Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 1 SB 2333/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 4703/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein erst unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung gestellter Antrag ist verfristet, denn der Senat hat mit der Ladung zu erkennen gegeben, dass er von Amts wegen keine weiteren Gutachten mehr einholen wird.
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten im Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist Höhe und Eintritt des Grades der Behinderung (GdB) - mindestens 50 seit 16.11.2000 und mindestens 60 seit 01.01.2006 - streitig.
Die 1949 geborene Klägerin, die als Lehrerin im eigenen Ballettstudio arbeitet, beantragte am 31.08.2009 die Feststellung des GdB. Sie legte dabei eine Vielzahl von Arztbriefen vor.
So sind nach den Arztbriefen des Radiologen Dr. W. vom 25.05.1987, des Dr. Sch., Oberarzt an der R.-K. Bad K., vom 24.09.1987, des Prof. Dr. K., Ärztlicher Direktor an der Universitätsklinikum der A.-L.-Universität F., vom 10.03.1988, des Orthopäden Dr. R. vom 23.10.2006 und 22.07.2009 sowie des Radiologen Dr. F. vom 09.01.2009 Wirbelsäulenbeschwerden der Klägerin dokumentiert. Ferner beschrieben die Nervenärztin Dr. S. unter dem 31.08.1992 eine linksseitige Migräne und der Radiologe Dr. W. unter dem 10.09.1992 Zeichen einer Mastoiditis links sowie eine Sinusitis maxillaris. Ferner diagnostizierte Dr. G.-B., Oberärztin am Herz-Zentrum Bad K., in ihrem Arztbrief vom 18.06.1999 eine labile arterielle Hypertonie und wies der Kardiologe und Angiologe Dr. T. in seinem Befundbericht vom 08.02.2001 zusätzlich auf eine deutliche konzentrische Linksherzhypertrophie Mitralklappeninsuffizienz Grad I hin.
Seit Januar 2006 ist eine Hüftproblematik der Klägerin dokumentiert. So beschrieben der Radiologe Dr. P. unter dem 09.02.2006, die Orthopädin Dr. Sch. unter dem 06.06.2006 und Dr. R. unter dem 23.10.2006 eine Coxarthrose beidseits. Nach dem Operationsbericht des Orthopäden Dr. R. erfolgte am 24.11.2006 eine Implantation einer Totalendoprothese der rechten Hüfte. Im weiteren Verlauf stellte sich die Klägerin nach den Arztbriefen des Orthopäden und Rheumatologen Dr. B. vom 22.03.2007 und 22.04.2007, der Nuklearmedizinerin Dr. J. vom 29.03.2007, des Radiologen Dr. K. vom 16.04.2007, des Internisten Dr. W. vom 18.04.2007, des Neurologen und Psychiaters Dr. B. vom 25.11.2008 sowie des Dr. R., Chefarzt der Orthopädischen Chirurgie des L.-K. F., vom 14.01.2009 im Wesentlichen wegen Belastungsschmerzen, eines diffus entzündlichen Reizzustandes, einer Atrophie und Bursitisbeschwerden in der rechten Hüfte bei leichtgradiger Coxarthrose links vor. Außerdem beschrieb die Nuklearmedizinerin Dr. J. in ihren Arztbriefen vom 29.08.2006 und 15.04.2009 eine grenzgradig latente Hyperthyreose ohne Nachweis eines Nebenschilddrüsenadenom-Rezidivs und berichtete Dr. T., Assistenzärztin an der Chirurgischen K. des K.ums Lahr, in ihrem Arztbrief vom 27.10.2006 über eine Adenomexstirpation linkes oberes Epithelkörperchen.
Dr. M. berücksichtigte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 17.09.2009 als Behinderungen eine Hüftgelenksendoprothese rechts und eine Funktionsbehinderung des linken Hüftgelenks mit einem Einzel-GdB von 30, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule und eine Wirbelsäulenverformung mit einem Einzel-GdB von 20, einen Bluthochdruck mit einem Einzel-GdB von 20 sowie eine Migräne mit einem Einzel-GdB von 10 und bewertete den Gesamt-GdB mit 50. Mit Bescheid vom 30.09.2009 stellte der Beklagte den GdB mit 30 vom 01.01.2001 bis zum 31.12.2005 und mit 50 seit 01.01.2006 fest. Er führte zur Begründung aus, die Auswirkung der Funktionsbeeinträchtigungen sei mit dem festgestellten GdB angemessen bewertet.
Hiergegen legte die Klägerin am 30.10.2009 Widerspruch ein, ohne diesen zu begründen. Mit Widerspruchsbescheid vom 28.04.2010 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Die Überprüfung habe ergeben, dass der angefochtene Bescheid keinen Anlass zu Beanstandungen gebe.
Hiergegen hat die Klägerin am 04.05.2010 Klage beim Sozialgericht Freiburg erhoben. Sie hat beantragt, den GdB mit 50 seit 16.11.2000 und mit 60 seit 01.01.2006 festzustellen. Es hätten bereits im November 2000 eine Betroffenheit in drei Wirbelsäulenabschnitten, ein schwer einstellbarer Blutdruck, eine mit Schielkomponente verbundene Migräne, eine Coxarthrose und Augenmuskelbeschwerden B.anden. Seit dem Jahr 2006 hätten sich die Erkrankungskomponenten verschlechtert.
Das Sozialgericht hat zunächst Dr. R. und Dr. W. schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Dr. R. hat unter dem 05.04.2011 die von ihm seit Februar 2009 gestellten Diagnosen dargelegt und den Zustand nach Totalendoprothese rechts mit deutlicher Muskelatrophie mit einem Einzel-GdB von 30 sowie die Skoliose der Wirbelsäule mit Bewegungseinschränkung und rezidivierenden segmentalen Funktionsstörungen mit einem Einzel-GdB von 20 bewertet. Dr. W. hat unter dem 07.04.2011 über die seit 2006 gestellten Diagnosen berichtet und die Coxarthrose beidseits mit Totalendoprothese rechts mit chronischer postoperativer Beschwerdesymptomatik mit einem Einzel-GdB von 40, die degenerative Veränderung der Wirbelsäule mit chronischen Beschwerden vor allem im Brust- und Lendenwirbelsäulenbereich mit einem Einzel-GdB von 30 bis 40, eine chronisch obstruktive Bronchitis mit allergischer Komponente mit einem Einzel-GdB von 20, die Schilddrüsenunterfunktion mit einem Einzel-GdB von 10, den Hypertonus mit einem Einzel-GdB von 20 sowie eine depressive Episode bei Persistenz mit einem Einzel-GdB von 20 bewertet und dabei unter anderem die Arztbriefe des Dr. F. vom 30.10.2008, worin der Verdacht auf eine Lockerung im Intertrochantär-Bereich geäußert worden ist, des Dr. R. vom 26.11.2008, in dem persistierende belastungsabhängige Schmerzen im Bereich der rechten Leiste beschrieben worden sind, und der Dr. J. vom 08.04.2010 mit Hinweis auf eine normalgroße, rechtsdiskret kleinknotig umgewandelte Schilddrüse mit wieder leichter Volumenreduktion, vorgelegt.
