L 6 VS 1633/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 1 VS 1510/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VS 1633/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 29. Februar 2012 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor des Urteils des Sozialgerichts Freiburg wie folgt neu gefasst wird:

Der Bescheid des Beklagten vom 10. Dezember 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. März 2010 wird aufgehoben, soweit bei der Berechnung des Berufsschadensausgleichs ein Arbeitseinkommen nach § 9 Abs. 7 Satz 4 Berufsschadensausgleichsverordnung angerechnet worden ist.

Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Instanzen.

Tatbestand:

Im Streit steht, ob der Beklagte bei der Berechnung des Berufsschadensausgleichs (BSA) ein fiktives Einkommen des Klägers als derzeitiges Bruttoeinkommen anrechnen durfte.

Der 1961 geborene Kläger erwarb im Jahr 1979 die Realschulreife (Deutsch: befriedigend, Englisch: mangelhaft, Mathematik: ausreichend, Bl. 13 B-Akten), absolvierte sodann vom 01.09.1979 bis 26.05.1982 erfolgreich eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann, war im Anschluss vom 01.06. bis 30.09.1982 als Bauwerker tätig und verpflichtete sich danach vom 01.10.1982 bis 30.09.1984 als Zeitsoldat bei der Bundeswehr. Während seiner Bundeswehrzeit erlitt er infolge eines Wegeunfalles am 31.10.1983 ein Schädel-Hirn-Trauma mit vorübergehender Halbseitenlähmung und mehrwöchigem Bewusstseinsverlust (Bl. 18 B-Akten).

Nach ärztlicher und psychologischer Begutachtung (vgl. Bl. 17, 19 B-Akten) anerkannte das Versorgungsamt Lübeck mit Bescheid vom 07.01.1985 als Wehrdienstbeschädigung eine Hirnleistungsschwäche, ein hirnorganisches Psychosyndrom und eine rechtsseitige beinbetonte Bewegungsstörung nach schwerem Schädel-Hirn-Trauma.

In einer Stellungnahme zur Fahreignung führte Dipl.-Psych. H. K., Kliniken Sch. KG, G. und A., unter dem 04.04.1985 aus, der Kläger habe während seines stationären Aufenthaltes an mehreren Tagen testpsychologisch untersucht und im Rahmen einer täglichen Übungstherapiegruppe über mehrere Wochen hinweg in seinem Leistungsverhalten beobachtet werden können. Es ließen sich keinerlei Störungen im Sinne eines hirnorganischen Psychosyndroms mehr objektivieren, die psychophysischen Leistungen seien insgesamt als gut durchschnittlich bis überdurchschnittlich einzustufen. Die intellektuellen Einzelleistungen streuten um die obere Altersnormgrenze, die Merk- und Gedächtnisleistungen ebenso, das Konzentrationsvermögen erlaube ein überdurchschnittlich rasches und dabei befriedigendes sorgfältiges Arbeiten auch über mittelfristige Zeitspannen hinweg.

Entgegen der Empfehlung der Dipl.-Psych. H., Berufsförderungswerk H., die bei durchschnittlicher bis gut durchschnittlicher allgemeiner intellektueller Leistungsfähigkeit Einbußen bei der Dauerbelastung feststellte, die Ergebnisse der Untersuchungen in den Kliniken Sch. nicht bestätigen konnte und daher die vom Kläger gewünschte Umschulung im Fachschulbereich zum Betriebswirt/Datenverarbeitung (DV) nicht befürwortete, nahm der Kläger am 25.09.1986 als berufsfördernde Leistung nach § 26 Bundesversorgungsgesetz (BVG) die Ausbildung zum "Staatlich geprüften Betriebswirt (DV-Betriebswirt)" auf, die er am 21.09.1988 abschloss. Insbesondere die Noten im fachspezifischen Bereich der DV waren allerdings insgesamt unterdurchschnittlich (DV-Organisation: befriedigend, Betriebssysteme: ausreichend, DV-Anwendungen [Rechnungswesen]: ausreichend, DV-Anwendungen [Industrie]: ausreichend, Datenfernverarbeitung: mangelhaft, Planungsmathematik [OR]: mangelhaft, Datenbanken: ausreichend). Der Kläger selbst gab an, die Umschulungsmaßnahme sei ihm sehr schwer gefallen, er habe sie nur unter Aufbietung aller Kräfte erfolgreich absolvieren können, er habe nur schwer neue Lerninhalte aufnehmen können, auch habe er Konzentrationsprobleme gehabt. Weil er deshalb mit einem schlechten Zeugnis abgeschnitten habe, habe er in diesem Beruf auch keine Stelle erhalten, obwohl er über 100 Bewerbungen geschrieben habe (Versorgungsärztliches Gutachten vom 27.09.1989, Bl. 33 B-Akten). Von Juli 1989 bis Mai 1990 war der Kläger als freier Mitarbeiter einer privaten Krankenversicherung tätig, seither ist er arbeitslos, jedoch noch als arbeitssuchend ohne Leistungsbezug bei der Agentur für Arbeit (AA) gemeldet.

