L 3 U 2816/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 11 U 458/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 U 2816/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 09. Juni 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt weitere Leistungen zur Entschädigung eines Arbeitsunfalls.

Der am 21.01.1955 geborene Kläger verunglückte am 25.08.2009, als er auf dem Weg zu seiner Beschäftigung als Kranfahrer mit einem Motordreirad von einem Pkw gerammt wurde.

D-Arzt Dr. R., der den Kläger noch am selben Tag untersuchte, diagnostizierte eine Platzwunde über der rechten Augenbraue, deutlichen Klopfschmerz über der Brustwirbelsäule (BWS), multiple oberflächliche Abschürfungen über dem rechten Kniegelenk, multiple Prellungen und eine Distorsion der Halswirbelsäule (HWS). Neurologin Dr. B.-L. stellte in dem Arztbrief vom 03.09.2009 eine Schwellung um das rechte Auge sowie an der genähten Platzwunde der rechten Stirnseite sowie eine endgradige Behinderung der passiven Beweglichkeit der HWS fest. Eine MRT habe einige Protusionen an verschiedenen WS-Segmenten sowie eine deutliche Osteochondrose ergeben. Prof. Dr. W. teilte nach einer Vorstellung des Klägers am 15.09.2009 mit, es zeige sich kein Anhalt für frische Verletzungsfolgen, keine Gefüge¬störungen, aber deutliche degenerative Veränderungen (Be¬richt vom 17.09.2009).

Der Kläger klagte weiter über Schmerzen an Schultern und Hinterkopf sowie an der HWS. Die Beklagte gewährte Verletztengeld bis zum 03.11.2009.

Unter dem 25.11.2009 teilte Prof. Dr. W. mit, nach einer weiteren Vorstellung des Klägers bei ihm am 11.11.2009 sei die Arbeitsfähigkeit mit dem 16.11.2009 wieder eingetreten. Die weitere Behandlung solle durch die Krankenkasse erfolgen. Der behandelnde Arzt Dr. K. gab jedoch unter dem 18.11.2009 an, er habe den Kläger weiterhin primär krankgeschrieben, man solle in elf Tagen (gemeint war der 01.12.2009) mit einer Arbeitserprobung beginnen. Nach einer von der Beklagten veranlassten neurologischen Kontrolluntersuchung teilte Dr. K. unter dem 19.11.2009 mit, die geklagten Cervikalgien seien Folge von Verspannungen der Nackenmusku¬latur, während sich die darüber hinaus geklagten Dysästhesien (Empfindungsstörungen) der rechten Kopfhälfte weder zentral- noch peripher-neuroanatomisch zuordnen ließen und daher am ehesten als funktionell eingestuft werden müssten. Anhaltspunkte für residuelle, posttrauma¬tische, intracranielle Läsionen lägen nicht vor.

Hierauf gestützt erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 17.12.2009 den Unfall als Arbeitsunfall mit einer Zerrung der HWS und einer Schädelprellung als Unfallfolgen an. Keine Unfallfolgen seien degenerative Veränderungen und Bandscheibenprotrusionen der HWS. Ein Anspruch auf Leistungen über den 03.11.2009 hinaus bestehe nicht.

Der Kläger erhob - auf die Versagung weiterer Leistungen beschränkt - Widerspruch und trug vor, er habe vor dem Unfall keine vergleichbaren Beschwerden gehabt. Die Beklagte erließ jedoch den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 17.02.2010.

Der Kläger hat am 02.03.2010 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Er hat vorgetragen, er sei weiterhin unfallbedingt krankgeschrieben; die Krankschreibung dauerte dann noch bis zum 17.05.2010 an. Die degenerativen Veränderungen hätten bereits vor dem Unfall bestanden, jedoch keine Beschwerden verursacht. Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zur Zahlung weiteren Verletztengeldes über den 03.11.2009 hinaus sowie zu Erstattung von EUR 1.794,20 für selbst finanzierte Krankenbehandlungen zu verurteilen. Die einzelnen veraus-lagten Behandlungskosten hat er mit Schriftsatz vom 20.05.2011 beziffert und konkretisiert.

