Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 14 U 78/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 3568/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Abänderung einer durch Vergleichsvertrag anerkannten Verletzungfolge und Höhe der MdE kann nicht nach § 48 SGB X, sondern nur nach § 59 Abs. 1 Satz1SGB X erfolgen.
2. Für die danach erforderliche Vertragsanpassung ist erforderlich, dass eine wesentliche Änderung gegenüber den Verhältnissen, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend waren, eingetreten ist.
2. Für die danach erforderliche Vertragsanpassung ist erforderlich, dass eine wesentliche Änderung gegenüber den Verhältnissen, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend waren, eingetreten ist.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 19. Mai 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Zustimmung der Beklagten zur Abänderung eines am 28.03.2007 beim Bayerischen Landessozialgericht geschlossenen Vergleichsvertrages.
Der 1951 in M.-V. geborene Kläger verzog im Jahre 1990 zunächst an den B. und anschließend 1991 nach M., wo er anfänglich als Universalhärter und ab 1997 als Haustechniker in einem Wohnstift bis zur Berentung im Jahr 2008 beschäftigt war.
Mit Durchgangsarztbericht vom 10.07.2001 zeigte der Chirurg Dr. B. bei der Beklagten einen Unfall des Klägers vom selben Tage an. Beim Entleeren einer Mülltonne habe der Kläger beim Hochheben der Tonne nochmals nachfassen müssen und sich dadurch die linke Schulter verletzt. Die durchgeführte röntgenologische Untersuchung der linken Schulter zeigte keine knöcherne Verletzung, jedoch eine deutliche AC-Gelenksarthrose sowie eine beginnende Omarthrose. Dr. B. diagnostizierte eine Distorsion der linken Schulter. Prof. Dr. M. erkannte nach magnetresonanztomographischer Untersuchung vom 25.07.2001 eine AC-Arthrose mit Zeichen der Aktivierung, differentialdiagnostisch bone bruise im Bereich des AC-Gelenkes mit kleiner Infraktion und sekundärem Impingement der Supraspinatussehne, ein Bone bruise im Bereich der Capitas glenoidalis und dem Glenoid ohne eindeutigen Nachweis einer Infraktionslinie, eine diskrete Einblutung in das inferiore anteriore Labrum posttraumatisch, differentialdiagnostisch im Rahmen eines degenerativen Geschehens, eine in der Kontinuität intakte, degenerativ veränderte Supraspinatussehne mit zentraler Signalalteration, z. B. kleiner intratendinöser Einriß, leichte begleitende Bursitis subacromialis und subdeltoidea, osteophytäre Anbauten im Bereich des Tuberculum majus mit umschriebenem bone bruise sowie eine diskrete Tendinitis der Bizepssehne und eine leichte Einblutung im Bereich des Ansatzes am superioren anterioren Labrum (Befundbericht vom 25.07.2001).
Auf Nachfrage gab der Kläger am 27.08.2001 zum Unfallgeschehen an, er müsse beim Entleeren einer Mülltonne diese in einer Höhe von ca. 1,55 Meter, teilweise über seinem Kopf, umsetzen. Da er nur 1,65 Meter groß sei, müsse er hierbei immer nachfassen. Dabei habe er sich verletzt. Die Tonne sei allerdings weder weggerutscht noch umgekippt und er habe sie auch nicht fallengelassen. Er habe sie vielmehr so angehoben, wie er es beabsichtigt habe. Nachdem er die Tonne ausgeschüttet habe, habe er sie festgehalten, da sie sonst in den Presseschacht gefallen wäre. Nach der Leerung habe er die Tonne vom Presseschacht zurückgezogen. Die Tonne sei ihm nicht entglitten, er habe sie noch halten und wegtragen können.
Wie sich aus dem von der Beklagten beigezogenen Vorerkrankungsverzeichnis ergibt, war der Kläger vom 14.05. bis 19.05.1998 wegen einer Distorsion des linken Schultergelenks sowie einer Zerrung der paravertebralen Muskeln arbeitsunfähig. Bei einem früheren Arbeitsunfall im Jahr 2000 verletzte sich der Kläger die rechte Schulter.
Zur Klärung der Zusammenhangsfrage beauftragte die Beklagte Prof. Dr. H., Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik (BGU) M., mit der Erstellung des chirurgischen Gutachtens vom 04.02.2002. Im Rahmen der hierzu durchgeführten ambulanten klinischen und radiologischen Untersuchung trug der Kläger zum Unfallereignis vor, er habe eine 70 bis 80 kg schwere Mülltonne zu einer Presse bewegt. Diese besitze einen Rand mit einer Höhe von etwa 150 cm. Er habe die Mülltonne hinaufgehoben, um sie in den Schacht auszuleeren. Dabei habe er ein "Ratschen" in der linken Schulter verspürt. Er habe die Tonne nicht fallen lassen wollen und nachgefasst (Bl. 104 VA). Prof. Dr. H. kam zu dem Ergebnis, der geschilderte Vorgang stelle kein Unfallereignis im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung dar. Beim Kläger hätten zum Unfallzeitpunkt Arthrosezeichen an der linken Schulter bestanden. Die Verschleißerscheinungen seien radiologisch nachgewiesen. Aus der Beschreibung des Unfallereignisses resultiere, dass es sich hier um ein Missverhältnis zwischen Belastung und Belastbarkeit bei einer vorgeschädigten Schulter handele. Der Schmerz sei beim Heben eines schweren Gegenstandes entstanden. Die Plötzlichkeit, die für ein Unfallereignis Voraussetzung sei, fehle hier. Das Nachgreifen habe erst nach dem Schmerz stattgefunden, woraus sich ergebe, dass auch hier eine Kraftänderung nicht als verantwortlich bezeichnet werden könne. Die Beschwerden an der Halswirbelsäule (HWS) seien erst im weiteren Verlauf durch die neurologische Untersuchung festgestellt worden. Die Kernspintomographie der HWS beschreibe Verschleißerscheinungen mit Bandscheibenvorfällen, die nicht unfallbedingt seien, so dass auch hier ein Zusammenhang zum Unfall nicht gesehen werde, was auch daraus folge, dass die Beschwerden erst erheblich verzögert angegeben worden seien.
Hierauf gestützt lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 08.05.2002 die Anerkennung des Ereignisses vom 10.07.2001 als Arbeitsunfall ab.
Am 10.07.2002 wurde der Kläger im Krankenhaus M.-B. an der linken Schulter operiert (subacromiale arthroskopische Dekompression und laterale Clavicularresektion). Anlässlich der am 01.04.2003 ebenfalls im Krankenhaus M.-B. durchgeführten weiteren Arthroskopie der linken Schulter wurde eine Teilsynovectomie (Teil-Abtragung der erkrankten Gelenkinnenhaut), ein Labrum-Débridement, eine L. Bizepssehnenresektion, eine offene Revision der lateralen Clavicula unter Nachresektion von Narbengewebe sowie Lösen von Verwachsungen durchgeführt (vgl. unfallchirurgisches Gutachten Dr. L., Bl. 228 VA).
Den gegen den Bescheid vom 08.05.2002 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22.08.2002 zurück. Im anschließenden Klageverfahren (S 9 U 663/02) holte das Sozialgericht M. das chirurgische Gutachten des Dr. L., Städtisches Krankenhaus M.-H., vom 26.09.2003 mit ergänzenden Stellungnahmen vom 02.12.2003, 22.12.2003 und 09.02.2004 ein. Anlässlich der gutachterlichen Untersuchung schilderte der Kläger das Unfallgeschehen dahingehend, er habe beim Entleeren der Mülltonne in eine Müllpresse des Hauses als Linkshänder die Mülltonne mit der linken Hand an den Rand der Müllpresse schieben müssen. Die auf den Rand aufgesetzte Tonne sei jedoch in Richtung seines Kopfes zurückgerutscht und auf die retroflektierte linke Hand bei gestrecktem Ellenbogengelenk und Überkopfhaltung des linken Armes gefallen. Er habe einen entsetzlichen Stich in der linken Schulter verspürt. Dr. L. stimmte im Ergebnis der Einschätzung von Prof. Dr. H. zu, wonach auf der Grundlage der vom Kläger ursprünglich gemachten Angaben kein Unfallereignis vorliege. Der anlässlich seiner eigenen Untersuchung vom Kläger geschilderte Unfallhergang rechtfertige unter Berücksichtigung der kernspintomographischen Eckdaten der linken Schulter vom 25.07.2001 die Annahme einer schweren Kontusion der linken Schultergelenkpfanne mit Arbeitsunfähigkeit von drei Monaten. Der bei Prof. Dr. H. geschilderte Unfallmechanismus könne dagegen schlichtweg nicht zu der kernspintomographisch nachgewiesenen Einblutung im Glenoid geführt haben. An dem Vorliegen einer ausgeprägten degenerativen Rotatorenmanschetten-Arthropathie des linken Schultergelenkes zum Zeitpunkt des Unfalls bestehe kein Zweifel. Alle ab drei Monate nach dem Unfallereignis erfolgten diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen hätten sich den anlagebedingt degenerativen Veränderungen gewidmet. Ab Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit ab 11.10.2001 könne die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mit unter 10 vom Hundert (v. H.) in Ansatz gebracht werden. Im Termin zur mündlichen Verhandlung nahm der Kläger am 17.06.2004 daraufhin seine Klage zurück.