Mit Bescheid vom 23.10.1989 anerkannte das zwischenzeitlich zuständige Versorgungsamt Freiburg als Schädigungsfolgen "Hirnleistungsschwäche, Halbseitenschwäche rechts" und zwar hervorgerufen durch schädigende Einwirkungen i. S. des § 81 Soldatenversorgungsgesetz (SVG). Der Grad der Schädigungsfolgen (GdS) für die Gesundheitsstörungen wurde nach § 30 Abs. 1 BVG mit 70 festgestellt und wegen besonderer beruflicher Betroffenheit nach § 30 Abs. 2 BVG auf 80 angehoben. Der Kläger erhält außer der Grundrente eine Ausgleichsrente, Ehegattenzuschlag sowie BSA. Bei der Berechnung des BSA ist das Vergleichseinkommen eines kaufmännischen Angestellten nach der Leistungsgruppe IV bei einem unselbständig Tätigen in der privaten Wirtschaft zugrunde gelegt worden (vgl. Bescheid vom 25.03.1991, Bl. 110 B-Akten). Mit Anpassungsbescheid vom 22.06.2009 wurden dem Kläger Versorgungsbezüge ab 01.07.2009 in Höhe von insgesamt 2.116 EUR gewährt, nämlich Beschädigtengrundrente von 479 EUR, Ausgleichsrente von 479 EUR, Ehegattenzuschlag von 71 EUR sowie BSA von 1.087 EUR (Bl. 657 B-Akten).

Am 04.05.2009 teilte die AA dem nunmehr zuständigen Landratsamt O., Amt für Soziales und Versorgung (im Folgenden: Landratsamt), telefonisch mit, es bestehe der Eindruck, dass der Kläger überhaupt nicht arbeiten wolle (Gesprächsnotiz vom 04.05.2009, Bl. 663 B-Akten). Der Kläger wurde veranlasst, ein Bewerbungstraining bei der P., Gesellschaft für Personalplanung mbH, durchzuführen. Auch der dortige Vermittlungscoach äußerte Zweifel an der Mitwirkungsbereitschaft des Klägers. Im Rahmen eines Beratungstermins am 28.07.2009 habe der Kläger auf die Frage nach seinen künftigen Zielen auf einen selbstverfassten Zettel verwiesen, auf dem er als berufliche Ziele "keine", "Ist-Zustand soll erhalten bleiben" und als Weg dorthin "Alles tun was AfA will" notiert gehabt habe. Mündlich habe er geäußert, er wolle die jetzige Situation gerne beibehalten und sei an einer Beschäftigung nicht interessiert. Anlässlich eines durch P. vermittelten Vorstellungsgesprächs am 29.07.2009 sei der Kläger mit einer leichten, aber wahrnehmbaren Alkoholfahne und einem verbundenem Arm erschienen. Er habe eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt und eine Tätigkeit als Callcenter-Agent abgelehnt sowie eine Probearbeit in Freiburg als Datenerfasser aufgrund der Entfernung nicht antreten wollen (Bl. 670, 672 B-Akten). Dieser Sachverhalt wurde im Wesentlichen durch ein Schreiben von Frau T., C. GmbH, einer Zeitarbeitsfirma, vom 24.08.2009 bestätigt, die bei dem Vorstellungsgespräch eine Vollzeitbeschäftigung mit 35 Stunden/Woche in ihrer Niederlassung in F. als Datenerfasser bei einem Stundenlohn von 7,38 EUR und Fahrkostenerstattung durch die P. angeboten hatte. Der Kläger habe bei dem Termin stark nach Alkohol gerochen, jedoch behauptet, keine alkoholischen Getränke zu sich genommen zu haben. Er müsse Antibiotika zu sich nehmen und am Freitag erneut zum Arzt. Er könne die Arbeit daher voraussichtlich erst am 03.08.2009 antreten. Der Kläger habe am 31.07.2009 angerufen und mitgeteilt, bis zum 05.08.2009 krankgeschrieben zu sein. Er hätte sich am 05.08.2009 erneut melden sollen, um abzuklären, ab wann er einsatzbereit sei. Gemeldet habe er sich am 06.08.2009 und mitgeteilt, krank zu sein. Nach diesem Gespräch habe er sich nicht mehr bei der C. GmbH gemeldet. Er habe bei allen Gesprächen nicht den Eindruck erweckt, ernsthaft nach einer Arbeitsstelle zu suchen. Er habe immer wieder betont, dass er im Moment netto über 2.000 EUR verdiene und damit gut auskomme (Bl. 684 B-Akten).

Am 06.08.2009 teilte der Kläger telefonisch der Sachbearbeiterin des Landratsamtes mit, er beabsichtige, sich bei der AA abzumelden, da er sich von dort nicht mehr schikanieren lassen wolle. Er sei in einer Maßnahme bei P. und man wolle ihn dort in eine Arbeit nach Freiburg vermitteln, was ihm nicht zumutbar sei. Es sei noch ein Vorstellungsgespräch in Freiburg vereinbart worden (Gesprächsnotiz vom 06.08.2009, Bl. 664 B-Akten).

