L 5 KR 3096/12 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KR 3023/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 3096/12 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 15.06.2012 aufgehoben.
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 04.07.2011 wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf 7.295,95 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen einen Bescheid der Antragsgegnerin vom 04.07.2011, mit dem rückständige Gesamtversicherungsbeiträge in Höhe von 7.295,95 EUR (einschließlich Säumniszuschlägen von 49,50 EUR) festgesetzt wurden.

Der Antragsteller betreibt eine Steuerberaterkanzlei und führte seit dem 15.07.2004 Gesamtsozialversicherungsbeiträge für seine Angestellten an die Antragsgegnerin ab. Nachdem die Beiträge für März 2008 mangels Kontendeckung nicht mehr abgebucht werden konnten, unternahm die Antragsgegnerin zunächst erfolglos Vollstreckungsversuche gegen den Antragsteller und schlug schließlich am 22.12.2008 einen Betrag von 5.009,82 EUR zeitweilig nieder, den sie auf einer "Liste C" verbuchte. Der Saldo des Beitragskontos wurde auf null gestellt (S. 103 SG-Akte). Ab Mai 2009 gingen bei der Antragsgegnerin keinerlei Zahlungen mehr ein, so dass sich der Beitragsrückstand des Antragstellers zum 29.03.2011 auf 23.342,65 EUR belief.

Am 04.04.2011 erließ die Antragsgegnerin einen Beitragsbescheid über Beiträge und Säumniszuschläge i.H.v. 23.556,65 EUR. Der Bescheid wies Beitragsschulden für die Monate Dezember 2010 bis März 2011 und einen Vortrag i.H.v. 18.532,75 EUR aus. Dieser Vortrag betraf rückständige Beiträge bis einschließlich November 2010 inklusive Säumniszuschläge, die die Antragsgegnerin zuvor bereits mit Beitragsbescheid vom 02.12.2010 geltend gemacht hatte.

Nachdem die Antragstellerin Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet hatte, überwies der Antragsteller zunächst am 12.04.2011 einen Betrag i.H.v. 12.500,00 EUR‚ woraufhin eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung bei der Kreissparkasse R. für ruhend erklärt wurde. Am 03.05.2011 erließ die Antragsgegnerin einen weiteren Beitragsbescheid über die Summe von 12.066,67 EUR. Aufgeführt waren die Monate Januar bis April 2011 nebst Säumniszuschlägen und ein Vortrag i.H.v. 7.268,35 EUR. Der Betrag von 12.066,67 EUR ging am 25.05.2011 bei der Antragsgegnerin ein.

Mit Schreiben vom 26.05.2011 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass sie nach Durchsicht der Unterlagen festgestellt habe, dass noch ein weiterer Rückstand i.H.v. 5.009,82 EUR zur Zahlung fällig sei. Darin sei der aktuelle Beitrag von Mai 2011 i.H.v. 971,11 EUR nicht enthalten. Sie fragte an, wie dieser Rückstand beglichen werden solle.

Mit weiterem Schreiben vom 10.06.2011 wurde dem Antragsteller mitgeteilt, dass sich der Rückstand von 5.009,82 EUR aus den nicht gezahlten Beiträgen für die Monate August 2008 bis Dezember 2008, sowie den dazugehörigen Säumniszuschlägen ergebe. Auf die Säumniszuschläge könne nicht verzichtet werden, da die Beitragszahlungen der letzten zwölf Monate nicht erstmalig verspätet geleistet worden seien. Der derzeit offene Gesamtbetrag von 6.018,43 EUR sei bis zum 23.06.2011 zu bezahlen.

Mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 27.06.2011 pfändete die Antragsgegnerin das Konto des Antragstellers bei der Kreissparkasse R. i.H.v. 6.041,88 EUR. Die Verfügung wies die Monate Februar bis Mai 2011 inklusive Säumniszuschläge und einen Vortrag in Höhe von 1.740,50 EUR aus, woraus sich ein Rückstand zum 27.06.2011 von 6.018,43 EUR ergebe. Zuzüglich wurden weitere 23,45 EUR als Vollstreckungsgebühren erhoben.

