ist, lässt sich aber erst nach Schluss des Haushaltsjahres, also auch erst nach Aufstellung des Haushalts für das Folgejahr feststellen, sodass auch die Prognose einer finanziellen Unterdeckung für das Jahr 2011 gerechtfertigt werden kann.

Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, einen einkommensabhängigen, also prozentualen Zusatzbeitrag zu erheben. § 242 Abs 1 SGB V in der bis 31.12.2010 geltenden Fassung sah in Satz 2 und 3 unterschiedliche Gestaltungen des Zusatzbeitrags vor; ab dem 01.01.2011 war der zusatzbeitrag bereits kraft Gesetzes nur noch einkommensunabhängig und damit nicht als Vomhundertsatz der beitragspflichtigen Einnahmen auszugestalten (vgl § 242 Abs 1 Satz1 SGB V in der seit 01.01.2011 geltenden Fassung). Bis 31.12.2010 konnte der Zusatzbeitrag als Vomhundertsatz der beitragspflichtigen Einnahmen und als Pauschale erhoben werden, wobei ein Vomhundertsatz nach Satz 2 als Grundsatz, die Pauschale nach Satz 3 als Ausnahme galt (Baier in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, § 242 RdNr 7, Stand Juni 2010). Auch wenn die Ausführungen in BT-Drs 16/3100, S 165 zwar den Eindruck erwecken könnten, dass die Gestaltung des Zusatzbeitrags der Krankenkasse überlassen sei, lässt der Gesetzeswortlaut dies aber nicht zu (Baier aaO); denn Satz 3 bestimmt zwingend ("erhebt"), dass ein monatlicher Zusatzbeitrag bis zu 8,00 EUR als Pauschale erhoben wird (Baier aaO; so auch Peters in KassKomm, SGB V § 242 RdNr 7). War der mit dem Zusatzbeitrag zu deckende Finanzbedarf nicht höher als 8,00 EUR je Mitglied, bestand kein Gestaltungsrecht der Krankenkasse; der Zusatzbeitrag war zwingend als Pauschale und ohne Einkommensprüfung zu erheben (Baier aaO). Bei höherem Finanzbedarf bestand ebenfalls kein Wahlrecht der Krankenkasse; der Zusatzbeitrag war zwingend als Vomhundertsatz der beitragspflichtigen Einnahmen zu erheben (Baier aaO). Dieser gesetzlichen Systematik hat die Beklagte in ihrer Satzung entsprochen. Denn da der Zusatzbeitrag nicht höher als 8,00 EUR pro Mitglied festgesetzt war, durfte die Beklagte - bis 31.12.2010 wegen § 242 Abs 1 Satz 3 SGBV, seit 01.01.2011 wegen § 242 Abs 1 Satz 1 SGB V - den Zusatzbeitrag nicht einkommensabhängig ausgestalten. Dieser war - ungeachtet der Einwendungen der Kläger - zwingend als Pauschale zu erheben.

Sieht aber schon das Gesetz selbst die Erhebung des Zusatzbeitrags als Pauschale vor, so können die Kläger mit ihren systematischen Überlegungen, mit denen sie einen Widerspruch zu den Grundprinzipien der GKV sowie einen Verstoß gegen die Grundprinzipien des Beitragsrechts geltend machen, nicht durchdringen. Tatsächlich weicht der pauschale Zusatzbeitrag von der bisher üblichen Bemessung der Beiträge in Abhängigkeit von den beitragspflichtigen Einnahmen ab. Doch ist dies gesetzlich bewusst so geregelt und im derzeitigen Umfang noch verfassungsrechtlich unbedenklich. Weder die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) noch das Recht der Europäischen Union (zB der EU-Vertrag oder der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) stehen einer solchen Gestaltung des nationalen Beitragsrechts entgegen.

