Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 10 SB 753/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 2259/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 10. März 2010 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagte die außergerichtlichen Kosten des Klageverfahrens zu einem Drittel trägt.
Im Berufungsverfahren sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob beim Kläger ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 festzustellen ist.
Der 1968 geborene Kläger erlitt am 15.10.2004 einen Verkehrsunfall. Der Unfallver-sicherungsträger, die Großhandels- und Lagereiberufsgenossenschaft (jetzt: Berufsgenossen-schaft Handel und Warendistribution), anerkannte den Unfall als Arbeitsunfall an, lehnte aber einen Anspruch auf Verletztenrente ab. Die verbliebenen Unfallfolgen - verheilte Gehirner-schütterung, knöchern fest verheilte Brüche des linken Schlüsselbeins sowie der 4., 9. und 11. Rippe links, des Beckenrings mit Beteiligung des rechtsseitigen Kreuzbeins, des linksseitigen Sitzbeins und der Kreuz- Darmbein-Fuge, die Weichteilverletzung der linken Hand sowie der Kopfschmerz und das Belastungsdefizit in den ehemaligen Verletzungsbereichen - hinterließen ab Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit am 06.02.2006 eine MdE von unter 20 v.H. (Bescheid vom 20.04.2006).
Daraufhin lehnte das Landratsamt R.-N.-Kreis - Versorgungsamt - (LRA) den am 19.07.2005 eingegangenen Antrag auf Feststellung des GdB mit Bescheid vom 26.04.2006 unter Hinweis auf § 69 Abs. 2 SGB IX ab. Der Unfallversicherungsträger habe eine MdE von unter 20 v.H. festgestellt. Ein Interesse an einer anderweitigen Feststellung habe der Kläger nicht glaubhaft gemacht, so dass ein Verfahren nach § 69 Abs. 1 SGB IX nicht durchzuführen sei.
Auf den hiergegen eingelegten Widerspruch, mit dem der Kläger das Bestehen einer erektilen Dysfunktion sowie einer Schädigung der Wirbelsäule geltend machte, erteilte das LRA nach Einholung eines orthopädischen und urologischen Befundberichts den Teil-Abhilfebescheid vom 05.10.2006 und stellte den GdB seit 19.07.2005 mit 30 fest. Hierbei folgte es der gutachtlichen Stellungnahme des Dr. S. vom 23.08.2006, der für die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, das chronische Schmerzsyndrom, das Schulter-Arm-Syndrom und den Becken¬schaden einen Einzel-GdB von 30 sowie für die erektile Dysfunktion einen Einzel-GdB von 10 zugrunde legte. Im Übrigen wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 04.12.2006 zurückgewiesen.
Der Kläger hat am 04.01.2007 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben und die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft geltend gemacht. Das zunächst mit Beschluss des SG vom 26.02.2007 wegen des laufenden Verfahrens gegen den Unfallversicherungsträger ausgesetzte Verfahren (S 10 SB 50/07) wurde vom Kläger am 04.03.2008 wieder angerufen (S 10 SB 753/08).
Das SG hat zunächst das Gutachten des Chirurgen Dr. D., erstattet im Rechtsstreit gegen den Unfallversicherungsträger (S 2 U 3788/07), beigezogen und sodann den Anästhesiologen und Schmerztherapeuten Dr. S. als sachverständigen Zeugen schriftlich gehört sowie Prof. Dr. S., Leiter der Sektion Schmerztherapie, Orthopädische Universitätsklinik H., mit einer Begutachtung beauftragt. Dr. D. hat unter dem 16.06.2008 ausgeführt, die Folgen des Arbeitsunfalles hätten keine funktionellen Einschränkungen hinterlassen. Die MdE betrage weniger als 10 v.H. Die vom Kläger gezeigten Bewegungseinschränkungen der LWS sowie im Bereich des Übergangs zur BWS/LWS hätten keine objektivierbare Ursache. Dr. S. hat in seiner Auskunft vom 02.08.2008 ausgeführt, beim Kläger bestehe eine chronische Schmerz-symptomatik im Becken- Hüftbereich sowie im Bereich der unteren LWS und des Thorax mit erheblicher Beeinträchtigung der körperlichen und psychischen Belastbarkeit sowie Ausbildung von Spannungskopfschmerzen und Migräne. Ein neurologisches Korrelat sei nicht vorhanden. Prof. Dr. S. hat unter dem 02.03.2009 auf orthopädischem Fachgebiet einen vollständig konsolidierten Schlüsselbeinbruch links mit endgradiger Bewegungseinschränkung der Schulter links, einen in Fehlstellung vollständig konsolidierten Rippenbruch links, eine leichte Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule, jeweils ohne relevante Funktionsein¬schränkungen und ein organisch nicht erklärbares rechtshinkendes Gangbild beschrieben. Der GdB hierfür betrage 10. Ferner lägen eine mittelschwere posttraumatische Belastungsstörung mit einem Einzel-GdB von 30, eine depressive Episode sowie eine Schmerzstörung in Verbindung mit psychischen Faktoren mit einem Einzel-GdB von jeweils 20 vor. Der Gesamt-GdB betrage 40. Der Einzel-GdB von 10 für die erektile Dysfunktion erscheine plausibel. Diese Funktionsstörung habe keinen wesentlichen Einfluss auf den Gesamt-GdB.