Sodann hat das Sozialgericht von Amts wegen das Gutachten des Orthopäden Dr. Dr. Sch. vom 30.05.2011 eingeholt. Dem Sachverständigen hat die Klägerin berichtet, bis März 2011 Thermalbadbehandlungen durchgeführt sowie Fitnesstraining in einem Gerätepark gemacht zu haben. Wegen ihrer Wirbelsäulenprobleme habe sie gelegentlich Schlafprobleme. Die Übungen könne sie als Ballettlehrerin praktisch nicht mehr selbst demonstrieren. Nach 30 Minuten Spazierengehen habe sie Wirbelsäulen- und Hüftschmerzen. Ihr Gangbild sei bei freier Funktion des endoprothetisch versorgten rechten Hüftgelenks unauffällig gewesen. Trotz berichteten linksseitigen Innenrotationsschmerzes gelte das auch für das andere Hüftgelenk. Der neurologische Status sei unauffällig gewesen. Die Bemuskelung der Beine und die Fußsohlenbeschwielung sei seitengleich, so dass die Einschränkung der freien Wegstrecke nicht nachvollziehbar sei. Der Sachverständige hat den GdB für das Wirbelsäulensyndrom mit geringgradigen funktionellen Auswirkungen mit Veränderungen in drei Abschnitten mit einem Einzel-GdB von 20 sowie das Hüftleiden mit Endoprothese rechts und Coxarthrose links mit einem Einzel-GdB von 30 bewertet.
Mit Gerichtsbescheid vom 11.10.2012 hat das Sozialgericht die Klage nach vorangegangener Anhörung abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, bei der Klägerin bestünden seit Mai 1995 Wirbelsäulenschäden mit einem Einzel-GdB von 20, seit Januar 2001 eine deutliche konzentrische Linksherzhypertrophie mit einem Einzel-GdB von 20, seit Januar 2006 Hüftbeschwerden mit einer Hüftgelenksendoprothese rechts und einer Funktionsbeeinträchtigung der linken Hüfte mit einem Einzel-GdB von 30 und zusätzlich eine Migräne mit einem Einzel-GdB von 10. Es hat sich dabei auf die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. M. vom 17.09.2009 und das Gutachten des Dr. Dr. Sch. vom 30.05.2011 gestützt. Es hat ferner ausgeführt, die von Dr. W. angegebene depressive Episode rechtfertige keinen Einzel-GdB, da hierzu keine Befunde angegeben worden seien und sich die Klägerin insoweit auch nicht in fachärztliche Behandlung begeben habe. Unter Zugrundelegung dieser Einzel-GdB-Werte betrage der Gesamt-GdB 30 vom 01.01.2001 bis zum 31.12.2005 und 50 seit 01.01.2006.
Die Klägerin hat gegen den ihren Prozessbevollmächtigten am 13.10.2012 zugestellten Gerichtsbescheid am 12.11.2012 Berufung eingelegt. Sie hat ausgeführt, sie leide an einer chronifizierten obstruktiven Bronchitis mit allergischer Komponente, einer beidseitigen Coxarthrose und einer persistierend chronifzierten Depression. All dies habe aber schon vor dem Jahr 2001 vorgelegen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Oktober 2012 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 30. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. April 2010 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, den Grad der Behinderung mit mindestens 50 seit 16. November 2000 und mit mindestens 60 seit 1. Januar 2006 festzustellen, hilfsweise den Rechtsstreit wegen weiterer Sachverhaltsermittlung nach § 159 Sozialgerichtsgesetz an das Sozialgericht Freiburg zurückzuverweisen, hilfsweise über die chronifizierte obstruktive Bronchitis mit allergischer Komponente ein internistisch-lungenfachärztliches Gutachten von Amts wegen einzuholen, hilfsweise über die Operations-Indikation der linken Hüfte ein orthopädisches Gutachten von Amts wegen einzuholen, hilfsweise ein Gutachten bei Prof. Dr. St., P.-T.-Straße 13, 79183 W. nach § 109 Sozialgerichtsgesetz einzuholen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hat darauf hingewiesen, dass die jetzt geltend gemachten Leiden wie chronische Bronchitis und Depression im Antrag der Klägerin überhaupt nicht angegeben worden seien, was schwerwiegende Beeinträchtigungen nicht annehmen lasse. Ferner seien im Verwaltungsverfahren auch keinerlei diesbezüglichen Befunde vorgelegt worden. Erstmals habe Dr. W. in seiner im Klageverfahren abgegebenen sachverständigen Zeugenauskunft unter anderem eine chronische obstruktive Bronchitis mit allergischer Komponente bei Pollenallergie sowie eine depressive Episode seit Juli 2009 angegeben. Im Rahmen der Begutachtung durch Dr. Dr. Sch. habe die Klägerin weder über eine Bronchitis noch eine Depression berichtet. Im Übrigen trage die Klägerin die Beweislast, was umso mehr gelte, als erstmals im Jahr 2009 eine fast 10 Jahre rückwirkende Feststellung geltend gemacht worden sei, bei der sich die Sachaufklärung naturgemäß etwas schwieriger gestalte als bei einer zeitnahen Antragstellung. Hätten tatsächlich bereits im Jahr 2000 erhebliche Beschwerden vorgelegen, so hätte eine frühere Antragstellung nahegelegen.
Der für den 27.02.2013 anberaumte Erörterungstermin ist aufgehoben worden, nachdem der klägerische Bevollmächtigte ausgeführt hat, es müssten schon "ganz gewichtige Gründe für eine solcher Terminierung vorliegen für eine Anreise aus dem südbadischen Raum".
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat mit zutreffender Begründung dargelegt, dass der GdB der Klägerin seit dem 16.11.2000 nicht mit mehr als 30 und seit dem 01.01.2006 nicht mit mehr als 50 festzustellen ist.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die Beurteilung des GdB sind die Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX). Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 SGB IX). Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Sätze 3 und 6 SGB IX). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Die Feststellung des GdB ist eine rechtliche Wertung von Tatsachen, die mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen sind. Dabei sind bis zum 31.12.2008 die im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)" (AHP) und ist seit 01.01.2009 die an ihre Stelle getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG vom 10.12.2008 - BGBl. I. S. 2412 (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) anzuwenden. Da sich in Bezug auf die vorliegend zu beurteilende Problematik die VG gegenüber den AHP nicht wesentlich geändert haben, stellt der Senat im Folgenden allein auf die VG ab.
Soweit die Klägerin die rückwirkende Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft seit 16.11.2000 begehrt, B.eht das dafür erforderliche besondere Interesse (vergleiche dazu Urteil des Senats vom 21.02.2012 - L 6 SB 4007/12 - mit weiteren Nachweisen). Denn nach § 236a Abs. 4 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) haben Versicherte, die - wie die Klägerin - vor dem 17.11.1950 geboren sind, Anspruch auf eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen, wenn sie unter anderem am 16.11.2000 schwerbehindert waren.
