L 8 U 2010/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 4773/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 2010/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21. April 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist der Umfang der Unfallfolgen und die Höhe der unfallbedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) streitig.

Der 1951 geborene Kläger war seit Juni 1997 als Bauwerker bei der Firma L. G. und S. GmbH & Co. KG, B., beschäftigt. Am 02.10.2007 erlitt der Kläger einen Arbeitsunfall. In der Unfallanzeige vom 09.10.2007 (Eingang bei der Beklagten) ist zum Unfallhergang ausgeführt, die Verankerung (Gerüsthaken) habe sich aus dem Massivmauerwerk gelöst, wodurch das Gerüst zum Teil umgekippt sei. Der Kläger sei aus ca. 2,50 bis 3,00 m nach unten gefallen. Im Durchgangsarztbericht des Dr. S., P., vom 04.10.2007 ist ausgeführt, der Kläger habe angegeben, er sei während der Arbeit aus ca. 4 m Höhe zusammen mit dem Gerüst gestürzt. Das Röntgenergebnis der rechten Schulter habe einen Verdacht auf eine stattgehabte Schulterluxation rechts sowie eine Risswunde am Mittel- und Ringfinger links ergeben. Der Patient sei bei der Aufnahme wach und ansprechbar gewesen, neurologische Defizite hätten nicht vorgelegen. Am Schädel und an der Halswirbelsäule seien keine erkennbaren Verletzungen. Der Kläger wurde noch am 02.10.2007 aus der stationären in die ambulante Behandlung entlassen. Dr. K. - Facharzt für Radiologie - führte in seinem Bericht vom 08.10.2007 aufgrund der Kernspintomographie der rechten Schulter des Klägers aus, beim Kläger liege eine vollständige Ruptur der Infra- und Supraspinatussehne vor sowie eine ausgeprägte Tendinitis der Subscapularissehne; AC-Arthrose; Gelenkerguss; schlechte Abgrenzbarkeit der langen Bizepssehne, die etwas medialisiert noch zu erahnen sei. Außerdem liege der Verdacht auf alten Labrumabriss vor und eine Deformität des Humeruskopfes mit Geröllzysten. Am 30.10.2007 wurde der Kläger ambulant in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. untersucht und vom 14.11. bis zum 11.12.2007 stationär behandelt. Am 05.12.2007 wurde dort beim Kläger eine Arthroskopie des rechten Schultergelenks mit Naht der Rotatorenmanschette rechts durchgeführt. Im Entlassungsbericht vom 10.12.2007 ist als Diagnose eine Distorsion und Prellung der rechten Schulter mit Rotatorenmanschettenläsion aufgeführt. Am 09.04.2008 wurde der Kläger in den Räumen der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. untersucht und Dr. A. - Leitender Arzt der Sektion Sporttraumatologie und Arthroskopische Chirurgie - erstattete den ambulanten Untersuchungsbericht mit fachärztlicher Stellungnahme vom 14.04.2008. Danach habe sich bei zwei stationären Heilverfahren bei initial erheblich eingeschränkter Beweglichkeit eine deutliche Verbesserung der Schmerzsymptomatik und des Bewegungsumfangs im rechten Schultergelenk gezeigt. Bei der jetzigen Untersuchung sei die Beweglichkeit im rechten Schultergelenk noch endgradig eingeschränkt und eine Vorwärtshebung und Seitwärtshebung sei bis 140° möglich. Die Außendrehfähigkeit sei bis zu 10° möglich. Prof. Dr. C. von der Orthopädischen Universitätsklinik H. erstattete im Auftrag der Beklagten das orthopädische Zusammenhangsgutachten vom 14.04.2008 nach klinischer und röntgenologischer Untersuchung des Klägers vom 10.04.2008. Dieser kam in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, beim Kläger lägen auf orthopädischem Fachgebiet folgende Gesundheitsstörungen vor: Aktive und passive Einschränkung der Schultergelenksbeweglichkeit rechts nach offener Refixation einer Ruptur der Sehne des Musculus subscapularis und Supraspinatus, Minderung der Schulterkappenmuskulatur sowie des Ober- und Untergrätenmuskels rechts, reizlose Narbenverhältnisse Schultergelenk rechts und Ringfinger links, beiderseitige Schultereckgelenksarthrose, erstgradiger Morbus Dupuytren Ringfinger rechts, Zustand nach Bandscheibenvorfall L4/5 mit persistierender Gefühlsminderung Unterschenkelaußenseite und Großzehe links. Der Verletzungsmechanismus bei dem Unfall vom 02.10.2007 sei geeignet gewesen, den Rotatorenmanschettenschaden zu verursachen. Eine Gelegenheitsursache habe nicht vorgelegen. Es habe ein gewisser degenerativer Vorschaden im Bereich des rechten Schultergelenks im Sinne einer Schultereckgelenksarthrose und Zystenbildung im Bereich des Oberarmkopfes rechts vorgelegen. Die Schultereckgelenksarthrose und die Zystenbildung im Bereich des Oberarmkopfes rechts seien durch die röntgenologische Untersuchung am Unfalltag sowie durch die nachfolgende Kernspintomographie im November 2007 und durch die aktuelle röntgenologische Untersuchung nachgewiesen. Die unfallbedingte MdE werde bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit mit 20% eingeschätzt.

