L 8 SB 2772/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 4 SB 3161/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 2772/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 14. Mai 2012 wird zurückgewiesen.

Der Klägerin werden Verschuldenskosten in Höhe von 225 EUR auferlegt.

Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Herabsetzung des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Eintritt von Heilungsbewährung streitig.

Die 1953 geborene Klägerin erkrankte im Jahr 2001 an einem Mamma-Karzinom rechts (Tumorstadium pT2 pN0 G2 M0 L0 R0). Am 17.09.2001 erfolgte deshalb eine Tumorextirpation in brusterhaltender Therapie (Berichte Universitätsklinikum T. vom 06.03.2002 und vom 10.06.2008, Dr. V. vom 22.03.2002). Auf Antrag der Klägerin wurde vom Versorgungsamt R. mit Bescheid vom 12.04.2002 wegen einer Erkrankung der rechten Brust (in Heilungsbewährung) der GdB mit 50 festgestellt.

Im Oktober 2006 leitete das zwischenzeitlich zuständigen Landratsamt T. - Abteilung: Soziales - (LRA) ein Nachprüfungsverfahren ein und bat die Klägerin durch Übersendung eines Erhebungsbogens um Angaben. Diese äußerte sich zunächst nicht. Am 04.09.2007 legitimierte sich der Vertrauensmann der Schwerbehinderten beim Regierungspräsidium T. H. als Bevollmächtigter und bat um Akteneinsicht, die gewährt wurde. Die Klägerin trug persönlich und durch ihren Bevollmächtigten vor, der Ablauf des Nachprüfungsverfahrens sei irritierend. Wegen eines Hörsturzes mit Tinnitus könne sie aktuell noch keine Unterlagen einreichen. Da ihr Schwerbehindertenausweis bis Ende 2007 gültig sei, sehe sie erst im Dezember 2007 weiteren Handlungsbedarf in dieser Angelegenheit. Es werde vorgeschlagen, im Januar 2008 das Verfahren einer Neufeststellung einzuleiten. Diesem Vorschlag trat das LRA mit Schreiben vom 15.10.2007 entgegen. Die Klägerin machte im Oktober 2007 Angaben zu ihrem derzeitigen Gesundheitszustand. Anschließend zog das LRA medizinische Befundunterlagen bei (Universitätsklinikum T. - Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde mit Poliklinik - vom 30.11.2007; Universitätsklinikum T. - F. Klinik - vom 30.11.2007 das u.a. mitteilte, die Beurteilung der Brust habe keine Besonderheiten ergeben, es habe sich kein Hinweis auf ein Rezidiv oder ein Zweitkarzinom gefunden; Bericht des Facharztes für Psychiatrie Dr. S. vom 31.01.2008, Diagnose: Mittelgradige depressive Episode). Nach Anhörung der Klägerin (Anhörungsschreiben vom 30.09.2008) hob das LRA mit Bescheid vom 11.11.2008 den Bescheid vom 12.04.2002 wegen Heilungsbewährung auf. Ein GdB von wenigstens 20 liege ab dem 17.11.2008 nicht mehr vor.

Gegen den Bescheid vom 11.11.2008 legte die Klägerin am 15.11.2008 durch ihren Bevollmächtigten Widerspruch ein. Sie bat darum, den Widerspruch wegen der Nachreichung weiterer Diagnosen bis Ende Januar 2009 ruhen zulassen. Zur Begründung ihres Widerspruches machte sie geltend, ihre psychische Behinderung einer andauernden mittelgradigen Depression, die einen GdB von 50 bis 70 bedinge, sei in die Bescheidung nicht einbezogen worden. Das LRA zog weitere medizinische Unterlagen bei (Berichte des Universitätsklinikums T. vom 31.03.2005, 28.02.2006, 01.03.2006, 08.06.2007, 06.06.2008, 11.07.2008 und 07.08.2008; Befundbericht des Arztes für Allgemeinmedizin D. vom 09.04.2009, der den GdB auf über 50 einschätzte; Bericht Dr. S. vom Juli 2009). Mit Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart - Landesversorgungsamt - vom 03.09.2009 (abgesandt am 09.09.2009) wurde der Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 11.11.2008 zurückgewiesen.