Unter Berücksichtigung der oben dargestellten Grundsätze beträgt der GdB seit 16.11.2000 nicht mehr als 30 und seit 01.01.2006 nicht mehr als 50.
Für die Zeit vom 16.11.2000 bis zum 31.12.2005 waren die Behinderungen in den Funktionssystemen Rumpf, Herz-Kreislauf und Gehirn einschließlich Psyche zu berücksichtigen.
Im Funktionssystem Rumpf beträgt jedenfalls seit 16.11.2000 der Einzel-GdB nicht mehr als 20. Nach den VG Teil B Nr. 18.9 beträgt bei Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) der GdB 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) der GdB 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten der GdB 30 bis 40. Bei der Klägerin liegen weder mittelgradige noch schwere Auswirkungen in einem oder gar zwei Wirbelsäulenabschnitt/en vor. Der Senat stützt sich dabei auf die überzeugenden Ausführungen des Dr. Dr. Sch. in seinem Gutachten vom 30.05.2011, wonach bei der Klägerin in allen Wirbelsäulenabschnitten nur geringgradige Bewegungseinschränkungen bei neurologisch unauffälligem Status vorliegen. Diese Darlegungen korrespondieren mit den in seinem Gutachten dargestellten Befunden und sind daher in sich schlüssig und nachvollziehbar. Mithin beträgt der für den Wirbelsäulenschaden festzulegende Einzel-GdB jedenfalls nicht mehr als 20. Der Senat hat keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die so bewertete Wirbelsäulensymptomatik in der Zeit vor der Begutachtung ausgeprägter gewesen ist. Den von der Klägerin umfangreich vorgelegten ärztlichen Unterlagen, insbesondere der sachverständigen Zeugenaussage des Dr. R., lassen sich keine Funktionsbeeinträchtigungen entnehmen, die eine höhere Bewertung des GdB für die bis zum 16.11.2000 zurückreichende Zeit rechtfertigen könnten. Für die Richtigkeit der gutachterlichen Einschätzung spricht auch, dass die Klägerin in der Vergangenheit ihren Beruf als Ballettlehrerin, der ihren eigenen Angaben zufolge mit der Demonstration der Übungen verbunden ist, erst zum Untersuchungszeitpunkt im Mai 2011 als eingeschränkt bezeichnet hat. Dies dokumentiert eindrucksvoll eine erhaltene Beweglichkeit der Wirbelsäule, die der Sachverständige zutreffend auf die Trainierung des Rumpfes, die der Klägerin in der Vergangenheit aber möglich war, zurückgeführt hat.
Im Funktionssystem Herz-Kreislauf beträgt jedenfalls seit 16.11.2000 der Einzel-GdB nicht mehr als 20. Die Klägerin leidet nach den Arztbriefen der Dr. G.-B. vom 18.06.1999 und des Dr. T. vom 08.02.2001 an einer deutlichen konzentrischen Linksherzhypertrophie und Belastungshypertonie. Aus den vorgelegten ärztlichen Unterlagen ergibt sich weder eine nach den VG Teil B Nr. 9.1.1 einen GdB von mehr als 10 bedingende Leistungsbeeinträchtigung der Herzleistung bei mittelschwerer Belastung noch eine nach den VG Teil B Nr. 9.3 einen GdB von mehr als 10 bedingende Hypertonie in mittelschwerer Form mit Organbeteiligung.
Im Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche beträgt jedenfalls seit 16.11.2000 der Einzel-GdB nicht mehr als 10. Nach den VG Teil B Nr. 2.3 beträgt bei einer echten Migräne je nach Häufigkeit und Dauer der Anfälle und Ausprägung der Begleiterscheinungen der GdB 0 bis 10 bei leichter Verlaufsform (Anfälle durchschnittlich einmal monatlich) und der GdB 20 bis 40 bei mittelgradiger Verlaufsform (häufigere Anfälle, jeweils einen oder mehrere Tage anhaltend). Dass es sich bei der im Arztbrief der Dr. S. vom 31.08.1992 dokumentierten linksseitigen Migräne der Klägerin um eine leichte Verlaufsform handelt, ergibt sich aus den darin enthaltenen Angaben, wonach die nicht mit Erbrechen oder Sehstörungen verbundenen nicht ganz typischen Migräneattacken bei der Klägerin selten, anfänglich zweimal monatlich und sodann einmal wöchentlich aufgetreten sind. Es handelt sich dabei zwar um häufigere Anfälle. Deren Begleiterscheinungen sind aber eher gering ausgeprägt. Im Übrigen hat die Klägerin in ihrem am 31.08.2009 gestellten Formularantrag eine Migräne nicht angegeben, was ebenfalls für einen relativ geringen Ausprägungsgrad dieser Erkrankung spricht. Eine höhere Bewertung dieses Einzel-GdB ergibt sich nicht aus der von Dr. W. in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 07.04.2011 angegebenen depressiven Episode. Er hat weder sich hieraus ergebende Funktionseinschränkungen beschrieben noch Angaben zu deren Dauerhaftigkeit gemacht. Auch fehlt es an einer für die Berücksichtigung als Behinderung aber erforderlichen regelmäßigen fachpsychiatrischen Behandlung (ständige Senatsrechtsprechung, vergleiche zuletzt Urteil vom 13.12.2012 - L 6 SB 4192/12).
Im Funktionssystem Atmung liegt kein Einzel-GdB vor. Zwar hat Dr. W. in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 07.04.2011 auf eine chronische obstruktive Bronchitis mit allergischer Komponente hingewiesen. Er hat aber keine Angaben über etwaige hieraus resultierende dauerhafte Funktionseinschränkungen gemacht. Auch ist eine lungenfachärztliche Behandlung der Klägerin nicht dokumentiert. Eine nach den VG Teil B Nr. 8.2 einen GdB von mehr als 10 bedingende chronische Bronchitis in schwerer Form, also mit fast kontinuierlichem Husten und Auswurf sowie häufig akuten Schüben, ist mithin nicht nachgewiesen.
Die weiteren sich aus den umfangreichen ärztlichen Unterlagen ergebenden Diagnosen wie grenzwertig latente Hypothyreose, Autoimmunthyreotidis, Zeichen einer Mastoiditis links sowie Sinusitis maxillaris stellen keine dauerhaften einen Einzel-GdB rechtfertigende Behinderungen dar.
Für die Zeit seit 01.01.2006 ist zusätzlich die erstmals ab diesem Zeitpunkt dokumentierte Behinderung im Funktionssystem Beine zu berücksichtigen.