Unter dem 04.07.2011 erließ die Antragsgegnerin den streitgegenständlichen Beitragsbescheid. Darin wurde ein Rückstand i.H.v. 7.295,95 EUR förmlich festgesetzt. Ausweislich der Aufstellung im Bescheid setzte sich dieser Betrag aus rückständigen Beiträgen für die Monate März bis Juni 2011 nebst Säumniszuschlägen und sowie einem Vortrag i.H.v. 2.846,40 EUR zusammen.

Am 27.07.2011 beauftragte die Antragsgegnerin den Gerichtsvollzieher am Amtsgericht R. zur Beitreibung von Rückständen i.H.v. 7.295,95 EUR. Als Schulden wurden wie im Bescheid vom 04.07.2011 die Beiträge für die Monate März bis Juni 2011 inklusive Säumniszuschläge und ein Vortrag von 2.846,40 EUR ausgewiesen. Am 01.08.2011 wurde der Antragstellerin ein Betrag von 6.041,88 EUR aufgrund der Pfändung des Kontos des Antragstellers bei der Kreissparkasse R. gutgeschrieben. Daraufhin informierte die Antragsgegnerin den beauftragten Gerichtsvollzieher mit Schreiben vom 03.08.2011 darüber, dass sich der Betrag auf 1.254,07 EUR ermäßigt habe. In einer Pfändungs-. und Einziehungsverfügung vom 25.08.2011 pfändete die Antragsgegnerin den Beitrag für Juli 2011 nebst Säumniszuschlägen und Auslagen und Gebühren, insgesamt i.H.v. 1.289,52 EUR vom Konto des Antragstellers bei der Kreissparkasse R ...

Am 20.09.2011 erhob der Antragsteller Widerspruch gegen den Beitragsbescheid vom 04.07.2011 und beantragte die sofortige Aussetzung der Vollziehung. Der Beitragsbescheid vom 04.07.2011 sei ihm erst am 19.09.2011 zugestellt worden. Er habe mit seinen Zahlungen vom 11.04.2011 i.H.v. 12.500 EUR und am 24.05.2011 i.H.v. 12.066,67 EUR die Beiträge bis April 2011 bezahlt. Die Beiträge Mai bis September 2011 habe die Antragsgegnerin schon am 30.06.2011 mit 6.041,88 EUR vom Konto gepfändet. Der Beitrag für Oktober 2011 sei am 29.08.2011 vom Konto gepfändet worden.

Mit Schreiben vom 23.09.2011 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass die am 27.06.2011 erwirkte Pfändungs- und Einziehungsverfügung über 6.041,88 EUR sich auf die rückständigen Monate August 2008 bis Dezember 2008 beziehe. Dies sei aus den Schreiben vom 26.05.2011 und 10.06.2011 genau ersichtlich. Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung beinhalte außerdem Beiträge für Mai 2011. Im Beitragsbescheid vom 04.07.2011 sei außerdem noch der Beitrag für Juni 2011 enthalten, der noch offen sei. Derzeit werde der Rückstand für die Monate Juni und Juli 2011 vollstreckt.

Am 28.09.2011 wurde dem Konto der Antragsgegnerin ein Betrag von 1.289,52 EUR aus der Pfändung des Kontos des Antragstellers bei der Kreissparkasse R. vom 29.08.2011 gutgeschrieben. Mit Schreiben vom 29.09.2011 teilte die Antragsgegnerin daraufhin der Kreissparkasse R. mit, dass die Forderung aus der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 25.08.2011 durch Zahlung beglichen worden sei und weitere Ansprüche aus dieser Verfügung nicht geltend gemacht würden.

Am 27.10.2011 beantragte der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 04.07.2011 und führte zur Begründung aus, dass die in diesem Bescheid festgesetzten Beiträge von ihm nicht mehr geschuldet würden. Durch die am 30.06.2011 durchgeführte Kontopfändung sei ein Betrag in der Größenordnung von sechs Monatsbeiträgen gepfändet worden, so dass damit die Monate Mai 2011 bis Oktober 2011 abgedeckt seien. Daher sei kein Raum mehr für Vollstreckungsmaßnahmen. Da die Antragsgegnerin die Vollstreckung bisher nicht eingestellt habe, sei nunmehr eine gerichtliche Entscheidung erforderlich.

