L 9 R 3644/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 1035/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 3644/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 22. Juni 2009 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Witwenrente im Zugunstenwege.

Die 1950 geborene Klägerin war vom 9.3.2006 bis 10.4.2006 mit dem 1939 geborenen und am 10.4.2006 verstorbenen J. T. (T.) verheiratet. Dieser bezog seit 1.8.1998 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit mit einem Zahlbetrag von zuletzt 1.347,30 EUR. Die Klägerin war seit April 1965 bei der H. GmbH & Co. KG beschäftigt und bezog im April 2006 ein monatliches Bruttoentgelt von 2.181,73 EUR.

Im Jahr 1998 war bei T. eine dilatative Kardiomyopathie diagnostiziert und im Juni 2001 wegen rezidivierender ventrikulärer Tachykardien ein Defibrillator implantiert worden. Bis Anfang 2006 war T. relativ beschwerdefrei; seitdem traten rezidivierende Lungenstauungen auf und es bestand ein Zustand nach mehrmaliger Auslösung des Defibrillators. Pflegebedürftigkeit bestand bei T. erst seit der Entlassung aus der stationären Behandlung ab 28.3.2006. Bei der letzten Untersuchung am 3.4.2006 waren Cor und Pulmo auskultatorisch und perkutorisch nicht auffällig. Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. B. führte aus, ungeachtet der ernsten kardialen Erkrankung sei der Tod von T. aus medizinischer Sicht überraschend gekommen, zumal nach der Entlassung aus stationärer Behandlung eine Stabilisierung des Zustandsbildes eingetreten sei. Als Todesursache sei im Entlassungsbericht des Krankenhauses T. Exitus letalis bei dekompensierter dilatativer Kardiomyopathie mit rezidivierenden ventrikulären Tachykardien angegeben worden (Befundbericht von Dr. B. vom 22.6.2006).

Am 19.4.2006 beantragte die Klägerin, die schon am 11.4.2006 eine Vorschusszahlung beantragt hatte, die Gewährung von Witwenrente. Sie kreuzte dabei an, die Heirat sei zur Sicherung der erforderlichen Betreuung/Pflege des ständig auf Pflege angewiesenen Ehegatten erfolgt und der Tod des Ehegatten sei bei der Eheschließung auf absehbare Zeit nicht zu erwarten gewesen. Die tödlichen Folgen einer Krankheit seien bei Eheschließung nach ärztlicher Auffassung nicht zu erwarten gewesen. Sie legte eine ärztliche Bescheinigung von Dr. B. vom 24.4.2006 vor, der angab, soweit aus ärztlicher Sicht beurteilbar, werde bestätigt, dass die Klägerin ihren Ehemann bereits mehrere Jahre vor der Eheschließung am 9.3.2006 in seiner Krankheit begleitet und gepflegt habe.

Bei einer persönlichen Vorsprache beim Versichertenberater gab die Klägerin am 16.6.2006 an, von einer Versorgungsehe könne in ihrem Fall nicht ausgegangen werden. In den letzten Jahren habe sie aufgrund einer Ganztagsbeschäftigung für ihren Lebensunterhalt selbst gesorgt. Eine Pflege ihres verstorbenen Ehemanns sei nur insoweit notwendig gewesen, als er aufgrund von Sehschwäche kein Fahrzeug mehr habe lenken können und sie ihn dann habe fahren müssen. Auch habe sie ihn zu gelegentlichen Terminen (z.B. im Krankenhaus in F. oder T.) begleitet bzw. gefahren. Im örtlichen Bereich, wo er sich ausgekannt habe, sei dies nicht notwendig gewesen. Ihre Beziehungen hätten sie durch die Ehe legalisiert, weil die leiblichen Kinder ihres Ehemannes ihr Verhältnis nicht akzeptiert hätten. Um zu bekräftigen, dass ihr Verhältnis auf Dauer angelegt und nicht zu brechen sei, hätten sie dann geheiratet. Durch ihre Eheschließung sollte, wie schon ausgeführt, sichergestellt werden, dass ihr Ehemann nicht an Ort und Haus gebunden sei. Eine lebensbedrohliche Erkrankung habe bei ihrem Mann nicht vorgelegen, dies habe niemand vermutet. Dies sei schon daraus ersichtlich, dass sie demnächst eine Urlaubsreise hätten machen wollen, die sie aus Anlass der Hochzeit von ihren leiblichen Kindern (der Klägerin) geschenkt bekommen hätten. Sie hätten sich auch vorgenommen, ein neues Auto anzuschaffen und das Haus ihres Ehemannes herzurichten.

Ergänzend teilte die Klägerin – unter Vorlage einer Bescheinigung ihres Arbeitgebers – mit, seit dem 14.6.2006 arbeite sie wieder in Vollzeit. Wegen der Pflege ihres Ehemannes habe sie zuvor in Teilzeit gearbeitet. Ihre Heirat sei erfolgt, um ihre Pflegetätigkeit sicherzustellen. Die Klägerin legte eine Gebrauchtfahrzeug-Bewertung vom 6.7.2006 über einen Mercedes-Benz, Erstzulassung 20.6.1991, vor sowie ein an Herrn A. Q. (Sohn der Klägerin) gerichtetes Schreiben des W. vom 28.3.2006, wonach das Hotel Herrn Q. die Zimmerbestellung (1 Studio Posthorn, 2 Personen, 9.9.2006 – 16.9.2006) bestätigte und sich sehr freute, dass er sich wieder für ihr Haus entschieden habe.