Im Funktionssystem Beine beträgt seit 01.01.2006 der Einzel-GdB nicht mehr als 30. Nach den VG Teil B Nr. 18.12 beträgt bei einer Hüftgelenks-Endoprothese in Abhängigkeit von der verbliebenen Bewegungseinschränkung und Belastbarkeit der GdB mindestens 20 und seit der Dritten Verordnung zur Änderung der VersMedV vom 17.12.2010 nur noch mindestens 10. Nach den VG Teil B Nr. 18.14 beträgt bei einer Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke geringen Grades (zum Beispiel Streckung/Beugung bis zu 0-10-90 Grad mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit) einseitig der GdB 10 bis 20 sowie beidseitig der GdB 20 bis 30, mittleren Grades (zum Beispiel Streckung/Beugung bis zu 0-30-90 Grad mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit) einseitig der GdB 30 und beidseitig der GdB 50. Bei der Klägerin liegt im Bereich der rechten Hüfte eine Totalendoprothese seit 24.11.2006 und im Bereich beider Hüftgelenke eine geringgradige Bewegungseinschränkung vor. Der Senat stützt sich dabei auf die von Dr. Dr. Sch. in seinem Gutachten vom 30.05.2011 erhobenen Befunde, wonach bei der Klägerin im Bereich der Hüftgelenke ein Bewegungsmaß von 0/0/120 Grad rechts und 20/0/120 Grad links gegeben ist. Mithin beträgt der Einzel-GdB jedenfalls nicht mehr als 30 für den Bereich der unteren Extremitäten. Der Senat hat keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass das so bewertete Hüftgelenksleiden in der Zeit vor der Begutachtung ausgeprägter gewesen ist. Den von der Klägerin umfangreich vorgelegten ärztlichen Unterlagen lassen sich keine Bewegungsmaße entnehmen, die eine höhere Bewertung des GdB für die bis zum 01.01.2006 zurückreichende Zeit rechtfertigen könnte.
Aus alledem ergibt sich folgende Gesamt-GdB-Bewertung: Für die Zeit seit 16.11.2000 ergibt sich unter Berücksichtigung der dargelegten Einzel-GdB-Werte (Einzel-GdB nicht mehr als 20 für das Funktionssystem Rumpf, Einzel-GdB nicht mehr als 20 für das Funktionssystem Herz-Kreislauf, Einzel-GdB nicht mehr als 10 für das Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche) ein Gesamt-GdB von nicht mehr als 30. Für die Zeit seit 01.01.2006 ergibt sich nach Hinzutreten des Einzel-GdB von nicht mehr als 30 für das Funktionssystem Beine ein Gesamt-GdB von nicht mehr als 50. Dies ergibt sich für beide Zeiträume aus der teilweisen Überschneidung der Auswirkungen der Behinderungen auf orthopädischem, internistischem und nervenheilkundlichem Fachgebiet und dem Umstand, dass nach den VG Teil A Nr. 3 d ee Einzel-GdB-Werte von 10 grundsätzlich nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbehinderung führen.
Dem auf die Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts vom 11.10.2012, Abänderung des Bescheides des Beklagten vom 30.09.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.04.2010 und Verurteilung des Beklagten auf Feststellung des GdB mit mindestens 50 seit 16.11.2000 und mit mindestens 60 seit 01.01.2006 gerichteten Hauptantrag musste daher der Erfolg versagt bleiben.
Auch war der Hilfsantrag, den Rechtsstreit an das Sozialgericht zurückzuverweisen, abzulehnen. Nach § 159 Abs. 1 SGG kann das Landessozialgericht die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden oder das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Zum einen hat das Sozialgericht in der Sache entschieden. Zum anderen hält der Senat eine weitere Beweisaufnahme nicht für notwendig.
Deswegen waren die weiteren Hilfsanträge, von Amts wegen weitere Gutachten einzuholen, abzulehnen. Der Rechtsstreit war entscheidungsreif. Es war von Amts wegen weder über die chronifizierte obstruktive Bronchitis mit allergischer Komponente ein internistisch-lungenfachärztliches Gutachten noch über die Operations-Indikation der linken Hüfte ein orthopädisches Gutachten einzuholen. Da in Bezug auf die von Dr. W. aufgeführte chronische obstruktive Bronchitis mit allergischer Komponente keine hieraus resultierenden dauerhaften Funktionseinschränkungen und auch keine lungenfachärztliche Behandlung der Klägerin dokumentiert ist, hat sich der Senat nicht veranlasst gesehen, weitere Ermittlungen anzustellen, zumal die Klägerin noch im Antragsformular am 26.08.2009 und gegenüber Dr. Dr. Sch. am 23.05.2011 keine Angaben zu einer solchen Erkrankung gemacht hat und auch im weiteren Verlauf zwar diese Diagnose genannt, aber etwaige sich hieraus ergebende Leistungseinschränkungen in ihren Schriftsätzen vom 23.08.2011, 12.11.2012 und 19.03.2013 nicht geschildert hat. Auch hat die Klägerin die ihr vom Senat gegebene Möglichkeit, sich unter anderem hierzu im Rahmen des anberaumten Erörterungstermins zu äußern, nicht wahrgenommen und vielmehr unter Hinweis auf die Länge des Anfahrtsweges eine Aufhebung dieses Termins beantragt. Auch war auf orthopädischem Fachgebiet kein weiteres Gutachten von Amts wegen einzuholen. Denn insbesondere in Bezug auf das linke Hüftgelenk liegt bereits das überzeugende Gutachten des Dr. Dr. Sch. vor. Die von der Klägerin vorgetragene Operations-Indikation lässt die von Dr. Dr. Sch. befundeten und für die GdB-Beurteilung maßgeblichen Bewegungsmaße keinesfalls als unschlüssig erscheinen.
Auch der weitere Hilfsantrag, nach § 109 SGG ein Gutachten bei Prof. Dr. St., P.-T.-Straße 13, 79183 W. einzuholen, war abzulehnen. Nach § 109 Abs. 2 SGG kann das Gericht einen solchen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist. Dies ist vorliegend der Fall. Die Einholung des beantragten Gutachtens hätte die Erledigung des Rechtsstreits verzögert. Musste der Antragsteller erkennen, dass das Gericht von Amts wegen nicht weiter ermittelt, liegt grobe Nachlässigkeit vor, wenn der Antrag nicht in angemessener Frist, sondern erst unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung gestellt wird (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 10. Auflage, § 109, Rz. 11; Hk-SGG/Roller, 3. Auflage, § 109, Rz. 13; BSG, Urteil vom 10.12.1958 - 4 RJ 143/58). So liegt der Fall hier. Der Senat hat mit seiner am 25.02.2013 erfolgten Ladung zur am 21.03.2013 stattfindenden mündlichen Verhandlung zu erkennen gegeben, dass er von Amts wegen keine weiteren Gutachten einholen werde. Der erst am 19.03.2013 eingegangene Antrag der Klägerin ist mithin verspätet. Der Senat hat keine Anhaltspunkte dafür, warum dies nicht auf grober Nachlässigkeit des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, dessen Verhalten ihr zuzurechnen ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 10. Auflage, § 109, Rz. 11; Hk-SGG/Roller, 3. Auflage, § 109, Rz. 13), beruhen sollte.