Hiergegen erhob die Klägerin am 29.09.2009 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG). Sie regte an, die behandelnden Ärzte anzuhören. Das SG hörte den Facharzt für Psychiatrie Dr. S. sowie den Arzt für Allgemeinmedizin D. als sachverständige Zeugen an. Dr. S. teilte in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenauskunft vom 14.12.2009 den Behandlungsverlauf seit Juni 2003 bis Juni 2009 sowie die Diagnose einer rezidivierenden depressiven Symptomatik mit und schätzte den GdB auf wenigstens 30 bis 50 ein. Der Arzt D. gab bei seiner Vernehmung in der nichtöffentlichen Sitzung des SG am 12.05.2010 den Behandlungsverlauf und die geklagten Beschwerden der Klägerin an. Er hielt Begutachtungen der Klägerin auf HNO-ärztlichem und nervenärztlichem Gebiet für angezeigt. Einen GdB von 50 hielt er für nicht mehr gegeben. Die Klägerin erhob gegen die Angaben des Arztes D. Einwendungen (Schreiben vom 24.06.2010).

Der Beklagte unterbreitete der Klägerin ein Vergleichsangebot dahin, wegen einer Depression den GdB mit 20 ab dem 17.11.2008 festzustellen und legte hierzu die versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. Be. vom 03.09.2010 vor (Schriftsatz vom 07.09.2010). Mit diesem Vergleichsangebot war die Klägerin nicht einverstanden (Schreiben vom 12.12.2010).

Mit Gutachtensauftrag vom 22.12.2010 beauftragte das SG die Ärztin für Sozialmedizin/Psychotherapie Dr. K.-I. mit der Erstattung eines Gutachtens von Amts wegen. Diesen Gutachtensauftrag gab Dr. K.-I. zurück, nachdem die Klägerin mehrmals Termine zur Begutachtung und Untersuchung abgesagt hatte und sich die Erstattung des Gutachtens wegen Urlaubs der Gutachterin anschließend für längere Zeit verzögert hätte.

Das SG beauftragte daraufhin Professor Dr. Wi. mit der Erstattung eines Gutachtens. Professor Dr. Wi. gelangte in ihrem nervenärztlichen Gutachten vom 06.05.2011 (auf ihrem Fachgebiet) zu den Diagnosen einer rezidivierenden depressiven Episode, aktuell leicht depressiv, mit deutlichen Ängsten, phobischem Verhalten und Fatigue sowie Tinnitus rechts (Teil-GdB 30), Schmerzen und Missempfindungen des rechten Arms (Teil-GdB 10) und einer Sensibilitätsstörung der linken Gesichtsseite nach Operation eines gutartigen Parotistumors (Teil-GdB 10). Unter Zugrundelegung der Beurteilung des Mamma-Karcinoms und der Schwerhörigkeit mit einem Teil-GdB von jeweils 0 schätzte Professor Dr. Wi. den Gesamt-GdB auf 30 ein. Die Klägerin erhob gegen das Gutachten von Professor Dr. Wi. Einwendungen (Schreiben vom 19.07.2011).

Der Beklagte unterbreitete der Klägerin ein Vergleichsangebot dahin, den GdB mit 30 seit 17.11.2008 festzustellen und legte hierzu die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. Wo. vom 11.08.2011 vor (Schriftsatz vom 16.08.2011). Dieses Vergleichsangebot nahm die Klägerin nicht an (Schriftsatz vom 15.09.2011).

Das SG holte außerdem das Gutachten des HNO-Arztes Dr. de Vr. vom 14.11.2011 ein. Dr. de Vr. gelangte in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, bei der Klägerin bestünden an Funktionsbeeinträchtigungen ein Zustand nach zweimaligem Hörsturz mit beginnender Hörminderung rechts (GdB weniger als 10) sowie eine erhebliche Tinnituserkrankung auf dem rechten Ohr (GdB 15). Die Klägerin erhob gegen das Gutachten von Dr. de Vr. Einwendungen (Schreiben vom 17.12.2011).

Der Beklagte legte die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. Ha. vom 21.01.2012 vor, der unter zusätzlicher Berücksichtigung des Tinnitus mit einem Teil-GdB von 15 weiterhin den Gesamt-GdB mit 30 seit dem 17.11.2008 annahm.

Nach Vollmachterteilung an ihre nunmehrigen Prozessbevollmächtigten trug die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigten weiter vor, es bestehe weiterhin ein Gesamt-GdB von mindestens 50 (Schriftsatz vom 28.03.2012).