Auch wenn beim Kläger zu 1 die Schwelle von 1 % der beitragspflichtigen Einnahmen (ihm stand eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung iHv 1.138,17 EUR zuzüglich 85,10 EUR zu) nicht überschritten war, so war diese Schwelle bei der Klägerin zu 2 überschritten (Rente der gesetzlichen Rentenversicherung iHv 426,89 EUR). Dennoch führt dies nicht zu einer Begrenzung des Zusatzbeitrags bei der Klägerin zu 2. Denn nach § 242 Abs 1 Satz 3 SGB V in der bis 31.12.2010 geltenden Fassung erhebt die Krankenkasse abweichend von Satz 2 - in dem die Belastungsgrenze von 1 vH der beitragspflichtigen Einnahmen bestimmt ist - den Zusatzbeitrag ohne Prüfung der Höhe der Einnahmen des Mitglieds. Da vorliegend der monatliche Zusatzbeitrag den Betrag von 8,00 EUR nicht übersteigt, war auch weder eine einkommensabhängige Festsetzung des Zusatzbeitrages bestimmt, noch war das Überschreiten der Belastungsgrenze zu prüfen. Daher war auch hinsichtlich der Klägerin zu 2 der Zusatzbeitrag iHv 8,00 EUR monatlich festzusetzen. Der seit 01.01.2011 geltende Sozialausgleich kommt mangels Festsetzung eines Durchschnittlichen Zusatzbeitrages iSd § 242a SGB V im Jahr 2011 noch nicht in Betracht (§ 242b SGB V).

Die Kläger haben als Mitglied in der Krankenversicherung der Rentner bei der Beklagten gemäß § 250 Abs 1 Halbsatz 2 SGB V den Zusatzbeitrag nach § 242 SGB V allein zu tragen und zu zahlen (§ 252 Abs 1 Satz 1 SGB V). Die Zusatzbeiträge iHv monatlich 8,00 EUR sind gemäß § 17 der bereits genannten Satzung der Beklagten auch ab dem 15.03.2010 fällig geworden. Die Fälligkeit wurde insbesondere nicht durch die Regelung des § 175 Abs 4 Satz 7 SGB V gehemmt bzw verschoben. Denn die Beklagte hat die Klägerin einen Monat vor erstmaliger Fälligkeit auf ihr Sonderkündigungsrecht gemäß § 175 Abs 4 Satz 5 SGB V hingewiesen. Dies entnimmt der Senat zum einen dem von der Beklagten im Berufungsverfahren vorgelegten Informationsschreiben vom Februar 2010, das die Kläger tatsächlich erhalten haben. In diesem Informationsschreiben wird in der Anlage unter der Überschrift "Weitere allgemeine Hinweise" auf das Sonderkündigungsrecht gemäß § 175 Abs 4 Satz 5 SGB V hingewiesen. Die Ausführungen, wonach die Mitgliedschaft bis zur erstmaligen Fälligkeit der Beitragserhebung, der Beitragserhöhung oder der Prämienverringerung gekündigt werden kann, wenn die Krankenkasse ab dem 01.01.2009 einen Zusatzbeitrag erhebt oder einen Zusatzbeitrag erhöht bzw verringert, genügten der gesetzlichen Hinweispflicht nach § 175 Abs 4 Satz 5 SGB V, auch wenn sie sich im Wesentlichen auf die Wiedergabe des Gesetzeswortlautes beschränkten (aA SG Berlin, 22.06.2011, S 73 KR 1635/10, juris; Urteil vom 10.08.2011, S 73 KR 2306/10, juris). Der Gesetzeswortlaut des § 175 Abs 4 Satz 5 SGB V ist eindeutig und verständlich. Von daher ist es der Beklagten nicht verwehrt, diesen Gesetzestext zu verwenden, um ihrer Hinweispflicht zu genügen (Senatsurteil vom 15.11.2011, L 11 KR 360/10, juris).