Auf Anfrage teilte die Versorgungsärztin L. unter dem 06.08.2009 mit, es könne davon ausgegangen werden, dass der Kläger noch in nennenswertem Umfang erwerbstätig sein könne in Tätigkeiten, die nur leichte körperliche Anforderungen stellten und in denen er ohne Zeitdruck, und ohne erhöhte Anforderungen an das Konzentrationsvermögen und an die Kritikfähigkeit tätig sein könne.

Mit Schreiben vom 03.11.2009 teilte das Landratsamt dem Kläger mit, es sei beabsichtigt, die Versorgungsbezüge nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) neu festzustellen. Er habe in seinem Umschulungsberuf als Betriebswirt EDV aufgrund fehlender Berufserfahrung oder fachlicher Qualifikation auf dem Arbeitsmarkt nicht vermittelt werden können. Durch die immer länger andauernde Arbeitslosigkeit sei eine Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt immer schwieriger geworden bzw. sei erfolglos geblieben. Da ein verständiger Grund, die angebotene Stelle als Datenerfasser in Freiburg nicht anzunehmen, nach seinem Verhalten nicht vorliege, sei beabsichtigt, nach § 9 Abs. 7 Satz 4 Berufsschadensausgleichsverordnung (BSchAV) als Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit ein Durchschnittseinkommen in entsprechender Anwendung des § 30 Abs. 11 BVG anzurechnen.

Dem trat der Kläger mit Anwaltsschreiben vom 30.11.2009 entgegen. Dass er sein Einkommen im Hinblick auf seine Unterhaltspflichten gegenüber seiner zu 100 Prozent geh- und stehbehinderten Ehefrau und seinen beiden 16 und 9 Jahre alten Töchtern nicht reduzieren wolle, dürfe verständlich sein. Im Übrigen müssten bei dem Eindruck, den der Kläger hinterlasse, dessen Krankheitssymptome, nämlich die festgestellte latente Hemiparese, die weiterhin andauere, die Hirnleistungsschwäche sowie die hirnorganische Wesensänderung mit euphorischer Stimmungslage, verminderter Kritikfähigkeit und erhöhter Reizbarkeit berücksichtigt werden. Die AA habe im Übrigen im kollusiven Zusammenwirken mit der C. GmbH versucht, "meinem Mandanten eine Falle zu stellen". Es verwundere schon sehr, dass die C. GmbH einem Leistungsempfänger, der seit 17 Jahren ununterbrochen arbeitslos sei und trotz verschiedener Trainingsmaßnahmen und Vorstellungsgespräche nie habe vermittelt werden können, ohne wenn und aber sofort bereit sei, dem Kläger eine Stelle als Datenerfasser anzubieten. Dies könne nur ein fingiertes Jobangebot gewesen sein. Es bestünden auch keinerlei objektive Anhaltspunkte, dass der Kläger bei dem Vorstellungsgespräch tatsächlich eine Alkoholfahne gehabe habe. Als er am 06.08.2009 bei der C. GmbH angerufen habe, habe ihm Frau T. mitgeteilt, dass sie kein Interesse mehr an ihm habe und das Jobangebot nicht mehr gelte. Richtig sei, dass er sich danach nicht mehr bei der C. GmbH gemeldet habe. Vorgelegt wurden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für den Zeitraum vom 29.07. bis 05.08.2009.

Mit Bescheid vom 10.12.2009 stellte das Landratsamt den Anspruch auf Versorgung nach § 48 SGB X für die Zeit ab 01.12.2009 neu fest. Neben der Grundrente von 479 EUR, der Ausgleichsrente von 479 EUR und dem Ehegattenzuschlag von 71 EUR wurde ein BSA von 240 EUR, insgesamt 1.269 EUR gewährt und der für Dezember 2009 bereits geleistete Überzahlungsbetrag von 847 EUR zurückgefordert. Wie sich aus den Berechnungsblättern 1 und 2 zum Bescheid ergibt, wurde bei der Berechnung des BSA als derzeitiges Bruttoeinkommen 1.122,31 EUR, nämlich 48,916 % des durchschnittlichen Bruttoeinkommens des Wirtschaftszweiges "Erbringung von sonstigen öffentlichen und persönlichen Dienstleistungen" der Leistungsgruppe 5 männlich, berücksichtigt, und der sich hieraus ergebende Nettobetrag von 847,16 EUR vom Nettovergleichseinkommen von 1.720 EUR abgezogen, sodass sich nach weiterem Abzug der Ausgleichsrente, des Ehegattenzuschlags und des Erhöhungsanteils nach § 30 Abs. 2 BVG der BSA von 240 EUR netto ergab.