Der Beklagte hat daraufhin unter dem 11.09.2009, gestützt auf die versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. W., ein Vergleichsangebot dahingehend unterbreitet, den GdB mit 40 ab 19.07.2005 festzustellen und die außergerichtlichen Kosten zu einem Drittel zu erstatten. Dieses Vergleichsangebot hat der Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung am 10.03.2010 als Teilanerkenntnis - ohne Kostenregelung (Bl. 88 der SGB IX Akte) - aufrecht erhalten. Nachdem der Kläger das Teilanerkenntnis angenommen und im Übrigen die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft beantragt hatte, hat das SG die Klage mit Urteil vom 10.03.2010 abgewiesen und eine Erstattung außergerichtlicher Kosten abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe nach den Feststellungen des Dr. D. die seinerzeit erheblichen Unfallfolgen gut überwunden. Auch Prof. Dr. S. habe relevante Funktionsbeeinträchtigungen weder im Bereich der Schulter links, noch im Bereich der Wirbelsäule festgestellt. Der Rippenbruch links sei ohne Funktionseinschränkungen fest konsolidiert. Für das rechtshinkende Gangbild gebe es keine Erklärung. Führend seien die psychischen Einschränkungen, die mit einem GdB von 40 ausreichend bewertet seien. Dies entspreche nach Teil B 3.7 der "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (VG) stärker behindernder Störungen, die mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit einher gingen. Eine schwere Störung, für die ein GdB von 50 angemessen sei, liege nach den Feststellungen des Prof. Dr. S. nicht vor. Dies würde z.B. eine schwere Zwangskrankheit mit mittelgradigen Anpassungs¬schwierigkeiten voraussetzen. Aus den geringfügigen objektivierbaren Funktionsbeein¬trächtigungen auf orthopädischem Fachgebiet mit einem GdB von 10 folge keine Erhöhung des Gesamt-GdB, da diese gegenüber der psychischen Beeinträchtigung nicht ins Gewicht falle. Nichts anderes gelte hinsichtlich der erektilen Dysfunktion, wie Prof. Dr. S. ausgeführt habe. Im Übrigen sehen die VG in Nr. 13.2. bei Zeugungsunfähigkeit in jüngerem Lebensalter bei noch bestehendem Kinderwunsch auch nur einen GdB von 20 vor. Nachdem offensichtlich Überschneidungen mit den übrigen Funktionsbeeinträchtigungen auf orthopädischem und psychiatrischem Fachgebiet bestünden, könne im Hinblick auf die psychischen Auswirkungen für den Kläger letztendlich eine höhere Einstufung des Gesamt-GdB auch aus der erektilen Dysfunktion nicht hergeleitet werden.
Gegen das am 08.04.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 03.05.2010 Berufung beim SG eingelegt. Er verweist auf das vom Unfallversicherungsträger eingeholte urologische Gutachten des Dr. H. vom 26.04.2007, der die erektile Dysfunktion, die zu einer Impotentia coeundi geführt habe, mit einer MdE von 40 v.H. eingeschätzt habe. Auch habe sich das SG nicht mit der gutachtlichen Äußerung der Ärztin P. von der Bundesagentur für Arbeit vom 18.05.2009 auseinandergesetzt, die den Kläger nicht für leistungsfähig erachtet habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 10. März 2010 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 26. April 2006 in der Fassung des Bescheides vom 05. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.Dezember 2006 über das Teilanerkenntnis vom 10. März 2010 hinaus zu verurteilen, den Gesamt-GdB mit 50 ab 19.Juli 2005 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und weist auf die versorgungsärztlichen Stellungnahmen des Dr. W. vom 07.11.2010 und 29.11.2011 hin.