Die Antragsgegenerin wies gegenüber dem Sozialgericht darauf hin, dass sie als Einzugsstelle für den Einzug und die Weiterleitung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages an die weiteren Versicherungsträger verantwortlich sei. Am 25.05.2011 habe sie festgestellt, dass noch ein Betrag von 5.009,82 EUR zur Zahlung fällig sei. Mit Schreiben vom 10.06.2011 sei der Antragsteller darauf hingewiesen worden, dass die Monate August 2008 bis Dezember 2008 geltend gemacht würden und auf die Säumniszuschläge nicht verzichtet werden könne. Aus EDV-technischen Gründen habe die Auflistung der Rückstände aus den Monaten August 2008 bis Dezember 2008 nicht anders dargestellt werden können, als durch einen Vortrag und als Beiträge für März bis Juni 2011. Die Summe von 6.041,88 EUR ergebe sich aus den Rückständen für August 2008 bis Dezember 2008 nebst Vollstreckungsgebühren, Mahnkosten und Säumniszuschlägen und dem Beitrag für Mai 2011 in Höhe vom 971,11 EUR. Am 01.08.2011 habe die Antragsgegnerin eine Zahlung in der Höhe von 6.041,88 EUR als Auskehrung von der Pfändung vom 30.06.2011 erhalten. Der zeitweilig in Liste C niedergeschlagene Betrag von 5.009,82 EUR sei auch nicht unbestimmt gewesen, da der Antragsteller im Schreiben vom 10.06.2011 darauf hingewiesen worden sei, dass dieser Betrag die Beiträge für die Monate August 2008 bis Dezember 2008 beinhalte.

Das Sozialgericht lehnte den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs mit Beschluss vom 15.06.2012 ab. Der Antrag sei zwar statthaft, aber unzulässig. Es fehle das Rechtschutzbedürfnis, da der Bescheid vom 04.07.2011 bereits vollständig vollzogen worden sei und die Anordnung der aufschiebenden Wirkung für den Antragsteller keinerlei tatsächlichen oder rechtlichen Vorteil mehr erbringen würde. Die im streitgegenständlichen Bescheid festgesetzten Beiträge - egal um welche Beiträge für welche Monate es sich handele - seien bereits mit der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 27.06.2011 vom Konto des Antragstellers bei der Kreissparkasse R. gepfändet und der Betrag vom 6.041,88 EUR sei der Antragsgegnerin am 01.08.2011 ausgekehrt worden. Ein weiterer Beitrag sei durch Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 25.08.2011 bei der Kreissparkasse R. vollstreckt worden. Am 28.09.2011 sei daraus der Betrag von 1.289,52 EUR an die Antragsgegnerin ausgezahlt worden. Die Summe aus dem Bescheid der Antragsgegnerin vom 04.07.2011 sei damit vollständig ausgeglichen. Aus der Tatsache, dass der Beitragsbescheid nach der Vollstreckung nicht aufgehoben worden sei, könne kein Rechtsschutzinteresse für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung folgen. Sollten aus dem angefochtenen Beitragsbescheid hinsichtlich der Beiträge für die Monate August bis Dezember 2008 und Mai und Juni 2011 (aus denen sich der Betrag im angefochtenen Bescheid ergeben solle) weitere Vollstreckungshandlungen durch die Antragstellerin durchgeführt werden, so könne sich der Antragsteller gegen diese mit dem Einwand verteidigen, dass diese Beiträge bereits vollstreckt und somit beglichen worden seien. Weitere Vollstreckungsmaßnahmen hinsichtlich des Bescheides vom 04.07.2011 würden auch nicht drohen. Das Rechtsschutzbedürfnis ergebe sich vorliegend auch nicht daraus, dass nach Anordnung der aufschiebenden Wirkung auch gem. § 86 b Abs. 1 S. 2 SGG vom Gericht angeordnet werden könne, dass der bereits vollzogene Verwaltungsakt rückgängig gemacht werden müsse. Bei der Entscheidung, ob eine bereits erfolgte Vollziehung aufzuheben sei, habe eine gesonderte Abwägung zu erfolgen, bei der das öffentliche Interesse an dem Fortbestand des Vollzuges gegen das Interesse des Antragstellers an der Aufhebung der Vollziehung abzuwägen sei (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27.07.2009 - L 29 AS 375/09 B ER). Auch hierbei sei die Grundentscheidung des Gesetzgebers aus § 86 a Abs. 2 Nr. 1 SGG, die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs in vorliegenden Fall gerade auszuschließen, zu beachten. Auch bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids führe die Abwägung der oben genannten Interessen nicht dazu, dass dem Antragsteller die vollstreckten Beiträge zurückzugewähren seien. Der Antragsteller dürfte verpflichtet gewesen sein, die Beiträge für die Monate August bis Dezember 2008 und Mai und Juni 2011, die dem angefochtenen Bescheid nach Aussage der Antragsgegnerin tatsächlich zugrunde liegen sollen, zu bezahlen. Nur weil die die Beiträge für 2008 zeitweilig niedergeschlagen worden seien und im Beitragsbescheid vom 04.04.2011 bereits ein Vortrag ausgewiesen wurde, dürften diese Beiträge nicht verwirkt oder abgegolten gewesen sein. Auch die Unsicherheit, ob die festgesetzten Beiträge der Höhe nach berechtigt gewesen seien, könne nicht dazu führen, dass im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Rückgängigmachung der Vollziehung anzuordnen sei. Vorliegend überwiege das Interesse der Versichertengemeinschaft daran, dass Beiträge zeitnah zu bezahlen seien, um das System dauerhaft aufrechterhalten zu können, dem Interesse des Antragstellers, Beiträge bis zur endgültigen Klärung nicht bezahlen zu müssen. Der Antragsteller erleide durch die erfolgte Vollziehung keine ernstlichen Nachteile, die nicht rückgängig gemacht werden könnten.