Bereits am 29.07.2004 stellte er im Hinblick auf eine Nervenschädigung im Schulterbereich einen Überprüfungsantrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Gegen den ablehnenden Bescheid vom 27.10.2004 legte er unter Vorlage zweier Bescheide der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) vom 11.12.1998 und 12.05.2000, eines Berichts des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in B. vom 02.08.2001 sowie der Befundberichte des Dr. K. vom 28.01.2005 (posttraumatische frozen shoulder links, Diskusprolaps HWK 6/7 mit sensibler Parese) und des Dr. Z. vom 23.02.2005 (BS-Protrusionen C4-6, Spinalkanalstenose C5-7, Osteochondrose C5-7, Spondylarthrose LWS, BS-Protrusionen L1-3, Hämangiomwirbel LWK 4, Gonarthrose bds. I.-II. Grades, Z. n. lateraler Clavicularesektion links, Rotatorenmanschettendegeneration links) Widerspruch ein, der durch Widerspruchsbescheid vom 11.05.2005 zurückgewiesen wurde. Im anschließenden Klageverfahren (S 24 U 369/05) wurden weitere Befundberichte beigezogen und sodann auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Prof. Dr. L. mit der Erstattung des fachorthopädischen Gutachtens vom 23.01.2006 beauftragt. Bei der durchgeführten ambulanten Untersuchung gab der Kläger an, er habe die Mülltonne in einen Müllschacht einschieben wollen und dabei den linken Arm über der Horizontalen gehalten. Die Mülltonne sei zurückgefallen, direkt in seinen gestreckten linken Arm. Er habe sich durch diesen Griff vor der zurückfallenden Tonne schützen wollen. Er habe einen Stich in der linken Schulter bemerkt und die Tonne mit hochgehobenem linken Arm in den Schacht hineingeschoben, dann die Tonne selbsttätig ausgeschüttet und sodann wieder aus dem Schacht herausgezogen. Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass ein Zusammenhang zwischen den geklagten Beschwerden im Bereich der HWS und dem Ereignis vom 10.07.2001 nicht herzustellen sei, da es an jeglicher Brückensymptomatik zwischen dem Ereignis und den aufgetretenen HWS-Beschwerden fehle, das Unfallereignis nicht geeignet sei, eine Verletzung im Bereich der HWS hervorzurufen und sich aus dem Durchgangsarztbericht vom 10.07.2001 kein Hinweis auf eine HWS-Verletzung ergebe. Die im Bereich der linken Schulter geklagten Beschwerden sowie die Bewegungsbehinderung des linken Armes im Schultergelenk in sämtlichen Ebenen seien zwar durch die klinische und röntgenologische Untersuchung verifiziert. Es bestehe jedoch kein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Ereignis vom 10.07.2001 und den jetzt feststellbaren Veränderungen am linken Schultergelenk. Hiergegen spreche der geschilderte Unfallmechanismus, aber auch die Doppelseitigkeit der degenerativen Veränderungen. Denn beide Schultergelenke zeigten ein Impingement und umformende Veränderungen. Außerdem habe bei dem Kläger an der linken Schulter vor dem Ereignis vom 10.07.2001 ein Vorschaden bestanden. Als Folge des Ereignisses vom 10.07.2001 könne eine kleine Infraktion und ein Bone Bruise im Bereich des Schultereckgelenkes, eine diskrete Einblutung sowie ein kleiner intratendinöser Einriss in der Supraspinatussehne erkannt werden, wobei es sich hierbei um Veränderungen handele, die innerhalb einer Drei-Monats-Frist selbsttätig wieder ausheilten. Ein eigentlicher Arbeitsunfall habe aber nicht vorgelegen. Es fehle das zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignis, welches zu einem Gesundheitsschaden führe.
Des Weiteren wurde auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG das nervenärztliche Fachgutachten des Dr. Sch. vom 11.03.2006 eingeholt. Anlässlich seiner Untersuchung gab der Kläger an, er habe versucht, die Mülltonne samt Inhalt hochzuheben, um Müll in die Tonne zu kippen. Dabei sei die Tonne mit dem gesamten Inhalt zurückgefedert. Er habe versucht, die Tonne mit der linken Hand nach oben zu drücken. Dabei sei die Tonne erneut zurückgefedert und auf den linken gestreckten Arm geschlagen. Er habe dann plötzlich einen Schmerz in der linken Schulter verspürt. Vom Durchgangsarzt sei die Diagnose eines Kapselrisses gestellt worden. Der Neurologe und Psychiater Dr. Sch. kam zu dem Ergebnis, dass der Kläger bei dem Unfall mit hoher Wahrscheinlichkeit eine HWS-Distorsion erlitten habe, denn es sei durchaus vorstellbar, dass durch die zurückfedernde, relativ schwere Tonne unter Zugrundelegung der Arbeitshaltung sich ein Teil der Energie über den Hebel Unterarm-Schulter-HWS in die HWS fortgepflanzt und dort zu einer Distorsion der Muskel und Bänder der HWS geführt habe. Eine darüber hinaus gehende Schädigung sei aufgrund des Befundes unwahrscheinlich. Nach dem Unfall sei es bei dem Kläger zu einer psychosomatischen Symptomenbildung gekommen, die mit der Annahme einer depressiven Entwicklung nach einem Unfall am ehesten im Sinne einer Anpassungsstörung erklärt werden könne. Der Kläger sei zuvor nie in psychiatrischer Weise auffällig gewesen, das Leistungsverzeichnis und die testpsychologischen Untersuchungen wiesen auf eine stabile Grundpersönlichkeit hin.
Im beigezogenen Rentengutachten der BfA vom 29.04.1999 wies der Nervenarzt Dr. R. zum psychischen Befund darauf hin, dass der Kläger zunächst sehr distanziert gewesen sei mit auffällig überheblicher Attitüde und sich betont unabhängig gezeigt habe. Auffällig sei auch die Ablehnung des Gießen-Tests gewesen. Im außerdem aktenkundigen BfA-Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. H. vom 07.07.2005 teilte dieser mit, dass der Rapport außerordentlich schwierig gewesen sei, der Kläger eine deutlich aggressive Ausstrahlung gezeigt habe und sich seiner Ansprüche und seiner Begründung völlig gewiss gewesen sei, er sei in den Einstellungen rigide und fühle sich leicht angegriffen. Bei der Untersuchung habe eine Aggravationstendenz bestanden und die Stimmungslage sei nicht depressiv ausgelenkt gewesen. Aus neurologisch-psychiatrischer Sicht bestehe mit aller Wahrscheinlichkeit durchaus eine Schmerzsymptomatik, die glaubhaft und begründbar sei. Das Ausmaß der Schmerzklagen und der Beeinträchtigung sei jedoch deutlich akzentuiert (Bl. 415 VA).
Mit Urteil vom 07.09.2006 wies das Sozialgericht München die Klage gestützt auf das Gutachten von Prof. Dr. H. ab.
Hiergegen legte der Kläger Berufung beim Bayerischen Landessozialgericht ein (L 2 U 346/06). Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 28.03.2007 wies die Vorsitzende darauf hin, dass nach dem gegenwärtigen Gutachtensstand lediglich eine Kontusion Unfallfolge sei, die allerdings innerhalb von drei Monaten folgenlos ausgeheilt sei und keine MdE zurückgelassen habe. Das Gutachten des Dr. Sch. sei nicht ausreichend, um einen ursächlichen - nicht nur zeitlichen - Zusammenhang zwischen der Unfallverletzung und den psychischen Symptomen zu begründen. Hierauf schlossen die Beteiligten den folgenden Vergleich:
"I. Die Beklagte verpflichtet sich, unter Abänderung des Bescheides vom 08.05.2002 das Ereignis vom 10.07.2001 als Arbeitsunfall mit Kontusion der linken Schulter anzuerkennen; unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit bestand längstens für drei Monate; eine rentenberechtigende MdE über die 26. Woche hinaus ist nicht verblieben.
II. Außergerichtliche Kosten des Klägers sind nicht zu erstatten, da er mit seinem Begehren, Verletztenrente zu erhalten, nicht durchdringen konnte.
III. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass mit Abschluss dieses Vergleichs der Rechtsstreit über das Urteil des Sozialgerichts München vom 07.09.2006 in vollem Umfang erledigt ist."
Mit Ausführungsbescheid vom 30.04.2007 nahm die Beklagte in Ausführung des am 28.03.2007 geschlossenen Vergleichs den Bescheid vom 08.05.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.08.2002 zurück und anerkannte das Ereignis vom 10.07.2001 als Arbeitsunfall. Ein Anspruch auf Rente bestehe nicht, da keine rentenberechtigende MdE über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus verblieben sei. Als Folge seines Arbeitsunfalles werde anerkannt: Ausheilungszustand nach Kontusion der linken Schulter. Deshalb bestehe Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit für längstens drei Monate nach dem Unfall.
Am 02.01.2008 machte der Kläger unter nochmaliger Beifügung des Berichtes des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in B. vom 02.08.2001 bei der Beklagten eine deutliche Verschlimmerung der gesundheitlichen Beschwerden der unfallverletzten Schulter sowie seines psychischen Zustandes bei anhaltender somatoformer Schmerzstörung geltend.
Mit Bescheid vom 08.07.2008 lehnte die Beklagte den Antrag unter Hinweis auf den am 28.03.2007 geschlossenen Vergleich ab. Da die Schulterverletzung folgenlos ausgeheilt sei, sei auch keine Verschlimmerung möglich. Weitere Unfallfolgen, insbesondere psychische Beschwerden, seien nicht anerkannt worden.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, dass von Seiten der Beklagten keinerlei Befundberichte der behandelnden Ärzte beigezogen worden seien. Mit Widerspruchsbescheid vom 26.11.2008 wies die Beklagte den Widerspruch unter Hinweis auf den geschlossenen Vergleich und das Ergebnis der diesem zugrundeliegenden Ermittlungen zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 12.01.2009 beim Sozialgericht Mannheim (SG) Klage erhoben und das Schreiben des Internisten Dr. St. vom 14.05.2009 (obstruktives Schlafapnoesyndrom), des Dr. K. vom 26.03.2009 (die aktuelle Depression und die somatoformen chronischen Schmerzen seien auf den Arbeitsunfall zurückzuführen), des Urologen Dr. T. vom 25.05.2009 (Versagen genitaler Reaktionen, nicht verursacht durch eine organische Störung oder Krankheit, sowie weitere Diagnosen) vorgelegt. Zur Begründung hat er ergänzend vorgetragen, es werde eine allgemeine Leistungsklage auf Zustimmung zur Abänderung des vor dem Bayerischen Landessozialgericht geschlossenen Vergleichs im Sinne des § 59 SGB X erhoben.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen schriftlich vernommen und den Kläger orthopädisch und internistisch begutachten lassen.