Das SG hat das Vorerkrankungsverzeichnis des Klägers bei seiner Krankenkasse, der BKK ZF, vom 28.04.2010 beigezogen, auf das verwiesen wird. Ferner hat es den Entlassungsbericht der F. Bad B., PD Dr. H., über eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme des Klägers vom 05. bis 26.03.2010 beigezogen. Darin war neben einer chronischen Cerviko¬zephalgie rechts und chronischen rezidivierenden BSW- und LWS-Syn¬dromen auch eine Somatisierungsstörung auf dem Boden einer ängstlich-passiven Persönlichkeitsstruktur mit ungünstiger Prognose diagnostiziert worden.

Das SG hat den behandelnden Internisten Dr. S. schriftlich als sachverständigen Zeugen ver-nommen. Dieser hat unter dem 28.06.2010 unter anderem bekundet, er habe den Kläger 2007 wegen eines Impingement-Syndroms der rechten Schulter und 2008 wegen BWS- und LWS-Syn¬dromen behandelt. Über HWS-Beschwerden sei damals nicht geklagt worden. Die jetzt initial geklagten Beschwerden und die bis zum 16.05.2010 andauernde Arbeitsunfähigkeit beruhten ausschließlich auf dem Unfall.

Sodann hat das SG den Kläger von Amts wegen bei den Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. K. begutachten lassen. Dieser Sachverständige hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 31.08.2010 ausgeführt, der Kläger habe bei dem Unfall eine Zerrung der HWS und eine Schädelprellung erlitten. Unfallunabhängig sei ein zervikozephales WS-Syndrom bei Osteochon¬dro¬se der HWS sowie ein Thorakalsyndrom bei Osteochondrose der BWS. Unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit habe bis zum 11.11.2009, unfallbedingte Arbeitsun-fähigkeit bis zum 16.11.2009 (letzter Tag der AU: 15.11.2009) bestanden.

Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers hat das SG bei dem Arzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. B. das schriftliche Gutachten vom 23.02.2011 erhoben. Dieser Sachver-ständige hat ausgeführt, der Kläger habe eine Zerrung bzw. Stauchung der HWS und eine Schädelprellung erlitten. Die weiteren Befunde seien nicht unfallabhängig, vor allem beständen erhebliche degenerative Veränderungen der Wirbelsäule. Der Kläger sei über viele Jahre als Kranführer tätig gewesen, was mit Nackenbeschwerden nicht zu vereinbaren sei. Die Krank-schreibung habe nicht willkürlich beendet werden dürfen. Durch die Rehabilitationsmaßnahme im März 2010 sei es zu einer weitgehenden Beschwerderestitution gekommen. Nach den Angaben des Klägers über zeitweise danach fortbestehende Beschwerden seien unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit bis Mai 2010 anzunehmen.

Unter Berufung auf weitere medizinische Unterlagen aus einem parallel geführten Rechtsstreit um den Grad der Behinderung (S 10 SB 196/11) hat der Kläger ferner ausgeführt, die Schädelverletzung sei erheblich gewesen und verursache noch heute Schmerzen und psychische Beeinträchtigungen. Das SG hat sodann die genannte Akte beigezogen. Darin hat sich auch der Arztbrief des Neurologen Dr. M. vom 01.06.2010 gefunden, wonach der Kläger neben dem HWS-Syndrom vor allem auch an Spannungskopfschmerzen leide. Es bestehe auch ein reaktives depressives Syndrom mit Ein- und Durchschlafstörung. Hiermit am ehesten ständen Verände¬rungen des Kurzzeitgedächtnisses und der Konzentrationsfähigkeit in Zusammenhang. In einem weiteren Arztbrief vom 06.07.2010 hat Dr. M. nach einer MRT-Untersuchung des Schädels ausgeführt, es seien keine Hinweise auf intracranielle Traumafolgen festzustellen.

Die Beklagte hat unter dem 31.03.2011 ein Teil-Anerkenntnis dahin abgegeben, wonach weitere Leistungen für die Zeit vom 03. bis 15.11.2009 gewährt würden. Der Kläger hat dieses Teil-Anerkenntnis nicht angenommen.

