Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 4 U 439/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 U 2698/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 24. Mai 2012 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung einer Berufskrankheit (BK) und im Nachgang Verletztenrente.
Der am 01.09.1964 geborene Kläger hat keine Berufsausbildung absolviert. Er war von 1982 bis 2008 mit Unterbrechungen durch Arbeitslosigkeit und Krankheit als angelernter Estrichleger selbstständig tätig und abhängig beschäftigt (vgl. die Aufstellung vom 19.09.2009) und in dieser Eigenschaft bei der Beklagten gesetzlich unfallversichert.
Unter dem 14.03.2007 meldete die Krankenkasse des Klägers, die AOK Baden-Württemberg, bei der Beklagten den Verdacht einer BK Nr. 2108 (bandscheibenbedingte Erkrankung der Wirbelsäule) und begehrte Erstattung. Die Beklagte leitete ein Feststellungsverfahren ein. Sie holte bei Dr. I., dem behandelnden Arzt des Klägers, die BK-Anzeige vom 15.06.2007 ein. Darin verwies Dr. I. auf ein schweres Asthma und ein chronisches Wirbelsäulenleiden des Klägers. Die Beklagte hörte den Kläger an. Dieser erwiderte, er wisse nicht, wer die Berufsgenossenschaft sei und was sie wolle. Die Beklagte holte ärztliche Unterlagen ein, darunter den Entlassungsbericht der V.-Kliniken Bad R. vom 04.08.2004 über einen stationären Aufenthalt des Klägers im Sommer 2004. Dort ist hinsichtlich der Lungenerkrankung ausgeführt, es bestehe ein Asthma bronchiale bzw. eine COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) mit belastungsabhängiger Dyspnoe besonders beim Bergauflaufen, eine Nikotinabhängigkeit mit 20 Zigaretten pro Tag, Allergien seien nicht bekannt, es gebe keine Angina-pectoris-Beschwerden. Das Vorerkrankungsverzeichnis der AOK, das bis 2001 zurückreichte, wies seitdem regelmäßig Zeiten der Arbeitsunfähigkeit wegen Asthma bronchiale aus. Lungenarzt Dr. S. berichtete von einer Lungenfunktionsprüfung vom 02.04.2007, die eine Einsekundenkapazität (FEV1) von 54 % des Sollwerts und einen Tiffeneau-Index (FEV1/IVC) von 70,5 % des Sollwerts ergeben hatte.
In dem weiter geführten Verfahren wegen der Atemwegserkrankung legte Dr. I. die weitere Lungenfunktionsprüfung bei Dr. S. vom 19.02.2008 vor (FEV 1: 58 %; Tiffeneau-Index: 80 %). Nachdem der Kläger über seine Verfahrensbevollmächtigten mitgeteilt hatte, er könne sich an seine einzelnen Beschäftigungsverhältnisse nicht erinnern, teilte die DRV Baden-Württemberg unter dem 22.12.2008 mit, welche Arbeitgeber seit 1982 für den Kläger Beiträge abgeführt hatten. Hieraus ergab sich u. a., dass der Kläger zuletzt bis zum 18.07.2007 und sodann noch einmal vom 02.05. bis 02.06.2008 erwerbstätig gewesen war. Der Kläger teilte mit, er sei jeweils als Estrich- bzw. Bodenleger eingesetzt worden. Der letzte Arbeitgeber des Klägers, von der Beklagten angeschrieben, antwortete nicht. Daraufhin erstellte der Präventionsdienst der Beklagten auf Grund von Gesprächen mit dem Kläger die Gefährdungsanalyse vom 19.02.2009. Darin ist ausgeführt, der Kläger sei anfangs seiner Berufstätigkeit ausschließlich als Mischer bei der Herstellung von Zementestrich, seltener bei Anhydritestrichen, tätig gewesen, später sei er auch beim Einbau solcher Materialien tätig gewesen. Bei seinen Tätigkeiten sei es beim Einschaufeln des trockenen Zementpulvers und beim Schaufeln von Sand zu Staubentwicklungen gekommen. Staubschutzmasken seien nicht getragen worden. Der Kläger sei daher, jedoch nur in seinem ersten Beschäftigungsverhältnis, Staubbelastungen durch Zement und Sand oberhalb der Grenzwerte ausgesetzt gewesen. In den späteren Beschäftigungsverhältnissen jedoch, die jeweils nur von kurzer Dauer gewesen seien, sei von keiner dauerhaften Grenzwertüberschreitung auszugehen. Der Kläger habe auch einen Lösemittelgeruch beim Kaltverschweißen der PVC-Folien unter den Estrichen angegeben. Solche Schweißarbeiten seien durchschnittlich einmal wöchentlich angefallen. Im weiteren Ablauf seines Berufslebens seien auch Estriche auf der Basis von Epoxidharzen verwendet worden. Noch später seien auch Isolierungen mit Bitumenschweißbahnen durch Gasbrenner angebracht worden. Die Atemgrenzwerte für das in den Kaltschweißmitteln enthaltene Lösungsmittel Tetrahydrofuran (THF) würden bei solchen Tätigkeiten nach entsprechenden Untersuchungen nicht überschritten, hier seien Atemschutzmasken nicht vorgeschrieben. Daher sei hiervon auch bei dem Kläger auszugehen.