Die Beklagte holte eine beratungsärztliche Stellungnahme bei dem Internisten Dr. M. vom 18.7.2006 ein und lehnte mit Bescheid vom 25.7.2006 die Gewährung von Witwenrente ab. Zur Begründung führte sie aus, gemäß § 46 Abs. 2a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) hätten Witwen oder Witwer keinen Anspruch auf Witwen- oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert habe, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt sei, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat gewesen sei, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Nach ihren Erhebungen und der Stellungnahme ihres sozialmedizinischen Dienstes sei beim Krankheitsbild des am 10.4.2006 verstorbenen Ehemannes der Klägerin klar gewesen, dass mittel- bis längerfristig, also im Zeitraum eines halben bis ganzen Jahres, mit einem tödlichen Ausgang der Erkrankung habe gerechnet werden müssen. Aus medizinischer Sicht sei dies zum Zeitpunkt der Eheschließung zumindest im genannten Umfang absehbar gewesen. Die medizinischen Feststellungen sprächen daher für das Vorliegen einer Versorgungsehe.

Hiergegen legte die Klägerin am 8.8.2006 Widerspruch ein, den sie mit Schreiben vom 21.12.2006, eingegangen bei der Beklagten am 27.12.2006, zurücknahm.

Am 6.7.2007 stellte die Klägerin unter Hinweis auf das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Berlin vom 31.1.2007 – L 16 R 487/06 – und unter Vorlage einer Bescheinigung der H. GmbH & Co. KG vom 3.7.2007, wonach ihr monatlicher Bruttolohn derzeit 2.349,98 betrage, einen Überprüfungsantrag, da die Ablehnung der Witwenrente falsch gewesen sei.

Mit Bescheid vom 8.8.2007 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag ab, da das zitierte Urteil noch nicht rechtskräftig sei und sich der dort aufgeführte Sachverhalt auch nicht auf den vorliegenden Fall übertragen lasse.

Hiergegen legte die Klägerin am 24.8.2007 Widerspruch ein und trug vor, sie habe T. im Sommer 1998 kennengelernt. Wegen gesundheitlicher Beschwerden seit Herbst 1998 sei er berentet worden und habe einen Grad der Behinderung (GdB) von 80 zuerkannt bekommen. Da T. seine Wohnung in M. nicht habe aufgeben wollen und sie ebenfalls ihre Wohnung in T. (wegen ihrer Arbeit) habe behalten wollen, hätten sie beschlossen, abwechselnd in T. und M. zu wohnen, bis sie in den Ruhestand gehe. Wegen mehrwöchiger Krankenhausaufenthalte von T. im Jahr 2001 hätten sie schon Weihnachten 2001 über eine Heirat gesprochen. Aufgrund der zahlreichen Krankenhausaufenthalte habe T. immer mehr Angst davor gehabt, in ein Pflegeheim zu kommen. Sie habe ihm versprochen, dass es nie so weit komme und sie immer für ihn da sein werde, auch ohne Trauschein, es sei denn, sie müsse ihre Arbeit aufgeben. Im Januar und Februar 2006 sei T. wieder im Krankenhaus in T. und F. gewesen, um den Defibrillator zu erneuern. Im Krankenhaus in T. habe er sie dann gefragt, ob ihr Versprechen noch gelte, dass er nie in ein Pflegeheim müsse und sie ihn heirate. Dies habe sie bejaht und er sei sehr glücklich gewesen. Sie habe mit der Heirat noch warten wollen, weil sie noch ihre Mutter gehabt habe, die 93 Jahre alt gewesen sei und im November 2006 verstorben sei. Als T. aus dem Krankenhaus entlassen worden sei, habe sie ihren Arbeitgeber gefragt, ob sie kündigen müsse, um ihren Mann zu pflegen, oder ob sie in Teilzeit arbeiten dürfe. Ihr sei sofort zugesagt worden, dass sie in Teilzeit arbeiten und immer noch kündigen könne, wenn es ihrem Mann schlechter gehe. Die Klägerin hat eine Bescheinigung ihres Arbeitgebers vom 27.8.2007, dass sie damals im März 2006 wie auch heute bereit seien, die Klägerin in Teilzeit weiter zu beschäftigen, sowie ein ärztliches Attest von Dr. B. vom 24.8.2007 vorgelegt, dass zum Zeitpunkt der Eheschließung trotz der gestellten Diagnosen und der schlechten Prognose nicht vorhersehbar gewesen sei, dass T. innerhalb eines so kurzen Zeitraums versterben werde.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.12.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die von der Klägerin vorgebrachte Pflegebedürftigkeit von T. habe (erst) seit der Entlassung aus der stationären Behandlung – ab 28.3.2006 – vorgelegen. Zwischen der Eheschließung – am 9.3.2006, kurz vor der Entlassung – und dem Tod hätten auch nur wenige Wochen gelegen. Die Bescheide vom 25.7.2006 und 8.8.2007 seien zu Recht ergangen.

Hiergegen hat die Klägerin am 14.3.2008 Klage zum Sozialgericht (SG) Reutlingen erhoben, mit der sie die Gewährung von Witwenrente weiter verfolgt hat. Sie hat erklärt, den Entschluss zur Eheschließung hätten sie erstmals Weihnachten 2001 und dann Weihnachten 2005 gehabt, weil T. nicht länger habe warten wollen. Die Krankheit habe die Eheschließung bis März 2006 verzögert. Ein Aufgebot sei nicht bestellt worden.