Mit Teil-Anerkenntnis- und Schluss-Urteil vom 09.06.2011 hat das SG die Beklagte unter entsprechender Abänderung der angegriffenen Bescheide verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 03. bis 15.11.2009 weitere Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, dem Kläger ständen keine weitergehenden Ansprüche auf Verletztengeld oder die Erstattung von Behandlungskosten zu. Die Arbeitsunfähigkeit nach dem 15.11.2009 habe nicht mehr auf dem Unfall beruht. Dies gelte zunächst für die vorrangig im HWS-Bereich lokalisierte Beschwerdesymptomatik, die sich im Verlauf ausgeweitet habe. Dr. K. habe darauf hingewiesen, dass keine knöchernen Verletzungen festgestellt worden seien und es keine Hinweise auf strukturelle unfallbedingte Läsionen oder Weichteilverletzungen gebe. Hingegen seien degenerative Veränderungen nachgewiesen. Die Beschwerden an BWS und LWS beständen seit vielen Jahren. Die erheblichen degenerativen Veränderungen der HWS habe auch Dr. B. festgestellt. Der typische Verlauf einer HWS-Be-schleu¬ni¬gungs¬verletzung lasse einen Rückbildung binnen weniger Wochen erwarten. Ein chronifizierter Verlauf werde in seltenen Fällen bei schweren Verletzungen beschrieben, die aber beim Kläger nicht vorlägen. Das Ende der Arbeitsunfähigkeit sei mit Dr. K. auf den 15.11.2009 anzusetzen. Demgegenüber könnten die Ausführungen von Dr. B. nicht überzeugen. Dieser habe sich allein auf die Angaben des Klägers gestützt, ohne diese zu hinterfragen. Allein der vom Kläger behauptete zeitliche Zusammenhang mache die notwendige Kausalität nicht hinreichend wahrscheinlich. Zudem sei der Kläger auch nach Mai 2010 wiederholt wegen Kopf- und Nackenschmerzen krankgeschrieben gewesen. Zur möglichen Schädelverletzung hat das SG weiter ausgeführt, es sei kein neurologisches Gutachten einzuholen gewesen. In der zeitnahen Untersuchung nach dem Unfall habe Dr. B.-L. Anhaltspunkte für einen hirnorganischen Prozess ausdrücklich verneint. Dies habe auch Dr. K. getan. Bei den Darlegungen von Dr. M. handle es sich um reine Verdachtsdiagnosen. Die MRT-Untersuchung bei ihm habe keine Schädigungsfolgen im Schädel ergeben. Wenn sich für die vom Kläger geklagten Beschwerden an der rechten Stirn- bzw. Kopfseite keine hinreichend klare Ursache finden lasse, könne hierfür nicht im Wege eines Ausschlussbeweises der Unfall verantwortlich gemacht werden. Könne der ursächliche Zusammenhang nicht ausreichend wahrscheinlich gemacht werden, gehe dies nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast zu Lasten des Klägers.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 06.07.2011 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Er trägt vor, er habe sich bislang, auch bei der Benennung Dr. B. als Wahlgutachters, zu sehr auf die Folgen der HWS-Traumatik bezogen. Er sei aber wegen der Schmerzen an der rechten Kopfseite krankgeschrieben gewesen. Diese seien unfallbedingt. Er sei gegen das Blech der Führerkabine seines Dreirads geschlagen, habe eine große Platzwunde und eine blau unterlaufene Schädelhälfte gehabt. Wegen der seitdem bestehenden erheblichen Schmerzen sei er auf eigene Kosten in die Behandlung bei Dr. M. gegangen. Hierzu legt er erneut die Behandlungsberichte dieses Arztes vom 01.06. und 06.07.2010 vor. Der Kläger meint, es müssten die Grundsätze des Beweises des ersten Anscheins eingreifen, die zu seinen Gunsten sprächen.

Der Kläger beantragt,

das Teil-Anerkenntnis- und Schlussurteil des Sozialgerichts Konstanz vom 09. Juni 2011 abzuändern und die Beklagte unter weiterer Abänderung des Bescheids vom 17. Dezember 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Februar 2010 zu verurteilen, auch für die Zeit vom 16. November 2009 bis einschließlich 16. Mai 2010 die Kosten der Krankenbehandlung des Klägers zu erstatten, soweit dieser sie selbst getragen hat, sowie Verletztengeld nach den gesetzlichen Vorschriften zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil und ihre Entscheidungen.