Der staatliche Gewerbearzt bei der Regierung von Unterfranken teilte unter dem 20.05.2009 mit, es sei keine BK zur Anerkennung vorzuschlagen. Das Asthma bronchiale des Klägers bestehe seit 1992. Dieses sei jedoch nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die seit 1992 als Estrichleger ausgeführte Berufstätigkeit zurückzuführen. Als mögliche Ursache sei der Zigarettenabusus mit 20 Zigaretten pro Tag seit Jahren zu nennen. Eine berufsrelevante Sensibilisierung sei nicht dokumentiert. Es seien keine Allergien bekannt. Eine Anerkennung als BK scheitere schon an den arbeitstechnischen Voraussetzungen.
Mit Bescheid vom 04.06.2009 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen einer Atemwegserkrankung ab. Die Voraussetzungen der BKen Nrn. 4301 und 4302 seien nicht erfüllt. Im Hinblick auf die nur geringe berufliche Exposition gegenüber allergisierenden Stoffen komme als wesentlicher Ursachenfaktor für die bestehende obstruktive Lungenkrankheit der langjährige Zigarettenkonsum in Betracht.
Im Widerspruchsverfahren trug der Kläger vor, er sei 1979 in das Bundesgebiet eingereist und habe schon damals geraucht. Eine lungenfachärztliche Untersuchung damals habe ohne Befund geendet. Dies lege den Schluss nahe, dass seine Lungenkrankheit erst danach und daher im Zusammenhang mit der Arbeitsbelastung entstanden sei. Er benannte auch seinen damaligen Arzt. Ferner legte er den Arztbrief des Dr. S. vom 30.10.2009 vor. Darin teilte dieser mit, auch eine erneute Allergietestung auf Isocyanate am 30.09.2009 sei negativ verlaufen. Es lasse sich beim Kläger eine beruflich ausgelöste Allergieschädigung nicht nachweisen. Die Erkrankung sei vielmehr durch den langjährigen Zigarettenkonsum mit einer Veranlagung der Atemwege zur Verengung erklärt. Es gebe daher keine realistische Chance, eine Anerkennung der Atemwegserkrankung als BK zu erreichen. Die Beklagte lehnte weitere medizinische Ermittlungen ab und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27.01.2010 zurück. Die Stellungnahme von Dr. S. stütze keineswegs den Vortrag des Klägers, sondern bestätige die Entscheidung der Beklagten.
Am 09.02.2010 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Er hat hierbei neben der Aufhebung des genannten Bescheids und der (sinngemäßen) Feststellung einer BK der Atemwege eine Verurteilung zu einer Erwerbsunfähigkeitsrente in nicht bezifferter Höhe begehrt. Er habe sich im Winter 1991/1992 im Zusammenhang mit seiner Berufstätigkeit und den niedrigen Temperaturen eine schwere Erkältung zugezogen, die nicht vollständig ausgeheilt sei bzw. eine Schädigung der Lunge hinterlassen habe. Ohne diese hätte auch der – unbestrittene – Zigarettenkonsum die jetzige Lungenerkrankung nicht verursacht. Es sei zumindest von einer berufsbezogenen Teilursache auszugehen.
Ohne weitere Ermittlungen hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 24.05.2012 abgewiesen. Bei dem Kläger lägen die Voraussetzungen der BKen Nrn. 4301 oder 4302 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) nicht vor. Für eine Anerkennung seien – im Vollbeweis – unter anderem die Einwirkung von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper sowie das Vorliegen einer Krankheit im Sinne der jeweiligen BK festzustellen. Hiervon sei nach den Angaben von Dr. S. nicht auszugehen. Eine mögliche Teilursächlichkeit, wie sie der Kläger als möglich gesehen habe, reiche nach den genannten Grundsätzen nicht aus.
Gegen diesen Gerichtsbescheid, der seinem Verfahrensbevollmächtigten am 29.05.2012 zugestellt worden ist, hat der Kläger am 25.06.2012 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Er hat den Befundbericht des Lungenarztes Dr. B. vom 27.07.2012 vorgelegt. Darin ist ausgeführt, der Kläger sei seit 3 Monaten nikontinabstinent nach vorherigem Konsum von 18 packyears, es werde aktuell eine Besserung empfunden unter Medikation, der Atemwegswiderstand sei mittelgradig erhöht, es bestehe eine mittel- bis schwergradige Lungenblähung, die Vitalkapazität (VC) habe 58 %, die FEV1 44 % des Sollwerts betragen, nach Sultanol hätten sich der Atemwegswiderstand normalisiert und die FEV1 47 % des Sollwerts betragen. Es sei ein Therapieplan im Sinne einer COPD Grad III erstellt worden. Die Entstehung dieser COPD sei multifaktoriell durch Nikotinkonsum, Atemwegsinfekte und eine berufliche inhalative Belastung durch überwiegend Zementstäube verursacht. Letztere seien zwar keine Listenstoffe nach der BK Nr. 4302, es sei jedoch auf Grund der Alkalität des Zementstaubs eine gewisse Reizwirkung auf Haut und Schleimhäute möglich. Es komme eine Mitverursachung durch solche Stäube in Betracht, wenn während der Arbeit Staubgrenzwerte dauerhaft und sehr deutlich überschritten worden seien.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 24. Mai 2012 aufzuheben und - das Verfahren an das Sozialgericht Heilbronn zurückzuverweisen, - hilfsweise, - den Bescheid der Beklagten vom 04. Juni 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Januar 2010 aufzuheben, - festzustellen, dass der Kläger an einer Berufskrankheit leidet, und - den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger Erwerbsunfähigkeitsrente, hilfsweise Teil-Erwerbsunfähigkeitsrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Nachdem der Kläger beantragt hat, Dr. B. nach § 109 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als Sachverständigen zu hören, hat der Senat unter dem 05.10.2012 Frist zur Zahlung des Sachverständigenvorschusses bis zum 31.10.2012 gesetzt. Eine Zahlung ist nicht eingegangen.