Hiergegen legte der Kläger am 17.12.2009 Widerspruch ein. In seiner vorgelegten eidesstattlichen Erklärung vom 05.01.2010 führte er u. a. aus, er sei am Morgen des 29.07.2009 wegen starker Schmerzen im rechten Ellenbogen bei Dr. W. gewesen, der eine Schleimbeutelentzündung diagnostiziert, ihn mit Salbe und Verband behandelt und darauf hingewiesen habe, dass bei Nichterfolg eine Operation unumgänglich sei. Da ihn dies so erschreckt habe, habe er zu Hause eine Tablette genommen und aus Angst vor den möglichen Operationsfolgen ein kleines Glas Bier getrunken. Dabei sei er noch davon ausgegangen, dass er P. von seiner Arbeitsunfähigkeit unterrichten werde. Da er aber dermaßen neugierig auf die in Aussicht gestellte Stelle gewesen sei, sei er doch zum vereinbarten Termin gegangen. Er habe am 05.08.2009 Frau T. anrufen wollen, dann aber entdeckt, dass auf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung die Krankschreibung einschließlich 05.08.2009 erfolgt sei, und sich daher entschieden, erst am 06.08.2009 anzurufen. Nachdem ihm Frau T. anlässlich des Telefonats am 06.08.2009 dann erklärt habe, jetzt kein Interesse mehr zu haben, habe er sie nicht mehr mit weiteren Anrufen belästigt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 03.03.2010 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 19.03.2010 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und zur Begründung im Wesentlichen die bereits im Widerspruchsverfahren vorgetragenen Gesichtspunkte nochmals dargestellt.

Nach erklärtem Einverständnis der Beteiligten hat das SG ohne mündliche Verhandlung durch Urteil vom 29.02.2012 den Bescheid vom 10.12.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.03.2010 aufgehoben und festgestellt, dass der Beklagte bei der Berechnung der einkommensabhängigen Leistungen (BSA) einen fiktiven Kapitalbetrag im Hinblick auf eine Tätigkeit des Klägers als Datenerfasser nicht ausrechnen (gemeint: anrechnen) darf. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt, es bestehe keine Rechtsgrundlage für eine solche Anrechnung. Ausgehend von Sinn und Zweck des BSA, einen schädigungsbedingten Einkommensverlust auszugleichen, weil der bisher ausgeübte oder angestrebte Beruf nicht mehr ausgeübt werden könne, entfalle der Anspruch auf BSA nicht etwa dann, wenn der Beschädigte nicht dazu bereit sei, einen sozial nicht gleichwertigen Beruf anzunehmen. Der Kläger sei aufgrund der erfolgreichen beruflichen Rehabilitationsmaßnahme zum Betriebswirt - Fachrichtung Datenverarbeitung - umgeschult worden. Eine dieser Qualifikation entsprechende Arbeitsstelle sei ihm von der C. GmbH nicht angeboten worden. Die angelernte Tätigkeit eines Datenerfassers sei mit dem Vergleichsberuf Einzelhandelskaufmann oder dem noch höherwertigen Umschulungsberuf Datenverarbeitungsbetriebswirt nicht sozial gleichwertig. Der in der BSchAV geforderte Zusammenhang zwischen einer mit Erfolg durchgeführten Maßnahme der beruflichen Rehabilitation und dem dadurch eröffneten möglichen Einkommenserwerb sei daher nicht gegeben.

Gegen das dem Beklagten am 10.04.2012 zugestellte Urteil hat dieser am 18.04.2012 Berufung eingelegt und zur Begründung geltend gemacht, es liege kein verständiger Grund vor, die angebotene Stelle als Datenerfasser nicht anzunehmen. Die berufliche Rehabilitationsmaßnahme habe zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheides schon 20 Jahre zurück gelegen. In dem Umschulungsberuf zum Betriebswirt EDV habe der Kläger nicht vermittelt werden können. Erst durch die Maßnahme bei P. hätten sich neue berufliche Vermittlungschancen ergeben. Die angebotene Stelle bei der C. GmbH wäre für den Kläger ein erster Schritt in die Arbeitswelt gewesen, weil seine EDV-Kenntnisse von 1988 sicherlich veraltet gewesen seien. Auf eine soziale Gleichwertigkeit komme es nur bei der Prüfung eines Anspruchs auf Höherbewertung des GdS nach § 30 Abs. 2 BVG an, nicht aber beim Anspruch auf BSA. § 9 Abs. 7 Satz 4 BSchAV komme zur Anwendung, wenn der Beschädigte seine Arbeitskraft in zumutbarer Weise nicht einsetze, wobei zur Frage der Zumutbarkeit auf die §§ 29, 32 BVG verwiesen werden könne.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 29. Februar 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hat zur Begründung auf seine Ausführungen in erster Instanz sowie auf das Urteil des SG Bezug genommen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Beteiligtenvorbringens wird auf die vorgelegten Behördenakten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung ist nicht begründet. Der Beklagte hätte bei der Berechnung des BSA nicht ein fiktives Einkommen des Klägers nach § 9 Abs. 7 Satz 4 BSchAV anrechnen dürfen. Da aber weitere Berechnungsfehler im Bescheid vom 10.12.2009 nicht gerügt worden sind und auch nicht ersichtlich ist, weshalb ein Rechtsschutzbedürfnis des Klägers an der vollständigen Aufhebung des Bescheides bestehen könnte, und somit lediglich von einer Teil-Anfechtungsklage auszugehen ist, wurde der Tenor der erstinstanzlichen Entscheidung zur Klarstellung neu gefasst. Auf die im Urteil des SG tenorierte Feststellung, die ausweislich der Urteilsbegründung nur klarstellend erfolgt war, wurde dabei verzichtet, da hierdurch der irrtümliche Eindruck entstehen könnte, der Kläger hätte außer der statthaften (Teil-)Anfechtungsklage auch eine Feststellungsklage erhoben, was indes nicht der Fall gewesen ist.