Der Senat hat den behandelnden Urologen Dr. H. und den Psychiater J. als sachverständige Zeugen schriftlich gehört und die Berufungsakte im Verfahren gegen die Berufsgenossenschaft Handel und Warendistribution (L 1 U 1667/10) beigezogen.
Der Psychiater J. hat unter dem 21.07.2010 die bereits bekannten Diagnosen - depressive Episoden mit psychovegetativem Syndrom, posttraumatische Belastungsstörung, Schmerz-störung - gestellt. Dr. H. hat in seiner Auskunft vom 02.01.2011 ausgeführt, bei einer außergewöhnlichen psychogenen Belastung sei die Impotentia coeundi mit einem höheren GdB als 20 zu bewerten und verweist hierzu auf die VG sowie auf Angaben im medizinischen Schrifttum (Das urologische Gutachten - K.-H. Bichler, Springer-Verlag). Danach sei der GdB/ die MdE mit 40 v.H. zu bewerten. Die ferner vorliegende leichte Blasenentleerungsstörung rechtfertige einen GdB von 10.
Das zwischenzeitlich mit Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19.09.2011 rechtskräftig abgeschlossene Verfahren gegen die Berufsgenossenschaft Handel und Waren-distribution wurde dahingehend beendet, dass dem Kläger seit 01.07.2010 eine Verletztenrente nach einer MdE um 40 v.H. gewährt wird. Für die Zeit vom 06.02.2006 bis 30.06.2010 verblieb es bei der vom Unfallversicherungsträger bewilligten Verletztenrente nach einer MdE von 30 v.H. (Bescheid vom 16.10.2007). Der 1. Senat des Landessozialgerichts hat sich für die Zeit ab 01.07.2010 der Beurteilung des Dr. Hinz im Gutachten vom 07.07.2010 und des Prof. Dr. S. in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 04.09.2007 angeschlossen und die MdE für die komplette erektile Dysfunktion und ihre psychischen Folgen mit 40 v.H. bewertet. Die von Prof. Dr. S. diagnostizierte unfallbedingte mittelschwere posttraumatische Belastungsstörung sowie die depressive Episode und die Schmerzstörung gehe hierin auf.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Gerichtsakte im Verfahren L 1 U 1667/10 ergänzend Bezug genommen.
II.
Der Senat konnte die Berufung gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss zurückweisen, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Er hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, weil der Fall keine Schwierigkeiten in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht aufweist und zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes eine weitere mündliche Verhandlung nicht erforderlich erscheint. Die Beteiligten sind dazu schriftlich angehört worden.
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht kein höherer GdB als 40 zu.
Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen auf Antrag des behinderten Menschen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung fest. Nach § 69 Abs. 2 SGB IX sind Feststellungen nach Abs. 1 nicht zu treffen, wenn eine Feststellung über das Vorliegen einer Behinderung und den Grad einer auf ihr beruhenden Erwerbsminderung schon in einem Rentenbescheid, einer entsprechenden Verwaltungs- oder Gerichtsentscheidung oder einer vorläufigen Bescheinigung der für diese Entscheidung zuständigen Dienststellen getroffen worden ist, es sei denn, dass der behinderte Mensch ein Interesse an anderweitiger Feststellung nach Abs. 1 glaubhaft macht. Eine Feststellung nach Satz 1 gilt zugleich als Feststellung des Grades der Behinderung. Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Für diese Entscheidung gilt Abs. 1, es sei denn, dass in einer Entscheidung nach Abs. 2 eine Gesamtbeurteilung bereits getroffen ist (§ 69 Abs. 3 Satz 2 SGB IX).
Ein Anwendungsfall von § 69 Abs. 2 SGB IX ist hier nicht gegeben. Zwar liegt eine MdE-Feststellung für die Folgen des am 15.10.2004 erlittenen Arbeitsunfalles vor. Beim Kläger sind jedoch noch weitere Funktionsbeeinträchtigungen zu berücksichtigen, so dass mit der MdE-Feststellung von 40 v.H. eine Gesamtbeurteilung nicht vorliegt. Nicht zulässig ist es, auf die berufsgenossenschaftlichen MdE-Feststellungen Bezug zu nehmen und nur zusätzliche Feststellungen nach dem SGB IX zu treffen. Einen nur teilweisen Verzicht auf eigenständige Feststellungen der Versorgungsbehörden lässt § 69 Abs. 2 SGB IX nicht zu (BSG, Urteil vom 05.07.2007 - B 9/9a SB 12/06 R - juris).