Das SG hat die behandelnden Ärzte von T. schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen und die Klägerin persönlich angehört.

PD Dr. F., Arzt für Innere Medizin und Kardiologe, Universitätsklinik F., hat unter dem 17.9.2008 erklärt, T. sei in der Zeit vom 9.4.1998 bis 21.2.2006 in der Abteilung Innere Medizin III behandelt worden; zuletzt vom 2.2.2006 bis 21.2.2006. T. habe damals angegeben, dass er seit mehreren Wochen an Belastungsluftnot gelitten habe. Der Allgemeinzustand sei bei der Aufnahme als gut beschrieben worden. Bei der Laboruntersuchung hätten sich pathologisch erhöhte Nierenretentionswerte im Sinne einer Niereninsuffizienz gefunden. Die Röntgenuntersuchung der Lungen habe im Vergleich zu Voraufnahmen von 2001 einen größenprogredienten Herzdurchmesser gezeigt. Zusätzlich zu den 1998 erhobenen Befunden habe eine mittelgradige Mitralklappeninsuffizienz und eine pulmonale Hypertonie bestanden. Nach dem Austausch des Defibrillators seien bei T., wie schon in häuslicher Umgebung, anhaltende ventrikuläre Tachykardien aufgetreten, die zunächst mit dem Antiarrhythmikum Cordarex hätten unterdrückt werden können. Gleichwohl seien die Herzrhythmusstörungen hämodynamisch nur schlecht toleriert worden, so dass in einer Situation sogar eine kurzzeitige Herzdruckmassage erforderlich gewesen sei. Nach intensiver Therapie nach dem Kathetereingriff habe sich die Herz- und Niereninsuffizienz gebessert. Am 21.2.2006 sei T. dann in gebessertem Allgemeinzustand in das Krankenhaus T. zurückverlegt worden. Aufgrund des Verlaufs sei davon auszugehen, dass die Lebenswahrscheinlichkeit von T. im Februar 2006 signifikant reduziert gewesen sei, so dass von einer statistischen Einjahressterblichkeit von 30 % - 40 % auszugehen gewesen sei. T. müsse im Februar 2006 gewusst haben, dass er schwer herzkrank gewesen sei. Er, sein Umfeld und seine behandelnden Ärzte hätten jedoch nicht davon ausgehen können, dass die Herzerkrankung eine infauste Prognose habe.

Der Internist und Kardiologe Dr. E. hat in einem beim SG am 23.9.2008 eingegangenen Schreiben erklärt, ihm sei nicht bekannt, an welcher Krankheit T. gestorben sei, so dass die Anfrage nicht mit der notwendigen Sicherheit beantwortet werden könne.

Dr. B. hat unter dem 14.10.2008 angegeben, bei dem bestehenden Krankheitsbild sei die Prognose insgesamt schlecht gewesen. Bei dem vorletzten stationären Aufenthalt vor dem Tod von T. sei eine gewisse Stabilisierung des Allgemeinbefindens gelungen, so dass aus ärztlicher Sicht nicht mit Sicherheit von einer Lebenserwartung von weniger als ein Jahr ausgegangen werden könne. Er denke, dass T. Ende des Jahres 2005 bzw. Anfang des Jahres 2006 vom Schweregrad der vorliegenden Herzerkrankung durch die behandelnden Ärzte unterrichtet und auch in den Monaten und Jahren davor über die vorliegenden Befunde ausreichend aufgeklärt gewesen sei.

Dr. D., Chefarzt der Medizinischen Klinik T. hat unter dem 30.10.2008 berichtet, T. sei am 10.4.2006 im Rahmen eines kardiogenen Schocks mit dekompensierter Herzinsuffizienz verstorben. Er sei vom Notarzt mit zunehmender Luftnot, nicht mehr messbarem Blutdruck sowie langsamer Herzfrequenz zu Hause vorgefunden worden. Trotz Einleitung einer Beatmung und Gabe herzunterstützender Medikamente sei T. verstorben. Aufgrund des stationären Aufenthalts vom 7.3. bis 28.3.2006 sei T. bekannt gewesen. Bei T. habe eine fortgeschrittene Herzmuskelerkrankung mit zunehmend eingeschränkter Pumpfunktion und wiederholten Zuständen einer massiven Herzschwäche vorgelegen. Es habe im Bereich des Möglichen gelegen, dass die Lebenserwartung von T. im März 2006 auf weniger als ein Jahr begrenzt sein würde.

Die Beklagte hat eine ärztliche Stellungnahme von Dr. H. vom 27.1.2009 vorgelegt, die darin ausführt, eine eindeutige Aussage bezüglich der Lebenserwartung von T. sei nicht sicher möglich. Mit überwiegender Wahrscheinlichkeit sei jedoch davon auszugehen, dass innerhalb eines Jahres mit einem tödlichen Ausgang der Erkrankung zu rechnen gewesen sei. Die Tatsache, dass T. noch während der stationären Behandlung im März 2006 die Eheschließung durchgeführt habe, belege, dass er von der Dringlichkeit seines Handelns überzeugt gewesen sei.

Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung unter anderem angegeben, als T. ab 7.3.2006 wieder in stationärer Behandlung der Medizinischen Klinik T. gewesen sei, habe er sie erneut gefragt, ob sie an ihrem Versprechen festhalte, dass er nicht ins Pflegeheim müsse. Dies habe sie ihm versprochen und er habe von sich aus die Trauung veranlasst, die im Krankenhaus durchgeführt worden sei. Er habe damit erreichen wollen, dass sie zu ihrem Versprechen stehe und er nicht ins Pflegeheim müsse. Sie habe zu diesem Zeitpunkt nicht geglaubt, dass er sobald sterben würde. Sie sei zwar über die Erkrankung voll informiert gewesen, aber Dr. B. habe auf ihre Fragen gesagt, man könne nie sagen, wie lange ein Mensch mit dieser Erkrankung noch leben könne.

Mit Urteil vom 22.6.2009 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 8.8.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.2.2008 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin unter Rücknahme des Bescheides vom 25.7.2006 Witwenrente aus der Versicherung ihres Ehemannes T. zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, im vorliegenden Fall habe sich das SG davon überzeugt, dass die konkreten für die Eheschließung maßgebenden Umstände nicht auf einen überwiegenden Versorgungszweck schließen ließen. Zwar spreche zunächst die schwere Herzerkrankung des Versicherten, an der er seit April 1998 gelitten und die sich im Februar 2006 gravierend verschlimmert habe, und insbesondere der Umstand, dass die Eheschließung am 9.3.2006 während der stationären Behandlung in der Klinik in T. erfolgt sei, dafür, dass mit dieser Eheschließung die Versorgung der Klägerin bezweckt werden sollte. Wie die Klägerin dem SG in der mündlichen Verhandlung glaubhaft dargelegt habe, sei dies weder von ihr noch von ihrem verstorbenen Ehemann mit der Eheschließung beabsichtigt gewesen. Vielmehr habe der Hauptzweck der von T. "organisierten" Eheschließung im Krankenhaus darin bestanden, dass er sich dadurch die Pflege der Klägerin für den Fall des konkret drohenden Eintritts eines Pflegefalls habe sichern wollen. Die Klägerin sei bereit gewesen, für diesen Fall ihre Vollzeittätigkeit auf Teilzeit umzustellen oder sogar ganz aufzugeben, um ihr Versprechen, T. zu pflegen, zu halten. Aus finanziellen Gründen sei sie nicht auf die Witwenrente angewiesen gewesen, da sie in einem ungekündigten, seit mehr als 40 Jahren bestehenden Arbeitsverhältnis gestanden habe und stehe. Das SG sehe es daher als nachgewiesen an, dass die Eheschließung am 9.3.2006 trotz der äußeren Umstände nicht von einem überwiegenden Versorgungszweck bestimmt gewesen sei, zumal Anfang März 2006 aufgrund der gesundheitlichen Verschlechterung zwar der Eintritt der Pflegebedürftigkeit, nicht aber der Tod von T. zu erwarten gewesen sei. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen das ihr am 4.8.2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 11.8.2009 Berufung eingelegt und vorgetragen, die Einschätzung des SG beruhe auf den Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, die sich aber nicht mit den deckten, die sie im ersten Verwaltungsverfahren gemacht habe. Dort sei sie mit Schreiben vom 24.5.2006 gefragt worden, ob durch die Eheschließung eine Rund-um-die-Uhr-Versorgung habe sichergestellt werden sollen. Anlässlich der daraufhin erfolgten Vorsprache am 16.6.2006 habe die Klägerin angegeben, dass durch die Eheschließung sichergestellt werden sollte, dass der Ehemann nicht an Ort und Haus gebunden sei. Von einer Pflegebedürftigkeit und Pflegetätigkeit sei damals nicht die Rede gewesen. Bezüglich der Glaubwürdigkeit der Angaben der Klägerin sei der Aktenvorgang bezüglich der Rückforderung der überzahlten Versichertenrente des T. für Mai 2006 aufschlussreich. Ausweislich des Aktenvermerks vom 1.2.2007 habe die Klägerin erklärt, das Bankkonto am 9.4.2006 an die Erben übergeben zu haben; sie habe über die Mai-Rente (Auszahlung Ende April) nicht verfügt. Aus dem Schreiben der Kreissparkasse T. vom 7.8.2007 sei jedoch zu ersehen, dass die Klägerin vom 24.3.2006 bis 27.6.2006 über das Girokonto verfügungsberechtigt gewesen sei und auch tatsächlich zahlreiche Verfügungen getroffen habe, wie aus den übersandten Ablichtungen hervorgehe. Selbst wenn eine Pflegebedürftigkeit im Raum gestanden hätte, hätte die Klägerin ihre Arbeit reduzieren oder aufgeben müssen, mit der Folge der Verschlechterung ihrer Einkommensverhältnisse. Auch sei zu berücksichtigen, dass ein Aufgebot nicht bestellt und eine standesamtliche Nottrauung erfolgt sei. Die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe erfordere den vollen Beweis des Gegenteils. Dieser sei aber in Gesamtwürdigung aller Umstände, insbesondere der lebensgefährlichen Erkrankung, deren Prognose, der Nottrauung, der wechselnden Angaben und der sich aufdrängenden Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Klägerin, nicht erbracht.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 22. Juni 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert, sie halte die Entscheidung des SG unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) für zutreffend. Die Annahme einer Versorgungsehe bei einer Ehedauer von unter einem Jahr sei nach Ansicht des BSG dann nicht gerechtfertigt, wenn die Gesamtbetrachtung und Abwägung der Beweggründe beider Ehegatten für die Heirat ergeben habe, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe insgesamt gesehen den Versorgungszweck überwogen hätten oder zumindest gleichwertig gewesen sein. Vorrangig zu berücksichtigen sei, dass sie in keinster Weise finanziell von ihrem Ehemann abhängig gewesen sei. Sie beziehe aufgrund ihrer Vollzeitbeschäftigung ein monatliches Bruttogehalt von 2.349,98 EUR. Deswegen sei eine Versorgungsehe ausgeschlossen. Sie vermöge nicht im Einzelnen zu sagen, welche Beweggründe T. bei der Eheschließung tatsächlich gehabt habe. Geäußert habe er sich jedenfalls dahingehend, dass er große Angst vor einem Aufenthalt im Pflegeheim habe und die Frage der Eheschließung neben dem Wunsch nach einer Legalisierung auch eine Sicherstellung der Pflege durch seine Ehefrau für ihn bedeutet habe. Von einer konkreten Lebensgefahr habe sie keine Kenntnis gehabt. Vielmehr sei sie davon ausgegangen, dass es T. um die Klärung der Pflegebedürftigkeit gegangen sei. Vor diesem Hintergrund sei auch ihre Aussage zu verstehen, T. solle nicht an Ort und Haus gebunden sein, sondern möglicherweise auch dann in ihre Wohnung übersiedeln können, je nachdem welche Wohnung man als Ehewohnung auswählen würde. Sie habe einen eigenen Wohnsitz beibehalten, von dem aus sie ihren Arbeitsplatz wesentlich günstiger habe erreichen können, als vom Wohnsitz ihres Ehemannes. Bezüglich der Modalitäten der Trauung könne sie keine weiteren Angaben machen. Sie sei von ihrem verstorbenen Ehemann gebeten worden, ins Krankenhaus zu kommen und ihr schönstes Kleid anzuziehen. So wie sie die Ärzte verstanden habe, hätte T. mit seiner Erkrankung noch einige Jahre leben können. T. und sie hätten auch weitere Pläne gehabt, z.B. Urlaubsreisen und Wohnungsmodernisierung.