Dr. K. hat unter dem 03.12.2009 angegeben, den Kläger seit 18.11.2004 zu behandeln. Er hat ein chronifiziertes Schmerzsyndrom bei Fibromyalgie, eine pathologische Primärpersönlichkeit, eine posttraumatische frozen shoulder links, einen chronischen Tinnitus beidseits und ein obstruktives Schlafapnoesyndrom diagnostiziert. Unter Berücksichtigung seiner pathologischen Primärpersönlichkeit sei es ausgelöst durch seinen Arbeitsunfall nicht nur zu einer schmerzhaft eingeschränkten Beweglichkeit im Bereich der HWS und des linkes Schultergelenkes, sondern auch zu einer depressiven Störung gekommen.
Dr. T. hat unter dem 08.12.2009 ausgeführt, aufgrund der chronischen Schmerzen und der erektilen Dysfunktion habe sich bei dem Kläger eine anhaltende Depression eingestellt. Die Schulterschmerzen seien eindeutig auf den Unfall vom 10.07.2001 zurückzuführen. Die weiteren Erkrankungen wie Diabetes, Hypertonie und Depression seien erst später aufgetreten. An der erektilen Dysfunktion leide der Kläger nach eigenen Angaben erst seit dem Unfall. Seit etwa 2006 spreche die medikamentöse Therapie nicht mehr an.
Dr. St. hat unter dem 14.12.2009 angegeben, seine Diagnosen schweres obstruktives Schlafapnoesyndrom, bronchiale Reizsymptomatik, anamnestisch Fibromyalgiesyndrom, multiple Medikamente zur Schmerztherapie, Diabetes mellitus seien nicht mit einer Extremitäten-Verletzung, auch nicht der Schulter, in ursächlichen Zusammenhang zu bringen.
Mit Schreiben vom 04.01.2010 hat das SG den Kläger darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen des § 59 SGB X im Falle der nunmehr geltend gemachten psychischen Beschwerden nicht erfüllt seien. Der Kläger habe sich in vollem Wissen um die Problematik der psychischen Beschwerden zum Abschluss eines Vergleichs entschlossen.
Auf den sodann gestellten Antrag des Klägers nach § 109 SGG hat das SG bei dem Facharzt für Orthopädie Dr. C. K. das Gutachten vom 05.10.2010 und bei dem Facharzt für Innere Medizin und Arbeitsmedizin Prof. Dr. Dr. R. M. K. das Gutachten vom 03.10.2010 eingeholt.
Dr. C. K. diagnostizierte in seinem orthopädischem Gutachten beim Kläger ein HWS-Syndrom bei Bandscheibenprolaps in Höhe HWK 5/6 und 6/7 mit Affektion der Nervenwurzel C6 und C7 links und relativer spinaler Enge, eine posttraumatische hochgradige Bewegungseinschränkung der linken Schulter bei bursaseitiger Partialruptur der Sehne des Musculus Supraspinatus, SLAP-Läsion und Knorpelschädigung, ein chronisches Lendenwirbelsäulen-Syndrom bei BS-Protrusionen LWK 1 bis LWK 3 und Spondylosis deformans mit beginnender foraminaler Enge LWK 4/5 links größer rechts und LWK5/SWK1 beidseits, eine beidseitige Hüftgelenks- und Kniegelenksarthrose und eine Knick-Senk-Spreizfußdeformität beidseits. Von den genannten Erkrankungen seien die hochgradige posttraumatische/postoperative Bewegungseinschränkung der linken Schulter bei bursaseitiger Partialruptur der Sehne des Musculus supraspinatus, die SLAP-Läsion und die Knorpelschädigung durch das Unfallereignis vom 10.07.2001 wesentlich verursacht. Hieraus ergebe sich eine MdE von 20 v. H. ab Beendigung der Akutphase nach der zweiten Schulteroperation vom 02.04.2003, d. h. ab 01.07.2003. Die wesentliche Abweichung von den vorangegangenen Gutachten basiere auf der Tatsache, dass die beiden Vorgutachter jeweils zwar die Schwere des Traumas richtig ausgelegt hätten, aber den Operationsbericht aus dem Krankenhaus B. und die Diagnose der Verletzung des Bizepssehnenankers als Ausdruck der intraartikulären Schädigung nicht berücksichtigt hätten.
Prof. Dr. Dr. R. M. K. hat in seinem internistischen Gutachten im Ergebnis festgestellt, dass auf internistischem Sektor keine Unfallfolgen bestünden. Eine unfallabhängige psychische Erkrankung liege ebenfalls nicht vor, da der Mechanismus nicht geeignet gewesen sei, eine psychische Traumatisierung hervorzurufen. Die im Gutachten des orthopädischen Sachverständigen anklingende und auch bei ihm festgestellte leichte Aggravationsneigung habe nicht den Charakter einer krankheitswürdigen psychischen Erkrankung. Die gesamte Schmerzproblematik sei in dem vom orthopädischen Gutachter angesetzten MdE-Wert impliziert.
In der von der Beklagten vorgelegten beratungsärztlichen Stellungnahme des Prof. Dr. H. vom 30.11.2010 hat dieser im Einzelnen dargelegt, weshalb bereits die auf das Kernspintomogramm vom 25.07.2001 gestützte Diagnose einer SLAP-Läsion unzutreffend sei. Es handele sich im Gutachten des Dr. C. K. um einen neuen Deutungsversuch eines bereits abgehandelten Befundes, der eigentlich mit dem LSG-Vergleich erledigt erschienen sei. Außerdem sei eine SLAP-Läsion in keiner Weise eine Verschlimmerung eines vorbestehenden Schadens, allenfalls könne sich diese in der Folge verschleißbedingter Veränderungen im Labrumbereich weiter ausdehnen. Soweit der Sachverständige eine frozen shoulder nach einer Revisionsoperation im Jahre 2003 festgestellt habe, so sei die entstandene Einsteifung nicht als Verschlimmerung einer Verletzungsfolge zu werten, sondern es handele sich eindeutig um eine Operationsfolge. Im OP-Bericht vom 02.04.2003 werde ausgeführt, dass die inserierende Bizepssehne eine Auffransung und Zweiteilung mit erheblicher degenerativer Aufsplissung gezeigt habe, woraus klar hervorgehe, dass die Bizepssehne nicht zusammen mit dem Labrum von der Unterlage abgelöst, sondern im Verlauf degenerativ verändert gewesen sei.
Mit Urteil vom 19.05.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung wird ausgeführt, die Beteiligten hätten in der Sitzung vom 28.03.2007 einen wirksamen Vergleichsvertrag geschlossen. Zur Ausführung dieses Vertrags bediene sich die Verwaltung des Instruments eines sog. Ausführungsbescheids, mit dem jedoch keine verbindliche Regelung hinsichtlich des Vergleichsgegenstandes getroffen, sondern die im Vergleich enthaltene Regelung ausgeführt werde. Daher könne der Ausführungsbescheid nicht mit Widerspruch und Anfechtungsklage angegriffen werden. Eine Aufhebung des Ausführungsbescheides gemäß § 48 SGB X durch die Beklagte sei ebenfalls nicht möglich gewesen, da es sich mangels eigenständiger Regelung nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X handele. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Zustimmung der Beklagten zur Abänderung des geschlossenen Vergleichsvertrags nach § 59 SGB X. Voraussetzung hierfür sei, dass eine Veränderung der Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen seien, vorliege und diese Veränderung derart wesentlich sei, dass einer Vertragspartei das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten sei. Unter "Verhältnisse" seien die für den Vertragsschluss und den Vertragsinhalt maßgeblichen Geschäftsgrundlagen zu verstehen. Sie umfassten die dem Vertrag zugrunde liegenden gemeinsamen Vorstellungen beider Vertragsparteien und die einer Vertragspartei erkennbaren und von ihr nicht beanstandeten Vorstellungen der anderen Vertragspartei, auf denen der gemeinsame Vertrag aufbaue. Dem hier geschlossenen Vergleichsvertrag habe eine Beilegung des Streits über die aufgrund des Arbeitsunfalls des Klägers am 10.07.2001 verbliebenen Unfallfolgen zugrunde gelegen. Hierbei seien zwischen den Beteiligten insbesondere die Frage der Unfallfolgen im Bereich der linken Schulter sowie die Anerkennung psychischer Gesundheitsstörungen als Unfallfolgen streitbefangen gewesen. Die Beteiligten hätten vor Abschluss des Vergleichsvertrags Kenntnis von den Gutachten der Dres. L., K., L. und Sch. gehabt. Diese Gutachten hätten sich nicht unerheblich in der Beurteilung der Unfallfolgen unterschieden. Des Weiteren sei der Beklagten klar gewesen, dass sie es beim Kläger mit einer schwierigen Persönlichkeit zu tun habe, den Dr. K. als "querulatorischen Patient" bzw. Dr. L. als "Schulterneurotiker" bezeichnet habe. Vor diesem Hintergrund sei es der Beklagten beim Vergleichsabschluss auch um eine abschließende Regelung gegangen. Eine Änderung in den Verhältnissen im Sinne des § 59 SGB X liege nicht vor. Die Sachverständigen Dres. K. beschrieben keinen neuen Befund, der erst nach dem Abschluss des Vergleichsvertrags bekannt geworden sei. Vielmehr berufe sich Dr. C. K. auf einen Operationsbericht aus dem Jahr 2003, um seine - von den Vorgutachtern abweichende - gutachterliche Einschätzung zu begründen. Im Hinblick auf mögliche Unfallfolgen auf psychischem oder internistischem Fachgebiet liege nach den Ausführungen des Dr. R. K. ebenfalls keine Änderung in den Verhältnissen vor, da dieser keine neuen relevanten Befunde wiedergebe. Vielmehr gehe er davon aus, dass auf diesen Fachgebieten keine Unfallfolgen vorlägen.