Gegen diesen seinem Bevollmächtigten am 21.06.2012 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 19.07.2012 Beschwerde erhoben. Der Beitragsbescheid vom 04.07.2011 habe eindeutig bis zum 30.06.2011 aufgelaufene und bereits beglichene Beitragsrückstände betroffen, so dass dieser Bescheid nicht hätte ergehen dürfen. Spätestens nach der Erhebung des Widerspruchs hätte die Antragsgegnerin diesen Beitragsbescheid aufheben müssen. Stattdessen habe sie daraus vollstreckt. Das Sozialgericht verweise insoweit zu Unrecht auf die Inanspruchnahme von Vollstreckungsschutzmaßnahmen. Diese seien nur gegen bestandskräftige Bescheide zulässig. Der Beitragsbescheid sei aber wegen des dagegen erhobenen Widerspruchs nicht in Bestandskraft erwachsen. Das Sozialgericht habe den Beitragsbescheid vom 04.07.2011 zutreffend als am 28.09.2011 als erfüllt angesehen. Es habe aber verkannt, dass der Antragsteller mit seinem Antrag auf aufschiebende Wirkung nur eine weitere Vollstreckung aus diesem Bescheid habe abwenden wollen. Zudem sei die zu vollstreckende Forderung nicht hinreichend bestimmt. Der Bescheid beziehe sich eindeutig nicht auf die Beitragsmonate August bis Dezember 2008. Es sei auch im Bereich der Sozialversicherung zu verlangen, dass in einem zu vollstreckenden Beitragsbescheid die Monate bezeichnet würden, für die Beiträge noch offen seien.

Der Antragsteller hat mit Schreiben vom 01.09.2012 Einwendungen gegen die ihm für das erstinstanzliche Verfahren auferlegten Kosten erhoben. Es habe eindeutig ein Rechtsschutzbedürfnis für seinen Antrag bestanden, da die Antragsgegnerin Beiträge habe vollstrecken wollen, die schon gezahlt worden seien.