Auf Nachfrage des Senats hat die Klägerin erklärt, sie habe von November 2005 bis April 2006 in Teilzeit gearbeitet. Im November 2005 habe sie ihren Arbeitgeber auf die Reduzierung ihrer Arbeitszeit angesprochen. Der Personalchef habe ihr erklärt, sie könne in Teilzeit arbeiten, sobald ihr "Pluskonto auf Null" gefahren sei. Daraufhin habe sie ab sofort 5 Stunden gearbeitet und 2,5 Stunden Zeitausgleich genommen. Von 23.12.2005 bis 8.1.2006 sei die Firma geschlossen gewesen; im Februar und März 2006 sei sie krank gewesen.

Der Standesbeamte der Stadt T. F. hat am 18.1.2011 mitgeteilt, bei der Eheschließung von T. und der Klägerin am 9.3.2006 habe es sich um eine Trauung gehandelt, die aufgrund des kritischen Gesundheitszustandes von T. von ihm in der Kreisklinik in T. vorgenommen worden sei. Die Notwendigkeit der Trauung im Krankenhaus sei damit begründet worden, dass der Gesundheitszustand von T. eine Trauung im Rathaus nicht zulasse. Er hat ein ärztliches Attest von Dr. H. vorgelegt, wonach aufgrund des Zustandes von T. die amtlichen Abläufe nach Möglichkeit beschleunigt werden sollten.

M. T., ein Sohn von T., hat in einer schriftlichen Zeugenaussage vom Dezember 2012 erklärt, er habe bis Februar 2006 Kontakt zu seinem Vater gehabt. Als er dann vom Krankenhaus nach Hause gekommen sei, habe seine damalige Freundin, die Klägerin, die Schlösser zu seiner Wohnung ausgetauscht. Er und seine damalige Freundin und jetzige Ehefrau hätten seinem Vater angeboten, ihn nach der Entlassung aus dem Krankenhaus zu versorgen. T. habe immer gesagt, dass er nicht mehr heiraten wolle. Mario T., ein weiterer Sohn von T., hat von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht.

In der mündlichen Verhandlung hat der Senat die Klägerin persönlich angehört. Dabei hat sie u.a. angegeben, in dem Haus von T. habe auch dessen Sohn M. gewohnt, bei dem der Gerichtsvollzieher ein- und ausgegangen sei. Die Söhne hätten T. gar nicht versorgen können; T. hätte dies auch nicht gewollt. Sie hätten nicht einmal das Grab ihrer verstorbenen Mutter gepflegt. Von dem Testament des T. und dessen verstorbener früherer Ehefrau habe sie erst nach dem Tod von T. am 30.5.2006 Kenntnis erlangt. Sie habe mit T. keine Vereinbarung über den Güterstand getroffen und nach dessen Tod lediglich den Pflichtteil erhalten.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung der Beklagten ist auch begründet, da die Klägerin keinen Anspruch auf Rücknahme des bindend gewordenen Bescheides vom 25.7.2006 und auf Gewährung einer Witwenrente hat.

Gemäß § 44 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 25.7.2006, da die Beklagte nicht zu Unrecht die Gewährung von Witwenrente abgelehnt hat.