Die Berufung war nach alledem zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten im Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist Höhe und Eintritt des Grades der Behinderung (GdB) - mindestens 50 seit 16.11.2000 und mindestens 60 seit 01.01.2006 - streitig.
Die 1949 geborene Klägerin, die als Lehrerin im eigenen Ballettstudio arbeitet, beantragte am 31.08.2009 die Feststellung des GdB. Sie legte dabei eine Vielzahl von Arztbriefen vor.
So sind nach den Arztbriefen des Radiologen Dr. W. vom 25.05.1987, des Dr. Sch., Oberarzt an der R.-K. Bad K., vom 24.09.1987, des Prof. Dr. K., Ärztlicher Direktor an der Universitätsklinikum der A.-L.-Universität F., vom 10.03.1988, des Orthopäden Dr. R. vom 23.10.2006 und 22.07.2009 sowie des Radiologen Dr. F. vom 09.01.2009 Wirbelsäulenbeschwerden der Klägerin dokumentiert. Ferner beschrieben die Nervenärztin Dr. S. unter dem 31.08.1992 eine linksseitige Migräne und der Radiologe Dr. W. unter dem 10.09.1992 Zeichen einer Mastoiditis links sowie eine Sinusitis maxillaris. Ferner diagnostizierte Dr. G.-B., Oberärztin am Herz-Zentrum Bad K., in ihrem Arztbrief vom 18.06.1999 eine labile arterielle Hypertonie und wies der Kardiologe und Angiologe Dr. T. in seinem Befundbericht vom 08.02.2001 zusätzlich auf eine deutliche konzentrische Linksherzhypertrophie Mitralklappeninsuffizienz Grad I hin.
Seit Januar 2006 ist eine Hüftproblematik der Klägerin dokumentiert. So beschrieben der Radiologe Dr. P. unter dem 09.02.2006, die Orthopädin Dr. Sch. unter dem 06.06.2006 und Dr. R. unter dem 23.10.2006 eine Coxarthrose beidseits. Nach dem Operationsbericht des Orthopäden Dr. R. erfolgte am 24.11.2006 eine Implantation einer Totalendoprothese der rechten Hüfte. Im weiteren Verlauf stellte sich die Klägerin nach den Arztbriefen des Orthopäden und Rheumatologen Dr. B. vom 22.03.2007 und 22.04.2007, der Nuklearmedizinerin Dr. J. vom 29.03.2007, des Radiologen Dr. K. vom 16.04.2007, des Internisten Dr. W. vom 18.04.2007, des Neurologen und Psychiaters Dr. B. vom 25.11.2008 sowie des Dr. R., Chefarzt der Orthopädischen Chirurgie des L.-K. F., vom 14.01.2009 im Wesentlichen wegen Belastungsschmerzen, eines diffus entzündlichen Reizzustandes, einer Atrophie und Bursitisbeschwerden in der rechten Hüfte bei leichtgradiger Coxarthrose links vor. Außerdem beschrieb die Nuklearmedizinerin Dr. J. in ihren Arztbriefen vom 29.08.2006 und 15.04.2009 eine grenzgradig latente Hyperthyreose ohne Nachweis eines Nebenschilddrüsenadenom-Rezidivs und berichtete Dr. T., Assistenzärztin an der Chirurgischen K. des K.ums Lahr, in ihrem Arztbrief vom 27.10.2006 über eine Adenomexstirpation linkes oberes Epithelkörperchen.
Dr. M. berücksichtigte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 17.09.2009 als Behinderungen eine Hüftgelenksendoprothese rechts und eine Funktionsbehinderung des linken Hüftgelenks mit einem Einzel-GdB von 30, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule und eine Wirbelsäulenverformung mit einem Einzel-GdB von 20, einen Bluthochdruck mit einem Einzel-GdB von 20 sowie eine Migräne mit einem Einzel-GdB von 10 und bewertete den Gesamt-GdB mit 50. Mit Bescheid vom 30.09.2009 stellte der Beklagte den GdB mit 30 vom 01.01.2001 bis zum 31.12.2005 und mit 50 seit 01.01.2006 fest. Er führte zur Begründung aus, die Auswirkung der Funktionsbeeinträchtigungen sei mit dem festgestellten GdB angemessen bewertet.
Hiergegen legte die Klägerin am 30.10.2009 Widerspruch ein, ohne diesen zu begründen. Mit Widerspruchsbescheid vom 28.04.2010 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Die Überprüfung habe ergeben, dass der angefochtene Bescheid keinen Anlass zu Beanstandungen gebe.
Hiergegen hat die Klägerin am 04.05.2010 Klage beim Sozialgericht Freiburg erhoben. Sie hat beantragt, den GdB mit 50 seit 16.11.2000 und mit 60 seit 01.01.2006 festzustellen. Es hätten bereits im November 2000 eine Betroffenheit in drei Wirbelsäulenabschnitten, ein schwer einstellbarer Blutdruck, eine mit Schielkomponente verbundene Migräne, eine Coxarthrose und Augenmuskelbeschwerden B.anden. Seit dem Jahr 2006 hätten sich die Erkrankungskomponenten verschlechtert.
Das Sozialgericht hat zunächst Dr. R. und Dr. W. schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Dr. R. hat unter dem 05.04.2011 die von ihm seit Februar 2009 gestellten Diagnosen dargelegt und den Zustand nach Totalendoprothese rechts mit deutlicher Muskelatrophie mit einem Einzel-GdB von 30 sowie die Skoliose der Wirbelsäule mit Bewegungseinschränkung und rezidivierenden segmentalen Funktionsstörungen mit einem Einzel-GdB von 20 bewertet. Dr. W. hat unter dem 07.04.2011 über die seit 2006 gestellten Diagnosen berichtet und die Coxarthrose beidseits mit Totalendoprothese rechts mit chronischer postoperativer Beschwerdesymptomatik mit einem Einzel-GdB von 40, die degenerative Veränderung der Wirbelsäule mit chronischen Beschwerden vor allem im Brust- und Lendenwirbelsäulenbereich mit einem Einzel-GdB von 30 bis 40, eine chronisch obstruktive Bronchitis mit allergischer Komponente mit einem Einzel-GdB von 20, die Schilddrüsenunterfunktion mit einem Einzel-GdB von 10, den Hypertonus mit einem Einzel-GdB von 20 sowie eine depressive Episode bei Persistenz mit einem Einzel-GdB von 20 bewertet und dabei unter anderem die Arztbriefe des Dr. F. vom 30.10.2008, worin der Verdacht auf eine Lockerung im Intertrochantär-Bereich geäußert worden ist, des Dr. R. vom 26.11.2008, in dem persistierende belastungsabhängige Schmerzen im Bereich der rechten Leiste beschrieben worden sind, und der Dr. J. vom 08.04.2010 mit Hinweis auf eine normalgroße, rechtsdiskret kleinknotig umgewandelte Schilddrüse mit wieder leichter Volumenreduktion, vorgelegt.