Die Beklagte hat sich unter dem 20.12.2012, der Kläger mit Schriftsatz vom 31.12.2012 mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die Berufung des Klägers, über die der Senat nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG im Einverständnis mit beiden Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist nach § 143 SGG statthaft und auch sonst zulässig (§ 151 ff. SGG). Sie ist jedoch nicht begründet.
a) Der Senat konnte entscheiden, ohne das beantragte Gutachten nach § 109 Abs. 1 Satz 1 SGG einzuholen, denn der Kläger hat in gesetzter Frist den dafür vorgesehenen Kostenvorschuss (§ 109 Abs. 1 Satz 2 SGG) nicht gezahlt und sich außerdem im Nachgang mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt, woraus zu entnehmen ist, dass der genannte Antrag nicht aufrechterhalten worden ist.
b) Gegenstand des Verfahrens ist – nur – die Feststellung (§ 55 Abs. 1 Halbsatz 1 Nr. 3 SGG) einer BK nach Nrn. 4301 und 4302 der BK-Liste und daran anschließend die Gewährung von Verletztenrente. Der Kläger hat ausdrücklich die Aufhebung des Bescheids vom 04.06.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.01.2012 begehrt. In jenem Bescheid hat die Beklagte nur über die beiden genannten BKen entschieden, wie sich aus der Begründung ausdrücklich ergibt. Andere Krankheiten, vor allem Erkrankungen der Wirbelsäule, sind daher nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Die Feststellung einer Wie-BK bzw. "Quasi-BK" nach § 9 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII), auch in Bezug auf die Atemwege, hat der Kläger ebenfalls nicht zum Gegenstand des Verfahrens gemacht, denn seine Anträge vor dem SG und auch in der Berufungsinstanz hat er ausdrücklich auf eine BK "nach § 9 Abs. 1" SGB VII beschränkt.
c) Eine Zurückverweisung an das SG nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG, wie sie der Kläger in der Hauptsache beantragt hat, kommt nicht in Betracht. Weder leidet das Verfahren vor dem SG an einem erheblichen Verfahrensmangel, noch wäre auf Grund dessen eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme nötig. Vielmehr ist die Klage ohne weitere Beweisaufnahme abweisungsreif.
d) Auch den Hilfsanträgen des Klägers war nicht zu folgen. Zu Recht hat das SG seine Klage abgewiesen. Bei dem Kläger liegt keine der geltend gemachten BKen Nr. 4301 und 4302 vor, sodass nicht nur eine entsprechende Feststellung ausschied, sondern auch eine Verurteilung der Beklagten zur Gewährung einer Verletztenrente nach § 56 Abs. 1 SGB VII. Es ist daher unerheblich, ob die Erwerbsfähigkeit des Klägers überhaupt in einem rentenberechtigenden Maße von grundsätzlich 20 v.H. gemindert ist (MdE).
Die rechtlichen Voraussetzungen für die Anerkennung einer "Listen-BK" nach § 9 Abs. 1 SGB VII und der auf Grund der dort enthaltenen Ermächtigungsgrundlage von der Bundesregierung erlassenen BKV hat das SG in der angegriffenen Entscheidung zutreffend dargelegt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird darauf verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG). Dies gilt auch für das Beweismaß, das insoweit für die einzelnen Voraussetzungen der geltend gemachten BK notwendig ist. Hier das SG zu Recht ausgeführt, dass ein abgemilderter Beweismaßstab, nämlich eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, nur für die haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität ausreicht, während die positiven Voraussetzungen der BK, vor allem die Einwirkung der in der jeweiligen Rubrik der BKV genannten Stoffe sowie die dort genannte Erkrankung, im Vollbeweis gesichert werden müssen.
Zu ergänzen sind lediglich die Anforderungen der Nrn. 4301 und 4302 der BK-Liste: Es handelt sich um obstruktive Atemwegserkrankungen durch allergisierende (4301) bzw. chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe (4302) verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben ursächlich waren oder sein können.
aa) Der Kläger leidet zwar an einer obstruktiven Atemwegserkrankung im Sinne eines Asthma bronchiale bzw. einer COPD. Dies zeigt sich insbesondere in der Verringerung der dynamischen Messwerte der Lungenfunktionsprüfung, hier v. a. der Einsekundenkapazität FEV1, die in den Jahren 2007 und 2008 noch 54 % bzw. 58 % des Sollwerts betrug und bis zu der Untersuchung bei Dr. B. 2012 auf höchstens 47 % abgesunken war. Auch der Tiffeneau-Index (FEV1/IVC) lag 2007/2008 an der Grenze von 70 %, die für die Diagnose einer COPD unterschritten sein muss (vgl. zu allem Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 997).
bb) Es liegen jedoch weder die medizinischen noch die arbeitstechnischen (Einwirkungsdosis) Voraussetzungen der beiden genannten BKen vor.