Hinsichtlich der weiteren rechtlichen Voraussetzungen der zu treffenden Entscheidung und der bei der Feststellung des GdB anzuwendenden Maßstäbe verweist der Senat auf die ausführlichen und zutreffenden Ausführungen des SG im angefochtenen Gerichtsbescheid (§ 153 Abs. 2 SGG). Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass bei der Bewertung des GdB entsprechend dem hier streitgegenständlichen Zeitraum als antizipiertes Sachverständigengutachten die vom Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung herausgegebenen Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit (AHP) heran zu ziehen sind und zwar in den Fassungen 2005 und zuletzt 2008. Erst seit 01.01.2009 sind die vom SG in der Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung (Vers.med.V) vom 10.01.2008 zitierten "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu berücksichtigen. Eine andere Beurteilung folgt hieraus nicht, da die VG die AHP abgelöst haben, ohne das eine grundsätzliche Änderung hinsichtlich der medizinischen Bewertung eingetreten wäre.
Im Vordergrund des Beschwerdebildes stehen die psychischen Gesundheitsstörungen. Dabei handelt es sich um eine posttraumatische Belastungsstörung, eine depressive Episode jeweils mittelgradig ausgeprägt sowie um eine Schmerzstörung. Die Teilhabe am Leben ist hierdurch wesentlich eingeschränkt. Der Kläger ist nicht mehr in der Lage selbst Auto zu fahren, als Beifahrer bekommt er Schweißausbrüche und Beklemmungsgefühle. Die sozialen Beziehungen sind deutlich eingeschränkt und es bestehen familiäre Probleme. Ferner ist der Kläger nicht mehr arbeitsfähig, worauf auch die Ärztin P. hingewiesen hat. Aufgrund dieser deutlichen Beeinträchtigungen beträgt der GdB 40. Bei dieser Beurteilung folgt der Senat der Einschätzung des Prof. Dr. S., die im Einklang mit den VG steht. Ein GdB von 50 für die psychischen Störungen ist nicht angemessen. Der Kläger ist noch in der Lage, die wesentlichen Teile des Tagesablaufs aktiv zu gestalten. So begleitet er seinen Sohn auf den Schulweg, bei Freizeitaktivitäten und übernimmt Teile der Hausarbeit.
Die komplette erektile Dysfunktion ist gemäß Nr. 12.2 VG mit einem GdB von 20 angemessen bewertet. Die Blasenentleerungsstörung ist mit einem GdB von 10 zu bemessen. Soweit im Verfahren gegen den Unfallversicherungsträger die MdE für die erektile Dysfunktion und ihre psychischen Folgen einschließlich der Entleerungsstörung der Harnblase mit 40 bewertet wurde, ergibt sich hieraus keine andere Beurteilung. Die Höherbewertung hat ihren Grund in der Berücksichtigung des psychischen Erkrankungsbildes, welches bereits von Prof. Dr. S. mit einem GdB von 40 bewertet wurde. Die Potenzstörung als solche beeinträchtigt nämlich nicht die Leistungsfähigkeit, sie kann jedoch - wie hier - zu psychischen Störungen führen (Krause und Weidner, Andrologie, 3. Aufl., S.315).
Auf orthopädischem Fachgebiet sind keine weitergehenden Funktionsbeeinträchtigungen feststellbar. Der Schlüsselbeinbruch links ist vollständig konsolidiert und hat keine relevante Einschränkung hinterlassen. Gleiches gilt für den erlittenen Rippenbruch links. Für das rechts hinkende Gangbild gibt es kein organisches Korrelat, weshalb dieses nicht zu einer Erhöhung des GdB führen kann. Unter Berücksichtigung der leichten Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule ohne relevante Funktionsbeeinträchtigung ist der GdB auf orthopädisch/ chirurgischem Fachgebiet mit 10 angemessen bewertet. Hierbei folgt der Senat der Beurteilung des Prof. Dr. S. und des Versorgungsarztes Dr. W ...
Insgesamt ergibt sich somit ein Gesamt-GdB von 40. Liegen - wie hier - mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, ist der GdB des § 69 Abs. 3 SGB IX nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Nach Teil A Nr. 3 c VG ist bei der Beurteilung des Gesamt-GdB von der Funktionsstörung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und in wie weit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird. Eine Addition der einzelnen Werte ist nicht zulässig. Nach Teil A Nr. 3 d VG führen zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die - wie vorliegend die geringen Einschränkungen im Bereich der Schulter und der Wirbelsäule sowie die Entleerungsstörung der Harnblase - nur ein GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes des Gesamtbeeinträchtigung. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen, so dass unter Berücksichtigung der erektilen Dysfunktion mit einem Einzel-GdB von 20 ein Gesamt-GdB von 50 nicht erreicht werden kann.