Das SG hörte den Arzt für Allgemeinmedizin Dr. Ga. schriftlich als sachverständigen Zeugen an. Dr. Ga. teilte in seinen Stellungnahmen vom 09.04.2012 und 08.05.2012 den Behandlungsbeginn (01.08.2010), den Behandlungsverlauf und die Erkrankungen (Bluthochdruck, chronisch-rezidivierende Spannungskopfschmerzen ohne neurologisches Defizit, dauerhaftes Ohrgeräusch rechts, leichte Innenohrschwerhörigkeit, geringgradige postoperative Nervenlähmung der den rechten Arm versorgenden Nerven mit Nervenschmerz-Syndrom, Gefühlsstörung der Gesichtshaut links, Reizdarmsyndrom, depressives Syndrom und Zustand nach Brustkrebs rechts) mit und legte die Befundberichte der Kardiologischen Schwerpunktpraxis Dr. Pf. und Kollegen vom 07.05.2012 sowie der Gemeinschaftspraxis Dr. Hu. vom 04.05.2012 vor.

Mit Urteil vom 14.05.2012 verurteilte das SG den Beklagten, bei der Klägerin einen GdB von 30 ab 17.11.2008 festzustellen. Im Übrigen wies es die Klage ab. Zur Begründung seiner Entscheidung führte das SG aus, die angefochtenen Bescheide seien nicht formell rechtswidrig. Die Klägerin sei ordnungsgemäß angehört worden. Eine wesentliche Besserung des Gesundheitszustandes der Klägerin sei durch den Ablauf der Heilungsbewährung von fünf Jahren eingetreten. Die bei der Klägerin nach dem Ablauf der Heilungsbewährung zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids vorliegenden Funktionseinschränkungen rechtfertigten einen GdB von 30. Im Vordergrund des Beschwerdebildes stehe bei der Klägerin eine Neigung zu Depressionen, die mit einem GdB von 30 einzuschätzen seien. Die als Folgeerscheinung der Brustkrebsoperation bestehenden Schmerzen und Missempfindungen des rechten Arms seien mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten. Ebenso die bestehende Sensibilitätsstörung der linken Gesichtshälfte nach Operation eines gutartigen Speicheldrüsentumors. Für die beginnende Schwerhörigkeit rechts betrage der GdB weniger als 10. Bestehende Einschränkungen durch den Tinnitus rechtfertigten einen GdB von 15. Insgesamt ergebe sich ein Gesamt-GdB von 30. Weitere GdB-relevante Funktionsbeeinträchtigungen zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids am 03.09.2009 seien nicht nachgewiesen.

Gegen das den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 31.05.2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigten am 28.06.2012 Berufung eingelegt, die nicht begründet worden ist.

Die Klägerin beantragt sachdienlich gefasst,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 14.05.2012 abzuändern und den Bescheid des Beklagten vom 11.11.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.09.2009 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin ist mit richterlicher Verfügung vom 28.01.2013 darauf hingewiesen worden, dass die Berufung mit großer Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg haben dürfte, dass die Möglichkeit einer Zurückweisung der Berufung durch Entscheidung ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetzt (SGG) besteht und dass diese Verfahrensweise beabsichtigt sei und dass gemäß § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG wegen Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung die Möglichkeit der Kostenauferlegung in Höhe von mindestens 225,00 EUR bestehe. Die Beteiligten haben Gelegenheit zur Äußerung bis 28.02.2013 erhalten.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf einen Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

II.

Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann der Senat - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten sind mit richterlicher Verfügung vom 28.01.2013 (u.a.) auf die in Betracht kommende Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG sowie deren Voraussetzungen hingewiesen worden und haben Gelegenheit erhalten, zur Sache und zum beabsichtigen Verfahren bis 28.02.2013 Stellung zu nehmen.

Der Senat hat den Berufungsantrag der Klägerin nach ihrem erkennbaren Begehren sachdienlich gefasst. Richtige Klageart ist die reine Anfechtungsklage, da die Klägerin sich nur gegen die Herabsetzung des GdB wendet, wie sich aus ihrem Vorbringen im Verwaltungs- und erstinstanzlichen Verfahren sowie ihrem in der mündlichen Verhandlung beim SG am 14.05.2012 gestellten Klageantrag ergibt.

Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte und nach § 151 SGG auch insgesamt zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG ist nicht zu beanstanden.