Am 19.05.2008 stellte sich der Kläger dem Durchgangsarzt Dr. B., B., vor. Hierbei gab er an, er stehe derzeit in der Belastungserprobung mit sechs Stunden täglich. Bei dem Arbeitsunfall sei er von einer Leiter gefallen und habe Angst, dies könne erneut geschehen, weil er seine rechte Schulter nicht wie gewohnt belasten könne. Nach telefonischer Rücksprache durch Dr. B. mit der Beklagten wurde die Belastungserprobung abgebrochen.

Im Testbericht des Rehabilitationszentrums für Unfallchirurgie und Neurologie, M., vom 30.05.2008 ist ausgeführt, der Kläger habe den Untersuchungsraum betreten, wobei der rechte Arm in Schonhaltung vor dem Körper gehalten worden sei. Es bestehe eine Einschränkung im Wesentlichen des Schultergelenkes in alle Bewegungsamplituden. Der Kläger habe angegeben, dass er immer Schmerzen habe und deutlich mehr bei Belastung. Beim Bücken bekomme er Schwindel. Er habe auch Angst, Gerüste bzw. Leitern hochzugehen. Beim stationären Aufenthalt in der BG-Unfallklinik T. habe er mit einem Psychologen zweimal gesprochen, nicht jedoch über seine Ängste, da er das bis dahin noch nicht gewusst habe. Es sei ihm erst klar geworden, als er zum ersten Mal in der ABE-Maßnahme wieder ein Gerüst habe besteigen müssen. Er habe vor Angst regelrechte Luftnot bekommen.

Diplompsychologin U. teilte der Beklagten mit Bericht vom 21.06.2008 mit, beim Kläger seien die Diagnosen "Anpassungsstörung, Höhenangst" zu stellen. Bisher hätten fünf probatorische Sitzungen stattgefunden. Weitere Sitzungen seien erforderlich. Dr. P.- Arzt für Neurologie und Psychiatrie - , der den Kläger am 25.06.2008 ambulant untersuchte, kam in seinem Bericht vom 30.06.2008 zum Ergebnis, beim Kläger seien folgende Diagnosen zu stellen: Depressive Episode, zur Zeit mittelgradig gemischt mit Ängsten; Verdacht auf Läsion des N. Suprascapularis rechts. Prof. Dr. W. kam in seiner chirurgischen Stellungnahme vom 23.07.2008 zu dem Ergebnis, bei dem seit 09.06.2008 durchgeführten Heilverfahren habe sich abgezeichnet, dass eine Überkopftätigkeit nicht mehr realistisch durchgeführt werden könne. Jetzt sei ein mittelfristiger medizinischer Endzustand eingetreten. Die Tätigkeit als Gipser, die der Kläger zuletzt durchgeführt habe, könne er nicht mehr wettbewerbsfähig durchführen. Die Tätigkeit als Schreiner, die der Kläger gelernt habe, sei mit gewissen Einschränkungen denkbar. Prof. Dr. S. gelangte in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 21.07.2008 zu dem Ergebnis, das Vorliegen einer Angststörung sei aus den vorliegenden Akten nicht nachzuvollziehen. Grundsätzlich würden Ängste und Sorgen (Zukunftssorgen) des hier beklagten Typs nicht durch traumatische Ereignisse hervorgerufen. Der Kläger beklage wechselnde und diffuse Beschwerden, die auf Befundebene nicht nachzuvollziehen seien. Auch eine depressive Störung (unfallunabhängig vorbestehend) liege jetzt nicht gesichert vor.

Mit Bescheid vom 14.08.2008 stellte die Beklagte fest, beim Kläger liege eine posttraumatische Angststörung bzw. eine depressive Störung nicht vor. Ein Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung bestünde diesbezüglich nicht. Die vom Kläger geklagten Ängste und Sorgen würden grundsätzlich nicht durch traumatische Ereignisse hervorgerufen. Außerdem sei eine depressive Erkrankung unfallvorbestehend laut Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse bekannt. Auf psychiatrischem Fachgebiet bestünden keine Unfallfolgen. Aufgrund der Unfallfolgen sei eine Psychotherapie somit nicht erforderlich. Die zu Lasten der Berufsgenossenschaft eingeleitete Psychotherapie werde mit sofortiger Wirkung abgebrochen. Eine Kostenübernahme könne seitens der Berufsgenossenschaft nicht mehr erfolgen. Gegen den Bescheid vom 14.08.2008 legte der Kläger keinen Widerspruch ein.

Anschließend veranlasste die Beklagte eine Untersuchung und Begutachtung des Klägers durch den Chirurgen Dr. H., B ... Dieser kam im ersten Rentengutachten vom 24.03.2009 zu dem Ergebnis, beim Kläger lägen folgende Unfallfolgen vor: Glaubhafte Beschwerden im Bereich der rechten Schulter, Funktionseinschränkung in der rechten Schulter, vor allem beim Armvorwärts- und Armseitwärtsführen; mangelhafte Rotatorenmanschettenfunktion nach operativer Rekonstruktion; mangelhafte Anpassung und Gewöhnung an die Unfallfolgerückstände. Als vom Unfall unabhängige krankhafte Veränderungen lägen Diabetes mellitus, Hypertonie und Bandscheibenveränderungen mit BWS- und LWS-Syndrom vor. Die unfallbedingte MdE betrage vom 16.03.2009 bis zur Festsetzung der Rente auf unbestimmte Zeit 20 v.H.

