L 4 KR 1/13 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 7 KR 3188/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 1/13 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 20. November 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt von der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren noch die vollständige Übernahme der tatsächlichen Kosten für einen Zahnersatz.

Der 1961 geborene Antragsteller ist Mitglied der Antragsgegnerin. Zahnarzt D. beantragte für ihn unter Vorlage eines Heil- und Kostenplanes vom 13. September 2012 die Versorgung mit Zahnersatz (Brücken und Kronen). Die geschätzten Gesamtkosten belaufen sich nach dem Heil- und Kostenplan auf EUR 6.001,03. Mit Bescheid vom 24. September 2012 bewilligte die Antragsgegnerin einen Festzuschuss i.H.v. EUR 2.383,58. Hiergegen erhob der Antragsteller mit Schreiben vom 27. September 2012, bei der Antragsgegnerin eingegangen am 4. Oktober 2012, Widerspruch. Er beanstandete, dass lediglich der normale Satz von 50 vom Hundert (v.H.) für den Zahnersatz bewilligt worden sei. Bei ihm liege, wie der Antragsgegnerin bekannt sein, jedoch ein sogenannter "Härtefall" vor. Der Satz für den sogenannten "Härtefall" betrage 100 v.H., also EUR 4.767,16. Aber auch bei bewilligten EUR 4.767,16 müsse er weitergehenden Widerspruch einlegen. Es seien von der Antragsgegnerin nicht nur die notwendigen, sondern die tatsächlichen Kosten i.H.v. EUR 6.001,03 zu übernehmen.

Unter Beifügung dieses Widerspruchsschreibens stellte der Antragsteller bereits am 2. Oktober 2012 beim Sozialgericht Mannheim (SG) einen Antrag auf einstweilige Anordnung. Zum Anordnungsgrund verwies er auf sein Widerspruchsschreiben. Zur Eilbedürftigkeit trug er vor, dass sich diese bereits aus dem Gesetz ergebe. Ohne Zähne nicht essen zu können, widerspreche der Menschenwürde nach Artikel 1 Grundgesetz (GG). Es sei also anzuordnen, die Oktobermiete i.H.v. EUR 240,00 zzgl. 11,5 % per anno Verzugszinsen umgehend zu überweisen. Dieser Antrag wurde beim SG unter dem Aktenzeichen S 7 KR 3188/12 ER geführt.

Neben diesem Antrag führte das SG zwei weitere Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz des Antragstellers, mit denen er ebenfalls die Übernahme der Kosten für den Zahnersatz begehrte und sein Widerspruchsschreiben vom 27. September 2012 beifügte. Die Anträge unterscheiden sich von dem unter dem Aktenzeichen S 7 KR 3188/12 ER geführten Verfahren dadurch, dass der Antragsteller bei einem Antrag weitere Ausführungen zum Anordnungsgrund machte (S 7 KR 3186/12 ER) und beim anderen Antrag die Angabe, dass ohne Zähne nicht essen zu können, der Menschenwürde nach Artikel 1 GG widerspreche, fehlte (S 7 KR 3187/12 ER). Mit Beschluss vom 12. Oktober 2012 lehnte das SG den Antrag des Klägers der Erlass einer einstweiligen Anordnung, der unter dem Aktenzeichen S 7 KR 3186/12 ER geführt wurde, ab. Mit Beschluss vom 19. Dezember 2012 lehnte das SG den Antrag des Antragsstellers, der unter dem Aktenzeichen S 7 KR 3187/12 ER geführt wurde, ab.

Die Antragsgegnerin trat dem Antrag, der unter dem Aktenzeichen S 7 KR 3188/12 ER geführt wurde, entgegen. Sie ging davon aus, dass, nachdem dieses Verfahren mit dem unter dem Aktenzeichen S 7 KR 3186/12 ER identisch sei, für das Verfahren kein Rechtsschutzbedürfnis vorliege, und bewilligte, nachdem der Antragsteller am 10. Oktober 2012 einen Härtefallantrag gestellt hatte, am 10. Oktober 2012 den doppelten Festzuschuss.