Eine BK nach Nr. 4301 scheidet aus, weil bei dem Kläger keine allergische Reaktionen auf Einwirkungen festgestellt werden konnten, denen er ggfs. in seinen Berufstätigkeiten ausgesetzt war. Nach dem Bericht des Präventionsdienstes der Beklagten stand allenfalls eine Belastung mit Zementstäuben und dgl. am Anfang des Berufslebens im Vordergrund, während die späteren eventuellen Einwirkungen durch Lösungsmittel (THF) keine Grenzwertüberschreitungen verursacht haben können. Gerade eine Allergie auf Stäube ist jedoch bei dem Kläger nicht festzustellen. Auch ansonsten waren die Allergietestungen negativ, zuletzt die Untersuchung von Dr. S. am 30.09.2009, bei der eine mögliche Allergie auf Isocyanate im Vordergrund stand.
Auch die Voraussetzungen einer BK nach Nr. 4302 der BK-Liste können nicht festgestellt werden. Hierbei kann offen bleiben, ob jene Stoffe, denen der Kläger in seinem Berufsleben ausgesetzt war, geeignet sind, eine chronisch-obstruktive Lungenerkrankung zu verursachen. Hieran hat auch Dr. B. in seiner Stellungnahme vom 27.07.2012 gezweifelt hat. Im Wesentlichen geeignet zur Verursachung einer solchen BK sind (vgl. hierzu das Merkblatt zur BK Nr. 4302, Bek. des BMA v. 10. 07. 79, BArbBl 7/8/1979) – nur – leicht flüchtige organische Arbeitsstoffe (z. B. Acrolein, Athylenimin, Chlorameisensäureäthylester, Formaldehyd, Phosgen), schwer flüchtige organische Arbeitsstoffe (z. B. einige Härter für Epoxidharze, bestimm¬te Isocyanate, Malein¬säure¬anhydrid, Naphthochinon, Phthalsäureanhydrid, p-Phenylen-dia¬min), leicht flüchtige anorganische Arbeitsstoffe wie z. B. Nitrosegase, einige Phosphorchloride, Schwefeldioxid sowie schwer flüchtige anorganische Arbeitsstoffe wie Persulfat, Zinkchlorid, Beryllium und seine Verbindungen (BK Nr. 1110), Cadmiumoxid (BK Nr. 1104) und Vanadiumpentoxid (BK Nr. 1107). Aus diesem Bereich kämen beim Kläger allenfalls Einwirkungen durch Epoxidharze in Betracht, die z.T. in den Estrichen enthalten waren, die der Kläger verlegt hat. Es fehlt jedoch nicht nur an dem Nachweis, dass der Kläger diesen in Betracht kommenden Stoffen in einem für die Entstehung einer Atemwegserkrankung notwendigen Ausmaß ausgesetzt war. Hieran ist zu zweifeln, nachdem Epoxidestriche nach den Angaben des Klägers gegenüber dem Präventionsdienst der Beklagten erst in seiner 18. Beschäftigung ab etwa 2002 eingesetzt wurden, die Lungenerkrankung jedoch schon seit mindestens 1992 bestand. Gegen eine ausreichend intensive Einwirkung sprechen auch die Ausführungen in dem Bericht des Präventionsdienstes der Beklagten zu diesen Stoffen: Hiernach haben Messungen an (anderen) Arbeitsplätzen gezeigt, dass bei solchen Arbeiten, wie sie der Kläger geschildert hat, die Atemgrenzwerte eingehalten wurden; Atemschutzmasken seien daher (nach der einschlägigen BGI Nr. 790) nicht erforderlich. Gerüche von THF würden schon bei Konzentrationen weit unter der Gefährdungsschwelle bemerkt. Vor allem aber ist es nicht einmal hinreichend wahrscheinlich, dass diese etwaige Einwirkung (oder eine solche durch Stäube) die Erkrankung verursacht hat. Nach Einschätzung aller behandelnden Ärzte (Dr. S. und Dr. B.) steht der vieljährige erhebliche Nikontinmissbrauch im Vordergrund. Diesem kommt der rechtlich wesentliche Ursachenbeitrag zu. Hiergegen spricht auch nicht, dass der Kläger bei seiner Einreise 1979 noch lungengesund war, aber noch nicht erkrankt, denn er hat danach weiterhin geraucht. Zwei weitere Umstände zeigen, dass das Rauchen die überwiegende Ursache der Atemwegserkrankung gewesen ist: Der Gesundheitszustand des Klägers hat sich, nachdem er seit 2007/2008 nicht mehr gearbeitet hatte und also keinen beruflichen Einwirkungen mehr ausgesetzt war, zunächst weiter verschlechtert. Verbessert hat er sich erst, nachdem der Kläger 2012 das Rauchen aufgegeben hat, wie Dr. B. bescheinigt hat. Vor diesem Hintergrund würde auch die weitere Voraussetzung einer BK Nr. 4302 fehlen, dass nämlich die Erkrankung zur Aufgabe aller belastenden beruflichen Tätigkeiten gezwungen hat.
cc) Eine BK nach Nr. 1315 der Liste (Erkrankungen durch Isocyanate, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben ursächlich waren oder sein können) ist, wie ausgeführt, nicht geltend gemacht, auch hat die Beklagte darüber nicht entschieden. Außerdem hat die Untersuchung bei Dr. B. keine allergische Reaktion auf Isocyanate ergeben. Und letztlich ist nicht ersichtlich, dass der Kläger in seiner Berufstätigkeit mit Isocyanaten, die im Wesentlichen in Lacken, Klebstoffen, Industrieschäumen und dgl. verwendet werden, in Berührung gekommen wäre.
2. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
3. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung einer Berufskrankheit (BK) und im Nachgang Verletztenrente.
Der am 01.09.1964 geborene Kläger hat keine Berufsausbildung absolviert. Er war von 1982 bis 2008 mit Unterbrechungen durch Arbeitslosigkeit und Krankheit als angelernter Estrichleger selbstständig tätig und abhängig beschäftigt (vgl. die Aufstellung vom 19.09.2009) und in dieser Eigenschaft bei der Beklagten gesetzlich unfallversichert.
Unter dem 14.03.2007 meldete die Krankenkasse des Klägers, die AOK Baden-Württemberg, bei der Beklagten den Verdacht einer BK Nr. 2108 (bandscheibenbedingte Erkrankung der Wirbelsäule) und begehrte Erstattung. Die Beklagte leitete ein Feststellungsverfahren ein. Sie holte bei Dr. I., dem behandelnden Arzt des Klägers, die BK-Anzeige vom 15.06.2007 ein. Darin verwies Dr. I. auf ein schweres Asthma und ein chronisches Wirbelsäulenleiden des Klägers. Die Beklagte hörte den Kläger an. Dieser erwiderte, er wisse nicht, wer die Berufsgenossenschaft sei und was sie wolle. Die Beklagte holte ärztliche Unterlagen ein, darunter den Entlassungsbericht der V.-Kliniken Bad R. vom 04.08.2004 über einen stationären Aufenthalt des Klägers im Sommer 2004. Dort ist hinsichtlich der Lungenerkrankung ausgeführt, es bestehe ein Asthma bronchiale bzw. eine COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) mit belastungsabhängiger Dyspnoe besonders beim Bergauflaufen, eine Nikotinabhängigkeit mit 20 Zigaretten pro Tag, Allergien seien nicht bekannt, es gebe keine Angina-pectoris-Beschwerden. Das Vorerkrankungsverzeichnis der AOK, das bis 2001 zurückreichte, wies seitdem regelmäßig Zeiten der Arbeitsunfähigkeit wegen Asthma bronchiale aus. Lungenarzt Dr. S. berichtete von einer Lungenfunktionsprüfung vom 02.04.2007, die eine Einsekundenkapazität (FEV1) von 54 % des Sollwerts und einen Tiffeneau-Index (FEV1/IVC) von 70,5 % des Sollwerts ergeben hatte.
In dem weiter geführten Verfahren wegen der Atemwegserkrankung legte Dr. I. die weitere Lungenfunktionsprüfung bei Dr. S. vom 19.02.2008 vor (FEV 1: 58 %; Tiffeneau-Index: 80 %). Nachdem der Kläger über seine Verfahrensbevollmächtigten mitgeteilt hatte, er könne sich an seine einzelnen Beschäftigungsverhältnisse nicht erinnern, teilte die DRV Baden-Württemberg unter dem 22.12.2008 mit, welche Arbeitgeber seit 1982 für den Kläger Beiträge abgeführt hatten. Hieraus ergab sich u. a., dass der Kläger zuletzt bis zum 18.07.2007 und sodann noch einmal vom 02.05. bis 02.06.2008 erwerbstätig gewesen war. Der Kläger teilte mit, er sei jeweils als Estrich- bzw. Bodenleger eingesetzt worden. Der letzte Arbeitgeber des Klägers, von der Beklagten angeschrieben, antwortete nicht. Daraufhin erstellte der Präventionsdienst der Beklagten auf Grund von Gesprächen mit dem Kläger die Gefährdungsanalyse vom 19.02.2009. Darin ist ausgeführt, der Kläger sei anfangs seiner Berufstätigkeit ausschließlich als Mischer bei der Herstellung von Zementestrich, seltener bei Anhydritestrichen, tätig gewesen, später sei er auch beim Einbau solcher Materialien tätig gewesen. Bei seinen Tätigkeiten sei es beim Einschaufeln des trockenen Zementpulvers und beim Schaufeln von Sand zu Staubentwicklungen gekommen. Staubschutzmasken seien nicht getragen worden. Der Kläger sei daher, jedoch nur in seinem ersten Beschäftigungsverhältnis, Staubbelastungen durch Zement und Sand oberhalb der Grenzwerte ausgesetzt gewesen. In den späteren Beschäftigungsverhältnissen jedoch, die jeweils nur von kurzer Dauer gewesen seien, sei von keiner dauerhaften Grenzwertüberschreitung auszugehen. Der Kläger habe auch einen Lösemittelgeruch beim Kaltverschweißen der PVC-Folien unter den Estrichen angegeben. Solche Schweißarbeiten seien durchschnittlich einmal wöchentlich angefallen. Im weiteren Ablauf seines Berufslebens seien auch Estriche auf der Basis von Epoxidharzen verwendet worden. Noch später seien auch Isolierungen mit Bitumenschweißbahnen durch Gasbrenner angebracht worden. Die Atemgrenzwerte für das in den Kaltschweißmitteln enthaltene Lösungsmittel Tetrahydrofuran (THF) würden bei solchen Tätigkeiten nach entsprechenden Untersuchungen nicht überschritten, hier seien Atemschutzmasken nicht vorgeschrieben. Daher sei hiervon auch bei dem Kläger auszugehen.