Mit Bescheid vom 08.05.2009 gewährte die Beklagte dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalles Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE um 20 v.H. ab 31.03.2009. Als Folgen des Arbeitsunfalles wurden anerkannt: Am rechten Arm: Bewegungseinschränkung des Schultergelenkes, Muskelminderung der Schulter sowie des Ober- und Unterarmes, Minderung des Kalksalzgehaltes im Bereich des Schultergelenkes sowie Verschmächtigung der Supraspinatus-, Infraspinatus-, und Subscapularissehne nach Schulterluxation mit Riss der Supraspinatussehne, Teilriss der Infraspinatus- und Subcapularissehne sowie Bizepssehnenluxation. Die Risswunden am linken Mittel- und Ringfinger seien folgenlos ausgeheilt. Folgende Beeinträchtigungen lägen unfallunabhängig von dem Arbeitsunfall vor: Degenerative Veränderungen der Supraspinatussehne und beginnende AC-Gelenksarthrose rechts; beginnende Dupuytren’sche Kontraktur des rechten Ringfingers.

Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein und machte geltend, die Unfallfolgen seien nicht zutreffend festgestellt worden. Weitere Unfallfolgen seien degenerative Veränderungen der Supraspinatussehne und die beginnende AC-Gelenksarthrose rechts. Darüber hinaus werde geltend gemacht, dass er unter schweren psychischen Folgen leide. Seit dem Arbeitsunfall, bei dem er aus einer Höhe von ca. 4 m von einem Gerüst gestürzt sei, leide er unter massiver Höhenangst. Dadurch sei er auch beruflich besonders betroffen. Die Tätigkeit als Gipser, die er bisher ausgeübt habe, werde regelmäßig auf Gerüsten und in großer Höhe ausgeübt. Auch die Unfallfolgen am rechten Arm seien nicht ausreichend bewertet worden. Er begehre die Gewährung von Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 50%.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14.10.2009 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen.

Dagegen erhob der Kläger am 29.10.2009 Klage auf - zunächst nur - Verletztenrente zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) und trug zur Begründung unter Erweiterung des Klagebegehrens auf Feststellung von Unfallfolgen im Wesentlichen vor, die Beklagte habe zu Unrecht degenerative Veränderungen der Supraspinatussehne und eine beginnende Acromioclaviculargelenksarthrose rechts als weitere Unfallfolge abgelehnt. Darüber hinaus leide er als Folge des Arbeitsunfalles an einer massiven Höhenangst und an einer Depression. Wegen der Unfallfolgen könne er seinen bisherigen Beruf nicht mehr ausüben und sei deshalb besonders beruflich betroffen. Die Verletztenrente sei mit einer MdE um 50 v.H. der Vollrente zu gewähren.

Das SG hörte K.-H. S. - Facharzt für Psychotherapie und Psychiatrie - als sachverständigen Zeugen. Dieser teilte am 24.02.2010 mit, beim Kläger liege eine mittelgradige lang anhaltende Depression und eine posttraumatische Belastungsstörung vor. Der Kläger befinde sich seit 19.02.2009 bei ihm in fortlaufender ambulanter Psychotherapie. Medikamentös psychiatrische Therapie erfolge begleitend durch Dr. U ...

Mit Bescheid vom 22.03.2010 gewährte die Beklagte dem Kläger anstelle der bisherigen Rente als vorläufige Entschädigung eine Rente auf unbestimmte Zeit in gleicher Höhe nach einer MdE von 20%. Als Unfallfolgen wurden am rechten Arm anerkannt: Bewegungseinschränkung des Schultergelenkes, geringfügige Muskelminderung im Bereich der Schultermuskulatur sowie des Unterarmes, Muskelminderung des Oberarmes, Kraftminderung der Hand, Sensibilitätsstörungen am Oberarm und an der Schulter und der Schulterblattregion. Als vom Unfall unabhängige Gesundheitsstörungen wurden festgestellt: Degenerative Veränderungen der Supraspinatussehne und beginnende AC-Gelenksarthrose rechts, beginnende Dupuytren‘sche Kontraktur des rechten Ringfingers. Der Bescheid wurde gemäß § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens. Hierzu legte die Beklagte das zweite Rentengutachten des Orthopäden Dr. C. vom 20.02.2010 und das orthopädische Zusammenhangsgutachten des Prof. Dr. C. vom 14.04.2008 vor, der die unfallbedingte MdE mit 20% einschätzte.