Die Berufung des Klägers war deshalb zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt das teilweise Obsiegen im Klageverfahren.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Im Berufungsverfahren sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob beim Kläger ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 festzustellen ist.
Der 1968 geborene Kläger erlitt am 15.10.2004 einen Verkehrsunfall. Der Unfallver-sicherungsträger, die Großhandels- und Lagereiberufsgenossenschaft (jetzt: Berufsgenossen-schaft Handel und Warendistribution), anerkannte den Unfall als Arbeitsunfall an, lehnte aber einen Anspruch auf Verletztenrente ab. Die verbliebenen Unfallfolgen - verheilte Gehirner-schütterung, knöchern fest verheilte Brüche des linken Schlüsselbeins sowie der 4., 9. und 11. Rippe links, des Beckenrings mit Beteiligung des rechtsseitigen Kreuzbeins, des linksseitigen Sitzbeins und der Kreuz- Darmbein-Fuge, die Weichteilverletzung der linken Hand sowie der Kopfschmerz und das Belastungsdefizit in den ehemaligen Verletzungsbereichen - hinterließen ab Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit am 06.02.2006 eine MdE von unter 20 v.H. (Bescheid vom 20.04.2006).
Daraufhin lehnte das Landratsamt R.-N.-Kreis - Versorgungsamt - (LRA) den am 19.07.2005 eingegangenen Antrag auf Feststellung des GdB mit Bescheid vom 26.04.2006 unter Hinweis auf § 69 Abs. 2 SGB IX ab. Der Unfallversicherungsträger habe eine MdE von unter 20 v.H. festgestellt. Ein Interesse an einer anderweitigen Feststellung habe der Kläger nicht glaubhaft gemacht, so dass ein Verfahren nach § 69 Abs. 1 SGB IX nicht durchzuführen sei.
Auf den hiergegen eingelegten Widerspruch, mit dem der Kläger das Bestehen einer erektilen Dysfunktion sowie einer Schädigung der Wirbelsäule geltend machte, erteilte das LRA nach Einholung eines orthopädischen und urologischen Befundberichts den Teil-Abhilfebescheid vom 05.10.2006 und stellte den GdB seit 19.07.2005 mit 30 fest. Hierbei folgte es der gutachtlichen Stellungnahme des Dr. S. vom 23.08.2006, der für die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, das chronische Schmerzsyndrom, das Schulter-Arm-Syndrom und den Becken¬schaden einen Einzel-GdB von 30 sowie für die erektile Dysfunktion einen Einzel-GdB von 10 zugrunde legte. Im Übrigen wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 04.12.2006 zurückgewiesen.
Der Kläger hat am 04.01.2007 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben und die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft geltend gemacht. Das zunächst mit Beschluss des SG vom 26.02.2007 wegen des laufenden Verfahrens gegen den Unfallversicherungsträger ausgesetzte Verfahren (S 10 SB 50/07) wurde vom Kläger am 04.03.2008 wieder angerufen (S 10 SB 753/08).
Das SG hat zunächst das Gutachten des Chirurgen Dr. D., erstattet im Rechtsstreit gegen den Unfallversicherungsträger (S 2 U 3788/07), beigezogen und sodann den Anästhesiologen und Schmerztherapeuten Dr. S. als sachverständigen Zeugen schriftlich gehört sowie Prof. Dr. S., Leiter der Sektion Schmerztherapie, Orthopädische Universitätsklinik H., mit einer Begutachtung beauftragt. Dr. D. hat unter dem 16.06.2008 ausgeführt, die Folgen des Arbeitsunfalles hätten keine funktionellen Einschränkungen hinterlassen. Die MdE betrage weniger als 10 v.H. Die vom Kläger gezeigten Bewegungseinschränkungen der LWS sowie im Bereich des Übergangs zur BWS/LWS hätten keine objektivierbare Ursache. Dr. S. hat in seiner Auskunft vom 02.08.2008 ausgeführt, beim Kläger bestehe eine chronische Schmerz-symptomatik im Becken- Hüftbereich sowie im Bereich der unteren LWS und des Thorax mit erheblicher Beeinträchtigung der körperlichen und psychischen Belastbarkeit sowie Ausbildung von Spannungskopfschmerzen und Migräne. Ein neurologisches Korrelat sei nicht vorhanden. Prof. Dr. S. hat unter dem 02.03.2009 auf orthopädischem Fachgebiet einen vollständig konsolidierten Schlüsselbeinbruch links mit endgradiger Bewegungseinschränkung der Schulter links, einen in Fehlstellung vollständig konsolidierten Rippenbruch links, eine leichte Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule, jeweils ohne relevante Funktionsein¬schränkungen und ein organisch nicht erklärbares rechtshinkendes Gangbild beschrieben. Der GdB hierfür betrage 10. Ferner lägen eine mittelschwere posttraumatische Belastungsstörung mit einem Einzel-GdB von 30, eine depressive Episode sowie eine Schmerzstörung in Verbindung mit psychischen Faktoren mit einem Einzel-GdB von jeweils 20 vor. Der Gesamt-GdB betrage 40. Der Einzel-GdB von 10 für die erektile Dysfunktion erscheine plausibel. Diese Funktionsstörung habe keinen wesentlichen Einfluss auf den Gesamt-GdB.