Der staatliche Gewerbearzt bei der Regierung von Unterfranken teilte unter dem 20.05.2009 mit, es sei keine BK zur Anerkennung vorzuschlagen. Das Asthma bronchiale des Klägers bestehe seit 1992. Dieses sei jedoch nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die seit 1992 als Estrichleger ausgeführte Berufstätigkeit zurückzuführen. Als mögliche Ursache sei der Zigarettenabusus mit 20 Zigaretten pro Tag seit Jahren zu nennen. Eine berufsrelevante Sensibilisierung sei nicht dokumentiert. Es seien keine Allergien bekannt. Eine Anerkennung als BK scheitere schon an den arbeitstechnischen Voraussetzungen.
Mit Bescheid vom 04.06.2009 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen einer Atemwegserkrankung ab. Die Voraussetzungen der BKen Nrn. 4301 und 4302 seien nicht erfüllt. Im Hinblick auf die nur geringe berufliche Exposition gegenüber allergisierenden Stoffen komme als wesentlicher Ursachenfaktor für die bestehende obstruktive Lungenkrankheit der langjährige Zigarettenkonsum in Betracht.
Im Widerspruchsverfahren trug der Kläger vor, er sei 1979 in das Bundesgebiet eingereist und habe schon damals geraucht. Eine lungenfachärztliche Untersuchung damals habe ohne Befund geendet. Dies lege den Schluss nahe, dass seine Lungenkrankheit erst danach und daher im Zusammenhang mit der Arbeitsbelastung entstanden sei. Er benannte auch seinen damaligen Arzt. Ferner legte er den Arztbrief des Dr. S. vom 30.10.2009 vor. Darin teilte dieser mit, auch eine erneute Allergietestung auf Isocyanate am 30.09.2009 sei negativ verlaufen. Es lasse sich beim Kläger eine beruflich ausgelöste Allergieschädigung nicht nachweisen. Die Erkrankung sei vielmehr durch den langjährigen Zigarettenkonsum mit einer Veranlagung der Atemwege zur Verengung erklärt. Es gebe daher keine realistische Chance, eine Anerkennung der Atemwegserkrankung als BK zu erreichen. Die Beklagte lehnte weitere medizinische Ermittlungen ab und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27.01.2010 zurück. Die Stellungnahme von Dr. S. stütze keineswegs den Vortrag des Klägers, sondern bestätige die Entscheidung der Beklagten.
Am 09.02.2010 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Er hat hierbei neben der Aufhebung des genannten Bescheids und der (sinngemäßen) Feststellung einer BK der Atemwege eine Verurteilung zu einer Erwerbsunfähigkeitsrente in nicht bezifferter Höhe begehrt. Er habe sich im Winter 1991/1992 im Zusammenhang mit seiner Berufstätigkeit und den niedrigen Temperaturen eine schwere Erkältung zugezogen, die nicht vollständig ausgeheilt sei bzw. eine Schädigung der Lunge hinterlassen habe. Ohne diese hätte auch der – unbestrittene – Zigarettenkonsum die jetzige Lungenerkrankung nicht verursacht. Es sei zumindest von einer berufsbezogenen Teilursache auszugehen.
Ohne weitere Ermittlungen hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 24.05.2012 abgewiesen. Bei dem Kläger lägen die Voraussetzungen der BKen Nrn. 4301 oder 4302 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) nicht vor. Für eine Anerkennung seien – im Vollbeweis – unter anderem die Einwirkung von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper sowie das Vorliegen einer Krankheit im Sinne der jeweiligen BK festzustellen. Hiervon sei nach den Angaben von Dr. S. nicht auszugehen. Eine mögliche Teilursächlichkeit, wie sie der Kläger als möglich gesehen habe, reiche nach den genannten Grundsätzen nicht aus.
Gegen diesen Gerichtsbescheid, der seinem Verfahrensbevollmächtigten am 29.05.2012 zugestellt worden ist, hat der Kläger am 25.06.2012 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Er hat den Befundbericht des Lungenarztes Dr. B. vom 27.07.2012 vorgelegt. Darin ist ausgeführt, der Kläger sei seit 3 Monaten nikontinabstinent nach vorherigem Konsum von 18 packyears, es werde aktuell eine Besserung empfunden unter Medikation, der Atemwegswiderstand sei mittelgradig erhöht, es bestehe eine mittel- bis schwergradige Lungenblähung, die Vitalkapazität (VC) habe 58 %, die FEV1 44 % des Sollwerts betragen, nach Sultanol hätten sich der Atemwegswiderstand normalisiert und die FEV1 47 % des Sollwerts betragen. Es sei ein Therapieplan im Sinne einer COPD Grad III erstellt worden. Die Entstehung dieser COPD sei multifaktoriell durch Nikotinkonsum, Atemwegsinfekte und eine berufliche inhalative Belastung durch überwiegend Zementstäube verursacht. Letztere seien zwar keine Listenstoffe nach der BK Nr. 4302, es sei jedoch auf Grund der Alkalität des Zementstaubs eine gewisse Reizwirkung auf Haut und Schleimhäute möglich. Es komme eine Mitverursachung durch solche Stäube in Betracht, wenn während der Arbeit Staubgrenzwerte dauerhaft und sehr deutlich überschritten worden seien.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 24. Mai 2012 aufzuheben und - das Verfahren an das Sozialgericht Heilbronn zurückzuverweisen, - hilfsweise, - den Bescheid der Beklagten vom 04. Juni 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Januar 2010 aufzuheben, - festzustellen, dass der Kläger an einer Berufskrankheit leidet, und - den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger Erwerbsunfähigkeitsrente, hilfsweise Teil-Erwerbsunfähigkeitsrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Nachdem der Kläger beantragt hat, Dr. B. nach § 109 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als Sachverständigen zu hören, hat der Senat unter dem 05.10.2012 Frist zur Zahlung des Sachverständigenvorschusses bis zum 31.10.2012 gesetzt. Eine Zahlung ist nicht eingegangen.