Mit Beschluss vom 20. November 2012 lehnte das SG auch im Verfahren S 7 KR 3188/12 ER den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Zur Überzeugung der Kammer liege beim Antragsteller hinsichtlich der (vorläufigen) Übernahme der Kosten für die Zahnbehandlung kein Anordnungsgrund vor. Dem Antragsteller seien die sogenannten befundbezogenen Zuschüsse gewährt worden. Die Antragsgegnerin habe ausdrücklich erklärt, die Prüfung eines Härtefalls bzw. die Erhöhung des bewilligten Zuschusses nach Vorlage sämtlicher Unterlagen zu bearbeiten. Der Antragsteller selbst könne eine Bearbeitung des Antrags dadurch erreichen, dass er die erforderlichen Angaben/Nachweise so schnell wie möglich vorlege. Zur Abwendung wesentlicher Nachteile im Sinne der Regelungen über die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes sei daher im vorliegenden Fall lediglich eine Handlung des Antragstellers selbst, nicht jedoch eine gerichtliche Regelungsanordnung erforderlich. Im Übrigen sei weder ersichtlich noch dargetan, dass eine akute Behandlungsbedürftigkeit bestehe. Mithin sei ein Anordnungsgrund für eine im Wege des Eilrechtsschutzes begehrte (über die Härtefallreglung hinaus gehende) vollständige Kostenübernahme nicht im Rechtssinne glaubhaft gemacht. Hinsichtlich der Übernahme bzw. Anweisung der Oktobermiete fehle es offenkundig an einem Anordnungsanspruch des Antragstellers gegenüber der Antragsgegnerin ...

Gegen den ihm am 11. Dezember 2012 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 2. Januar 2013 Beschwerde eingelegt. Er trägt vor, dass sich die Sache keinesfalls dadurch erledigt habe, dass die Antragsgegnerin einen Härtefall bewilligt habe. Er habe Anspruch auf Übernahme der tatsächlichen Kosten, die sich über den sogenannten Härtefall hinaus auf gut EUR 1.200,00 beliefen, denn die Gesamtkosten betrügen mindestens EUR 6.001,03. Er beziehe eine Rente von EUR 165,35 monatlich und sei auf Grundsicherung gemäß §§ 41 ff Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) angewiesen. Die Finanzierungslücke werde nicht durch den Regelsatz abgedeckt. Der Fehler liege darin, dass der Zuschuss pauschaliert werde. Der Ansatz, dass bei allen Menschen dieselben Verhältnisse vorlägen, sei völlig falsch. Ein Anordnungsgrund sei hier in jedem Fall gegeben. Er habe immer wieder Zahnschmerzen in allen vier Quadranten, da der Zahnersatz finanziell bedingt bisher habe nicht durchgeführt werden können. Bis zum Abschluss des Hauptverfahrens könne er nicht abwarten. Das Eilverfahren nehme das Hauptverfahren auch nicht vorweg, da ihm die Antragsgegnerin ein Darlehen gewähren könne. Mit Schriftsatz vom 1. März 2013, eingegangen am 13. März 2013 hat der Antragsteller mitgeteilt, dass mehrere Operationen an einem Zahn und am Kieferapparat hätten durchgeführt werden müssen und die Abheilung bis voraussichtlich Mitte März 2013 dauern würde. Der alte Heil- und Kostenplan sei somit ungültig geworden. Es werde ab ca. Mitte März 2013 ein neuer Heil- und Kostenplan erstellt werden müssen. Es sei davon auszugehen, dass sich die Finanzierungslücke noch vergrößern werde.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 20. November 2012 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, über den doppelten Festzuschuss hinaus die vollständigen Kosten für den bei ihm erforderlichen Zahnersatz darlehensweise zu übernehmen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie entgegnet, dass hier schon ein Anordnungsanspruch nicht gegeben sei, und verweist auf ihren Schriftsatz vom 28. Januar 2013 im Verfahren S 2 SO 4094/12, mit dem der Antragsteller die Übernahme der Zuzahlung für den Zahnersatz vom R.-N.-Kreis und der Antragsgegnerin begehrt hat. Im Schriftsatz vom 28. Januar 2013 hat die Antragsgegnerin ausgeführt, dass der Zahnarzt, soweit es dem Antragsteller um eine über den doppelten Festzuschuss hinausgehende Kostenübernahme gehe, eine Kostenübernahme - als Sachleistung - über seine Kassenzahnärztliche Vereinigung mit der Kasse abrechnen könne. Voraussetzung sei, dass es sich nicht um eine gleichartige oder andersartige Versorgung handele. Anspruchsgrundlage sei insofern § 55 Abs. 2 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Ergänzend führt die Antragsgegnerin aus, dass sie nach wie vor davon ausgehe, dass der Antragsteller nicht beschwert sei. Er werde gebeten, den im Schriftsatz vom 28. Januar 2013 skizzierten Weg einzuhalten. Im Übrigen scheitere der Antrag auch daran, dass ein Anordnungsgrund nicht gegeben sei. Es entstünden keine schweren und unzumutbaren, anders nicht abwendbaren Nachteile, wenn der Antragsteller auf das Hauptsacheverfahren verwiesen werde.