Der Beklagte hat daraufhin unter dem 11.09.2009, gestützt auf die versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. W., ein Vergleichsangebot dahingehend unterbreitet, den GdB mit 40 ab 19.07.2005 festzustellen und die außergerichtlichen Kosten zu einem Drittel zu erstatten. Dieses Vergleichsangebot hat der Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung am 10.03.2010 als Teilanerkenntnis - ohne Kostenregelung (Bl. 88 der SGB IX Akte) - aufrecht erhalten. Nachdem der Kläger das Teilanerkenntnis angenommen und im Übrigen die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft beantragt hatte, hat das SG die Klage mit Urteil vom 10.03.2010 abgewiesen und eine Erstattung außergerichtlicher Kosten abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe nach den Feststellungen des Dr. D. die seinerzeit erheblichen Unfallfolgen gut überwunden. Auch Prof. Dr. S. habe relevante Funktionsbeeinträchtigungen weder im Bereich der Schulter links, noch im Bereich der Wirbelsäule festgestellt. Der Rippenbruch links sei ohne Funktionseinschränkungen fest konsolidiert. Für das rechtshinkende Gangbild gebe es keine Erklärung. Führend seien die psychischen Einschränkungen, die mit einem GdB von 40 ausreichend bewertet seien. Dies entspreche nach Teil B 3.7 der "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (VG) stärker behindernder Störungen, die mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit einher gingen. Eine schwere Störung, für die ein GdB von 50 angemessen sei, liege nach den Feststellungen des Prof. Dr. S. nicht vor. Dies würde z.B. eine schwere Zwangskrankheit mit mittelgradigen Anpassungs¬schwierigkeiten voraussetzen. Aus den geringfügigen objektivierbaren Funktionsbeein¬trächtigungen auf orthopädischem Fachgebiet mit einem GdB von 10 folge keine Erhöhung des Gesamt-GdB, da diese gegenüber der psychischen Beeinträchtigung nicht ins Gewicht falle. Nichts anderes gelte hinsichtlich der erektilen Dysfunktion, wie Prof. Dr. S. ausgeführt habe. Im Übrigen sehen die VG in Nr. 13.2. bei Zeugungsunfähigkeit in jüngerem Lebensalter bei noch bestehendem Kinderwunsch auch nur einen GdB von 20 vor. Nachdem offensichtlich Überschneidungen mit den übrigen Funktionsbeeinträchtigungen auf orthopädischem und psychiatrischem Fachgebiet bestünden, könne im Hinblick auf die psychischen Auswirkungen für den Kläger letztendlich eine höhere Einstufung des Gesamt-GdB auch aus der erektilen Dysfunktion nicht hergeleitet werden.
Gegen das am 08.04.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 03.05.2010 Berufung beim SG eingelegt. Er verweist auf das vom Unfallversicherungsträger eingeholte urologische Gutachten des Dr. H. vom 26.04.2007, der die erektile Dysfunktion, die zu einer Impotentia coeundi geführt habe, mit einer MdE von 40 v.H. eingeschätzt habe. Auch habe sich das SG nicht mit der gutachtlichen Äußerung der Ärztin P. von der Bundesagentur für Arbeit vom 18.05.2009 auseinandergesetzt, die den Kläger nicht für leistungsfähig erachtet habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 10. März 2010 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 26. April 2006 in der Fassung des Bescheides vom 05. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.Dezember 2006 über das Teilanerkenntnis vom 10. März 2010 hinaus zu verurteilen, den Gesamt-GdB mit 50 ab 19.Juli 2005 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und weist auf die versorgungsärztlichen Stellungnahmen des Dr. W. vom 07.11.2010 und 29.11.2011 hin.
Der Senat hat den behandelnden Urologen Dr. H. und den Psychiater J. als sachverständige Zeugen schriftlich gehört und die Berufungsakte im Verfahren gegen die Berufsgenossenschaft Handel und Warendistribution (L 1 U 1667/10) beigezogen.