Der Beklagte hat die Neufeststellung des Versorgungsanspruchs des Klägers auf § 48 SGB X gestützt.

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine Änderung ist wesentlich, wenn der Verwaltungsakt, so wie er ursprünglich nach der damaligen Sach- und Rechtslage zu Recht erlassen wurde, nach der neuen Sach- und Rechtslage nicht mehr ergehen dürfte. Maßgebend ist das jeweilige materielle Recht (st. Rspr. BSGE 59, 111, 112 = SozR 1300 § 48 Nr. 19; BSGE 65, 301 = SozR 1300 § 48 Nr. 60 m. w. N. ; zuletzt BSGE 95, 57 = SozR 4-1300 § 48 Nr. 6; Freischmidt in Hauck/Noftz, SGB X, § 48 Rdnr. 11, Steinwedel in Kasseler Kommentar, § 48 SGB X, Rdnr. 13; Wiesner in von Wulffen, SGB X, § 48 Rdnr. 6).

Der Beklagte hat eine Änderung der Sach- und Rechtslage darin gesehen, dass für die Zeit ab 01.12.2009 für die Berechnung des BSA das derzeitige Bruttoeinkommen nach § 9 Abs. 7 Satz 4 BSchAV zu ermitteln ist. Zu Recht hat das SG jedoch festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 9 Abs. 7 Satz 4 BSchAV nicht vorliegen und daher eine Änderung der Sach- und Rechtslage nicht gegeben ist. Nachdem der Beklagte ausdrücklich zur Begründung der Abänderung des Bescheides eine Anrechnung nach § 9 Abs. 7 Satz 4 BSchAV vorgenommen hat, kann nicht davon ausgegangen werden, der Beklagte hätte die Kürzung des BSA (auch) wegen eines nach § 30 Abs. 11 BVG maßgeblichen Nachschadens vorgenommen (vgl. zu den unterschiedlichen tatbestandlichen Voraussetzungen noch unten).

Anwendung findet § 9 BSchAV hier in der bis zum 30.06.2011 geltenden Fassung vom 29.06.1984 (BGBl. I S. 861). Die durch Gesetz zur Änderung des BVG und anderer Vorschriften vom 20.06.2011 (BGBl. I S. 1114) erfolgte Neufassung des BSA ab 01.07.2011 gilt nur für Fälle, in denen nach dem 30.06.2011 erstmalig ein BSA beantragt worden ist (Dau in Knickrehm, Gesamtes soziales Entschädigungsrecht, § 30 Rdnr. 49).

Sind Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation mit Erfolg durchgeführt worden und nimmt der Beschädigte den hiernach möglichen Einkommenserwerb ohne verständigen Grund nicht ausreichend wahr, so ist nach § 9 Abs. 7 Satz 4 BSchAV als Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit ein Durchschnittseinkommen in entsprechender Anwendung des § 30 Abs. 11 BVG anzurechnen.

Eine solche Anrechnung fiktiven Einkommens unterliegt daher den folgenden Voraussetzungen: Der Beschädigte hat Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation mit Erfolg durchgeführt (1), nimmt aber einen möglichen Einkommenserwerb nicht ausreichend wahr (2), der mögliche Einkommenserwerb steht in Zusammenhang mit der beruflichen Rehabilitation (3), es fehlt an einem verständigen Grund für die unterlassene Wahrnehmung des Einkommenserwerbs (4).