Im Verfahren S 2 SO 4094/12 hat der Antragsteller mit Schreiben vom 13. Februar 2013, beim SG eingegangen am 11. Februar 2013, die Verlegung der auf den 14. Februar 2013 terminierten mündlichen Verhandlung beantragt, da er am Folgetag an der linken Kieferhöhle und 14 Tage später an der rechten Kieferhöhle operiert werde. Das SG hat die Klagen des Antragstellers im Verfahren S 2 SO 4094/12 mit rechtskräftigem Urteil vom 14. Februar 2013 abgewiesen. Die Klage sei unzulässig, weil bei der vom Antragsteller wegen der ungedeckten Kosten seiner Zahnbehandlung erhobenen alternativen Häufung von Klagen gegen verschiedene Leistungsträger es an der erforderlichen Bestimmtheit des Beklagten fehle.

Der Senat hat die Akten des SG S 7 KR 3187/12 ER, S 7 KR 3186/12 ER und S 2 SO 4094/12 beigezogen.

Zur weiteren Darstellung wird auf die Beschwerdeakten, die Akten des Antragsverfahrens, die von der Antragsgegnerin vorgelegten Verwaltungsakten und die beigezogenen Akten Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist zulässig. Ein Ausschlussgrund nach § 172 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist nicht gegeben. In der Hauptsache ist die Berufung zulässig, weil weitere Leistungen von etwa EUR 1.200,00 im Streit sind.

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist jedoch nicht begründet. Das SG hat den im Beschwerdeverfahren weiterverfolgten Antrag des Antragstellers, die Beklagte vorläufig zu verpflichten, die Kosten für die Zahnbehandlung vollständig zu übernehmen, zurecht abgelehnt.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands im Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist Voraussetzung, dass ein dem Antragsteller zustehendes Recht oder ein rechtlich geschütztes Interesse vorliegen muss (Anordnungsanspruch), das ohne Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes vereitelt oder wesentlich erschwert würde, sodass dem Antragsteller schwere, unzumutbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund müssen glaubhaft gemacht sein (§ 86b Abs. 2 Satz 4 i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO - ). Glaubhaftmachung liegt vor, wenn das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes überwiegend wahrscheinlich sind. Dabei begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache orientieren (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 2. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 -, in juris).

Die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung sind danach vorliegend nicht erfüllt. Es fehlt nicht nur ein Anordnungsanspruch, sondern auch ein Anordnungsgrund.