Der Psychiater J. hat unter dem 21.07.2010 die bereits bekannten Diagnosen - depressive Episoden mit psychovegetativem Syndrom, posttraumatische Belastungsstörung, Schmerz-störung - gestellt. Dr. H. hat in seiner Auskunft vom 02.01.2011 ausgeführt, bei einer außergewöhnlichen psychogenen Belastung sei die Impotentia coeundi mit einem höheren GdB als 20 zu bewerten und verweist hierzu auf die VG sowie auf Angaben im medizinischen Schrifttum (Das urologische Gutachten - K.-H. Bichler, Springer-Verlag). Danach sei der GdB/ die MdE mit 40 v.H. zu bewerten. Die ferner vorliegende leichte Blasenentleerungsstörung rechtfertige einen GdB von 10.
Das zwischenzeitlich mit Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19.09.2011 rechtskräftig abgeschlossene Verfahren gegen die Berufsgenossenschaft Handel und Waren-distribution wurde dahingehend beendet, dass dem Kläger seit 01.07.2010 eine Verletztenrente nach einer MdE um 40 v.H. gewährt wird. Für die Zeit vom 06.02.2006 bis 30.06.2010 verblieb es bei der vom Unfallversicherungsträger bewilligten Verletztenrente nach einer MdE von 30 v.H. (Bescheid vom 16.10.2007). Der 1. Senat des Landessozialgerichts hat sich für die Zeit ab 01.07.2010 der Beurteilung des Dr. Hinz im Gutachten vom 07.07.2010 und des Prof. Dr. S. in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 04.09.2007 angeschlossen und die MdE für die komplette erektile Dysfunktion und ihre psychischen Folgen mit 40 v.H. bewertet. Die von Prof. Dr. S. diagnostizierte unfallbedingte mittelschwere posttraumatische Belastungsstörung sowie die depressive Episode und die Schmerzstörung gehe hierin auf.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Gerichtsakte im Verfahren L 1 U 1667/10 ergänzend Bezug genommen.
II.
Der Senat konnte die Berufung gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss zurückweisen, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Er hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, weil der Fall keine Schwierigkeiten in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht aufweist und zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes eine weitere mündliche Verhandlung nicht erforderlich erscheint. Die Beteiligten sind dazu schriftlich angehört worden.
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht kein höherer GdB als 40 zu.
Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen auf Antrag des behinderten Menschen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung fest. Nach § 69 Abs. 2 SGB IX sind Feststellungen nach Abs. 1 nicht zu treffen, wenn eine Feststellung über das Vorliegen einer Behinderung und den Grad einer auf ihr beruhenden Erwerbsminderung schon in einem Rentenbescheid, einer entsprechenden Verwaltungs- oder Gerichtsentscheidung oder einer vorläufigen Bescheinigung der für diese Entscheidung zuständigen Dienststellen getroffen worden ist, es sei denn, dass der behinderte Mensch ein Interesse an anderweitiger Feststellung nach Abs. 1 glaubhaft macht. Eine Feststellung nach Satz 1 gilt zugleich als Feststellung des Grades der Behinderung. Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Für diese Entscheidung gilt Abs. 1, es sei denn, dass in einer Entscheidung nach Abs. 2 eine Gesamtbeurteilung bereits getroffen ist (§ 69 Abs. 3 Satz 2 SGB IX).
Ein Anwendungsfall von § 69 Abs. 2 SGB IX ist hier nicht gegeben. Zwar liegt eine MdE-Feststellung für die Folgen des am 15.10.2004 erlittenen Arbeitsunfalles vor. Beim Kläger sind jedoch noch weitere Funktionsbeeinträchtigungen zu berücksichtigen, so dass mit der MdE-Feststellung von 40 v.H. eine Gesamtbeurteilung nicht vorliegt. Nicht zulässig ist es, auf die berufsgenossenschaftlichen MdE-Feststellungen Bezug zu nehmen und nur zusätzliche Feststellungen nach dem SGB IX zu treffen. Einen nur teilweisen Verzicht auf eigenständige Feststellungen der Versorgungsbehörden lässt § 69 Abs. 2 SGB IX nicht zu (BSG, Urteil vom 05.07.2007 - B 9/9a SB 12/06 R - juris).