Sodann hat das Sozialgericht von Amts wegen das Gutachten des Orthopäden Dr. Dr. Sch. vom 30.05.2011 eingeholt. Dem Sachverständigen hat die Klägerin berichtet, bis März 2011 Thermalbadbehandlungen durchgeführt sowie Fitnesstraining in einem Gerätepark gemacht zu haben. Wegen ihrer Wirbelsäulenprobleme habe sie gelegentlich Schlafprobleme. Die Übungen könne sie als Ballettlehrerin praktisch nicht mehr selbst demonstrieren. Nach 30 Minuten Spazierengehen habe sie Wirbelsäulen- und Hüftschmerzen. Ihr Gangbild sei bei freier Funktion des endoprothetisch versorgten rechten Hüftgelenks unauffällig gewesen. Trotz berichteten linksseitigen Innenrotationsschmerzes gelte das auch für das andere Hüftgelenk. Der neurologische Status sei unauffällig gewesen. Die Bemuskelung der Beine und die Fußsohlenbeschwielung sei seitengleich, so dass die Einschränkung der freien Wegstrecke nicht nachvollziehbar sei. Der Sachverständige hat den GdB für das Wirbelsäulensyndrom mit geringgradigen funktionellen Auswirkungen mit Veränderungen in drei Abschnitten mit einem Einzel-GdB von 20 sowie das Hüftleiden mit Endoprothese rechts und Coxarthrose links mit einem Einzel-GdB von 30 bewertet.
Mit Gerichtsbescheid vom 11.10.2012 hat das Sozialgericht die Klage nach vorangegangener Anhörung abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, bei der Klägerin bestünden seit Mai 1995 Wirbelsäulenschäden mit einem Einzel-GdB von 20, seit Januar 2001 eine deutliche konzentrische Linksherzhypertrophie mit einem Einzel-GdB von 20, seit Januar 2006 Hüftbeschwerden mit einer Hüftgelenksendoprothese rechts und einer Funktionsbeeinträchtigung der linken Hüfte mit einem Einzel-GdB von 30 und zusätzlich eine Migräne mit einem Einzel-GdB von 10. Es hat sich dabei auf die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. M. vom 17.09.2009 und das Gutachten des Dr. Dr. Sch. vom 30.05.2011 gestützt. Es hat ferner ausgeführt, die von Dr. W. angegebene depressive Episode rechtfertige keinen Einzel-GdB, da hierzu keine Befunde angegeben worden seien und sich die Klägerin insoweit auch nicht in fachärztliche Behandlung begeben habe. Unter Zugrundelegung dieser Einzel-GdB-Werte betrage der Gesamt-GdB 30 vom 01.01.2001 bis zum 31.12.2005 und 50 seit 01.01.2006.
Die Klägerin hat gegen den ihren Prozessbevollmächtigten am 13.10.2012 zugestellten Gerichtsbescheid am 12.11.2012 Berufung eingelegt. Sie hat ausgeführt, sie leide an einer chronifizierten obstruktiven Bronchitis mit allergischer Komponente, einer beidseitigen Coxarthrose und einer persistierend chronifzierten Depression. All dies habe aber schon vor dem Jahr 2001 vorgelegen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Oktober 2012 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 30. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. April 2010 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, den Grad der Behinderung mit mindestens 50 seit 16. November 2000 und mit mindestens 60 seit 1. Januar 2006 festzustellen, hilfsweise den Rechtsstreit wegen weiterer Sachverhaltsermittlung nach § 159 Sozialgerichtsgesetz an das Sozialgericht Freiburg zurückzuverweisen, hilfsweise über die chronifizierte obstruktive Bronchitis mit allergischer Komponente ein internistisch-lungenfachärztliches Gutachten von Amts wegen einzuholen, hilfsweise über die Operations-Indikation der linken Hüfte ein orthopädisches Gutachten von Amts wegen einzuholen, hilfsweise ein Gutachten bei Prof. Dr. St., P.-T.-Straße 13, 79183 W. nach § 109 Sozialgerichtsgesetz einzuholen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hat darauf hingewiesen, dass die jetzt geltend gemachten Leiden wie chronische Bronchitis und Depression im Antrag der Klägerin überhaupt nicht angegeben worden seien, was schwerwiegende Beeinträchtigungen nicht annehmen lasse. Ferner seien im Verwaltungsverfahren auch keinerlei diesbezüglichen Befunde vorgelegt worden. Erstmals habe Dr. W. in seiner im Klageverfahren abgegebenen sachverständigen Zeugenauskunft unter anderem eine chronische obstruktive Bronchitis mit allergischer Komponente bei Pollenallergie sowie eine depressive Episode seit Juli 2009 angegeben. Im Rahmen der Begutachtung durch Dr. Dr. Sch. habe die Klägerin weder über eine Bronchitis noch eine Depression berichtet. Im Übrigen trage die Klägerin die Beweislast, was umso mehr gelte, als erstmals im Jahr 2009 eine fast 10 Jahre rückwirkende Feststellung geltend gemacht worden sei, bei der sich die Sachaufklärung naturgemäß etwas schwieriger gestalte als bei einer zeitnahen Antragstellung. Hätten tatsächlich bereits im Jahr 2000 erhebliche Beschwerden vorgelegen, so hätte eine frühere Antragstellung nahegelegen.
Der für den 27.02.2013 anberaumte Erörterungstermin ist aufgehoben worden, nachdem der klägerische Bevollmächtigte ausgeführt hat, es müssten schon "ganz gewichtige Gründe für eine solcher Terminierung vorliegen für eine Anreise aus dem südbadischen Raum".
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat mit zutreffender Begründung dargelegt, dass der GdB der Klägerin seit dem 16.11.2000 nicht mit mehr als 30 und seit dem 01.01.2006 nicht mit mehr als 50 festzustellen ist.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die Beurteilung des GdB sind die Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX). Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 SGB IX). Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Sätze 3 und 6 SGB IX). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Die Feststellung des GdB ist eine rechtliche Wertung von Tatsachen, die mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen sind. Dabei sind bis zum 31.12.2008 die im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)" (AHP) und ist seit 01.01.2009 die an ihre Stelle getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG vom 10.12.2008 - BGBl. I. S. 2412 (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) anzuwenden. Da sich in Bezug auf die vorliegend zu beurteilende Problematik die VG gegenüber den AHP nicht wesentlich geändert haben, stellt der Senat im Folgenden allein auf die VG ab.
Soweit die Klägerin die rückwirkende Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft seit 16.11.2000 begehrt, B.eht das dafür erforderliche besondere Interesse (vergleiche dazu Urteil des Senats vom 21.02.2012 - L 6 SB 4007/12 - mit weiteren Nachweisen). Denn nach § 236a Abs. 4 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) haben Versicherte, die - wie die Klägerin - vor dem 17.11.1950 geboren sind, Anspruch auf eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen, wenn sie unter anderem am 16.11.2000 schwerbehindert waren.