Das SG zog den Entlassungsbericht der Z.-Klinik S. B. vom 13.04.2010 von der Deutschen Rentenversicherung bei. Anschließend holte das SG das orthopädische Gutachten des Dr. v. S. vom 17.07.2010 und das neurologisch-psychiatrische Gutachten des Dr. B. vom 18.07.2010 - jeweils von Amts wegen - ein. Dr. v. S. kam zu dem Ergebnis, als Folge des Unfallgeschehens vom 02.10.2007 seien allein die stattgehabte Rotatorenmanschettenruptur im Subscapularisbereich mit nachfolgender Naht und persistierender Bewegungseinschränkung sowie belastungsabhängigen Schmerzen anzusehen. Die AC-Gelenkarthrose sei zum Zeitpunkt des Unfalls bereits röntgenologisch nachzuweisen gewesen und habe in der weiteren Folge nicht progredient zugenommen. Darüber hinaus liege eine solche auch auf der Gegenseite vor, ohne dass hier eine Bewegungseinschränkung oder signifikante Beschwerdesymptomatik vorhanden wäre. Die unfallbedingte MdE auf orthopädischem Fachgebiet betrage für die Reststörungen nach stattgehabter Rotatorenmanschettennaht und Ruptur mit signifikanter Bewegungseinschränkung und belastungsabhängigen Schmerzen ab 31.03.2009 richtig und umfassend 20%. Eine Höhereinschätzung sei in Anbetracht des vorhandenen Bewegungsausmaßes nicht möglich. Dr. B. führte in seinem Gutachten aus, auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet bestünden beim Kläger eine depressive Störung (gegenwärtig leichtgradige depressive Episode) und eine spezifische Phobie, Acrophobie, insbesondere Angst beim Betreten von Leitern und Gerüsten. Die spezifische Phobie (Acrophobie, insbesondere Angst beim Betreten von Leitern und Gerüsten mit entsprechendem Vermeidungsverhalten) sei mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Unfall vom 02.10.2007 zurückzuführen. Die MdE für die spezifische Phobie schätze er seit 31.03.2009 auf 10% ein. Die Gesamt-MdE beurteile er auf 25% seit dem 31.03.2009. Mit der Diplom-Psychologin U. stimme er darin überein, dass bei dem Kläger unfallbedingt eine spezifische Phobie bestehe und für eine gewisse Zeit auch eine Anpassungsstörung mit depressiver Reaktion. Die von Dr. P. gestellte Verdachtsdiagnose einer unfallbedingten Läsion des N. Suprascapularis rechts habe er nicht bestätigen können. Mit dem Facharzt für Psychotherapie und Psychiatrie K.-H. S. stimme er darin überein, dass bei dem Kläger jetzt eine depressive Störung, gegenwärtig leichtgradige depressive Episode, bestehe. Er sei aber der Meinung, dass kein ursächlicher Zusammenhang mehr mit dem Unfall vom 02.10.2007 hergestellt werden könne. Im Gegensatz zu Dr. S. sei er der Meinung, dass unter Zugrundelegung der üblichen diagnostischen Standards die Kriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung bei dem Kläger nicht erfüllt seien. Es gebe nach den ärztlichen Berichten keinen Hinweis für eine erhebliche psychische Initialreaktion. Der Kläger habe unmittelbar nach dem Ereignis nicht mit intensiver Furcht, Hilflosigkeit oder Entsetzen reagiert. Hinweise für einen psychischen Erstschaden ergäben sich nach den Befundberichten nicht. Bei der jetzigen Untersuchung habe der Kläger den Unfallhergang genau schildern können ohne erkennbare intensive psychische oder vegetative Reaktion. Ein intensives Wiedererleben des Unfalls in sich aufdrängenden Bildern (Flashbacks) habe nicht bestanden und liege auch derzeit nicht vor.

Mit Schriftsatz vom 13.10.2010 unterbreitete die Beklagte dem Kläger zur Beendigung des Rechtsstreits folgendes Angebot:

1. Der Bescheid vom 08.05.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.10.2009 und der Bescheid vom 22.03.2010 werden insoweit abgeändert, als dem Kläger ab dem 31.03.2009 eine Rente mit einer MdE von 25 v.H. gewährt wird. 2. Als weitere Folge des Arbeitsunfalls vom 02.10.2007 wird eine spezifische Phobie in der Form einer Akrophobie anerkannt. 3. Im Übrigen wird die Klage zurückgenommen. 4. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers werden dem Grunde nach zur Hälfte erstattet. 5. Der Rechtsstreit ist in der Hauptsache damit erledigt.

Der Kläger nahm dieses Angebot nicht an und trug zur Begründung vor, die psychischen Folgen des Unfalles seien seiner Meinung nach zu gering bewertet worden. Er leide ganz offensichtlich nicht lediglich unter Höhenangst, sondern zusätzlich an einer Depression, die sich aus dem Unfallgeschehen entwickelt habe. Die durch den Unfall verursachte Phobie sei von Dr. B. mit einer MdE von 10 v.H. für zu niedrig bewertet worden.