Gegen das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 26.07.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22.08.2011 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung wird geltend gemacht, dass bei Abschluss des Vergleiches zwar bekannt gewesen sei, dass es unfallbedingt zu einer Verletzung der Schulter gekommen sei. Im Ergebnis habe damals jedoch nicht festgestanden, dass hiermit ein Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente begründet werde. Ob der nunmehr festgestellte gesundheitliche Zustand tatsächlich eine Verschlimmerung sei oder ob die nunmehr festgestellten Unfallfolgen zum damaligen Zeitpunkt schlichtweg nicht erkannt worden seien, sei unerheblich. Es komme allein darauf an, dass eine Kausalität zwischen dem jetzigen gesundheitlichen Zustand und dem damaligen Arbeitsunfall hergestellt werden könne.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 19. Mai 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der folgenden Abänderung des Vergleichs vom 28. März 2007 zuzustimmen:
Als Folge des als Arbeitsunfall vom 10. Juli 2001 anerkannten Ereignisses wird dem Kläger wegen einer posttraumatischen hochgradigen Bewegungseinschränkung der linken Schulter bei bursaseitiger Partialruptur der Sehne des Musculus supraspinatus, SLAP-Läsion und Knorpelschädigung eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. ab 1. Juli 2003 gewährt, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklage beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat zur Begründung auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils des SG Bezug genommen.
Der Berichterstatter hat den Sachverhalt mit den Beteiligten am 06.12.2012 erörtert.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die vorgelegten Behördenakten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgemäß eingelegte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat zu Recht die als Leistungsklage i. S. des § 54 Abs. 5 SGG zulässige Klage (vgl. Becker in Hauck/Noftz, SGB X, § 59 Rdnr. 81) abgewiesen. Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Anpassung des zwischen ihm und der Beklagten am 28.03.2007 zustande gekommenen Vergleichsvertrages.
In rechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das SG dargelegt, dass und weshalb vorliegend als Rechtsgrundlage des klägerischen Begehrens ausschließlich § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB X, nicht aber § 48 SGB X zu prüfen ist (vgl. auch Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 09.06.2011 - L 10 R 3494/08 - zit. nach juris). Denn dem Schreiben der Beklagten vom 30.04.2007 kommt lediglich deklaratorische Bedeutung zu. Eine vom Vergleichsvertrag abweichende oder darüber hinausgehende Regelung enthält das Schreiben nicht. Mithin handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt i. S. des § 31 SGB X, der Gegenstand eines Verschlimmerungsverfahrens nach § 48 SGB X sein könnte (BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 V 82/02 B - zit. n. juris; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 27; Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Auflage, § 31 Rdnr. 30).
Haben sich die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen sind, seit Abschluss des Vertrages so wesentlich geändert, dass einer Vertragspartei das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist, so kann diese Vertragspartei nach § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB X eine Anpassung des Vertragsinhalts an die geänderten Verhältnisse verlangen oder, sofern eine Anpassung nicht möglich oder einer Vertragspartei nicht zuzumuten ist, den Vertrag kündigen.
Mit § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB X hat der Gesetzgeber die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens am 01.01.1981 bereits geltende, wortgleiche Bestimmung des § 60 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) auch für den Anwendungsbereich des SGB X übernommen und hierdurch den auch im öffentlichen Recht geltenden allgemeinen Grundsatz "pacta sunt servanda" (vgl. hierzu BVerwGE 50, 137) unter den Vorbehalt gleich bleibender Verhältnisse ("clausula rebus sic stantibus") gestellt. Diese Konkretisierung des Grundsatzes von Treu und Glauben (zur Anwendung auch im öffentlichen Recht BVerwGE 1, 254) trägt dem Umstand Rechnung, dass bei längerfristigen Vertragsbeziehungen im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen zwischen den Beteiligten im Laufe der Zeit Änderungen auftreten können, denen die Vertragsverhältnisse angepasst werden müssen. Vergleichbar hiermit ist das im bürgerlichen Recht entwickelte Rechtsinstitut vom Wegfall der Geschäftsgrundlage, das im Rahmen des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vom 26.11.2001 (BGBl. I S. 3138) in den §§ 313, 314 Bürgerliches Gesetzbuch kodifiziert worden ist.
Die Voraussetzungen für eine Vertragsanpassung sind vorliegend jedoch nicht gegeben.
Zwar haben die Beteiligten vorliegend einen öffentlich-rechtlichen Vertrag geschlossen, als sie im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bayerischen Landessozialgericht am 28.03.2007 dem vorgeschlagenen Vergleich zugestimmt haben. Denn nach § 54 Abs. 1 SGB X kann ein öffentlich-rechtlicher Vertrag im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 2 SGB X, durch den eine bei verständiger Würdigung des Sachverhalts oder der Rechtslage bestehende Ungewissheit durch gegenseitiges Nachgeben beseitigt wird (Vergleich), geschlossen werden, wenn die Behörde den Abschluss des Vergleichs zur Beseitigung der Ungewissheit nach pflichtgemäßem Ermessen für zweckmäßig hält (Vergleichsvertrag). Da § 59 SGB X auf alle öffentlich-rechtlichen Verträge Anwendung findet, gilt er grundsätzlich auch für Vergleichsverträge i. S. des § 54 Abs. 1 SGB X (Becker in Hauck/Noftz, SGB X, Stand Juni 2012, § 59 Rdnrn. 16, 126). Zu Recht hat das SG auch darauf hingewiesen, dass weder die Wirksamkeit des geschlossenen Vergleichsvertrages Zweifeln unterliegt, insbesondere keine Nichtigkeitsgründe nach § 58 SGB X vorliegen, noch von Seiten der Beteiligten der Vertrag angefochten worden ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat daher auf die zutreffenden Ausführungen des SG insoweit Bezug und sieht von einer nochmaligen Darstellung der Entscheidungsgründe nach § 153 Abs. 2 SGG ab.
Der Kläger kann aber schon deshalb keine Anpassung an den Vergleichsvertrag verlangen, da eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen sind, nicht eingetreten ist.
Die "Verhältnisse", die sich nach Vertragsschluss geändert haben müssen, können sowohl tatsächliche Umstände, wie z. B. den Stand der Medizin oder das Absinken der Anzahl der einschlägigen Behandlungen (BSG SozR 3-2200 § 559 Nr. 1), aber auch rechtliche Verhältnisse betreffen (Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Auflage, § 59 Rdnr. 7). Eine Änderung kann sich aus dem Vorhandensein neuer Umstände ebenso wie aus dem Wegfall oder der Änderung bestehender Verhältnisse ergeben. Stets muss es sich jedoch um solche tatsächlichen Umstände oder rechtliche Bedingungen handeln, die die Vertragspartner zwar nicht zum Vertragsinhalt gemacht haben, deren Bestand sie jedoch als gemeinsame Grundlage des Vertrags angenommen haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.07.2012 - 8 C 4/11 - zit. n. juris, zu § 60 Abs. 1 Satz 1 VwVfG).