1. Der Beklagte hat im Klageverfahren ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die entscheidungserhebliche Maßnahme der beruflichen Rehabilitation die im Jahr 1988 abgeschlossene Umschulungsmaßnahme zum Betriebswirt/Datenverarbeitung ist. Der Senat hat bereits erhebliche Zweifel daran, dass es sich hierbei um eine erfolgreiche Maßnahme der beruflichen Rehabilitation i. S. des § 9 Abs. 7 Satz 4 BSchAV gehandelt hat. Zwar hat der Kläger den Abschluss als solchen erlangt. Ein Bildungsabschluss allein sichert jedoch nicht den Erfolg einer beruflichen Rehabilitationsmaßnahme. Unabhängig von einer subjektiven Leistungsmotivation muss auch das objektive Leistungsergebnis die Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit nicht nur de jure, sondern auch de facto ermöglichen. Dies war hinsichtlich der Umschulung des Klägers zum Staatlich geprüften Betriebswirt (DV-Betriebswirt) indes nicht der Fall. Dessen Abschlussnoten speziell im fachspezifischen Bereich der Datenverarbeitung waren weit unterdurchschnittlich, sodass eine Vermittlung in eine der Ausbildung entsprechende Beschäftigung seit 1988 nicht gelungen ist. Auch die Tatsache, dass bereits vor Beginn der Umschulung berechtigte Zweifel an einem erfolgreichen Abschluss bestanden und die Umschulung von Seiten des Bildungswerkes H. daher nicht empfohlen worden ist (vgl. die Stellungnahme der Dipl.-Psych. H.) und der Kläger selbst bei der versorgungsärztlichen Begutachtung im Jahr 1989 angegeben hatte, er habe die Umschulungsmaßnahme nur unter Aufbietung aller Kräfte absolvieren können, spricht gegen die Eignung des Klägers für diese Umschulung und damit gegen eine erfolgreiche berufliche Rehabilitationsmaßnahme. Der Umstand, dass der Verordnungsgeber in § 9 Abs. 7 Satz 4 BSchAV die Anrechnung eines fiktiven Einkommens erst dann vorschreibt, wenn die berufliche Rehabilitation "mit Erfolg" durchgeführt worden ist, und nicht - entsprechend der in § 29 BVG getroffenen Regelung ("Reha vor Rente", vgl. hierzu Senatsurteil vom 21.02.2013 - L 6 VS 4178/10) - die Anrechnung von einer Prognoseentscheidung vor Aufnahme der Rehabilitationsmaßnahme abhängig macht, spricht ebenfalls dafür, dass es sich hierbei um ein eigenständiges Tatbestandsmerkmal handelt und nicht allein der Bildungsabschluss als solcher ausreichend ist. Letztlich kann jedoch offen bleiben, ob vorliegend die Umschulung des Klägers zum Betriebswirt als erfolgreiche berufliche Rehabilitationsmaßnahme i. S. des § 9 Abs. 7 Satz 4 BSchAV zu bewerten ist. Denn selbst wenn unabhängig von der erzielten Note ausschließlich auf das Bestehen der Abschlussprüfung abgestellt würde, stünde der Anrechnung eines fiktiven Einkommens hier der fehlende innere Zusammenhang zwischen der Rehabilitationsmaßnahme und dem konkreten möglichen Einkommenserwerb entgegen (vgl. hierzu sogleich Ziff. 3).

2. Keine Zweifel hingegen hat der Senat daran, dass der Kläger einen möglichen Einkommenserwerb nicht ausreichend wahrgenommen hat. Die Einlassung der Klägervertreterin, es könne sich bei dem Arbeitsangebot der C. GmbH nur um ein fingiertes Angebot gehandelt haben, die Gesellschaft habe mit der AA kollusiv zusammengewirkt, um dem Kläger eine Falle zu stellen, entbehrt jeglicher sachlicher Grundlage und beruht ausschließlich auf Mutmaßungen und Unterstellungen. Auch wenn der Kläger bis einschließlich 05.08.2009 krankgeschrieben war, wäre ein Einkommenserwerb möglich gewesen. Unterstellt, der Sachverhalt hätte sich tatsächlich wie vom Kläger in seiner eidesstattlichen Versicherung dargestellt zugetragen und die C. GmbH hätte anlässlich des Anrufs des Klägers am 06.08.2009 geäußert, nun kein Interesse mehr an einer Beschäftigung des Klägers zu haben, wäre ausschließlich durch das Verhalten des Klägers der Einkommenserwerb vereitelt worden. Zum einen dürfte auch aus Sicht des Klägers eine verbindliche Entscheidung mit der telefonischen Äußerung noch nicht getroffen gewesen sein, denn er hat noch am selben Tag gegenüber der Sachbearbeiterin des Landratsamtes telefonisch geäußert, es sei noch ein Vorstellungsgespräch in Freiburg vereinbart worden. Von Seiten der C. GmbH wurde auch nicht bestätigt, dass das Arbeitsangebot aufgrund des Telefonats mit dem Kläger am 06.08.2009 zurück genommen worden sei. Zum anderen hätte der Kläger durchaus bereits am 05.08.2009 - wie mit der C. GmbH vereinbart - den telefonischen Kontakt aufnehmen können. Weshalb er sich hieran aufgrund der Krankschreibung bis einschließlich 05.08.2009 gehindert sah, erschließt sich dem Senat insbesondere vor dem Hintergrund nicht, dass der Kläger in der Lage war, am 29.07.2009, also zum Zeitpunkt der ersten Diagnosestellung und des Behandlungsbeginns, persönlich zum Vorstellungsgespräch bei der P. zu erscheinen. Er hätte daher ohne Weiteres am 05.08.2009 die C. GmbH telefonisch davon unterrichten können, dass und wie lange er noch arbeitsunfähig sein würde.