Anschließend holte das SG auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG das neuropsychiatrische Gutachten des Dr. W. vom 07.02.2011 ein. Darin gelangte dieser zu dem Ergebnis, beim Kläger liege auf seinem Fachgebiet eine spezifische Phobie mit Höhenangst und eine wechselnd stark ausgeprägte chronifizierte depressive Symptomatik vor, die beide durch das Unfallereignis vom 02.10.2007 verursacht worden seien. Die spezifische Phobie und die depressive Symptomatik seien mit großer Wahrscheinlichkeit im Sinne der Entstehung ursächlich allein auf den Arbeitsunfall vom 02.10.2007 zurückzuführen. Dem stehe auch nicht entgegen, dass der Kläger 1995, als er sich im Rahmen des Bosnienkrieges um seine Mutter Sorgen gemacht habe, kurzfristig depressiv gewesen sei. Jetzt habe der Kläger einfach Angst vor der Zukunft, fühle sich von der Berufsgenossenschaft und der Rentenversicherung allein gelassen und missverstanden. Die Höhenangst bestehe seit dem Unfallereignis. So könne der Kläger z.B. nicht nahe an ein offenes Fenster in seiner Wohnung (zweiter Stock) herangehen, auch die Terrasse nur unter großer Überwindung betreten, fühle sich dort nicht wohl und müsse dann bald wieder ins Zimmer zurückgehen. Er grüble viel, sei reizbarer geworden und schlafe schlecht. Im Gegensatz zum Vorgutachter Dr. B. sei er der Ansicht, dass das Ausmaß der Störung mit einer Einzel-MdE von nur 10 zu gering bewertet sei. Nach der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizinischen Verordnung vom 10.12.2008 sei eine solche Störung, wie sie vom Kläger glaubhaft beschrieben worden sei, mit einer Einzel-MdE von 20 zutreffend bewertet. Aus der Gesamtaddition der orthopädischen und der psychiatrisch-psychotherapeutischen Unfallfolgen ergebe sich eine Gesamt-MdE von 30.

Gegen das Gutachten von Dr. W. wandte die Beklagte mit Schriftsatz vom 01.03.2011 ein, das Gutachten überzeuge nicht. Bereits die Annahme, dass die depressiven Verstimmungen des Klägers auf den Unfall zurückgeführt werden könnten, könne nicht nachvollzogen werden. Insbesondere aber die MdE-Einschätzung des Gutachters sei offensichtlich fehlerhaft. Dieser stelle bei seiner Einschätzung auf die Vorgaben der Versorgungsmedizinischen Verordnung ab, wo für leichte psychovegetative oder psychische Störungen ein GdB von 0 bis 20 vorgeschlagen werde. Diese Vorgaben seien für die MdE-Einschätzung im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung aber nicht relevant, da es sich um ein anderes Rechtsgebiet handele. Nach Schönberger/Mehrtens/Valentin, 8. Aufl., 2010, S. 157 sei im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung für Phobien mit leichtgradiger körperlich-funktioneller Einschränkung und psychisch-emotionaler Beeinträchtigung eine MdE bis 10% anzusetzen.

Mit Urteil vom 21.04.2011 änderte das SG den Bescheid vom 08.05.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.10.2010 sowie den Bescheid vom 22.03.2010 ab, stellte als weitere Folge des Arbeitsunfalles vom 02.10.2007 eine "spezifische Phobie in der Form einer Acrophobie" fest und verurteilte die Beklagte, dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 02.10.2007 ab dem 31.03.2009 Verletztenrente nach einer MdE um 25 v.H. der Vollrente zu gewähren; im Übrigen wies es die Klage ab.