Vorliegend ergeben sich die für den Vergleichsvertrag vom 28.03.2007 maßgeblichen tatsächlichen Umstände aus den zu diesem Zeitpunkt aktenkundigen medizinischen Erkenntnissen. Diese wurden zwar selbst nicht Vertragsinhalt, waren jedoch ursächlich für die den Vertragsschluss bedingende Ungewissheit i. S. des § 54 Abs. 1 SGB X und das gegenseitige Nachgeben der Beteiligten. Insoweit haben sich die Verhältnisse indes in der Zwischenzeit nicht geändert. Die damaligen Erkenntnisse haben nach wie vor Gültigkeit und werden durch die denselben Sachverhalt betreffenden, nach § 109 SGG bei den Dres. C. und R. K. eingeholten Gutachten nicht aufgehoben. Auch dies hat das SG bereits in dem angefochtenen Urteil zutreffend dargestellt und im Einzelnen begründet (S. 16 ff. UA). Der Senat schließt sich dem nach nochmaliger Überprüfung vollinhaltlich an und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
Im Hinblick auf das klägerische Berufungsvorbringen weist der Senat ergänzend darauf hin, dass die Bewegungseinschränkung der linken Schulter kein neuer, erst nach dem Vertragsschluss erstmals bekannt gewordener Befund ist, sondern nach dem Geschehen am 10.07.2001 stets Gegenstand der ärztlichen Untersuchungen gewesen ist. Die gemeinsame Grundlage des Vergleichsvertrages war gerade der – u. a. durch widersprüchliche Auswertungen von zahlreichen Kernspintomographien ausgelöste - Streit über die Frage, ob die Schulterbeschwerden durch degenerative Veränderungen oder durch das Unfallereignis verursacht worden sind. Sein Anpassungsbegehren stützt der Kläger auch nicht etwa auf eine Änderung der diagnostischen Technik oder neue medizinische Standards (vgl. Becker in: Hauck/Noftz, SGB X, § 59 Rdnr. 42), mit denen nunmehr der Sachverhalt grundsätzlich anders als bei Vertragsschluss zu beurteilen wäre. Entsprechende Umstände können auch nicht den auf Antrag des Klägers eingeholten Gutachten entnommen werden. Diese erschöpfen sich vielmehr darin, worauf Prof. Dr. H. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 30.11.2010 zu Recht hingewiesen hat, unter Auswertung bereits seit langem bekannter bildgebender Dokumente den Unfallzusammenhang zu Gunsten des Klägers zu deuten. Dabei sind nicht neue Verfahrenstechniken oder ein geänderter wissenschaftlicher Erkenntnisstand maßgeblich, sondern es werden die anlässlich der arthroskopischen Behandlungen im Krankenhaus M.-B. in den Jahren 2002 und 2003 gefertigten Operationsberichte zugrunde gelegt. Diese hatte aber bereits der Sachverständige Dr. L. in seinem Gutachten vom 26.09.2003 ausdrücklich erwähnt und waren somit bereits Gegenstand des Verfahrens. Wie Prof. Dr. H. überzeugend ausgeführt hat, wurde mit diesen Operationen an der linken Schulter des Klägers eine neue Kausalkette in Gang gesetzt und lassen sich die danach eingetretenen Schulterbeschwerden nicht mehr auf das ein Jahr vor der ersten Operation liegende Ereignis vom 10.07.2001 mit Wahrscheinlichkeit stützen. Auch diese Gesichtspunkte waren schon bei Vertragsschluss am 23.08.2007 bekannt und bildeten daher die Grundlage für den Vergleichsschluss. Mithin fehlt es an jeglichen neuen Gegebenheiten, die eine Vertragsanpassung erforderlich machen würden. Der Kläger hat in Kenntnis der damaligen Umstände, die sich bis heute nicht grundlegend geändert haben, dem Vergleich zugestimmt und muss sich somit daran festhalten lassen, dass Unfallfolge lediglich eine Kontusion der linken Schulter gewesen ist, die spätestens nach drei Monaten mit Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit ausgeheilt war.
Da erst bei Bejahung einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse geprüft werden kann, ob die Folgen der nachträglichen Änderung den Risikorahmen überschreiten, den ein Vertragspartner nach Treu und Glauben hinzunehmen hat, kann diese Frage vorliegend letztlich offen bleiben. Der Senat sieht sich gleichwohl veranlasst, darauf hinzuweisen, dass der dem Bayerischen Landessozialgericht zur Beurteilung gestandene Sachverhalt durchaus auch eine Entscheidung zu Lasten des Klägers gerechtfertigt hätte und die für den Kläger positiven Aspekte des Vergleichsvertrages in keiner Weise erkennen lassen, dass ihm ein Festhalten hieran nicht zumutbar sein könnte. Denn es ist nicht zu verkennen, dass der Kläger im Laufe des Verfahrens ganz erheblich seinen Vortrag zum Unfallgeschehen dem jeweiligen Gutachtensergebnis angepasst hat. Auf der Basis der zeitnächsten Angaben des Klägers war nach übereinstimmender Auffassung von Prof. Dr. H. und Dr. L. aber schon ein Arbeitsunfall abzulehnen. Im Falle einer streitigen Entscheidung hätte das Bayerische Landessozialgericht die Glaubhaftigkeit der späteren Angaben des Klägers untersuchen und hinterfragen müssen, wie sich der bei den Untersuchungen durch Prof. Dr. L. und Dr. Sch. gänzlich anders geschilderte Geschehensablauf mit der Verpflichtung des Klägers in Einklang bringen lässt, wahrheitsgemäße Angaben zu machen.
Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge des § 193 SGG zurückzuweisen.
Da Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen, war dem Hilfsantrag des Klägers nicht stattzugeben.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Zustimmung der Beklagten zur Abänderung eines am 28.03.2007 beim Bayerischen Landessozialgericht geschlossenen Vergleichsvertrages.
Der 1951 in M.-V. geborene Kläger verzog im Jahre 1990 zunächst an den B. und anschließend 1991 nach M., wo er anfänglich als Universalhärter und ab 1997 als Haustechniker in einem Wohnstift bis zur Berentung im Jahr 2008 beschäftigt war.
Mit Durchgangsarztbericht vom 10.07.2001 zeigte der Chirurg Dr. B. bei der Beklagten einen Unfall des Klägers vom selben Tage an. Beim Entleeren einer Mülltonne habe der Kläger beim Hochheben der Tonne nochmals nachfassen müssen und sich dadurch die linke Schulter verletzt. Die durchgeführte röntgenologische Untersuchung der linken Schulter zeigte keine knöcherne Verletzung, jedoch eine deutliche AC-Gelenksarthrose sowie eine beginnende Omarthrose. Dr. B. diagnostizierte eine Distorsion der linken Schulter. Prof. Dr. M. erkannte nach magnetresonanztomographischer Untersuchung vom 25.07.2001 eine AC-Arthrose mit Zeichen der Aktivierung, differentialdiagnostisch bone bruise im Bereich des AC-Gelenkes mit kleiner Infraktion und sekundärem Impingement der Supraspinatussehne, ein Bone bruise im Bereich der Capitas glenoidalis und dem Glenoid ohne eindeutigen Nachweis einer Infraktionslinie, eine diskrete Einblutung in das inferiore anteriore Labrum posttraumatisch, differentialdiagnostisch im Rahmen eines degenerativen Geschehens, eine in der Kontinuität intakte, degenerativ veränderte Supraspinatussehne mit zentraler Signalalteration, z. B. kleiner intratendinöser Einriß, leichte begleitende Bursitis subacromialis und subdeltoidea, osteophytäre Anbauten im Bereich des Tuberculum majus mit umschriebenem bone bruise sowie eine diskrete Tendinitis der Bizepssehne und eine leichte Einblutung im Bereich des Ansatzes am superioren anterioren Labrum (Befundbericht vom 25.07.2001).
Auf Nachfrage gab der Kläger am 27.08.2001 zum Unfallgeschehen an, er müsse beim Entleeren einer Mülltonne diese in einer Höhe von ca. 1,55 Meter, teilweise über seinem Kopf, umsetzen. Da er nur 1,65 Meter groß sei, müsse er hierbei immer nachfassen. Dabei habe er sich verletzt. Die Tonne sei allerdings weder weggerutscht noch umgekippt und er habe sie auch nicht fallengelassen. Er habe sie vielmehr so angehoben, wie er es beabsichtigt habe. Nachdem er die Tonne ausgeschüttet habe, habe er sie festgehalten, da sie sonst in den Presseschacht gefallen wäre. Nach der Leerung habe er die Tonne vom Presseschacht zurückgezogen. Die Tonne sei ihm nicht entglitten, er habe sie noch halten und wegtragen können.
Wie sich aus dem von der Beklagten beigezogenen Vorerkrankungsverzeichnis ergibt, war der Kläger vom 14.05. bis 19.05.1998 wegen einer Distorsion des linken Schultergelenks sowie einer Zerrung der paravertebralen Muskeln arbeitsunfähig. Bei einem früheren Arbeitsunfall im Jahr 2000 verletzte sich der Kläger die rechte Schulter.
Zur Klärung der Zusammenhangsfrage beauftragte die Beklagte Prof. Dr. H., Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik (BGU) M., mit der Erstellung des chirurgischen Gutachtens vom 04.02.2002. Im Rahmen der hierzu durchgeführten ambulanten klinischen und radiologischen Untersuchung trug der Kläger zum Unfallereignis vor, er habe eine 70 bis 80 kg schwere Mülltonne zu einer Presse bewegt. Diese besitze einen Rand mit einer Höhe von etwa 150 cm. Er habe die Mülltonne hinaufgehoben, um sie in den Schacht auszuleeren. Dabei habe er ein "Ratschen" in der linken Schulter verspürt. Er habe die Tonne nicht fallen lassen wollen und nachgefasst (Bl. 104 VA). Prof. Dr. H. kam zu dem Ergebnis, der geschilderte Vorgang stelle kein Unfallereignis im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung dar. Beim Kläger hätten zum Unfallzeitpunkt Arthrosezeichen an der linken Schulter bestanden. Die Verschleißerscheinungen seien radiologisch nachgewiesen. Aus der Beschreibung des Unfallereignisses resultiere, dass es sich hier um ein Missverhältnis zwischen Belastung und Belastbarkeit bei einer vorgeschädigten Schulter handele. Der Schmerz sei beim Heben eines schweren Gegenstandes entstanden. Die Plötzlichkeit, die für ein Unfallereignis Voraussetzung sei, fehle hier. Das Nachgreifen habe erst nach dem Schmerz stattgefunden, woraus sich ergebe, dass auch hier eine Kraftänderung nicht als verantwortlich bezeichnet werden könne. Die Beschwerden an der Halswirbelsäule (HWS) seien erst im weiteren Verlauf durch die neurologische Untersuchung festgestellt worden. Die Kernspintomographie der HWS beschreibe Verschleißerscheinungen mit Bandscheibenvorfällen, die nicht unfallbedingt seien, so dass auch hier ein Zusammenhang zum Unfall nicht gesehen werde, was auch daraus folge, dass die Beschwerden erst erheblich verzögert angegeben worden seien.
Hierauf gestützt lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 08.05.2002 die Anerkennung des Ereignisses vom 10.07.2001 als Arbeitsunfall ab.