Der Antragsteller beantragt nach sachdienlicher Auslegung,

den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 15.06.2012 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Beitragsbescheid der Antragsgegnerin vom 04.07.2011 anzuordnen.

Die Antragsgegnerin hat keinen Antrag gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die vorgelegten Verwaltungsakten der Antragsgegnerin und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde führt zur Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Konstanz. Nach der Rechtsauffassung des Senats sind die Erfolgsaussichten des Widerspruchs gegen den Beitragsbescheid vom 04.07.2011 nach der summarischen Prüfung des Eilverfahrens offen und die Abwägungsentscheidung ist zugunsten des Antragstellers vorzunehmen, so dass die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers anzuordnen war.

Gem. § 86a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) haben Widerspruch und Anfechtungsklage (grundsätzlich) aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Beitragsbescheid vom 04.07.2011 entfällt gem. § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG. Nach dieser Vorschrift haben Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung, soweit sie sich gegen eine Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten richten. Der vom Antragsteller erhobene Widerspruch hat die Antragsgegnerin deshalb nicht gehindert, aus ihrer Entscheidung rechtliche und tatsächliche Folgen zu ziehen.

Gem. § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen (§ 86b Abs. 1 Satz 2 SGG). Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder die Anordnung der sofortigen Vollziehung kann mit Auflagen versehen oder befristet werden (§ 86b Abs. 1 Satz 3 SGG).

Anders als das Sozialgericht in dem angegriffenen Beschluss angenommen hat, fehlt es nicht bereits am Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers für ein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, weil die Antragsgegnerin den Bescheid vom 04.07.2011 bereits vollzogen hat, indem sie den darin festgesetzten Betrag vollumfänglich im Wege der Zwangsvollstreckung beigetrieben hat. Damit hat sich der Beitragsbescheid nicht erledigt, da eine Rückabwicklung der vorgenommenen Vollstreckung entweder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 86 b Abs. 1 Satz 2 SGG oder nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens erfolgen kann, da der Beitragsbescheid den Rechtsgrund für das Behalten der darauf geleisteten oder daraus vollstreckten Leistung bildet. Der Bescheid vom 04.07.2011 ist auch nicht bestandskräftig geworden. Er wurde ausweislich des vom Gerichtsvollzieher darauf angebrachten Zustellungsvermerks dem Antragsteller erst am 19.09.2011 zugestellt, so dass der dagegen erhobene Widerspruch vom 20.09.2011 nicht verfristet ist. Es ist nicht ersichtlich, warum dem Antragsteller vorläufiger Rechtsschutz gegen den noch nicht bestandskräftig gewordenen Beitragsbescheid versagt bleiben sollte.

Der Senat hat im Hinblick auf die Bestimmtheit des Beitragsbescheides vom 04.07.2011 zumindest so weitgehende Bedenken gegen dessen Rechtmäßigkeit, dass es einer Überprüfung im Hauptsacheverfahren bedarf, welche Beiträge mit diesem Bescheid nachgefordert worden sind und auf welcher Rechtsgrundlage dies erfolgte.