Die Beklagte hat sich unter dem 20.12.2012, der Kläger mit Schriftsatz vom 31.12.2012 mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die Berufung des Klägers, über die der Senat nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG im Einverständnis mit beiden Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist nach § 143 SGG statthaft und auch sonst zulässig (§ 151 ff. SGG). Sie ist jedoch nicht begründet.
a) Der Senat konnte entscheiden, ohne das beantragte Gutachten nach § 109 Abs. 1 Satz 1 SGG einzuholen, denn der Kläger hat in gesetzter Frist den dafür vorgesehenen Kostenvorschuss (§ 109 Abs. 1 Satz 2 SGG) nicht gezahlt und sich außerdem im Nachgang mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt, woraus zu entnehmen ist, dass der genannte Antrag nicht aufrechterhalten worden ist.
b) Gegenstand des Verfahrens ist – nur – die Feststellung (§ 55 Abs. 1 Halbsatz 1 Nr. 3 SGG) einer BK nach Nrn. 4301 und 4302 der BK-Liste und daran anschließend die Gewährung von Verletztenrente. Der Kläger hat ausdrücklich die Aufhebung des Bescheids vom 04.06.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.01.2012 begehrt. In jenem Bescheid hat die Beklagte nur über die beiden genannten BKen entschieden, wie sich aus der Begründung ausdrücklich ergibt. Andere Krankheiten, vor allem Erkrankungen der Wirbelsäule, sind daher nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Die Feststellung einer Wie-BK bzw. "Quasi-BK" nach § 9 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII), auch in Bezug auf die Atemwege, hat der Kläger ebenfalls nicht zum Gegenstand des Verfahrens gemacht, denn seine Anträge vor dem SG und auch in der Berufungsinstanz hat er ausdrücklich auf eine BK "nach § 9 Abs. 1" SGB VII beschränkt.
c) Eine Zurückverweisung an das SG nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG, wie sie der Kläger in der Hauptsache beantragt hat, kommt nicht in Betracht. Weder leidet das Verfahren vor dem SG an einem erheblichen Verfahrensmangel, noch wäre auf Grund dessen eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme nötig. Vielmehr ist die Klage ohne weitere Beweisaufnahme abweisungsreif.
d) Auch den Hilfsanträgen des Klägers war nicht zu folgen. Zu Recht hat das SG seine Klage abgewiesen. Bei dem Kläger liegt keine der geltend gemachten BKen Nr. 4301 und 4302 vor, sodass nicht nur eine entsprechende Feststellung ausschied, sondern auch eine Verurteilung der Beklagten zur Gewährung einer Verletztenrente nach § 56 Abs. 1 SGB VII. Es ist daher unerheblich, ob die Erwerbsfähigkeit des Klägers überhaupt in einem rentenberechtigenden Maße von grundsätzlich 20 v.H. gemindert ist (MdE).
Die rechtlichen Voraussetzungen für die Anerkennung einer "Listen-BK" nach § 9 Abs. 1 SGB VII und der auf Grund der dort enthaltenen Ermächtigungsgrundlage von der Bundesregierung erlassenen BKV hat das SG in der angegriffenen Entscheidung zutreffend dargelegt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird darauf verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG). Dies gilt auch für das Beweismaß, das insoweit für die einzelnen Voraussetzungen der geltend gemachten BK notwendig ist. Hier das SG zu Recht ausgeführt, dass ein abgemilderter Beweismaßstab, nämlich eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, nur für die haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität ausreicht, während die positiven Voraussetzungen der BK, vor allem die Einwirkung der in der jeweiligen Rubrik der BKV genannten Stoffe sowie die dort genannte Erkrankung, im Vollbeweis gesichert werden müssen.
Zu ergänzen sind lediglich die Anforderungen der Nrn. 4301 und 4302 der BK-Liste: Es handelt sich um obstruktive Atemwegserkrankungen durch allergisierende (4301) bzw. chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe (4302) verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben ursächlich waren oder sein können.
aa) Der Kläger leidet zwar an einer obstruktiven Atemwegserkrankung im Sinne eines Asthma bronchiale bzw. einer COPD. Dies zeigt sich insbesondere in der Verringerung der dynamischen Messwerte der Lungenfunktionsprüfung, hier v. a. der Einsekundenkapazität FEV1, die in den Jahren 2007 und 2008 noch 54 % bzw. 58 % des Sollwerts betrug und bis zu der Untersuchung bei Dr. B. 2012 auf höchstens 47 % abgesunken war. Auch der Tiffeneau-Index (FEV1/IVC) lag 2007/2008 an der Grenze von 70 %, die für die Diagnose einer COPD unterschritten sein muss (vgl. zu allem Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 997).
bb) Es liegen jedoch weder die medizinischen noch die arbeitstechnischen (Einwirkungsdosis) Voraussetzungen der beiden genannten BKen vor.