Am 10.07.2002 wurde der Kläger im Krankenhaus M.-B. an der linken Schulter operiert (subacromiale arthroskopische Dekompression und laterale Clavicularresektion). Anlässlich der am 01.04.2003 ebenfalls im Krankenhaus M.-B. durchgeführten weiteren Arthroskopie der linken Schulter wurde eine Teilsynovectomie (Teil-Abtragung der erkrankten Gelenkinnenhaut), ein Labrum-Débridement, eine L. Bizepssehnenresektion, eine offene Revision der lateralen Clavicula unter Nachresektion von Narbengewebe sowie Lösen von Verwachsungen durchgeführt (vgl. unfallchirurgisches Gutachten Dr. L., Bl. 228 VA).
Den gegen den Bescheid vom 08.05.2002 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22.08.2002 zurück. Im anschließenden Klageverfahren (S 9 U 663/02) holte das Sozialgericht M. das chirurgische Gutachten des Dr. L., Städtisches Krankenhaus M.-H., vom 26.09.2003 mit ergänzenden Stellungnahmen vom 02.12.2003, 22.12.2003 und 09.02.2004 ein. Anlässlich der gutachterlichen Untersuchung schilderte der Kläger das Unfallgeschehen dahingehend, er habe beim Entleeren der Mülltonne in eine Müllpresse des Hauses als Linkshänder die Mülltonne mit der linken Hand an den Rand der Müllpresse schieben müssen. Die auf den Rand aufgesetzte Tonne sei jedoch in Richtung seines Kopfes zurückgerutscht und auf die retroflektierte linke Hand bei gestrecktem Ellenbogengelenk und Überkopfhaltung des linken Armes gefallen. Er habe einen entsetzlichen Stich in der linken Schulter verspürt. Dr. L. stimmte im Ergebnis der Einschätzung von Prof. Dr. H. zu, wonach auf der Grundlage der vom Kläger ursprünglich gemachten Angaben kein Unfallereignis vorliege. Der anlässlich seiner eigenen Untersuchung vom Kläger geschilderte Unfallhergang rechtfertige unter Berücksichtigung der kernspintomographischen Eckdaten der linken Schulter vom 25.07.2001 die Annahme einer schweren Kontusion der linken Schultergelenkpfanne mit Arbeitsunfähigkeit von drei Monaten. Der bei Prof. Dr. H. geschilderte Unfallmechanismus könne dagegen schlichtweg nicht zu der kernspintomographisch nachgewiesenen Einblutung im Glenoid geführt haben. An dem Vorliegen einer ausgeprägten degenerativen Rotatorenmanschetten-Arthropathie des linken Schultergelenkes zum Zeitpunkt des Unfalls bestehe kein Zweifel. Alle ab drei Monate nach dem Unfallereignis erfolgten diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen hätten sich den anlagebedingt degenerativen Veränderungen gewidmet. Ab Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit ab 11.10.2001 könne die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mit unter 10 vom Hundert (v. H.) in Ansatz gebracht werden. Im Termin zur mündlichen Verhandlung nahm der Kläger am 17.06.2004 daraufhin seine Klage zurück.
Bereits am 29.07.2004 stellte er im Hinblick auf eine Nervenschädigung im Schulterbereich einen Überprüfungsantrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Gegen den ablehnenden Bescheid vom 27.10.2004 legte er unter Vorlage zweier Bescheide der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) vom 11.12.1998 und 12.05.2000, eines Berichts des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in B. vom 02.08.2001 sowie der Befundberichte des Dr. K. vom 28.01.2005 (posttraumatische frozen shoulder links, Diskusprolaps HWK 6/7 mit sensibler Parese) und des Dr. Z. vom 23.02.2005 (BS-Protrusionen C4-6, Spinalkanalstenose C5-7, Osteochondrose C5-7, Spondylarthrose LWS, BS-Protrusionen L1-3, Hämangiomwirbel LWK 4, Gonarthrose bds. I.-II. Grades, Z. n. lateraler Clavicularesektion links, Rotatorenmanschettendegeneration links) Widerspruch ein, der durch Widerspruchsbescheid vom 11.05.2005 zurückgewiesen wurde. Im anschließenden Klageverfahren (S 24 U 369/05) wurden weitere Befundberichte beigezogen und sodann auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Prof. Dr. L. mit der Erstattung des fachorthopädischen Gutachtens vom 23.01.2006 beauftragt. Bei der durchgeführten ambulanten Untersuchung gab der Kläger an, er habe die Mülltonne in einen Müllschacht einschieben wollen und dabei den linken Arm über der Horizontalen gehalten. Die Mülltonne sei zurückgefallen, direkt in seinen gestreckten linken Arm. Er habe sich durch diesen Griff vor der zurückfallenden Tonne schützen wollen. Er habe einen Stich in der linken Schulter bemerkt und die Tonne mit hochgehobenem linken Arm in den Schacht hineingeschoben, dann die Tonne selbsttätig ausgeschüttet und sodann wieder aus dem Schacht herausgezogen. Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass ein Zusammenhang zwischen den geklagten Beschwerden im Bereich der HWS und dem Ereignis vom 10.07.2001 nicht herzustellen sei, da es an jeglicher Brückensymptomatik zwischen dem Ereignis und den aufgetretenen HWS-Beschwerden fehle, das Unfallereignis nicht geeignet sei, eine Verletzung im Bereich der HWS hervorzurufen und sich aus dem Durchgangsarztbericht vom 10.07.2001 kein Hinweis auf eine HWS-Verletzung ergebe. Die im Bereich der linken Schulter geklagten Beschwerden sowie die Bewegungsbehinderung des linken Armes im Schultergelenk in sämtlichen Ebenen seien zwar durch die klinische und röntgenologische Untersuchung verifiziert. Es bestehe jedoch kein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Ereignis vom 10.07.2001 und den jetzt feststellbaren Veränderungen am linken Schultergelenk. Hiergegen spreche der geschilderte Unfallmechanismus, aber auch die Doppelseitigkeit der degenerativen Veränderungen. Denn beide Schultergelenke zeigten ein Impingement und umformende Veränderungen. Außerdem habe bei dem Kläger an der linken Schulter vor dem Ereignis vom 10.07.2001 ein Vorschaden bestanden. Als Folge des Ereignisses vom 10.07.2001 könne eine kleine Infraktion und ein Bone Bruise im Bereich des Schultereckgelenkes, eine diskrete Einblutung sowie ein kleiner intratendinöser Einriss in der Supraspinatussehne erkannt werden, wobei es sich hierbei um Veränderungen handele, die innerhalb einer Drei-Monats-Frist selbsttätig wieder ausheilten. Ein eigentlicher Arbeitsunfall habe aber nicht vorgelegen. Es fehle das zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignis, welches zu einem Gesundheitsschaden führe.
Des Weiteren wurde auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG das nervenärztliche Fachgutachten des Dr. Sch. vom 11.03.2006 eingeholt. Anlässlich seiner Untersuchung gab der Kläger an, er habe versucht, die Mülltonne samt Inhalt hochzuheben, um Müll in die Tonne zu kippen. Dabei sei die Tonne mit dem gesamten Inhalt zurückgefedert. Er habe versucht, die Tonne mit der linken Hand nach oben zu drücken. Dabei sei die Tonne erneut zurückgefedert und auf den linken gestreckten Arm geschlagen. Er habe dann plötzlich einen Schmerz in der linken Schulter verspürt. Vom Durchgangsarzt sei die Diagnose eines Kapselrisses gestellt worden. Der Neurologe und Psychiater Dr. Sch. kam zu dem Ergebnis, dass der Kläger bei dem Unfall mit hoher Wahrscheinlichkeit eine HWS-Distorsion erlitten habe, denn es sei durchaus vorstellbar, dass durch die zurückfedernde, relativ schwere Tonne unter Zugrundelegung der Arbeitshaltung sich ein Teil der Energie über den Hebel Unterarm-Schulter-HWS in die HWS fortgepflanzt und dort zu einer Distorsion der Muskel und Bänder der HWS geführt habe. Eine darüber hinaus gehende Schädigung sei aufgrund des Befundes unwahrscheinlich. Nach dem Unfall sei es bei dem Kläger zu einer psychosomatischen Symptomenbildung gekommen, die mit der Annahme einer depressiven Entwicklung nach einem Unfall am ehesten im Sinne einer Anpassungsstörung erklärt werden könne. Der Kläger sei zuvor nie in psychiatrischer Weise auffällig gewesen, das Leistungsverzeichnis und die testpsychologischen Untersuchungen wiesen auf eine stabile Grundpersönlichkeit hin.
Im beigezogenen Rentengutachten der BfA vom 29.04.1999 wies der Nervenarzt Dr. R. zum psychischen Befund darauf hin, dass der Kläger zunächst sehr distanziert gewesen sei mit auffällig überheblicher Attitüde und sich betont unabhängig gezeigt habe. Auffällig sei auch die Ablehnung des Gießen-Tests gewesen. Im außerdem aktenkundigen BfA-Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. H. vom 07.07.2005 teilte dieser mit, dass der Rapport außerordentlich schwierig gewesen sei, der Kläger eine deutlich aggressive Ausstrahlung gezeigt habe und sich seiner Ansprüche und seiner Begründung völlig gewiss gewesen sei, er sei in den Einstellungen rigide und fühle sich leicht angegriffen. Bei der Untersuchung habe eine Aggravationstendenz bestanden und die Stimmungslage sei nicht depressiv ausgelenkt gewesen. Aus neurologisch-psychiatrischer Sicht bestehe mit aller Wahrscheinlichkeit durchaus eine Schmerzsymptomatik, die glaubhaft und begründbar sei. Das Ausmaß der Schmerzklagen und der Beeinträchtigung sei jedoch deutlich akzentuiert (Bl. 415 VA).
Mit Urteil vom 07.09.2006 wies das Sozialgericht München die Klage gestützt auf das Gutachten von Prof. Dr. H. ab.