In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, der Kläger habe Anspruch auf Verletztenrente ab 31.03.2009 nach einer MdE um 25 v.H. der Vollrente, wie dies die Beklagte bereits mit Schriftsatz vom 13.10.2010 vergleichsweise angeboten habe. Das weitergehende Begehren des Klägers sei dagegen unbegründet. Hinsichtlich der Unfallfolgen auf orthopädisch-chirurgischem Fachgebiet ergäben sich diese aus den Gutachten des Dr. v. S. sowie der damit im Wesentlichen übereinstimmenden Ausführungen von Prof. Dr. C. und Dr. C ... Zu Recht sei auch die MdE hierfür mit 20 v.H. bewertet worden. Keine Folgen des Arbeitsunfalls auf orthopädisch-chirurgischem Fachgebiet seien demgegenüber eine Schultereckgelenksarthrose rechts, die zystischen Umformungen im Bereich des rechten Oberarmkopfes sowie die degenerativen Veränderungen der Supraspinatussehne. Diese Gesundheitsstörungen seien vielmehr anlage- bzw. altersbedingt, mithin degenerativ, entstanden, wie sich dies auch aus den am Unfalltag bzw. zeitnah nach dem Unfallereignis angefertigten Röntgen- und Kernspintomogrammaufnahmen der rechten Schulter ergebe. Auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet leide der Kläger infolge des Arbeitsunfalles an einer spezifischen Phobie in Form einer Acrophobie, d.h. einer Höhenangst. Dies habe die Beklagte, gestützt auf eine beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. W. zum gerichtlichen Sachverständigengutachten des Dr. B. auch eingeräumt. Mit Dr. B. handele es sich bei der Höhenangst des Klägers um eine funktionell nur geringgradige Ausprägung dieser Gesundheitsstörung. Dessen Bewertung der Teil-MdE mit 10 v.H. entspreche den unfallmedizinischen Bewertungskriterien. Soweit der Kläger neben der Phobie auch eine depressive Störung entwickelt habe, sei diese Gesundheitsstörung nicht als weitere Unfallfolge festzustellen. Nach den Ergebnissen des Dr. B. liege beim Kläger keine tiefergreifende depressive Verstimmung vor, vielmehr sei der psychische Befund des Klägers von einer deutlichen Vorwurfshaltung gegenüber den bisher behandelnden Ärzten wie auch gegenüber der Beklagten geprägt und der Kläger sei in seinem inhaltlichen Denken stark auf seine körperlichen Beschwerden und Funktionseinschränkungen eingeengt. Der Kläger habe sich offensichtlich erstmals im Januar 2008 gegenüber den Ärzten der BG-Klinik geäußert und habe Zukunftsängste geltend gemacht, wie sich dies aus deren Zwischenbericht vom 28.01.2008 ergebe. Eine von der Diplom-Psychologin U. im Juni 2008 diagnostizierte Anpassungsstörung und eine depressive Symptomatik sowie eine von dem Neurologen und Psychiater Dr. P. diagnostizierte mittelgradig ausgeprägte depressive Episode mit Ängsten sei durch die nachfolgenden fachärztlichen Behandlungen insoweit gebessert worden, dass im Oktober 2008 eine deutliche Besserung habe diagnostiziert werden können. Dies stehe zur Überzeugung der Kammer fest aufgrund des Arztbriefes des Nervenarztes Dr. U. vom 22.10.2008 und vom 10.02.2009. Die nachfolgend eingetretene erneute Verschlechterung mit zunehmenden sozialen Problemen und Ängsten seien jedoch im Anschluss an die auch insoweit überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen Dr. B. nicht mehr mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Folge des Arbeitsunfalles. Denn im Vordergrund der nunmehr noch bestehenden leichtgradigen depressiven Episode stünden Existenz- und Zukunftsängste sowie das Problem, dass die im Laufe des Jahres 2008 aus Bosnien nach Deutschland zugezogene Ehefrau des Klägers infolge mangelnder Sprachkenntnisse keine Arbeit habe finden können. Soweit der Sachverständige Dr. W. die auch von ihm diagnostizierte depressive Symptomatik mit Wahrscheinlichkeit allein auf den Arbeitsunfall vom Oktober 2007 zurückgeführt habe, habe er dies zur Überzeugung der Kammer nicht ausreichend begründet. Die unfallbedingte Gesamt-MdE bewerte das SG - ausgehend von einer Teil-MdE für den orthopädisch-chirurgischen Funktionenkomplex von 20 und einer weiteren Teil-MdE um 10 v.H. für die Höhenangst - mit 25 v.H. Anspruch auf eine höhere Verletztenrente bestehe auch nicht unter Berücksichtigung des Gutachtens des Dr. W., der die Teil-MdE mit 20 v.H. für die Phobie angenommen habe. Soweit er die Gesamt-MdE mit 30 v.H. bewertet habe, sei zu berücksichtigen, dass er hierbei auch eine chronifizierte depressive Symptomatik berücksichtigt habe, die nach Auffassung der Kammer jedoch nicht auf das Unfallereignis zurückzuführen sei. Darüber hinaus lege der Sachverständige Dr. W. seiner Beurteilung mit der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung Bewertungsmaßstäbe zugrunde, die im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung wegen seiner im Vergleich zum Schwerbehindertenrecht anders geartete Zielrichtung keine Anwendung fänden.

Gegen das - der Bevollmächtigten des Klägers gegen Empfangsbekenntnis am 02.05.2011 zugestellte - Urteil hat die Bevollmächtigte des Klägers am 16.05.2011 Berufung eingelegt. Der Kläger verfolgt sein Begehren weiter und stützt sich im Wesentlichen auf den bislang geltend gemachten Vortrag.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21. April 2011 abzuändern, den Bescheid vom 8. Mai 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Oktober 2009 sowie den Bescheid vom 22. März 2010 abzuändern, als weitere Folge des Arbeitsunfalles vom 2. Oktober 2007 "degenerative Veränderung der Supraspinatussehne, beginnende Acromioclavikulargelenksarthrose rechts sowie eine chronifizierte depressive Symptomatik" festzustellen und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 31.03.2009 Verletztenrente nach einer MdE von 30 v.H. der Vollrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Am 20.11.2012 hat der Berichterstatter mit den Beteiligten die Sach- und Rechtslage in nichtöffentlicher Sitzung erörtert. Zur Frage, wie oft und an welchen Tagen der Kläger vor dem 01.01.2012 bei Herrn S. in Behandlung gewesen ist, hat der Kläger das Schreiben des Facharztes für Psychotherapie und Psychiatrie K.-H. S. vom 09.01.2013 eingereicht. Darin ist ausgeführt, der Kläger sei zur ambulanten Therapie vom 19.02.2009 bis 22.12.2009 in ein- bis zweiwöchentlichen, seither bis heute regelmäßig zu zwei Sitzungen pro Quartal in seiner regelmäßigen ambulanten Psychotherapie gewesen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schriftsatz der Beklagten vom 14.02.2013, Schriftsatz der Klägerbevollmächtigten vom 20.03.2013).