Der Senat hat erneut die Akten des Schwerbehinderten-Verfahrens beigezogen. Darin war unter anderem der Bericht des D. Schmerzzentrums M., Prof. Dr. C., vom 09.03.2011 über eine stationäre Behandlung des Klägers vom 03. bis 19.02.2011 enthalten, in dem eine hoch-chronifizierte, multilokuläre Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren bzw. eine parietal bedingte Hemihypästhesie des Kopfes ohne neurologisches Korrelat beschrieben werden.

Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers hat der Senat bei Prof. Dr. G. ein psychosomatisches Fachgutachten eingeholt. Dieser Sachverständige hat unter dem 20.08.2012 schriftlich ausgeführt, bei dem Kläger handle es sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt um eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, einhergehend mit einer mittelgradigen depressiven Episode mit somatischen Syndromen. Der Unfall am 25.08.2009 sei "auslösende" Ursache der Schmerzstörung. Das Ausmaß dieses ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Unfall und der Gesundheitsschädigung im Sinne haftungsausfüllender Kausalität lasse sich jedoch nicht mehr vollkommen zweifelsfrei feststellen. In der medizinischen Wissenschaft werde der Ätiologie der chronischen Schmerzstörung ein komplexes bio-psycho-soziales Krankheitsmodell zu Grunde gelegt, das sich nicht mit linearen oder monokausalen Verursachungslehren in Einklang bringen lasse. Dies gelte auch für die Beschwerden an der rechten Kopfseite, für die sich ein organisches Korrelat bis heute nicht habe finden lassen. Eine entsprechende Vulnerabilität (Verletzlichkeit) des Klägers deute sich darin an, dass bereits in der Vergangenheit funktionelle Organbeschwerden im gastrointestinalen Bereich sowie an BWS und LWS beschrieben seien. Der Umgang des Klägers mit der chronischen Schmerzerkrankung sei für einen so¬ma¬ti¬sie¬rungs¬geneigten Patienten paradigmatisch. Eine eindeutig unfallbedingte Behandlungsbe¬dürf¬tig¬keit, so Prof. Dr. G. weiter, habe bis zum 15.11.2009 bestanden. Die psychosomatische Behandlungsbedürftigkeit jener Beschwerden, die durch den Unfall ausgelöst, doch nicht allein durch diesen Unfall begründet seien, bestehe bis heute unverändert fort. Rein somatische Behandlungsverfahren würden keine nachhaltigen Erfolge zeigen. Wegen der weiteren Feststellungen und Schlussfolgerungen des Sachverständigen wird auf das schriftliche Gutachten verwiesen.

Beide Beteiligte haben zu den Ergebnissen des Beweisverfahrens Stellung genommen.

Der Senat hat den Kläger persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses wird auf das Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung vom 13.12.2012 verwiesen.

In jenem Erörterungstermin haben beide Beteiligte auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die Berufung des Klägers, über die der Senat nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im Einvernehmen mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat zu Recht der Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1, Abs. 4 SGG) nur insoweit stattgegeben, als das Teil-Anerkenntnis der Beklagten reichte. Die darüber hinaus geltend gemachten Ansprüche auf weiteres Verletztengeld für die Zeit vom 16.11.2009 bis zum 16.05.2010 sowie auf Erstattung von EUR 1.794,20 Aufwendungen für selbst beschaffte Krankenbehandlung stehen nicht zu.

Die rechtlichen Voraussetzungen der Ansprüche auf Verletztengeld (§ 45 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VII]) und Erstattung verauslagter Behandlungskosten nach dem im Unfallversicherungsrecht entsprechend anwendbaren § 13 Abs. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) i.V.m. § 26 Abs. 4 Satz 2 SGB VII hat das SG in dem angegriffenen Urteil zutreffend dargelegt, auf jene Ausführungen wird verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG). Das Gleiche gilt für die in diesem Verfahren relevanten Anforderungen an den Ursachenzusammenhang zwischen einem Arbeitsunfall (§ 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII) und einem Gesundheitsschaden, für den nach der Rechtsprechung der Sozialgerichte eine (überwiegende) Wahrscheinlichkeit für eine wesentliche Mitverursachung ausreicht.