Gemäß § 46 Abs. 2 S. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) haben Witwen, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, unter anderem dann Anspruch auf große Witwenrente, wenn sie das 45. (bzw. ab 1.1.2008 das 47.) Lebensjahr vollendet haben. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Klägerin ist die Witwe des am 10.4.2006 verstorbenen Versicherten, der die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren gemäß § 50 Abs. 1 SGB VI erfüllt hatte. Zum Zeitpunkt des Todes von T. Hon T. hatte sie auch das 45. Lebensjahr vollendet.

Nach § 46 Abs. 2a SGB VI, der mit Wirkung vom 1.1.2002 durch das Altersvermögensergänzungsgesetz (vom 21.3.2001, BGBl I 403) eingeführt worden ist und für alle seit dem 1.1.2002 geschlossenen Ehen gilt (§ 242a Abs. 3 SGB VI), ist der Anspruch auf Witwenrente ausgeschlossen, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Die Ehe zwischen der Klägerin und dem Versicherten hat weniger als ein Jahr (vom 9.3. bis 10.4.2006) gedauert; damit ist der Tatbestand des § 46 Abs. 2a Halbsatz 1 SGB VI erfüllt.

Die entsprechende Rechtsfolge (Ausschluss des Anspruchs auf Witwenrente) tritt jedoch dann nicht ein, wenn "besondere Umstände" vorliegen, aufgrund derer trotz der kurzen Ehedauer die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen (§ 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI).

Vorliegend sind solche "besonderen Umstände" nicht nachgewiesen und damit die gesetzliche Vermutung nicht widerlegt.

Der Begriff der "besonderen Umstände" in § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der der vollen richterlichen Kontrolle unterliegt. Hierbei geht der Senat im Anschluss an die höchstrichterliche Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 5.5.2009, B 13 R 55/08 R, SozR 4-2600 § 46 Nr. 6 und in Juris; Urteil vom 27.8.2009, B 13 R 101/08 R, Juris) davon aus, dass als besondere Umstände alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalles anzusehen sind, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen lassen. Dabei kommt es auf die Beweggründe beider Ehegatten an, es sei denn, dass der hinterbliebene Ehegatte den Versicherten beispielsweise durch Ausnutzung einer Notlage oder Willensschwäche zur Eheschließung veranlasst hat. Die Annahme einer Versorgungsehe ist dabei nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Gesamtbetrachtung und Abwägung der Beweggründe beider Ehegatten für die Heirat ergibt, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe insgesamt gesehen den Versorgungszweck überwiegen oder zumindest gleichwertig sind. Es ist daher auch nicht zwingend, dass bei beiden Ehegatten andere Beweggründe als Versorgungsgesichtspunkte für die Eheschließung ausschlaggebend waren. Vielmehr sind die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe in ihrer Gesamtbetrachtung auch dann noch als zumindest gleichwertig anzusehen, wenn nachweislich für einen der Ehegatten der Versorgungsgedanke bei der Eheschließung keine Rolle gespielt hat. Die vom hinterbliebenen Ehegatten behaupteten inneren Umstände für die Heirat sind zudem nicht nur für sich – isoliert – zu betrachten, sondern vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der jeweiligen Eheschließung bestehenden äußeren Umstände in die Gesamtwürdigung, ob die Ehe mit dem Ziel der Erlangung einer Hinterbliebenenversorgung geschlossen worden ist, mit einzubeziehen. Eine gewichtige Bedeutung kommt hierbei stets dem Gesundheits- bzw. Krankheitszustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung zu. Ein gegen die gesetzliche Annahme einer Versorgungsehe sprechender besonderer (äußerer) Umstand im Sinne des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Tod des Versicherten, hinsichtlich dessen bisher kein gesundheitliches Risiko eines bevorstehenden Ablebens bekannt war, unvermittelt eingetreten ist. Hingegen ist bei Heirat eines zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Versicherten in der Regel der Ausnahmezustand des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI nicht erfüllt. Jedoch ist auch bei einer nach objektiven Maßstäben schweren Erkrankung mit einer ungünstigen Verlaufsprognose und entsprechender Kenntnis der Ehegatten der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dessen ungeachtet aus anderen als aus Versorgungsgründen geheiratet wurde. Allerdings müssen dann bei der abschließenden Gesamtbewertung diejenigen besonderen (inneren und äußeren) Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit eines Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen war. Der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI wird nur erfüllt, wenn insoweit nach § 202 SGG i.V.m. § 292 Zivilprozessordnung (ZPO) der volle Beweis erbracht wird. Dieser erfordert zumindest einem der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit (BSG, Urteil vom 5.5.2009, a.a.O.). Eine Tatsache ist danach nur dann bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 128 Rn. 3b m.w.N.).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist ein neben den Versorgungsmotiven zumindest gleichwertiges Motiv bzw. gleichwertiger Umstand nicht mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen. Damit ist die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI nicht widerlegt.