Unter Berücksichtigung der oben dargestellten Grundsätze beträgt der GdB seit 16.11.2000 nicht mehr als 30 und seit 01.01.2006 nicht mehr als 50.
Für die Zeit vom 16.11.2000 bis zum 31.12.2005 waren die Behinderungen in den Funktionssystemen Rumpf, Herz-Kreislauf und Gehirn einschließlich Psyche zu berücksichtigen.
Im Funktionssystem Rumpf beträgt jedenfalls seit 16.11.2000 der Einzel-GdB nicht mehr als 20. Nach den VG Teil B Nr. 18.9 beträgt bei Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) der GdB 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) der GdB 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten der GdB 30 bis 40. Bei der Klägerin liegen weder mittelgradige noch schwere Auswirkungen in einem oder gar zwei Wirbelsäulenabschnitt/en vor. Der Senat stützt sich dabei auf die überzeugenden Ausführungen des Dr. Dr. Sch. in seinem Gutachten vom 30.05.2011, wonach bei der Klägerin in allen Wirbelsäulenabschnitten nur geringgradige Bewegungseinschränkungen bei neurologisch unauffälligem Status vorliegen. Diese Darlegungen korrespondieren mit den in seinem Gutachten dargestellten Befunden und sind daher in sich schlüssig und nachvollziehbar. Mithin beträgt der für den Wirbelsäulenschaden festzulegende Einzel-GdB jedenfalls nicht mehr als 20. Der Senat hat keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die so bewertete Wirbelsäulensymptomatik in der Zeit vor der Begutachtung ausgeprägter gewesen ist. Den von der Klägerin umfangreich vorgelegten ärztlichen Unterlagen, insbesondere der sachverständigen Zeugenaussage des Dr. R., lassen sich keine Funktionsbeeinträchtigungen entnehmen, die eine höhere Bewertung des GdB für die bis zum 16.11.2000 zurückreichende Zeit rechtfertigen könnten. Für die Richtigkeit der gutachterlichen Einschätzung spricht auch, dass die Klägerin in der Vergangenheit ihren Beruf als Ballettlehrerin, der ihren eigenen Angaben zufolge mit der Demonstration der Übungen verbunden ist, erst zum Untersuchungszeitpunkt im Mai 2011 als eingeschränkt bezeichnet hat. Dies dokumentiert eindrucksvoll eine erhaltene Beweglichkeit der Wirbelsäule, die der Sachverständige zutreffend auf die Trainierung des Rumpfes, die der Klägerin in der Vergangenheit aber möglich war, zurückgeführt hat.
Im Funktionssystem Herz-Kreislauf beträgt jedenfalls seit 16.11.2000 der Einzel-GdB nicht mehr als 20. Die Klägerin leidet nach den Arztbriefen der Dr. G.-B. vom 18.06.1999 und des Dr. T. vom 08.02.2001 an einer deutlichen konzentrischen Linksherzhypertrophie und Belastungshypertonie. Aus den vorgelegten ärztlichen Unterlagen ergibt sich weder eine nach den VG Teil B Nr. 9.1.1 einen GdB von mehr als 10 bedingende Leistungsbeeinträchtigung der Herzleistung bei mittelschwerer Belastung noch eine nach den VG Teil B Nr. 9.3 einen GdB von mehr als 10 bedingende Hypertonie in mittelschwerer Form mit Organbeteiligung.
Im Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche beträgt jedenfalls seit 16.11.2000 der Einzel-GdB nicht mehr als 10. Nach den VG Teil B Nr. 2.3 beträgt bei einer echten Migräne je nach Häufigkeit und Dauer der Anfälle und Ausprägung der Begleiterscheinungen der GdB 0 bis 10 bei leichter Verlaufsform (Anfälle durchschnittlich einmal monatlich) und der GdB 20 bis 40 bei mittelgradiger Verlaufsform (häufigere Anfälle, jeweils einen oder mehrere Tage anhaltend). Dass es sich bei der im Arztbrief der Dr. S. vom 31.08.1992 dokumentierten linksseitigen Migräne der Klägerin um eine leichte Verlaufsform handelt, ergibt sich aus den darin enthaltenen Angaben, wonach die nicht mit Erbrechen oder Sehstörungen verbundenen nicht ganz typischen Migräneattacken bei der Klägerin selten, anfänglich zweimal monatlich und sodann einmal wöchentlich aufgetreten sind. Es handelt sich dabei zwar um häufigere Anfälle. Deren Begleiterscheinungen sind aber eher gering ausgeprägt. Im Übrigen hat die Klägerin in ihrem am 31.08.2009 gestellten Formularantrag eine Migräne nicht angegeben, was ebenfalls für einen relativ geringen Ausprägungsgrad dieser Erkrankung spricht. Eine höhere Bewertung dieses Einzel-GdB ergibt sich nicht aus der von Dr. W. in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 07.04.2011 angegebenen depressiven Episode. Er hat weder sich hieraus ergebende Funktionseinschränkungen beschrieben noch Angaben zu deren Dauerhaftigkeit gemacht. Auch fehlt es an einer für die Berücksichtigung als Behinderung aber erforderlichen regelmäßigen fachpsychiatrischen Behandlung (ständige Senatsrechtsprechung, vergleiche zuletzt Urteil vom 13.12.2012 - L 6 SB 4192/12).
Im Funktionssystem Atmung liegt kein Einzel-GdB vor. Zwar hat Dr. W. in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 07.04.2011 auf eine chronische obstruktive Bronchitis mit allergischer Komponente hingewiesen. Er hat aber keine Angaben über etwaige hieraus resultierende dauerhafte Funktionseinschränkungen gemacht. Auch ist eine lungenfachärztliche Behandlung der Klägerin nicht dokumentiert. Eine nach den VG Teil B Nr. 8.2 einen GdB von mehr als 10 bedingende chronische Bronchitis in schwerer Form, also mit fast kontinuierlichem Husten und Auswurf sowie häufig akuten Schüben, ist mithin nicht nachgewiesen.
Die weiteren sich aus den umfangreichen ärztlichen Unterlagen ergebenden Diagnosen wie grenzwertig latente Hypothyreose, Autoimmunthyreotidis, Zeichen einer Mastoiditis links sowie Sinusitis maxillaris stellen keine dauerhaften einen Einzel-GdB rechtfertigende Behinderungen dar.
Für die Zeit seit 01.01.2006 ist zusätzlich die erstmals ab diesem Zeitpunkt dokumentierte Behinderung im Funktionssystem Beine zu berücksichtigen.