Der Senat ist der Ansicht, dass die Arbeitsunfähigkeit (§ 45 Abs. 1 Satz 1 SGB VII) und die Behandlungsbedürftigkeit (§ 26 Abs. 1, Abs. 2 SGB VII) des Klägers, soweit sie über den 15.11.2009 hinaus - und wohl bis zum 15.05.2010 - bestanden haben, nicht mehr im Sinne der genannten Kausalitätsanforderungen auf den Unfall am 25.08.2009 zurückzuführen sind.

a) Bei dem Kläger bestand in der fraglichen Zeit insoweit - unter anderem - eine chronische Schmerzstörung mit Schmerzentwicklungen vor allem auf der rechten Seite des Schädels sowie Taubheits-Missempfindungen mit Ausstrahlungen bis in die rechte Nacken- und Schulterregion. Diese Symptome hat insbesondere Prof. Dr. G. in seinem Gutachten vom 20.08.2012 beschrieben (S. 32). Seine Feststellungen sind überzeugend. Er hat nicht nur den Kläger umfassend untersucht und dessen Symptomschilderungen im Einklang mit den Anforderungen an die sozialmedizinische Beurteilung von Schmerzerkrankungen (vgl. Schönberger/Mehrtens/ Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 213 ff., 219) für plausibel gehalten. Prof. Dr. G. hat vor allem auch die vorhandenen ärztlichen Unterlagen aus der Zeit nach dem Unfall ausgewertet. Er hat hierbei zutreffend darauf hingewiesen, dass bereits Prof. Dr. W. bereits in seinem Bericht vom 17.09.2009 von persistierenden Schmerzen - noch an der HWS lokalisiert - und in dem weiteren Zwischenbericht vom 25.09.2009 von rezidivierenden Kopfschmerzen gesprochen hat. Dass diese Schmerzen fortbestanden haben und im weiteren Ablauf auch zunehmend im Kopfbereich und nicht - wie wohl anfangs irrtümlich - an der HWS lokalisiert wurden, zeigen auch die Arztberichte von Dr. K. vom 19.11.2009 ("Cervikalgien Dysästhesien der rechten Kopfhälfte"), von der C.-Klinik S. vom 11.02.2010 ("chronisches Schmerzsyndrom im Stadium III nach Gerbershagen") und der Entlassungsbericht der F., Dr. H., vom 30.03.2010 ("Somatisierungsstörung", S. 1, "anhaltende Beschwerdesymptomatik mit Taubheitsgefühl der re. oberen Kopfhälfte sowie Schmerzen im Bereich der re. Kopfhälfte ausstrahlend in den Nacken", S. 2/2).

b) Dieses Schmerzsyndrom des Klägers war in der fraglichen Zeit zum einen nicht - mehr - somatisch bedingt. Die Platzwunde an der Stirn, die der Kläger bei dem Unfall erlitten hatte, war bereits verheilt. Schon am 03.09.2009 hatte Dr. B.-L. hierzu ausgeführt, es sei - nur noch - eine Schwellung an der genähten Wunde zu finden. Auch die bei dem Unfall erlittene und von der Beklagten anerkannte Zerrung bzw. Stauchung der HWS war ab November 2009 nicht mehr Ursache der geklagten Schmerzen. Diese Frage haben insbesondere die in erster Instanz erhobenen Gutachten von Dr. K. und Dr. B. beleuchtet. Beide haben ausgeführt, die Folgen der HWS-Schädigung selbst seien inzwischen folgenlos ausgeheilt. Dies überzeugt, nachdem die bildgebenden Untersuchungen aus der Zeit zuvor keine - unfallbedingten - morphologischen Veränderungen ergeben hatten. So hatte Dr. W. unter dem 17.09.2009 berichtet, es zeigten sich kein Anhalt für frische Verletzungsfolgen, keine Gefügestörungen, sondern nur - nicht unfallbedingte - deutliche degenerative Veränderungen. Ebenso hatte Schmerztherapeut Dr. M. in seinem Arztbrief vom 06.07.2010 nach einer MRT-Untersuchung des Schädels beschrieben, es seien keine Hinweise auf intracranielle Traumafolgen festzustellen. Diese Einschätzung deckt sich mit der allgemeinen medizinischen Lehre. Selbst eine mittelgradige HWS-Distorsion verursacht Beschwerden für höchstens Wochen bis Monate und eine Arbeitsunfähigkeit von höchstens sechs Wochen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 464). Eine längere Arbeitsunfähigkeit und eine mehrmonatige, aber nicht über ein Jahr hinausgehende Beschwerdedauer wird erst durch eine schwere Distorsion verursacht (a.a.O.). Eine solche schwere Distorsion hat der Kläger bei dem Unfall aber nicht erlitten. Sie hätte eine primäre Insuffizienz der Halsmuskulatur, Brachialgien, Armparesen und evtl. eine Bewusstlosigkeit nach dem Unfall vor¬ausgesetzt (a.a.O.). Bei dem Kläger bestand nach dem Unfall aber nur eine endgradige Einschränkung der Beweglichkeit der HWS, wie sich aus dem D-Bericht von Dr. R. vom 25.08.2009 ergibt. Entsprechend hat auch Prof. Dr. G. in dem Gutachten vom 20.08.2012 überzeugend ausgeführt, dass die körperlichen Folgen des Unfalls an der HWS selbst nicht geeignet waren, ein chronifiziertes Schmerzsyndrom zu verursachen wie es bei dem Kläger aber vorliegt.