Hinsichtlich der weiteren rechtlichen Voraussetzungen der zu treffenden Entscheidung und der bei der Feststellung des GdB anzuwendenden Maßstäbe verweist der Senat auf die ausführlichen und zutreffenden Ausführungen des SG im angefochtenen Gerichtsbescheid (§ 153 Abs. 2 SGG). Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass bei der Bewertung des GdB entsprechend dem hier streitgegenständlichen Zeitraum als antizipiertes Sachverständigengutachten die vom Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung herausgegebenen Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit (AHP) heran zu ziehen sind und zwar in den Fassungen 2005 und zuletzt 2008. Erst seit 01.01.2009 sind die vom SG in der Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung (Vers.med.V) vom 10.01.2008 zitierten "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu berücksichtigen. Eine andere Beurteilung folgt hieraus nicht, da die VG die AHP abgelöst haben, ohne das eine grundsätzliche Änderung hinsichtlich der medizinischen Bewertung eingetreten wäre.
Im Vordergrund des Beschwerdebildes stehen die psychischen Gesundheitsstörungen. Dabei handelt es sich um eine posttraumatische Belastungsstörung, eine depressive Episode jeweils mittelgradig ausgeprägt sowie um eine Schmerzstörung. Die Teilhabe am Leben ist hierdurch wesentlich eingeschränkt. Der Kläger ist nicht mehr in der Lage selbst Auto zu fahren, als Beifahrer bekommt er Schweißausbrüche und Beklemmungsgefühle. Die sozialen Beziehungen sind deutlich eingeschränkt und es bestehen familiäre Probleme. Ferner ist der Kläger nicht mehr arbeitsfähig, worauf auch die Ärztin P. hingewiesen hat. Aufgrund dieser deutlichen Beeinträchtigungen beträgt der GdB 40. Bei dieser Beurteilung folgt der Senat der Einschätzung des Prof. Dr. S., die im Einklang mit den VG steht. Ein GdB von 50 für die psychischen Störungen ist nicht angemessen. Der Kläger ist noch in der Lage, die wesentlichen Teile des Tagesablaufs aktiv zu gestalten. So begleitet er seinen Sohn auf den Schulweg, bei Freizeitaktivitäten und übernimmt Teile der Hausarbeit.
Die komplette erektile Dysfunktion ist gemäß Nr. 12.2 VG mit einem GdB von 20 angemessen bewertet. Die Blasenentleerungsstörung ist mit einem GdB von 10 zu bemessen. Soweit im Verfahren gegen den Unfallversicherungsträger die MdE für die erektile Dysfunktion und ihre psychischen Folgen einschließlich der Entleerungsstörung der Harnblase mit 40 bewertet wurde, ergibt sich hieraus keine andere Beurteilung. Die Höherbewertung hat ihren Grund in der Berücksichtigung des psychischen Erkrankungsbildes, welches bereits von Prof. Dr. S. mit einem GdB von 40 bewertet wurde. Die Potenzstörung als solche beeinträchtigt nämlich nicht die Leistungsfähigkeit, sie kann jedoch - wie hier - zu psychischen Störungen führen (Krause und Weidner, Andrologie, 3. Aufl., S.315).
Auf orthopädischem Fachgebiet sind keine weitergehenden Funktionsbeeinträchtigungen feststellbar. Der Schlüsselbeinbruch links ist vollständig konsolidiert und hat keine relevante Einschränkung hinterlassen. Gleiches gilt für den erlittenen Rippenbruch links. Für das rechts hinkende Gangbild gibt es kein organisches Korrelat, weshalb dieses nicht zu einer Erhöhung des GdB führen kann. Unter Berücksichtigung der leichten Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule ohne relevante Funktionsbeeinträchtigung ist der GdB auf orthopädisch/ chirurgischem Fachgebiet mit 10 angemessen bewertet. Hierbei folgt der Senat der Beurteilung des Prof. Dr. S. und des Versorgungsarztes Dr. W ...
Insgesamt ergibt sich somit ein Gesamt-GdB von 40. Liegen - wie hier - mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, ist der GdB des § 69 Abs. 3 SGB IX nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Nach Teil A Nr. 3 c VG ist bei der Beurteilung des Gesamt-GdB von der Funktionsstörung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und in wie weit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird. Eine Addition der einzelnen Werte ist nicht zulässig. Nach Teil A Nr. 3 d VG führen zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die - wie vorliegend die geringen Einschränkungen im Bereich der Schulter und der Wirbelsäule sowie die Entleerungsstörung der Harnblase - nur ein GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes des Gesamtbeeinträchtigung. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen, so dass unter Berücksichtigung der erektilen Dysfunktion mit einem Einzel-GdB von 20 ein Gesamt-GdB von 50 nicht erreicht werden kann.
Die Berufung des Klägers war deshalb zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt das teilweise Obsiegen im Klageverfahren.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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