Nach § 33 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Diesem Bestimmtheitsgebot genügt der Beitragsbescheid vom 04.07.2011 ersichtlich nicht. Ausweislich des Wortlauts bezieht sich dieser Bescheid auf rückständige Beiträge für die Monate März bis Juni 2011 sowie auf einen zusätzlich ausgewiesenen Vortrag in Höhe von 2.846,40 EUR. Der zuvor ergangene Beitragsbescheid vom 03.05.2011 hatte aber die Beiträge für die Monate März und April 2011 bereits umfasst, so dass mit dem Bescheid vom 04.07.2011 seinem Wortlaut nach eine doppelte Erhebung für diese Monate vorgenommen worden war. Der Antragsteller wendet insoweit zu Recht ein, mit seiner Zahlung vom 25.05.2011 in Höhe von 12.066,67 EUR auf den Bescheid vom 03.05.2011 die Beiträge für die Monate März und April 2011 bereits entrichtet zu haben. Die Antragsgegnerin macht hierzu geltend, aus EDV-technischen Gründen habe keine andere Darstellung erfolgen können; die Monate August bis Dezember 2008, für die der festgesetzte Rückstandsbetrag erhoben werden sollte, hätten nicht angegeben werden können. Mit dieser Argumentation kann sich die Antragsgegnerin aber nicht der Verpflichtung, einen eindeutigen und klar verständlichen Beitragsbescheid zu erlassen, entziehen. Auch ihr weiterer Vortrag, aus den Schreiben vom 26.05.2011 und vom 10.06.2011 habe sich eindeutig ergeben, dass Rückstände aus den Monaten August bis Dezember 2008 nacherhoben würden, ist für den Senat nicht nachvollziehbar. Aus dem Schreiben vom 26.05.2011 ergibt sich lediglich, dass die Antragsgegnerin einen weiteren Rückstand in Höhe von 5.009,82 EUR festgestellt hat, ohne dass dazu angegeben wäre, woraus dieser Rückstand resultieren soll. Im Schreiben vom 10.06.2011 wird dann zwar angegeben, dass es sich um rückständige Beträge aus den Monaten August bis Dezember 2008 handele, ohne aber die Niederschlagung im Jahr 2008 zu erwähnen und dass nunmehr die Beitreibung dieser zunächst niedergeschlagenen Beiträge wieder aufgenommen werden solle. Hierzu hätte aber für die Antragsgegnerin durchaus Veranlassung bestanden, da aus den zuvor zuletzt ergangenen Bescheiden vom 04.04.2011 und vom 03.05.2011 zwar die jeweils aktuell letzten vier Beitragsmonate ersichtlich waren, nicht aber, auf welchen Zeitraum bzw. welche Monate sich der der ausgewiesene Vortrag bezog. Der Antragsteller konnte durchaus annehmen, mit den Zahlungen vom 12.04.2011 und vom 25.05.2011 sämtliche Beitragsrückstände beglichen zu haben. Die Niederschlagung der Beiträge aus dem Jahr 2008 wurde erst durch Vorlage des Kontoauszuges mit Stand 29.11.2011 im erstinstanzlichen Verfahren annähernd nachvollziehbar. Dass dieser rückständige Betrag von 5.009,82 EUR aber Gegenstand des Beitragsbescheides vom 04.07.2011 geworden sein soll, ist aber auch mit Hilfe des Schreibens vom 10.06.2011 nicht zu erkennen. Dies ist letztlich darauf zurückzuführen, dass die Antragsgegnerin diesen Rückstand immer gemeinsam mit den laufenden Beiträgen aus dem Jahr 2011 erhoben hat. Demzufolge wurde der Antragsteller im Schreiben vom 10.06.2011 dazu aufgefordert, einen Betrag von 6.018,43 EUR unter Fristsetzung bis zum 23.06.2011 zu entrichten. Dass es sich hierbei um einen aus dem Rückstand des Jahres von 2008 und dem Beitrag aus dem Monat Mai 2011 zusammengesetzten Betrag handeln sollte, war in dem Schreiben vom 10.06.2011 nicht erwähnt und auch im Zusammenhang mit dem Schreiben vom 25.05.2011 nicht zu erkennen, da sich die dort genannten Beträge nicht in Einklang bringen ließen. In der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 27.06.2011 war zwar der Betrag von 6.018,43 EUR aufgeführt, der auch den Beitrag von Mai 2011 in Höhe von 971,11 EUR umfasste. Im Übrigen waren aber die Monate Februar bis April 2011 als rückständig aufgeführt. Ein Betrag von 5.009,82 EUR findet sich auch in dieser Einziehungsverfügung, die zudem an die Kreissparkasse R. adressiert war, nicht. Der Beitragsbescheid vom 04.07.2011 beläuft sich schließlich auf einen Betrag in Höhe von 7.296,95 EUR, der offenbar neben dem Rückstand aus dem Jahr 2008 die weiteren Beiträge aus dem den Monaten Mai und Juni 2011 umfassen soll. Aufgeführt werden daneben aber eben auch die Monate März und April 2011. Offenbar weist das EDV-Programm der Antragsgegnerin rein schematisch die jeweils letzten vier Monate aus sowie den verbleibenden Restbetrag in Form eines Vortrags. Dies macht den Bescheid, der sich hier auf einen Rückstand aus einem wesentlich weiter zurückliegenden Zeitraum beziehen soll, vollkommen unverständlich. Der Senat folgt insoweit der Argumentation des Antragstellers, dass es für ihn anhand des Bescheides vom 04.07.2011 nicht nachvollziehbar war, auf welche Beiträge sich dieser tatsächlich bezogen haben soll. Dies gilt insbesondere deshalb, weil ihm der Bescheid erst zugestellt worden ist, nachdem bereits ein Betrag von 6.041,88 EUR beim Antragsteller vollstreckt worden war, der offenbar die Forderung aus dem Bescheid vom 04.07.2011 betraf.