c) Das fortbestehende Schmerzsyndrom des Klägers war vielmehr überwiegend psychogen bedingt bzw. vermittelt (vgl. hierzu Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 215 ff.). Prof. Dr. G. hat es als somatoforme Störung beschrieben und als eine Krankheit nach Nr. F 45.41 der ICD-10, der internationalen Klassifikation der Krankheiten der WHO, eingeordnet. Dies ist überzeugend. Seine Einschätzung deckt sich mit jener aller Behandler. Bereits unter dem 19.11.2009 hatte Dr. K. die Schmerzen als "funktionell bedingt" eingestuft, also gerade nicht somatisch verursacht. Die C.-Klinik S. hatte dann am 11.02.2010 von einem chronischen Schmerzsyndrom mit - auch - psychischen Faktoren berichtet. Ebenso hatte die F. im Anschluss an die Rehabilitationsmaßnahme im März 2010 von einer Somatisierungsstörung berichtet. Insbesondere hat dann unter dem 01.06. und 06.07.2010 Schmerztherapeut Dr. M. von einem - erheblichen - neuropathischen Schmerzsyndrom auf der Basis einer reaktiven Depression berichtet.

d) Der Senat ist der Ansicht, dass dieses psychogen bedingte Schmerzsyndrom nicht mehr im Rechtssinne auf den Unfall zurückgeführt werden kann. Es ist nicht hinreichend wahrscheinlich, dass der Unfall eine wesentliche Ursache für die späteren Symptome ist, vor der die weiterhin bestehenden anderen Ursachen aus Rechtsgründen zurücktreten müssten.

Zwar war der Unfall im naturwissenschaftlichen Sinne eine "conditio sine qua non". Ohne den Unfall wäre das Schmerzsyndrom nicht an dieser Körperstelle, nicht in dieser Intensität und nicht in jenem Zeitraum entstanden wie es bei dem Kläger geschehen ist (vgl. hierzu Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 22). Prof. Dr. G. hat diesen Punkt überzeugend und letztlich unbestritten so umschrieben, dass der Unfall der "Auslöser" des Schmerzsyndroms war. Aber die reine naturwissenschaftliche Kausalität ist nur die Basis der Zurechnung in der gesetzlichen Unfallversicherung. Die hier anerkannte Lehre von der rechtlich wesentlichen Bedingung führt zu Einschränkungen des Ursachenzusammenhangs.