Zu Recht hat der Beklagte der Klägerin - für die Zukunft - die Schwerbehinderteneigenschaft aberkannt. Die verbliebenen Behinderungen der Klägerin bedingen zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt des Ergehens des Widerspruchsbescheids vom 03.09.2009 keinen höheren GdB als 30.

Das SG hat im angefochtenen Urteil die für die Beurteilung des vorliegenden Rechtsstreites maßgeblichen Rechtsvorschriften und Grundsätze vollständig und zutreffend dargestellt. Weiter hat das SG ausführlich und zutreffend begründet, dass der streitgegenständliche Bescheid vom 11.11.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.09.2009 nicht formell rechtswidrig ist. Eine wesentliche Besserung des Gesundheitszustandes der Klägerin ist durch den Ablauf der Heilungsbewährung von fünf Jahren eingetreten. Die bei der Klägerin nach dem Ablauf der Heilungsbewährung zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids vorliegenden Funktionseinschränkungen rechtfertigten einen GdB von 30. Im Vordergrund des Beschwerdebildes steht bei der Klägerin eine Neigung zu Depressionen, die mit einem GdB mit 30 zu bewerten sind. Die als Folgeerscheinung der Brustkrebsoperation bestehenden Schmerzen und Missempfindungen des rechten Arms sind mit einem GdB von 10 zu bewerten. Ebenso die bestehende Sensibilitätsstörung der linken Gesichtshälfte nach Operation eines gutartigen Speicheldrüsentumors. Für die beginnende Schwerhörigkeit rechts beträgt der GdB weniger als 10. Bestehende Einschränkungen durch den Tinnitus rechtfertigen einen GdB von 15. Weitere GdB-relevante Funktionsbeeinträchtigungen zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids am 03.09.2009 sind nicht nachgewiesen. Insgesamt ergibt sich ein Gesamt-GdB von 30. Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung zum selben Ergebnis. Er nimmt zur Begründung seiner eigenen Entscheidung auf die Entscheidungsgründe im angefochtenen Urteil des SG Bezug, die er sich zur Vermeidung von Wiederholungen voll umfänglich zu eigen macht (§ 153 Abs. 2 SGG). Einwendungen gegen die Entscheidungsgründe im angefochtenen Urteil des SG hat die Klägerin im Berufungsverfahren auch nicht erhoben.

Ergänzend bleibt auszuführen:

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Begründetheit der Anfechtungsklage der Klägerin ist das Ergehen des am 09.09.2009 abgesandten Widerspruchsbescheids vom 03.09.2009. Zwar hat Dr. Ga. in seiner schriftlichen Sachverständigen Zeugenauskunft an das SG vom 09.04.2012 hinsichtlich der von ihm genannten Erkrankungen der Klägerin mitgeteilt, dass viele der genannten Störungen bereits deutlich länger bestünden. Nähere zeitliche Angaben hierzu hat Dr. Ga. aber nicht machen können, die es dem Senat erlaubten, auf das Vorliegen der von ihm genannten Gesundheitsstörungen, insbesondere den Bluthochdruck (170-190 mmHg systolisch und 90-100mmHg diastolisch unter medikamentöser Behandlung), bereits zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt rückzuschließen. Entsprechendes gilt für die im Befundbericht der Kardiologischen Schwerpunktpraxis Dr. Pf. und Kollegen vom 07.05.2012 beschriebenen Befunde (Blutdruck 175/100 mmHg; Fahrradergometrie bis 75 Watt, bei unauffälligem Blutdruckverhalten, ohne Pectangina und keine pathologischen Endstreckenveränderungen oder Arrhythmie). Zwar wird auch in diesem Bericht von einer seit längerer Zeit manifesten arteriellen Hypertonie bei der Klägerin ausgegangen. Sichere zeitliche Angaben hat die Gemeinschaftspraxis hierzu aber nicht gemacht ("wohl"). Damit lässt sich auch diesem Befundbericht eine verlässliche Zuordnung der beschriebenen Befunde auf den Zeitpunkt des Ergehens des Widerspruchsbescheids vom 03.09.2009 nicht ableiten. Dies gilt auch für den nach dem Befundbericht der Gemeinschaftspraxis Dr. Hu. vom 04.05.2012 festgestellten Fundus hypertonicus Grad I bis II. Medizinische Befundunterlagen, die bereits zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt einen Fundus hypertonicus (Grad I bis II) bei der Klägerin dokumentieren, liegen nicht vor. Damit scheidet im vorliegenden Rechtsstreit zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt die Annahme eines Teil-GdB von 20 (oder höher) für das Bluthochdruckleiden der Klägerin aus. Die Klägerin ist (insoweit) vielmehr auf einen Neufeststellungsantrag beim Beklagten wegen Verschlimmerung zu verweisen.