Eine BK nach Nr. 4301 scheidet aus, weil bei dem Kläger keine allergische Reaktionen auf Einwirkungen festgestellt werden konnten, denen er ggfs. in seinen Berufstätigkeiten ausgesetzt war. Nach dem Bericht des Präventionsdienstes der Beklagten stand allenfalls eine Belastung mit Zementstäuben und dgl. am Anfang des Berufslebens im Vordergrund, während die späteren eventuellen Einwirkungen durch Lösungsmittel (THF) keine Grenzwertüberschreitungen verursacht haben können. Gerade eine Allergie auf Stäube ist jedoch bei dem Kläger nicht festzustellen. Auch ansonsten waren die Allergietestungen negativ, zuletzt die Untersuchung von Dr. S. am 30.09.2009, bei der eine mögliche Allergie auf Isocyanate im Vordergrund stand.
Auch die Voraussetzungen einer BK nach Nr. 4302 der BK-Liste können nicht festgestellt werden. Hierbei kann offen bleiben, ob jene Stoffe, denen der Kläger in seinem Berufsleben ausgesetzt war, geeignet sind, eine chronisch-obstruktive Lungenerkrankung zu verursachen. Hieran hat auch Dr. B. in seiner Stellungnahme vom 27.07.2012 gezweifelt hat. Im Wesentlichen geeignet zur Verursachung einer solchen BK sind (vgl. hierzu das Merkblatt zur BK Nr. 4302, Bek. des BMA v. 10. 07. 79, BArbBl 7/8/1979) – nur – leicht flüchtige organische Arbeitsstoffe (z. B. Acrolein, Athylenimin, Chlorameisensäureäthylester, Formaldehyd, Phosgen), schwer flüchtige organische Arbeitsstoffe (z. B. einige Härter für Epoxidharze, bestimm¬te Isocyanate, Malein¬säure¬anhydrid, Naphthochinon, Phthalsäureanhydrid, p-Phenylen-dia¬min), leicht flüchtige anorganische Arbeitsstoffe wie z. B. Nitrosegase, einige Phosphorchloride, Schwefeldioxid sowie schwer flüchtige anorganische Arbeitsstoffe wie Persulfat, Zinkchlorid, Beryllium und seine Verbindungen (BK Nr. 1110), Cadmiumoxid (BK Nr. 1104) und Vanadiumpentoxid (BK Nr. 1107). Aus diesem Bereich kämen beim Kläger allenfalls Einwirkungen durch Epoxidharze in Betracht, die z.T. in den Estrichen enthalten waren, die der Kläger verlegt hat. Es fehlt jedoch nicht nur an dem Nachweis, dass der Kläger diesen in Betracht kommenden Stoffen in einem für die Entstehung einer Atemwegserkrankung notwendigen Ausmaß ausgesetzt war. Hieran ist zu zweifeln, nachdem Epoxidestriche nach den Angaben des Klägers gegenüber dem Präventionsdienst der Beklagten erst in seiner 18. Beschäftigung ab etwa 2002 eingesetzt wurden, die Lungenerkrankung jedoch schon seit mindestens 1992 bestand. Gegen eine ausreichend intensive Einwirkung sprechen auch die Ausführungen in dem Bericht des Präventionsdienstes der Beklagten zu diesen Stoffen: Hiernach haben Messungen an (anderen) Arbeitsplätzen gezeigt, dass bei solchen Arbeiten, wie sie der Kläger geschildert hat, die Atemgrenzwerte eingehalten wurden; Atemschutzmasken seien daher (nach der einschlägigen BGI Nr. 790) nicht erforderlich. Gerüche von THF würden schon bei Konzentrationen weit unter der Gefährdungsschwelle bemerkt. Vor allem aber ist es nicht einmal hinreichend wahrscheinlich, dass diese etwaige Einwirkung (oder eine solche durch Stäube) die Erkrankung verursacht hat. Nach Einschätzung aller behandelnden Ärzte (Dr. S. und Dr. B.) steht der vieljährige erhebliche Nikontinmissbrauch im Vordergrund. Diesem kommt der rechtlich wesentliche Ursachenbeitrag zu. Hiergegen spricht auch nicht, dass der Kläger bei seiner Einreise 1979 noch lungengesund war, aber noch nicht erkrankt, denn er hat danach weiterhin geraucht. Zwei weitere Umstände zeigen, dass das Rauchen die überwiegende Ursache der Atemwegserkrankung gewesen ist: Der Gesundheitszustand des Klägers hat sich, nachdem er seit 2007/2008 nicht mehr gearbeitet hatte und also keinen beruflichen Einwirkungen mehr ausgesetzt war, zunächst weiter verschlechtert. Verbessert hat er sich erst, nachdem der Kläger 2012 das Rauchen aufgegeben hat, wie Dr. B. bescheinigt hat. Vor diesem Hintergrund würde auch die weitere Voraussetzung einer BK Nr. 4302 fehlen, dass nämlich die Erkrankung zur Aufgabe aller belastenden beruflichen Tätigkeiten gezwungen hat.
cc) Eine BK nach Nr. 1315 der Liste (Erkrankungen durch Isocyanate, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben ursächlich waren oder sein können) ist, wie ausgeführt, nicht geltend gemacht, auch hat die Beklagte darüber nicht entschieden. Außerdem hat die Untersuchung bei Dr. B. keine allergische Reaktion auf Isocyanate ergeben. Und letztlich ist nicht ersichtlich, dass der Kläger in seiner Berufstätigkeit mit Isocyanaten, die im Wesentlichen in Lacken, Klebstoffen, Industrieschäumen und dgl. verwendet werden, in Berührung gekommen wäre.
2. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
3. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
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