Im Funktionssystem Beine beträgt seit 01.01.2006 der Einzel-GdB nicht mehr als 30. Nach den VG Teil B Nr. 18.12 beträgt bei einer Hüftgelenks-Endoprothese in Abhängigkeit von der verbliebenen Bewegungseinschränkung und Belastbarkeit der GdB mindestens 20 und seit der Dritten Verordnung zur Änderung der VersMedV vom 17.12.2010 nur noch mindestens 10. Nach den VG Teil B Nr. 18.14 beträgt bei einer Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke geringen Grades (zum Beispiel Streckung/Beugung bis zu 0-10-90 Grad mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit) einseitig der GdB 10 bis 20 sowie beidseitig der GdB 20 bis 30, mittleren Grades (zum Beispiel Streckung/Beugung bis zu 0-30-90 Grad mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit) einseitig der GdB 30 und beidseitig der GdB 50. Bei der Klägerin liegt im Bereich der rechten Hüfte eine Totalendoprothese seit 24.11.2006 und im Bereich beider Hüftgelenke eine geringgradige Bewegungseinschränkung vor. Der Senat stützt sich dabei auf die von Dr. Dr. Sch. in seinem Gutachten vom 30.05.2011 erhobenen Befunde, wonach bei der Klägerin im Bereich der Hüftgelenke ein Bewegungsmaß von 0/0/120 Grad rechts und 20/0/120 Grad links gegeben ist. Mithin beträgt der Einzel-GdB jedenfalls nicht mehr als 30 für den Bereich der unteren Extremitäten. Der Senat hat keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass das so bewertete Hüftgelenksleiden in der Zeit vor der Begutachtung ausgeprägter gewesen ist. Den von der Klägerin umfangreich vorgelegten ärztlichen Unterlagen lassen sich keine Bewegungsmaße entnehmen, die eine höhere Bewertung des GdB für die bis zum 01.01.2006 zurückreichende Zeit rechtfertigen könnte.
Aus alledem ergibt sich folgende Gesamt-GdB-Bewertung: Für die Zeit seit 16.11.2000 ergibt sich unter Berücksichtigung der dargelegten Einzel-GdB-Werte (Einzel-GdB nicht mehr als 20 für das Funktionssystem Rumpf, Einzel-GdB nicht mehr als 20 für das Funktionssystem Herz-Kreislauf, Einzel-GdB nicht mehr als 10 für das Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche) ein Gesamt-GdB von nicht mehr als 30. Für die Zeit seit 01.01.2006 ergibt sich nach Hinzutreten des Einzel-GdB von nicht mehr als 30 für das Funktionssystem Beine ein Gesamt-GdB von nicht mehr als 50. Dies ergibt sich für beide Zeiträume aus der teilweisen Überschneidung der Auswirkungen der Behinderungen auf orthopädischem, internistischem und nervenheilkundlichem Fachgebiet und dem Umstand, dass nach den VG Teil A Nr. 3 d ee Einzel-GdB-Werte von 10 grundsätzlich nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbehinderung führen.
Dem auf die Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts vom 11.10.2012, Abänderung des Bescheides des Beklagten vom 30.09.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.04.2010 und Verurteilung des Beklagten auf Feststellung des GdB mit mindestens 50 seit 16.11.2000 und mit mindestens 60 seit 01.01.2006 gerichteten Hauptantrag musste daher der Erfolg versagt bleiben.
Auch war der Hilfsantrag, den Rechtsstreit an das Sozialgericht zurückzuverweisen, abzulehnen. Nach § 159 Abs. 1 SGG kann das Landessozialgericht die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden oder das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Zum einen hat das Sozialgericht in der Sache entschieden. Zum anderen hält der Senat eine weitere Beweisaufnahme nicht für notwendig.
Deswegen waren die weiteren Hilfsanträge, von Amts wegen weitere Gutachten einzuholen, abzulehnen. Der Rechtsstreit war entscheidungsreif. Es war von Amts wegen weder über die chronifizierte obstruktive Bronchitis mit allergischer Komponente ein internistisch-lungenfachärztliches Gutachten noch über die Operations-Indikation der linken Hüfte ein orthopädisches Gutachten einzuholen. Da in Bezug auf die von Dr. W. aufgeführte chronische obstruktive Bronchitis mit allergischer Komponente keine hieraus resultierenden dauerhaften Funktionseinschränkungen und auch keine lungenfachärztliche Behandlung der Klägerin dokumentiert ist, hat sich der Senat nicht veranlasst gesehen, weitere Ermittlungen anzustellen, zumal die Klägerin noch im Antragsformular am 26.08.2009 und gegenüber Dr. Dr. Sch. am 23.05.2011 keine Angaben zu einer solchen Erkrankung gemacht hat und auch im weiteren Verlauf zwar diese Diagnose genannt, aber etwaige sich hieraus ergebende Leistungseinschränkungen in ihren Schriftsätzen vom 23.08.2011, 12.11.2012 und 19.03.2013 nicht geschildert hat. Auch hat die Klägerin die ihr vom Senat gegebene Möglichkeit, sich unter anderem hierzu im Rahmen des anberaumten Erörterungstermins zu äußern, nicht wahrgenommen und vielmehr unter Hinweis auf die Länge des Anfahrtsweges eine Aufhebung dieses Termins beantragt. Auch war auf orthopädischem Fachgebiet kein weiteres Gutachten von Amts wegen einzuholen. Denn insbesondere in Bezug auf das linke Hüftgelenk liegt bereits das überzeugende Gutachten des Dr. Dr. Sch. vor. Die von der Klägerin vorgetragene Operations-Indikation lässt die von Dr. Dr. Sch. befundeten und für die GdB-Beurteilung maßgeblichen Bewegungsmaße keinesfalls als unschlüssig erscheinen.
Auch der weitere Hilfsantrag, nach § 109 SGG ein Gutachten bei Prof. Dr. St., P.-T.-Straße 13, 79183 W. einzuholen, war abzulehnen. Nach § 109 Abs. 2 SGG kann das Gericht einen solchen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist. Dies ist vorliegend der Fall. Die Einholung des beantragten Gutachtens hätte die Erledigung des Rechtsstreits verzögert. Musste der Antragsteller erkennen, dass das Gericht von Amts wegen nicht weiter ermittelt, liegt grobe Nachlässigkeit vor, wenn der Antrag nicht in angemessener Frist, sondern erst unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung gestellt wird (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 10. Auflage, § 109, Rz. 11; Hk-SGG/Roller, 3. Auflage, § 109, Rz. 13; BSG, Urteil vom 10.12.1958 - 4 RJ 143/58). So liegt der Fall hier. Der Senat hat mit seiner am 25.02.2013 erfolgten Ladung zur am 21.03.2013 stattfindenden mündlichen Verhandlung zu erkennen gegeben, dass er von Amts wegen keine weiteren Gutachten einholen werde. Der erst am 19.03.2013 eingegangene Antrag der Klägerin ist mithin verspätet. Der Senat hat keine Anhaltspunkte dafür, warum dies nicht auf grober Nachlässigkeit des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, dessen Verhalten ihr zuzurechnen ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 10. Auflage, § 109, Rz. 11; Hk-SGG/Roller, 3. Auflage, § 109, Rz. 13), beruhen sollte.
Die Berufung war nach alledem zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
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