So sprechen die konkreten Umstände der Eheschließung für eine Versorgungsehe. Die Heirat erfolgte am 9.3.2006 im Wege einer Notfalltrauung im Krankenhaus in T. Zuvor war T. schon vom 2.2. bis 21.2.2006 in der Universitätsklinik F. behandelt worden, wo pathologisch erhöhte Nierenretentionswerte im Sinne einer Niereninsuffizienz, ein größenprogredienter Herzdurchmesser sowie zusätzlich zu den 1998 erhobenen Befunden eine mittelgradige Mitral-klappeninsuffizienz und eine pulmonale Hypertonie festgestellt wurden. Nach dem Austausch des Defibrillators traten bei T., wie schon in häuslicher Umgebung, anhaltende ventrikuläre Tachykardien auf, die hämodynamisch nur schlecht toleriert wurden, so dass sogar eine kurzzeitige Herzdruckmassage erforderlich war. Aufgrund des Verlaufs sah PD Dr. F. die Lebenserwartung von T. im Februar 2006 als signifikant reduziert an und ging von einer statistischen Einjahressterblichkeit von 30 % bis 40 % aus. Dr. B. und Dr. D. gingen ebenfalls von einer lebensbedrohlichen Erkrankung aus, auch wenn Dr. B. nicht mit Sicherheit eine Lebenserwartung von unter einem Jahr bestätigen konnte und Dr. D. davon sprach, dass eine Lebenserwartung von weniger als einem Jahr im März 2006 im Bereich des Möglichen gelegen habe. Entscheidend ist allein, dass der Gesundheitszustand des T. im März 2006 erkennbar schlecht und die Prognose seiner Erkrankung ungünstig war. Die Klägerin und T. waren über seinen Gesundheitszustand auch hinreichend informiert, wie sich aus der sachverständigen Zeugenaussage von Dr. B. vom 14.10.2008 sowie dem Verlauf der Erkrankung mit mehrmaligen Auslösen des Defibrillators und der Herzdruckmassage ergibt. Dadurch ist die Angabe der Klägerin in ihrer Erklärung vom 24.4.2006 widerlegt, dass bei der Eheschließung der Tod von T. auf absehbare Zeit nicht zu erwarten gewesen war. Unerheblich ist dabei, dass nicht vorhersehbar war, dass T. innerhalb eines Jahres versterben würde.

Soweit die Klägerin unter Hinweis auf eine geplante Reise im September 2006, die beabsichtigte Anschaffung eines neuen Autos und die geplante Herrichtung des Hauses von T. belegen möchte, dass von einer lebensbedrohlichen Erkrankung des T. bei der Heirat nicht auszugehen gewesen sei, ergibt sich aus der vorgelegten Zimmerbestätigung schon nicht, dass das Hotel für die Klägerin und T. gebucht wurde, zumal das Hotel Herrn Q., einem Sohn der Klägerin, schrieb, es freue sich, dass er sich wieder für das Haus entschieden habe. Die Gebrauchtfahrzeug-Bewertung vom 6.7.2006 belegt ebenfalls nicht, dass T. zu Lebzeiten vorhatte, sich ein neues Auto anzuschaffen, zumal diese Bewertung ca. drei Monate nach seinem Tod stattfand. Für geplante Arbeiten am Haus von T. zu dessen Lebzeiten, insbesondere nach der Heirat, gibt es keinen Anhalt. Hinzu kommt, dass die Klägerin auch nach der Heirat ihre eigene Wohnung beibehalten und nichts unternommen hat, um mit T. (nur) in dessen Haus bzw. ihrer Wohnung zusammen zu leben. Außerdem hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Senat erklärt, dass sie sich im Haus von T., in dem auch sein Sohn M. gewohnt habe, bei dem der Gerichtsvollzieher ein- und ausgegangen sei, nicht wohl gefühlt habe und geplant gewesen sei, eine gemeinsame Wohnung in M. zu nehmen.

In Anbetracht des Gesundheitszustandes von T. im Februar und März 2006 und damit zum Zeitpunkt der Eheschließung, war vom Tod des Versicherten in naher Zukunft auszugehen. Hiergegen spricht auch nicht, dass der Tod von T. am 10.4.2006 letztlich überraschend kam, zumal auch Dr. B. eingeräumt hat, dass bei dem bestehenden Krankheitsbild die Prognose insgesamt schlecht gewesen sei. Darüber hinaus hat Dr. H. in einem ärztlichen Attest die Notwendigkeit einer Trauung im Krankenhaus damit begründet, dass aufgrund des Zustandes von T. die amtlichen Abläufe nach Möglichkeit beschleunigt werden sollten. Da die Klägerin und T. sich seit 1998 kannten und dennoch erst am 9.3.2006, einem Zeitpunkt, als sich der Gesundheitszustand von T. wesentlich verschlechtert und er sich darüber hinaus im Krankenhaus befunden hatte, geheiratet haben, spricht dies für eine Versorgungsabsicht.