Der Senat lässt offen, ob der Antragsteller gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 10. Oktober 2012, mit dem sie den doppelten Festzuschuss bewilligt hat, Widerspruch eingelegt hat, oder ob dieser Bescheid vom Antragsteller nicht angefochten wurde. Denn auf jeden Fall hat der Antragsteller den Bescheid der Antragsgegnerin vom 24. September 2012 angefochten. Insoweit ist noch ein Widerspruchsverfahren anhängig. Damit steht jedenfalls derzeit nicht bindend (§ 77 SGG) fest, in welcher Höhe der Antragsteller Anspruch auf Übernehme der Kosten für den Zahnersatz hat.

Der Senat lässt, nachdem der Antragsteller mit dem Antrag, der unter dem Aktenzeichen S 7 KR 3188/12 ER geführt wurde, auch die Übernahme der Kosten für die Oktobermiete 2012 begehrte, auch offen, ob der streitgegenständliche Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, den das SG mit Beschluss vom 20. November 2012 abgelehnt hat, zulässig war, nachdem der Antragsteller mit weiteren Anträgen, die vom SG unter den Aktenzeichen S 7 KR 3186/12/ER und S 7 KR 3187/12 ER geführt wurden und mit Blick auf den Zahnersatz denselben Streitgegenstand hatten, eine doppelte Rechtshängigkeit mit der Folge der Sperrwirkung vorgelegen haben könnte.

Vorliegend fehlt es jedenfalls mit Blick auf den ursprünglichen Heil- und Kostenplan vom 13. September 2012 sowohl an einem Anordnungsanspruch als auch einem Anordnungsgrund.

Ein Anordnungsanspruch scheitert schon daran, dass der Antragsteller nicht beschwert ist. Die Antragsgegnerin hat ihm nach Vorlage des Heil- und Kostenplanes vom 13. September 2012 den nach §§ 55 Abs. 1, 56 SGB V zustehenden einfachen Festzuschuss bewilligt. Nachdem er einen Härteantrag gestellt hatte, bewilligte sie ihm mit Bescheid vom 10. Oktober 2012 darüber hinaus den doppelten Festzuschuss gemäß § 55 Abs. 2 SGB V. Bezüglich der darüber hinausgehenden Kosten hat sie den Antragsteller darüber aufgeklärt, wie eine diesbezügliche Kostenübernahme über den Zahnarzt erfolgen kann. Die Antragsgegnerin hat damit die Übernahme der Kosten für den Zahnersatz nicht abgelehnt, sondern aufgrund der Anträge des Antragstellers zunächst den einfachen und sodann den doppelten Festzuschuss bewilligt. Die vollständige Übernahme der Kosten ist derzeit noch nicht möglich, da diese vom Zahnarzt über die Kassenzahnärztliche Vereinigung abgerechnet werden müssen. Der Antragsteller ist dann auch keiner Zahlungsforderung des Zahnarztes ausgesetzt.

Auch ein Anordnungsgrund ist nicht gegeben. Zwar hat der Antragsteller vorgetragen, dass er unter Schmerzen leide, doch wurde dies von ihm nicht glaubhaft gemacht. Es ist nicht belegt, dass der Antragsteller auf sofortigen Zahnersatz angewiesen und die bisherige Versorgung unverzüglich zu ersetzen ist. Abgesehen davon können die vom Antragsteller geltend gemachten Zahnschmerzen ihre Ursache auch darin haben, dass der Antragsteller, wie im Verfahren S 2 SO 4094/12 vorgetragen, im Februar 2013 an den Kieferhöhlen operiert wurde. Unter Berücksichtigung der Operationen dürfte auch fraglich sein, ob eine Zahnversorgung sofort erfolgen kann.

Soweit der Antragsteller nunmehr darauf hinweist, dass der ursprüngliche Heil- und Kostenplan vom 13. September 2012 ungültig sei, gilt dies erst Recht. Der Antragsteller ist, wenn der Heil- und Kostenplan nicht mehr aktuell ist, durch die von der Antragsgegnerin bewilligten Zuschüsse nicht beschwert.

Soweit der Antragsteller auf einen noch zu erstellenden neuen Heil- und Kostenplan hinweist, besteht derzeit noch kein Rechtsschutzbedürfnis.

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.

Die Entscheidung ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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