Das Bestimmtheitsgebot des § 33 Abs. 1 SGB X dient zum einen der Klarstellung gegenüber dem Adressaten des Bescheides, welche Leistungen er aufgrund welcher Pflichten zu erbringen hat. Zum anderen dient es aber auch der späteren Nachprüfbarkeit im Rahmen gerichtlicher Verfahren. Dies gewährleistet der Bescheid vom 04.07.2011 nicht im Ansatz. Die Vermischung der Rückstände aus dem Jahr 2008 mit den laufenden Beiträgen aus dem Jahr 2011, die monatsweise immer wieder zu Beitragsänderungen geführt haben, machen eine Überprüfung und Nachvollziehbarkeit der Beitragsfestsetzung nahezu unmöglich. Der Senat ist sich durchaus bewusst, dass den Antragsteller hier durch seine nachlässige und über weitere Strecken unterlassene Beitragsabführung eine erhebliche Mitverantwortung für die entstandene Problematik trifft. Dies entbindet die Antragsgegnerin indes nicht davon, ihre Beitragsforderungen auf der Grundlage nachvollziehbarer Bescheide beizutreiben. Wenn das verwendete EDV-Programm die Erstellung solcher nachvollziehbarer Bescheide nicht gewährleistet, ist die Antragsgegnerin gehalten, entsprechende Bescheide gegebenenfalls individuell in einer Weise zu erstellen, dass die Beitragsrückstände für diejenigen Monate, für die sie tatsächlich bestehen, daraus erkennbar sind. Der Verweis auf eine Herleitung der konkreten Beitragsschuld anhand ergänzender Schreiben oder anhand der ausgewiesenen Gesamtbeträge, die hier - wie dargelegt - gar nicht möglich war, genügt dazu nicht. Dies wird die Antragsgegnerin im Hauptsacheverfahren zu berücksichtigen haben.

Der Senat hat keine Veranlassung zu einem Ausspruch nach § 86b Abs. 1 Satz 2 SGG gesehen. Danach kann das Gericht der Hauptsache die Aufhebung der Vollziehung eines Verwaltungsakts anordnen, wenn der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden ist. Der Antragsteller hat einen Antrag auf Aufhebung der bereits durchgeführten Vollziehung aber nicht gestellt. Er hat im Beschwerdeverfahren insoweit ausgeführt, das Sozialgericht habe verkannt, dass er im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes nur eine weitere Vollstreckung aus diesem Bescheid habe verhindern wollen. Dass ihm an einer Rückgängigmachung der bereits erfolgten Vollstreckung gelegen wäre, kann der Senat daraus gerade nicht entnehmen. Anhaltspunkte dafür, dass die Aufrechterhaltung der Vollstreckung den Antragsteller in eine wirtschaftlich Notlage bringen würde, sind weder vorgetragen noch vermag der Senat diese nach Aktenlage zu erkennen. Für eine Aufhebung der Vollstreckung von Amts wegen bestand deshalb kein Anlass.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 4, 52 Abs. 3 GKG, wobei der Senat im Hinblick auf die bereits vorgenommene Vollstreckung der streitgegenständlichen Beitragsforderung von einer anteiligen Reduzierung des Streitwertes absieht.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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