Für den Senat ist auch nicht nachgewiesen, dass die Heirat erfolgte, um die Pflege von T. sicherzustellen. Zwar hat die Klägerin zunächst bei der Beantragung der Witwenrente am 24.4.2006 angekreuzt, die Heirat sei zur Sicherung der erforderlichen Betreuung/Pflege des ständig auf Pflege angewiesenen Ehegatten erfolgt, hat aber am 16.6.2006 angegeben, eine Pflege ihres Ehemannes sei nur insoweit notwendig gewesen, als er aufgrund von Sehschwäche kein Fahrzeug mehr habe lenken können und sie ihn dann habe fahren und zu gelegentlichen Terminen (z.B. im Krankenhaus in Freiburg oder T.) begleiten müssen. Aus den Angaben von Dr. B. vom 22.6.2006 ergibt sich ebenfalls, dass T. bis März 2006 relativ beschwerdefrei war und Pflegebedürftigkeit erst nach der Entlassung aus der stationären Behandlung ab 28.3.2006 eintrat. Zu diesem Zeitpunkt war die Klägerin – nach ihren eigenen Angaben – arbeitsunfähig und hatte bis zu diesem Zeitpunkt ihre Vollzeittätigkeit nicht aufgegeben und auch keine Teilzeitvereinbarung getroffen. Sie hat vielmehr erklärt, sie habe im November 2005 ihren Arbeitgeber auf eine Reduzierung der Arbeitszeit angesprochen, worauf dieser ihr erklärt habe, sie könne nach Abbau ihrer Überstunden in Teilzeit arbeiten, weswegen sie Zeitausgleich genommen habe. Zu jenem Zeitpunkt war T. jedoch noch nicht pflegebedürftig, so dass schon nicht ersichtlich ist, dass die beabsichtigte Reduzierung der Arbeitszeit der Klägerin mit dem Gesundheitszustand von T., der sich erst im Februar/März 2006 wesentlich verschlechtert hatte, in Zusammenhang stand. Gegen einen Zusammenhang sprechen auch die oben genannten Angaben der Klägerin vom 16.6.2006.

Welche konkreten Motive für T. maßgebend waren, die Klägerin am 9.3.2006 zu heiraten, sind für den Senat nicht feststellbar. Soweit die Klägerin vermutet, T. habe sie geheiratet, um sicherzustellen, dass sie ihn pflegt und er nicht in ein Pflegeheim muss, fehlt es aber an Handlungen, die dafür sprechen würden, dass die Klägerin T. auch pflegen wollte, zumal sie weder eine Änderung ihres Arbeitsverhältnisses vorgenommen noch ersichtlich einen Umzug zu T. geplant hat. Genauso gut ist es auch möglich, dass T. angesichts der drastischen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes die Versorgung der Klägerin durch eine Witwenrente sicherstellen wollte. Denn zumindest T. war das von ihm und seiner früheren verstorbenen Ehefrau verfasste Testament vom 29.2.1988, in dem sich beide gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt hatten und sich der überlebende Ehegatte verpflichtet hatte, die vier Kinder zu Erben (zu je ¼) zu berufen, bekannt. Dabei war T. als Überlebender zwar berechtigt, die Bestimmungen bezüglich der Kinder zu ändern, aber nur innerhalb des Kreises der zu seinen Erben eingesetzten Kinder. Außerdem ist im Testament geregelt, dass ein Anfechtungsrecht aus § 2079 BGB für jeden Anfechtungsberechtigten ausgeschlossen wird, sofern das Anfechtungsrecht auf der Übergehung eines pflichtteilsberechtigten Ehegatten beruht. Damit war T. z.B. gehindert, die Klägerin als Alleinerbin bzw. Miterbin einzusetzen. Angesichts dessen ist nicht ausgeschlossen, dass T. die Klägerin geheiratet hat, damit sie zumindest in den Genuss einer Witwenrente kommt.

Soweit die Klägerin als Motiv für die Eheschließung eine Legalisierung ihrer Beziehung zu T. durch die Ehe anführt, weil die Kinder von T. ihr Verhältnis nicht akzeptiert hätten, ist nicht nachvollziehbar, warum dies erst zu einem Zeitpunkt geschieht, als sich der Gesundheitszustand von T. drastisch verschlechtert hatte.

Gegen eine Versorgungsabsicht spricht auch nicht, dass die Klägerin seit mehr als 40 Jahren in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis steht und hieraus ein Gehalt von ca. 2.200,- EUR bezieht. Denn auch das Motiv, gegebenenfalls durch eine Witwenrente höhere Einkünfte zu haben, stützt die Rechtsvermutung einer Versorgungsehe. Dass für die Klägerin finanzielle Aspekte eine Rolle spielen, zeigt sich auch daran, dass die Klägerin schon am 11.4.2006, einen Tag nach dem Tod von T., bei der Beklagten eine Vorschusszahlung und am 24.4.2006 Witwenrente beantragt hat, obwohl ihre Lebensumstände – aufgrund der kurzen Ehezeit von einem Monat – noch nicht maßgeblich durch die Ehe geprägt sein konnten. Weiter kommt hinzu, dass die Klägerin behauptet hat, sie habe das Bankkonto von T. am 9.4.2006 dessen Erben übergeben, obwohl sie in der Zeit vom 24.3.2006 bis 27.6.2006 verfügungsberechtigt war und auch mehrere Verfügungen vorgenommen hat. Darüber hinaus war T erst am 10.4.2006 verstorben und die Klägerin hatte erst nach der Testamentseröffnung – nach ihren Angaben am 30.5.2006 – Kenntnis davon, dass die Kinder von T. seine Erben waren.

Die Gesamtbetrachtung der Beweggründe und der äußeren Umstände belegt nicht, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe zumindest gleichwertig waren. Der Senat vermag daher nicht festzustellen, dass die Beklagte mit Bescheid vom 25.7.2006 zu Unrecht die Gewährung einer Witwenrente abgelehnt hat. Angesichts dessen waren die angefochtenen Bescheide der Beklagten, mit denen sie die Rücknahme des Bescheides vom 25.7.2006 abgelehnt hat, nicht zu beanstanden. Das angefochtene Urteil des SG musste deswegen aufgehoben und die Klage abgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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