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der Akten des SG Karlsruhe und der Senatsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat hat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden können (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Zwar ist nach der Einverständniserklärung der Beklagten vom 14.02.2013 noch die unverlangte schriftliche Zeugenaussage des behandelnden Arztes S. vom 19.03.2013 am 21.03.2013 eingegangen, die den Beteiligten vor der Entscheidung des Senats nicht mehr zugeleitet werden konnte. Die Prozesserklärungen über das Einverständnis mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung sind aber trotzdem nicht unwirksam geworden, weil hierdurch keine neue Prozesslage eingetreten ist. Das Schreiben des Arztes S. vom 19.03.2013 bezieht sich auf die Beweisanordnung des Berichterstatters vom 18.09.2012, die bereits durch die vom Kläger vorgelegte ärztliche Bescheinigung vom 09.01.2013 beantwortet worden ist. Eine gerichtliche Ergänzungsfrage bei dem Arzt ist nicht erfolgt und von den Beteiligten auch nicht beantragt worden. Die sachverständige Zeugenaussage vom 19.03.2013 enthält insoweit auch keine neuen Tatsachen gegenüber den bereits erfolgten Aussagen des Arztes vom 24.02.2010 und 09.01.2013. Vielmehr wird unter Angabe der ebenso schon früher genannten Diagnosen mitgeteilt, dass das Krankheitsbild sich seit Jahren unverändert zeige. Jedenfalls ist für die am Sitzungstag eingegangene Einverständniserklärung der Klägerbevollmächtigten davon auszugehen, dass sie sich auf die auf Veranlassung der Klägerseite erfolgte nochmalige Beantwortung der Beweisfragen erstreckt, da mit richterlicher Verfügung vom 18.03.2013 ausdrücklich auf die mögliche Entscheidung ohne mündliche Verhandlung am 22.03.2013 verwiesen worden ist, wenn die noch ausstehende Erklärung des Klägers bis zum Sitzungstag eingeht.

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG ist nicht zu beanstanden.

Das SG hat im angefochtenen Urteil die für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreites maßgeblichen Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze vollständig und zutreffend dargestellt. Hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug (§ 153 Abs.2 SGG).

Ergänzend ist noch auszuführen, dass die nachträgliche Erweiterung des Klageantrages um das Feststellungsbegehren zulässig war, entweder nach rügeloser Einlassung der Beklagten als zulässige Klageänderung nach § 99 Abs. 1 u. 2 SGG oder als grundsätzliche zulässige Klageerweiterung unter Beibehaltung des Klagegrundes nach § 99 Abs. 3 SGG (zum Offenlassen der Voraussetzungen des § 99 SGG vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. § 99 Rdz. 4). Der begehrten Feststellung einer "chronifizierten depressiven Symptomatik" als Unfallfolge steht aber die mit bestandskräftigem Bescheid vom 14.08.2008 erfolgte Ablehnung einer depressiven Störung als Unfallfolge entgegen. Dieser Bescheid wurde vom Kläger nicht angefochten und er wurde von der Beklagten nicht nachträglich in diesem Punkt aufgehoben. Soweit dem Vorbringen der Beklagten vor dem SG (Schriftsatz vom 13.10.2010) mit dem für den Fall der Nichtannahme des Vergleichsvorschlages gestellten Sachantrag, entsprechend dem Vorschlag zu entscheiden, ein Teilanerkenntnis zu entnehmen ist, bezieht sich dies nicht auf die streitige Unfallfolge einer depressiven Symptomatik, die im Vergleichsvorschlag nicht enthalten war, unabhängig von dem Umstand, dass das Teilanerkenntnis auch noch nicht mit Abänderung des Bescheides vom 14.08.2008 vollzogen worden war. Dem Klageantrag auf Feststellung der chronifizierten depressiven Symptomatik als Unfallfolge fehlt daher das Rechtsschutzinteresse, da die von Amts wegen zu berücksichtigende Bestandskraft des Bescheids vom 14.08.2008 einer Entscheidung des Senats entgegensteht. Die Berufung ist in dieser Hinsicht schon wegen der diesbezüglich unzulässigen Klage unbegründet.