Soweit dem Vorbringen der Kläger zu entnehmen ist, dass sie das Fehlen einer Härtefallregelung bemängeln bzw eine Berücksichtigung der Grenzen des § 62 SGB V fordern, ist darauf hinzuweisen, dass eine Härtefallklausel, die etwa wirtschaftlich schwächer gestellte Personen von der Zahlung des Zusatzbeitrages ausnimmt, weder gesetzlich vorgesehen ist noch von Verfassungs wegen geboten ist. Denn soziale Härten werden - jedenfalls bis 31.12.2010 - durch die Begrenzung des Zusatzbeitrags auf maximal 1 vH der beitragspflichtigen Einnahmen bzw durch die Festsetzung eines Zusatzbeitrags von 8,00 EUR monatlich vermieden (vgl Gerlach, aaO, Rdnr 10 und 18); seit 01.01.2011 wird dem sozialen Schutzbedürfnis durch die Einführung des Sozialausgelichs iSd § 242b SGB V und dem Ausschluss bestimmter Personengruppen - zu denen die Kläger vorliegend aber nicht gehören - in § 242 Abs 5 SGB V Rechnung getragen. Als weiterer Schutzmechanismus zugunsten der Mitglieder wird zudem die Möglichkeit eröffnet, bei einer Erhöhung bzw Einführung eines Zusatzbeitrags das Sonderkündigungsrecht nach § 175 Abs 4 Satz 5 SGB V in Anspruch zu nehmen, um in eine Kasse zu wechseln, die einen niedrigeren oder gar keinen Zusatzbeitrag erhebt. Solange es Krankenkassen gibt, die keinen Zusatzbeitrag erheben, wird daher dem Schutzbedürfnis der Mitglieder die von der Einführung oder Erhöhung eines kassenindividuellen Zusatzbeitrages betroffen sind, Genüge getan. Hinzu kommt, dass für bestimmte wirtschaftlich schwächer gestellte Personen (vgl § 26 Abs 3 SGB II) eine Übernahme des Zusatzbeitrages durch die Leistungsträger möglich ist (siehe hierzu auch Hessisches LSG, 10.03.2011, L 1 KR 24/11, juris).

Darüber hinaus kann auch nicht die Belastungsgrenze nach § 62 SGB V zur Begrenzung des Zusatzbeitrages iSd § 242 SGB V herangezogen werden. Die Belastungsgrenze des § 62 SGB V betrifft ausweislich ihres eindeutigen Wortlauts nur "Zuzahlungen" iSd § 61 SGB V. Hierunter fallen nicht des Zusatzbeiträge des § 242 SGB V. Denn für diese hat der Gesetzgeber eine eigene Überforderungsklausel vorgesehen: Bis 31.12.2010 galt bei höheren Zusatzbeiträgen als 8,00 EUR eine Begrenzung auf 1 vH der beitragspflichtigen Einnahmen, seit dem 01.01.2011 gilt der Sozialausgleich nach § 242b SGB V sowie der Ausschluss bestimmter Personengruppen iSd § 242 Abs 5 SGB V. Diese Regelungen schließen die Anwendung der Belastungsgrenze des § 62 SGB V aus.

Eine Ausnahme von der Erhebung des Zusatzbeitrages kommt auch nicht nach § 242 Abs 5 SGB V in der ab 01.01. bzw 04.08.2011 geltenden Fassung in Betracht. Danach wird ein Zusatzbeitrag abweichend von § 242 Abs 1 Satz 1 SGB V nicht erhoben von (1.) Mitgliedern nach § 5 Abs 1 Nr 6, 7 und 8 und Abs 4 a Satz 1 SGB V, (2.) Mitgliedern, deren Mitgliedschaft nach § 192 Abs 1 Nr 2 oder 3 oder Abs 2 SGB V fortbesteht, (3.) Mitgliedern, die Verletztengeld nach dem 7. Buch, Versorgungskrankengeld nach dem Bundesversorgungsgesetz oder vergleichbare Entgeltersatzleistungen beziehen, (4.) Mitgliedern, deren Mitgliedschaft nach § 193 Abs 2 bis 5 SGB V oder nach § 8 des Eignungsübungsgesetzes fortbesteht, sowie (5.) von Beschäftigten, bei denen § 20 Abs 3 Satz 1 Nr 1 oder 2 oder Satz 2 SGB IV angewendet wird, soweit und solange sie keine weiteren beitragspflichtigen Einnahmen beziehen. § 242 Abs 5 Satz 1 Nr 2 SGB V gilt für freiwillige Mitglieder entsprechend (§ 242 Abs 5 Satz 2 SGB V). Die Kläger erfüllen die genannten Voraussetzungen des § 242 Abs 5 SGB V als Mitglied der Beklagten nach § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V nicht.

Die Berufung war daher zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dabei hat der Senat als wesentlich berücksichtigt, dass die Kläger vollumfänglich unterlegen sind.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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