Hiergegen legte der Kläger Berufung beim Bayerischen Landessozialgericht ein (L 2 U 346/06). Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 28.03.2007 wies die Vorsitzende darauf hin, dass nach dem gegenwärtigen Gutachtensstand lediglich eine Kontusion Unfallfolge sei, die allerdings innerhalb von drei Monaten folgenlos ausgeheilt sei und keine MdE zurückgelassen habe. Das Gutachten des Dr. Sch. sei nicht ausreichend, um einen ursächlichen - nicht nur zeitlichen - Zusammenhang zwischen der Unfallverletzung und den psychischen Symptomen zu begründen. Hierauf schlossen die Beteiligten den folgenden Vergleich:
"I. Die Beklagte verpflichtet sich, unter Abänderung des Bescheides vom 08.05.2002 das Ereignis vom 10.07.2001 als Arbeitsunfall mit Kontusion der linken Schulter anzuerkennen; unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit bestand längstens für drei Monate; eine rentenberechtigende MdE über die 26. Woche hinaus ist nicht verblieben.
II. Außergerichtliche Kosten des Klägers sind nicht zu erstatten, da er mit seinem Begehren, Verletztenrente zu erhalten, nicht durchdringen konnte.
III. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass mit Abschluss dieses Vergleichs der Rechtsstreit über das Urteil des Sozialgerichts München vom 07.09.2006 in vollem Umfang erledigt ist."
Mit Ausführungsbescheid vom 30.04.2007 nahm die Beklagte in Ausführung des am 28.03.2007 geschlossenen Vergleichs den Bescheid vom 08.05.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.08.2002 zurück und anerkannte das Ereignis vom 10.07.2001 als Arbeitsunfall. Ein Anspruch auf Rente bestehe nicht, da keine rentenberechtigende MdE über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus verblieben sei. Als Folge seines Arbeitsunfalles werde anerkannt: Ausheilungszustand nach Kontusion der linken Schulter. Deshalb bestehe Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit für längstens drei Monate nach dem Unfall.
Am 02.01.2008 machte der Kläger unter nochmaliger Beifügung des Berichtes des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in B. vom 02.08.2001 bei der Beklagten eine deutliche Verschlimmerung der gesundheitlichen Beschwerden der unfallverletzten Schulter sowie seines psychischen Zustandes bei anhaltender somatoformer Schmerzstörung geltend.
Mit Bescheid vom 08.07.2008 lehnte die Beklagte den Antrag unter Hinweis auf den am 28.03.2007 geschlossenen Vergleich ab. Da die Schulterverletzung folgenlos ausgeheilt sei, sei auch keine Verschlimmerung möglich. Weitere Unfallfolgen, insbesondere psychische Beschwerden, seien nicht anerkannt worden.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, dass von Seiten der Beklagten keinerlei Befundberichte der behandelnden Ärzte beigezogen worden seien. Mit Widerspruchsbescheid vom 26.11.2008 wies die Beklagte den Widerspruch unter Hinweis auf den geschlossenen Vergleich und das Ergebnis der diesem zugrundeliegenden Ermittlungen zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 12.01.2009 beim Sozialgericht Mannheim (SG) Klage erhoben und das Schreiben des Internisten Dr. St. vom 14.05.2009 (obstruktives Schlafapnoesyndrom), des Dr. K. vom 26.03.2009 (die aktuelle Depression und die somatoformen chronischen Schmerzen seien auf den Arbeitsunfall zurückzuführen), des Urologen Dr. T. vom 25.05.2009 (Versagen genitaler Reaktionen, nicht verursacht durch eine organische Störung oder Krankheit, sowie weitere Diagnosen) vorgelegt. Zur Begründung hat er ergänzend vorgetragen, es werde eine allgemeine Leistungsklage auf Zustimmung zur Abänderung des vor dem Bayerischen Landessozialgericht geschlossenen Vergleichs im Sinne des § 59 SGB X erhoben.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen schriftlich vernommen und den Kläger orthopädisch und internistisch begutachten lassen.
Dr. K. hat unter dem 03.12.2009 angegeben, den Kläger seit 18.11.2004 zu behandeln. Er hat ein chronifiziertes Schmerzsyndrom bei Fibromyalgie, eine pathologische Primärpersönlichkeit, eine posttraumatische frozen shoulder links, einen chronischen Tinnitus beidseits und ein obstruktives Schlafapnoesyndrom diagnostiziert. Unter Berücksichtigung seiner pathologischen Primärpersönlichkeit sei es ausgelöst durch seinen Arbeitsunfall nicht nur zu einer schmerzhaft eingeschränkten Beweglichkeit im Bereich der HWS und des linkes Schultergelenkes, sondern auch zu einer depressiven Störung gekommen.
Dr. T. hat unter dem 08.12.2009 ausgeführt, aufgrund der chronischen Schmerzen und der erektilen Dysfunktion habe sich bei dem Kläger eine anhaltende Depression eingestellt. Die Schulterschmerzen seien eindeutig auf den Unfall vom 10.07.2001 zurückzuführen. Die weiteren Erkrankungen wie Diabetes, Hypertonie und Depression seien erst später aufgetreten. An der erektilen Dysfunktion leide der Kläger nach eigenen Angaben erst seit dem Unfall. Seit etwa 2006 spreche die medikamentöse Therapie nicht mehr an.
Dr. St. hat unter dem 14.12.2009 angegeben, seine Diagnosen schweres obstruktives Schlafapnoesyndrom, bronchiale Reizsymptomatik, anamnestisch Fibromyalgiesyndrom, multiple Medikamente zur Schmerztherapie, Diabetes mellitus seien nicht mit einer Extremitäten-Verletzung, auch nicht der Schulter, in ursächlichen Zusammenhang zu bringen.
Mit Schreiben vom 04.01.2010 hat das SG den Kläger darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen des § 59 SGB X im Falle der nunmehr geltend gemachten psychischen Beschwerden nicht erfüllt seien. Der Kläger habe sich in vollem Wissen um die Problematik der psychischen Beschwerden zum Abschluss eines Vergleichs entschlossen.
Auf den sodann gestellten Antrag des Klägers nach § 109 SGG hat das SG bei dem Facharzt für Orthopädie Dr. C. K. das Gutachten vom 05.10.2010 und bei dem Facharzt für Innere Medizin und Arbeitsmedizin Prof. Dr. Dr. R. M. K. das Gutachten vom 03.10.2010 eingeholt.
Dr. C. K. diagnostizierte in seinem orthopädischem Gutachten beim Kläger ein HWS-Syndrom bei Bandscheibenprolaps in Höhe HWK 5/6 und 6/7 mit Affektion der Nervenwurzel C6 und C7 links und relativer spinaler Enge, eine posttraumatische hochgradige Bewegungseinschränkung der linken Schulter bei bursaseitiger Partialruptur der Sehne des Musculus Supraspinatus, SLAP-Läsion und Knorpelschädigung, ein chronisches Lendenwirbelsäulen-Syndrom bei BS-Protrusionen LWK 1 bis LWK 3 und Spondylosis deformans mit beginnender foraminaler Enge LWK 4/5 links größer rechts und LWK5/SWK1 beidseits, eine beidseitige Hüftgelenks- und Kniegelenksarthrose und eine Knick-Senk-Spreizfußdeformität beidseits. Von den genannten Erkrankungen seien die hochgradige posttraumatische/postoperative Bewegungseinschränkung der linken Schulter bei bursaseitiger Partialruptur der Sehne des Musculus supraspinatus, die SLAP-Läsion und die Knorpelschädigung durch das Unfallereignis vom 10.07.2001 wesentlich verursacht. Hieraus ergebe sich eine MdE von 20 v. H. ab Beendigung der Akutphase nach der zweiten Schulteroperation vom 02.04.2003, d. h. ab 01.07.2003. Die wesentliche Abweichung von den vorangegangenen Gutachten basiere auf der Tatsache, dass die beiden Vorgutachter jeweils zwar die Schwere des Traumas richtig ausgelegt hätten, aber den Operationsbericht aus dem Krankenhaus B. und die Diagnose der Verletzung des Bizepssehnenankers als Ausdruck der intraartikulären Schädigung nicht berücksichtigt hätten.
Prof. Dr. Dr. R. M. K. hat in seinem internistischen Gutachten im Ergebnis festgestellt, dass auf internistischem Sektor keine Unfallfolgen bestünden. Eine unfallabhängige psychische Erkrankung liege ebenfalls nicht vor, da der Mechanismus nicht geeignet gewesen sei, eine psychische Traumatisierung hervorzurufen. Die im Gutachten des orthopädischen Sachverständigen anklingende und auch bei ihm festgestellte leichte Aggravationsneigung habe nicht den Charakter einer krankheitswürdigen psychischen Erkrankung. Die gesamte Schmerzproblematik sei in dem vom orthopädischen Gutachter angesetzten MdE-Wert impliziert.
In der von der Beklagten vorgelegten beratungsärztlichen Stellungnahme des Prof. Dr. H. vom 30.11.2010 hat dieser im Einzelnen dargelegt, weshalb bereits die auf das Kernspintomogramm vom 25.07.2001 gestützte Diagnose einer SLAP-Läsion unzutreffend sei. Es handele sich im Gutachten des Dr. C. K. um einen neuen Deutungsversuch eines bereits abgehandelten Befundes, der eigentlich mit dem LSG-Vergleich erledigt erschienen sei. Außerdem sei eine SLAP-Läsion in keiner Weise eine Verschlimmerung eines vorbestehenden Schadens, allenfalls könne sich diese in der Folge verschleißbedingter Veränderungen im Labrumbereich weiter ausdehnen. Soweit der Sachverständige eine frozen shoulder nach einer Revisionsoperation im Jahre 2003 festgestellt habe, so sei die entstandene Einsteifung nicht als Verschlimmerung einer Verletzungsfolge zu werten, sondern es handele sich eindeutig um eine Operationsfolge. Im OP-Bericht vom 02.04.2003 werde ausgeführt, dass die inserierende Bizepssehne eine Auffransung und Zweiteilung mit erheblicher degenerativer Aufsplissung gezeigt habe, woraus klar hervorgehe, dass die Bizepssehne nicht zusammen mit dem Labrum von der Unterlage abgelöst, sondern im Verlauf degenerativ verändert gewesen sei.