Weitere Ermittlungen drängen sich dem Senat nicht auf. Der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt ist geklärt. Soweit Dr. Ga. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenauskunft vom 09.04.2012 an das SG eine Anfrage beim früheren Hausarzt der Klägerin angeregt hat, ist das SG dieser Anregung bereits durch die Vernehmung des Arztes D. als sachverständiger Zeuge am 12.05.2010 nachgekommen.

Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat der Klägerin gemäß § 192 Abs. 1 SGG Kosten in Höhe von 225 EUR wegen missbräuchlicher Prozessführung auferlegt. Nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht im Urteil oder, wenn das Verfahren anders beendet wird, durch Beschluss einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass der Beteiligte den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder verteidigung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden ist. Dem Beteiligten steht gleich sein Vertreter oder Bevollmächtigter. Als verursachter Kostenbetrag gilt dabei mindestens der Betrag nach § 184 Abs. 2 SGG für die jeweilige Instanz (§ 192 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGG).

Abzustellen ist dabei auf die (objektivierte) Einsichtsfähigkeit eines vernünftigen Verfahrensbeteiligten und damit auf den "Einsichtigen" im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. hierzu stellvertretend BVerfG, Beschluss vom 11.10.2001, Az. 2 BvR 1271/01 m.w.N.). Es kommt nicht auf die konkrete subjektive Sicht des betroffenen Beteiligten an. Anders als beim Begriff des "Mutwillens", der bereits nach dem Wortlaut ein subjektives Element enthält, ist der Fassung des § 192 SGG zufolge, die er mit dem Sechsten Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes vom 17.08.2001 erhalten hat, für den Missbrauch nicht mehr erforderlich, dass der Beteiligte subjektiv weiß, die Rechtsverfolgung sei aussichtslos und er führe nun entgegen besserer Einsicht den Prozess weiter. Dies ergibt sich aus der Intention des Gesetzgebers, wie sie im Gesetzgebungsverfahren zu dem Sechsten Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes zum Ausdruck gekommen ist (BT-Drs. 14/5943, S. 28), der den § 192 SGG nach dem Vorbild des § 34 Abs. 2 BVerfGG gestalten wollte und für dessen Anwendung trotz seiner Überschrift im Fall des § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kein Verschulden des Betroffenen erforderlich ist (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteile des Senats vom 26.11.2010 - L 8 U 3211/10 - , vom 20.11.2009 - L 8 SB 1648/08 - und vom 28.11.2008 - L 8 AL 1799/07- unveröffentlicht).

Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Klägerin ist mit richterlicher Verfügung vom 28.01.2013 auf die Möglichkeit der Verhängung von Verschuldenskosten nach § 192 SGG hingewiesen worden. Auch hat die Klägerin ein besonders hohes Maß an Uneinsichtigkeit bewiesen. Sie hat ihre Berufung trotz Erinnerung vom 12.11.2012 nicht begründet, sondern durch ihre Prozessbevollmächtigten am 28.11.2012 telefonisch mitteilen lassen, dass ein Neufeststellungsantrag beabsichtigt sei und auf das Senatsschreiben vom 12.11.2012 zunächst nicht vorgetragen werde. Dass die Klägerin entsprechend diesem Vortrag einen Neufeststellungsantrag gestellt hat, hat sie nicht mitgeteilt und ist auch sonst nicht ersichtlich. Durch ihr Verhalten im Berufungsverfahren drängt sich dem Senat vielmehr der Eindruck auf, dass die Klägerin das Berufungsverfahren nur führt, um sich durch die Ausnutzung der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsmittels unberechtigt weiter auf die Schwerbehinderteneigenschaft und die damit für sie verbundenen Vorteile (im Schuldienst) berufen zu können. Hierauf deutet auch das Verhalten der Klägerin im Verwaltungs- und erstinstanzlichen Verfahren hin. Der Senat hat deshalb der Klägerin in Ausübung seines Ermessens Missbrauchskosten in der Mindesthöhe von 225 Euro auferlegt.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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