Insbesondere wird der Ursachenzusammenhang verneint, wenn ein Unfall nur eine Gelegen-heitsursache war, der Gesundheitsschaden aber auch bei einer anderen, geringfügigen Beeinträchtigung des täglichen Lebens zumindest in ähnlicher Form und zu in etwa gleicher Zeit hätte entstehen können (a.a.O., S. 26). Diese Voraussetzungen sieht der Senat hier als gegeben an. Wie Prof. Dr. G. überzeugend dargelegt hat, liegt der Entstehung eines psychogen bedingten Schmerzsyndroms ein Ursachenbündel zu Grunde, das neben sozialen und privaten Umständen ganz wesentlich auch die vorbestehende Persönlichkeitsstruktur des Patienten umfasst, und zwar unabhängig davon, ob bereits eine echte (psychische) Krankheit, also eine Vorerkrankung vorlag, oder die Persönlichkeitsstruktur noch in der Bandbreite nicht als krankhaft einzu¬stufender Varianten ("prämorbide") bleibt. Es ist anerkannt, dass in solchen Fällen ein akutes Trauma, das nur im Zusammenwirken mit anlagebedingten Faktoren zu einer Krankheit führt, keine wesentliche Ursache darstellt (a.a.O., S. 153). Auf dieser Ebene ist abzugrenzen zwischen rechtlich wesentlichen und unwesentlichen Ursachen; gerade bei Erkrankungen, die wie hier nicht monokausal verursacht sind. Der Senat verkennt nicht, dass - gerade im Bereich psychogen bedingter Erkrankungen - ein rechtlich relevanter Ursachenzusammenhang zu einem Arbeits¬unfall nicht allein deswegen ausgeschlossen ist, weil infolge einer besonderen, nämlich zur Somatisierung neigenden Persönlichkeitsstruktur eines Versicherten eine spezielle Disposition zur Ausbildung psychischer Störungen besteht (BSG, Urt. v. 09.05.2006, B 2 U 40/05 R, Juris Rn. 11). Die sozialrechtliche Kausalitätstheorie unterscheidet sich von der Adäquanztheorie des Zivilrechts gerade dadurch, dass sie bei der Beurteilung von Zusammenhängen nicht auf einen durchschnittlich belastbaren Menschen abstellt, sondern die Verhältnisse und Eigenarten des konkreten Versicherten berücksichtigt und danach fragt, welche Faktoren im konkreten Einzelfall wesentlich zu dem Erfolg beigetragen haben (a.a.O.). Gerade für Fälle wie hier, in denen eine psychische Erkrankung durch einen Verkehrsunfall verursacht worden ist, hat das BSG (a.a.O., Rn. 11, 12) aber weiter ausgeführt, es sei gleichwohl die Frage zu beantworten, ob ein solcher Unfall nach wissenschaftlichen Maßstäben allgemein geeignet sei, eine psychische Störung der vorliegenden Art hervorzurufen. Ergibt sich, dass - im konkreten Fall, also subjektiv bezogen auf den konkreten Versicherten - der Unfall nur eine Gelegenheitsursache war, so ist der Kausalzusammenhang auch unfallversicherungsrechtlich zu verneinen. Dies war bei dem Kläger der Fall. Wie sich insbesondere aus dem Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse ergibt, bestand eine Somatisierungsneigung, die sich schon in anderen somatischen Beschwerden, insbesondere an LWS und BWS und im gastrointestinalen Bereich gezeigt hatte. Auch gestützt hierauf hat Prof. Dr. G. überzeugend ausgeführt, es sei nicht feststellbar, in welchem Ausmaß der Unfall an der Entstehung des Schmerzsyndroms mitgewirkt habe. Er hat aber neben der Vorbelastung dar¬auf hingewiesen, dass bei dem Kläger auch bereits degenerative Verschlei߬erscheinungen bestanden und dass auch diese im Zusammenspiel mit innerpsychischen, familiensystemischen und sozialen Faktoren an dem - psychisch vermittelten - Schmerzsyndrom mitgewirkt haben (S. 40). Der Senat würdigt bei seiner Einschätzung auch, dass bei dem Kläger nach den Feststellungen Prof. Dr. G. eine weitere psychische Erkrankung vorliegt, nämlich eine zurzeit mittelgradige depressive Episode (S. 34) mit sogar auffälligen kognitiven Einschrän¬kungen (vgl. die Ergebnisse des Uhrentests, S. 24, 38, die sich kaum in Einklang mit der übrigen Symptombeschreibung bringen lassen). Es ist letztlich nicht zu klären, inwieweit diese Erkrankung ihrerseits an der Schmerzerkrankung mitwirkt oder ggfs. weitere Folge der Schmerz¬erkrankung ist. Aber als weitere Ursache der Schmerzerkrankung neben dem Unfall und der Persönlichkeitsstruktur des Klägers kommt sie in Frage. Vor diesem Hintergrund kann nicht festgestellt werden, dass der Unfall die rechtlich wesentliche Ursache des fortbestehenden psychogenen Schmerzsyndroms ist. Im Einklang mit den Vorschlägen von Prof. Dr. G. (S. 42 f.) geht der Senat daher davon aus, dass die Arbeitsunfähigkeit und die Behandlungsbedürftigkeit des Klägers jedenfalls ab dem 16.11.2009 nicht mehr im Rechtssinne auf dem Unfall beruhten.

2. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.

3. Gründe für eine Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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