Darüberhinaus hat das SG auch mit zutreffender Begründung in der Sache einen Anspruch des Klägers auf Feststellung der Gesundheitsstörungen "degenerative Veränderung der Supraspinatussehne, beginnende Acromioclaviculargelenksarthrose rechts, chronifizierte depressive Symptomatik" als weitere Unfallfolgen und auf Gewährung von Verletztenrente nach einer höheren MdE als 25 v.H. verneint. Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung mit dem SG zu der Überzeugung, dass sich weitere Unfallfolgen auf orthopädisch-chirurgischem Fachgebiet nicht ergeben, sondern dass diese vollständig in dem von Amts wegen vom SG eingeholten gerichtlichen Sachverständigengutachten von Dr. v. S. dargelegt worden sind, dass die MdE hierfür mit 20 v.H. zu Recht bewertet worden ist und dass die weiter geltend gemachten Gesundheitsstörungen "degenerative Veränderung der Supraspinatussehne und beginnende Acromioclaviculargelenksarthrose rechts" keine weiteren Folgen des Arbeitsunfalles vom 02.10.2007 darstellen. Diese Gesundheitsstörungen sind - wie das SG zutreffend ausgeführt hat - vielmehr anlage- bzw. altersbedingt, mithin degenerativ entstanden, wie sich dies auch aus den am Unfalltag bzw. zeitnah nach dem Unfallereignis angefertigten Röntgen- und Kernspintomogrammaufnahmen der rechten Schulter ergibt. Auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet leidet der Kläger - wie dies das SG des Weiteren zutreffend ausgeführt hat - infolge des Arbeitsunfalles an einer spezifischen Phobie in Form einer Agrophobie, d.h. einer Höhenangst. Dies hat die Beklagte - gestützt auf eine beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. W. zum gerichtlichen Sachverständigengutachten des Dr. B. - auch eingeräumt und ihren Sachantrag umgestellt. Auch den Senat überzeugt das Gutachten des Dr. B., wonach es sich bei der Höhenangst des Klägers um eine funktionell nur geringgradige Ausprägung dieser Gesundheitsstörung handelt, weshalb dessen Bewertung der Teil-MdE mit 10 v.H. nachvollziehbar ist und diese im Übrigen auch den unfallmedizinischen Bewertungskriterien entspricht. Die daneben beim Kläger vorliegende depressive Störung steht hingegen auch nach Überzeugung des Senats nicht mit dem Arbeitsunfall vom 02.10.2007 in einem ursächlichen Zusammenhang. Zutreffend hat das SG dies ausgeführt, wobei es sich auf das gerichtliche Sachverständigengutachten des Dr. B. gestützt hat, und gleichzeitig zu Recht darauf hingewiesen hat, dass der Sachverständige Dr. W., der die ebenfalls von ihm diagnostizierte depressive Symptomatik mit Wahrscheinlichkeit allein auf den Arbeitsunfall vom Oktober 2007 zurückgeführt habe, dies zur Überzeugung der Kammer nicht ausreichend begründet hat. Der Senat gelangt nach eigener Prüfung zur gleichen Überzeugung wie das SG und weist gleichfalls darauf hin, dass Dr. W. zur Begründung seiner Auffassung die Versorgungsmedizin-Verordnung zugrunde gelegt hat, die jedoch im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung keine Anwendung findet. Die von Dr. B. aus medizinischer Sicht nachvollziehbar dargelegten Umstände, die ab Februar 2009 zum erneuten Auftreten der zunächst im Oktober 2008 gebesserten depressiven Störung führten, ergeben nach rechtlicher Würdigung, dass der Unfall für die Wiedererkrankung nicht wesentlich mitursächlich war. Zwar ist den Darlegungen des Sachverständigen Dr. B. zu entnehmen, dass den Kläger vor allem die Sorge um den Unterhalt seiner Familie beschäftigt, wobei die Zukunftsängste auch durch die Erkenntnis gespeist werden, wegen der Unfallfolgen "Höhenangst" und "Einschränkung der Schulterbeweglichkeit rechts" nicht mehr seiner früheren Beschäftigung nachgehen zu können. Dies ist aber letztlich völlig in den Hintergrund gerückt, denn die von Dr. B. überzeugend beschriebenen psychisch wirksamen Tatsachen, die sich auf die depressiven Verstimmungen des Klägers bestimmend auswirken, sind unfallunabhängig. Hierzu gehört letztlich die enttäuschte Erwartung des Klägers, die er an den Nachzug seines Sohnes und seiner Ehefrau aus Bosnien geknüpft hatte, wobei die Ehefrau wegen Sprachproblemen und mangels Arbeit in Deutschland nicht Fuß gefasst hat. Ebenso sind die aus der Überforderung beim Umgang mit "Ämtern" resultierende Hilflosigkeit, Ärger und Hoffnungslosigkeit unfallfremde persönlichkeitsbedingte Faktoren, denn die Unfallbearbeitung durch die Beklagte lässt nicht erkennen, dass von der Beklagten zu vertretende Versäumnisse Anlass für diese Motivationslage des Klägers gegeben hätten. Allein der Umstand, dass der Kläger subjektiv mit der Unfallbearbeitung der "Ämter" nicht zufrieden ist, was zu verstehbaren sozialen Ängsten und Problemen führt, die zur Aufrechterhaltung der depressiven Störung beitragen, wie Dr. B. es umschreibt, begründet noch keinen rechtlich wesentlichen Unfallzusammenhang.

Insgesamt macht sich der Senat die Ausführungen des SG zur Begründung seiner eigenen Entscheidung zu eigen, auf die er zur Vermeidung von Wiederholungen ebenfalls Bezug nimmt (§ 153 Abs.2 SGG).

Neue Gesichtspunkte im Vergleich zum Vortrag gegenüber dem SG hat der Kläger im Berufungsverfahren nicht vorgebracht, weshalb weitere Ausführungen nicht erforderlich sind. Die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung im Schreiben des Arztes S. vom 19.03.2013 ist auch jetzt von ihm nicht überzeugend begründet. Nach Dr. B. sind die Diagnosekriterien der den medizinischen Standard wiedergebenden Diagnosemanuale ICD-10 und DSM IV nicht erfüllt. Es lag keine erhebliche psychische Initialreaktion vor und die in den Diagnoseschlüsseln umschriebenen spezifischen Traumaerinnerungen hat Dr. B. bei seiner Untersuchung des Klägers nicht erheben könne. Seine diesbezügliche Befundbeschreibung ist nachvollziehbar. Dagegen waren die vom Nervenarzt S. jetzt genannten "Flashbacks" mit Grübelzwang und Abwesenheitszuständen von Dr. B. (noch) nicht zu beschreiben und sie erfüllen überdies nicht die von Dr. B. in seinem Gutachten definierten diagnostisch zu fordernden Wiedererinnerungen.

Nach alledem konnte die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben und sie war mit der Kostenentscheidung aus § 193 SGG zurückzuweisen.

Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht.
Rechtskraft
Aus
Saved