3. § 9 Abs. 7 Satz 4 BSchAV erlaubt jedoch nicht generell bei selbst verschuldeter Arbeitslosigkeit eine fiktive Einkommensanrechnung. Der Gesetzgeber hat hier vielmehr einen besonderen Sachverhalt geregelt, indem er von Beschädigten, die eine berufliche Rehabilitationsmaßnahme erfolgreich abgeschlossen haben und deshalb Einkommenserwerb erzielen könnten, die Darlegung eines besonderen "verständigen" Grundes verlangt, wenn sie hiervon keinen Gebrauch machen. Sinn und Tragweite dieser Bestimmung ist aus ihrer Entstehungsgeschichte und ihrem Zweck sowie aus dem systematischen Zusammenhang, in dem sie steht, zu erschließen.

Während in § 9 Abs. 5 Durchführungsverordnung (DV) zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG i. d. F. vom 11.04.1974 noch generell bestimmt war, dass eine Einkommensminderung nicht berücksichtigt wird, wenn der Beschädigte ohne verständigen Grund seine Arbeitskraft nicht in zumutbarem Umfange einsetzt, hat der Verordnungsgeber diese Regelung in die ab 01.01.1976 geltende Fassung der BSchAV vom 18.01.1977 nicht übernommen. Dies bedeutete allerdings nicht, dass das Verhalten des Beschädigten im Rahmen der Versorgungsentschädigung in Zukunft ohne Bedeutung sein sollte. Der Verordnungsgeber hat die weggefallene Bestimmung jedoch als entbehrlich angesehen, weil der Gesetzgeber mit § 30 Abs. 5 BVG i. d. F. vom 22.06.1976 eine neue Regelung geschaffen hatte, in der als (nicht entschädigungspflichtiger) Nachschaden eine voraussichtlich auf Dauer eingetretene Minderung des Bruttoeinkommens aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit auf Grund nachträglicher schädigungsunabhängiger Einwirkungen oder Ereignisse definiert worden war und er lediglich die unverschuldete Arbeitslosigkeit grundsätzlich nicht, die vom Beschädigten ohne verständigen Grund aber verursachte Arbeitslosigkeit sehr wohl als Nachschaden, also als eine versorgungsfremde und als solche nicht auszugleichende Situation verstanden hat (BR-Drucks. 577/76, S. 27 zu Abs 6; BSG SozR 3100 § 30 Nrn. 48 und 64). Die ursprünglich in § 9 Abs. 5 DV zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG enthaltene Regelung war daher der Sache nach überflüssig geworden. Durch die Regelung des § 30 Abs. 5 BVG sollte eine Entschädigung versorgungsfremder Nachschäden vermieden werden (BT-Drucks. 7/4127, S. 55, unter: Besonderer Teil - Art. 22, zu § 1 Nr. 3). Nach der Gesetzesmotivation wurde als Nachschaden eine Einkommensminderung angesehen, die durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse oder durch ein unverständiges Verhalten des Beschädigten verursacht wird (BT-Drucks. 7/4127, S. 22). Solche Leistungsvorteile, auf die sich die Rechtspraxis vorher eingelassen hatte, sollten beseitigt werden. Sie erschienen im Hinblick auf die Grundbestimmung des § 1 Abs. 1 BVG, nach der nur die durch eine Schädigung verursachten gesundheitlichen und wirtschaftlichen Einbußen auszugleichen sind, nicht gerechtfertigt. Von dieser Erwägung her kann das durch Arbeitslosigkeit entfallene oder reduzierte Einkommen nur dann außer acht bleiben, wenn der Beschädigte sich nicht selbst unbedacht und in unverständiger Weise in diese Lage gebracht hat. Der Gesetzgeber wollte mit § 30 Abs. 5 Satz 1, 2. Halbs. BVG lediglich das Risiko der ungewollten Arbeitslosigkeit und die Zufälligkeiten der Konjunktur- und Arbeitsmarktlage der öffentlichen Hand zurechnen, den Beschädigten jedoch nicht von einem verantwortungsvollen und zumutbaren Verhalten freistellen (BSG SozR 3100 § 30 Nr. 48). Die ursprünglich in Abs. 5 enthaltene Regelung wird in § 30 Abs. 11 BVG in der hier maßgeblichen, bis zum 30.06.2011 geltenden Fassung vom 13.12.2007 inhaltlich unverändert fortgeführt.

Die erstmals in § 9 Abs. 7 Satz 4 BSchAV i. d. ab 01.07.1990 gültigen Fassung vom 16.01.1991 geregelte fiktive Einkommensanrechnung muss sich daher auf den speziellen Fall des unterlassenen Einkommenserwerbs bei Beschädigten nach erfolgreicher beruflicher Rehabilitationsmaßnahme beziehen und muss sich von dem nach § 30 Abs. 11 BVG zu berücksichtigenden allgemeinen Fall der selbstverschuldeten Arbeitslosigkeit unterscheiden. Dies findet seine Bestätigung im Wortlaut der Bestimmung, wonach es sich um einen "hiernach möglichen Einkommenserwerb" handeln muss.

Diesen notwendigen inneren Zusammenhang zwischen der Rehabilitationsmaßnahme und dem Einkommenserwerb vermag der Senat vorliegend nicht zu erkennen. Er wird bereits durch den langen zeitlichen Abstand von über 20 Jahren zwischen dem Ende der Rehabilitationsmaßnahme und dem Beginn des möglichen Einkommenserwerbs unterbrochen. Aber auch inhaltlich fehlt es an dem erforderlichen Zusammenhang zwischen der Rehabilitationsmaßnahme und dem Arbeitsangebot der C. GmbH. Denn für die Arbeit des Datenerfassers bedurfte es nicht der Umschulungsmaßnahme zum Betriebswirt/DV. Datenerfasser/innen geben vorstrukturierte Informationen in Datenerfassungsgeräte ein. Auch wenn eine kaufmännische Ausbildung von Vorteil sein kann, gibt es eine rechtlich geregelte Ausbildung für eine Tätigkeit als Datenerfasser/in derzeit nicht (http://berufenet.arbeitsagentur.de/berufe/?dest=profession&prof-id=27353). Es handelt sich um eine Anlerntätigkeit, die der Kläger auch ohne vorherige fachspezifische Kenntnisse hätte ausüben können. Dass letztlich auch der Beklagte keinen Zusammenhang zwischen der Rehabilitationsmaßnahme und dem Arbeitsangebot bei der C. GmbH sieht, ergibt sich aus dessen Berufungsbegründung, in der er ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass der Kläger in seinem Umschulungsberuf als Betriebswirt EDV nicht vermittelt werden konnte und sich durch die Maßnahme bei P. neue berufliche Vermittlungschancen ergeben haben. Fehlt es wie hier jedoch an einer erfolgreichen Rehabilitationsmaßnahme und einem hiernach möglichen Einkommenserwerb, kann der Beklagte nicht nach § 9 Abs. 7 Satz 4 BSchAV eine fiktive Einkommensanrechnung vornehmen.

4. Ob dem Kläger ein verständiger Grund für die unterlassene Arbeitsaufnahme zur Seite stand, bedarf daher hier keiner Entscheidung.

Im Hinblick auf die Ausführungen des SG im angefochtenen Urteil hält der Senat jedoch den Hinweis für angezeigt, dass es dem Beklagten unbenommen bleibt zu prüfen, ob das Verhalten des Klägers und der durch die verweigerte Arbeitsaufnahme eingetretene Einkommensverlust als schädigungsunabhängiger Nachschaden nach § 30 Abs. 11 BVG zu behandeln ist. Wie sich aus der Stellungnahme der Versorgungsärztin L. ergibt, hindern die schädigungsbedingten Gesundheitsstörungen den Kläger nicht, in nennenswertem Umfang mit den genannten Einschränkungen tätig zu sein. Der Kläger ist daher verpflichtet, eine ihm angemessene und zumutbare Arbeit aufzunehmen (vgl. BSG SozR 3100 § 30 Nr. 48). Nachdem der Kläger selbst eingeräumt hat, dass ihm die Umschulung schwer gefallen sei und er sie nur unter Aufbietung aller Kräfte erfolgreich habe absolvieren können, dürften ihm auch weniger anspruchsvolle Tätigkeiten zumutbar sein. Einer sozialen Gleichwertigkeit mit dem Beruf des Betriebswirts bedarf es schon deshalb nicht, da der Kläger nie in der Lage war, diesen Beruf auszuüben. Der Senat ist unter Berücksichtigung des vor dem Schädigungsereignis erworbenen Realschulabschlusses vergleichsweise geringerer Güte und aufgrund der ihm nach dem Schädigungsereignis mehrfach zugesprochenen jedenfalls durchschnittlichen Intelligenz (vgl. Dipl.-Psych. K., Kliniken Sch. KG und Dipl.-Psych. H.) auch keineswegs davon überzeugt, dass der Kläger schädigungsbedingt kognitive Einbußen erlitten hat, die ihn an der Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit hindern würden. Fehl gehen der Kläger bzw. dessen Prozessbevollmächtigte auch in der Annahme, dem Kläger seien nur Tätigkeiten zuzumuten, die einen dem bisherigen Versorgungsanspruch zumindest vergleichbaren Verdienst erbrächten. Denn die Bezugsgröße ist das ermittelte Vergleichseinkommen eines kaufmännischen Angestellten nach der Leistungsgruppe IV. Auf das danach maßgebliche Einkommen ist jedes tatsächlich erzielte Einkommen ober bei selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit bzw. fehlendem verständigem Grund (vgl. hierzu BSG SozR 3100 § 30 Nr. 48) für die verweigerte Arbeitsaufnahme das fiktive Arbeitsentgelt nach § 30 Abs. 11 BVG als schädigungsunabhängiger Nachschaden anzurechnen. Eine Anrechnung nach § 9 Abs. 7 Satz 4 BSchAV hingegen kommt vorliegend - wie oben ausgeführt - nicht in Betracht.

Die Berufung war daher mit der Kostenfolge des § 193 SGG zurückzuweisen.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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