Mit Urteil vom 19.05.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung wird ausgeführt, die Beteiligten hätten in der Sitzung vom 28.03.2007 einen wirksamen Vergleichsvertrag geschlossen. Zur Ausführung dieses Vertrags bediene sich die Verwaltung des Instruments eines sog. Ausführungsbescheids, mit dem jedoch keine verbindliche Regelung hinsichtlich des Vergleichsgegenstandes getroffen, sondern die im Vergleich enthaltene Regelung ausgeführt werde. Daher könne der Ausführungsbescheid nicht mit Widerspruch und Anfechtungsklage angegriffen werden. Eine Aufhebung des Ausführungsbescheides gemäß § 48 SGB X durch die Beklagte sei ebenfalls nicht möglich gewesen, da es sich mangels eigenständiger Regelung nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X handele. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Zustimmung der Beklagten zur Abänderung des geschlossenen Vergleichsvertrags nach § 59 SGB X. Voraussetzung hierfür sei, dass eine Veränderung der Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen seien, vorliege und diese Veränderung derart wesentlich sei, dass einer Vertragspartei das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten sei. Unter "Verhältnisse" seien die für den Vertragsschluss und den Vertragsinhalt maßgeblichen Geschäftsgrundlagen zu verstehen. Sie umfassten die dem Vertrag zugrunde liegenden gemeinsamen Vorstellungen beider Vertragsparteien und die einer Vertragspartei erkennbaren und von ihr nicht beanstandeten Vorstellungen der anderen Vertragspartei, auf denen der gemeinsame Vertrag aufbaue. Dem hier geschlossenen Vergleichsvertrag habe eine Beilegung des Streits über die aufgrund des Arbeitsunfalls des Klägers am 10.07.2001 verbliebenen Unfallfolgen zugrunde gelegen. Hierbei seien zwischen den Beteiligten insbesondere die Frage der Unfallfolgen im Bereich der linken Schulter sowie die Anerkennung psychischer Gesundheitsstörungen als Unfallfolgen streitbefangen gewesen. Die Beteiligten hätten vor Abschluss des Vergleichsvertrags Kenntnis von den Gutachten der Dres. L., K., L. und Sch. gehabt. Diese Gutachten hätten sich nicht unerheblich in der Beurteilung der Unfallfolgen unterschieden. Des Weiteren sei der Beklagten klar gewesen, dass sie es beim Kläger mit einer schwierigen Persönlichkeit zu tun habe, den Dr. K. als "querulatorischen Patient" bzw. Dr. L. als "Schulterneurotiker" bezeichnet habe. Vor diesem Hintergrund sei es der Beklagten beim Vergleichsabschluss auch um eine abschließende Regelung gegangen. Eine Änderung in den Verhältnissen im Sinne des § 59 SGB X liege nicht vor. Die Sachverständigen Dres. K. beschrieben keinen neuen Befund, der erst nach dem Abschluss des Vergleichsvertrags bekannt geworden sei. Vielmehr berufe sich Dr. C. K. auf einen Operationsbericht aus dem Jahr 2003, um seine - von den Vorgutachtern abweichende - gutachterliche Einschätzung zu begründen. Im Hinblick auf mögliche Unfallfolgen auf psychischem oder internistischem Fachgebiet liege nach den Ausführungen des Dr. R. K. ebenfalls keine Änderung in den Verhältnissen vor, da dieser keine neuen relevanten Befunde wiedergebe. Vielmehr gehe er davon aus, dass auf diesen Fachgebieten keine Unfallfolgen vorlägen.
Gegen das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 26.07.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22.08.2011 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung wird geltend gemacht, dass bei Abschluss des Vergleiches zwar bekannt gewesen sei, dass es unfallbedingt zu einer Verletzung der Schulter gekommen sei. Im Ergebnis habe damals jedoch nicht festgestanden, dass hiermit ein Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente begründet werde. Ob der nunmehr festgestellte gesundheitliche Zustand tatsächlich eine Verschlimmerung sei oder ob die nunmehr festgestellten Unfallfolgen zum damaligen Zeitpunkt schlichtweg nicht erkannt worden seien, sei unerheblich. Es komme allein darauf an, dass eine Kausalität zwischen dem jetzigen gesundheitlichen Zustand und dem damaligen Arbeitsunfall hergestellt werden könne.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 19. Mai 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der folgenden Abänderung des Vergleichs vom 28. März 2007 zuzustimmen:
Als Folge des als Arbeitsunfall vom 10. Juli 2001 anerkannten Ereignisses wird dem Kläger wegen einer posttraumatischen hochgradigen Bewegungseinschränkung der linken Schulter bei bursaseitiger Partialruptur der Sehne des Musculus supraspinatus, SLAP-Läsion und Knorpelschädigung eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. ab 1. Juli 2003 gewährt, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklage beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat zur Begründung auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils des SG Bezug genommen.
Der Berichterstatter hat den Sachverhalt mit den Beteiligten am 06.12.2012 erörtert.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die vorgelegten Behördenakten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgemäß eingelegte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat zu Recht die als Leistungsklage i. S. des § 54 Abs. 5 SGG zulässige Klage (vgl. Becker in Hauck/Noftz, SGB X, § 59 Rdnr. 81) abgewiesen. Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Anpassung des zwischen ihm und der Beklagten am 28.03.2007 zustande gekommenen Vergleichsvertrages.
In rechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das SG dargelegt, dass und weshalb vorliegend als Rechtsgrundlage des klägerischen Begehrens ausschließlich § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB X, nicht aber § 48 SGB X zu prüfen ist (vgl. auch Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 09.06.2011 - L 10 R 3494/08 - zit. nach juris). Denn dem Schreiben der Beklagten vom 30.04.2007 kommt lediglich deklaratorische Bedeutung zu. Eine vom Vergleichsvertrag abweichende oder darüber hinausgehende Regelung enthält das Schreiben nicht. Mithin handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt i. S. des § 31 SGB X, der Gegenstand eines Verschlimmerungsverfahrens nach § 48 SGB X sein könnte (BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 V 82/02 B - zit. n. juris; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 27; Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Auflage, § 31 Rdnr. 30).
Haben sich die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen sind, seit Abschluss des Vertrages so wesentlich geändert, dass einer Vertragspartei das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist, so kann diese Vertragspartei nach § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB X eine Anpassung des Vertragsinhalts an die geänderten Verhältnisse verlangen oder, sofern eine Anpassung nicht möglich oder einer Vertragspartei nicht zuzumuten ist, den Vertrag kündigen.
Mit § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB X hat der Gesetzgeber die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens am 01.01.1981 bereits geltende, wortgleiche Bestimmung des § 60 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) auch für den Anwendungsbereich des SGB X übernommen und hierdurch den auch im öffentlichen Recht geltenden allgemeinen Grundsatz "pacta sunt servanda" (vgl. hierzu BVerwGE 50, 137) unter den Vorbehalt gleich bleibender Verhältnisse ("clausula rebus sic stantibus") gestellt. Diese Konkretisierung des Grundsatzes von Treu und Glauben (zur Anwendung auch im öffentlichen Recht BVerwGE 1, 254) trägt dem Umstand Rechnung, dass bei längerfristigen Vertragsbeziehungen im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen zwischen den Beteiligten im Laufe der Zeit Änderungen auftreten können, denen die Vertragsverhältnisse angepasst werden müssen. Vergleichbar hiermit ist das im bürgerlichen Recht entwickelte Rechtsinstitut vom Wegfall der Geschäftsgrundlage, das im Rahmen des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vom 26.11.2001 (BGBl. I S. 3138) in den §§ 313, 314 Bürgerliches Gesetzbuch kodifiziert worden ist.
Die Voraussetzungen für eine Vertragsanpassung sind vorliegend jedoch nicht gegeben.
Zwar haben die Beteiligten vorliegend einen öffentlich-rechtlichen Vertrag geschlossen, als sie im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bayerischen Landessozialgericht am 28.03.2007 dem vorgeschlagenen Vergleich zugestimmt haben. Denn nach § 54 Abs. 1 SGB X kann ein öffentlich-rechtlicher Vertrag im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 2 SGB X, durch den eine bei verständiger Würdigung des Sachverhalts oder der Rechtslage bestehende Ungewissheit durch gegenseitiges Nachgeben beseitigt wird (Vergleich), geschlossen werden, wenn die Behörde den Abschluss des Vergleichs zur Beseitigung der Ungewissheit nach pflichtgemäßem Ermessen für zweckmäßig hält (Vergleichsvertrag). Da § 59 SGB X auf alle öffentlich-rechtlichen Verträge Anwendung findet, gilt er grundsätzlich auch für Vergleichsverträge i. S. des § 54 Abs. 1 SGB X (Becker in Hauck/Noftz, SGB X, Stand Juni 2012, § 59 Rdnrn. 16, 126). Zu Recht hat das SG auch darauf hingewiesen, dass weder die Wirksamkeit des geschlossenen Vergleichsvertrages Zweifeln unterliegt, insbesondere keine Nichtigkeitsgründe nach § 58 SGB X vorliegen, noch von Seiten der Beteiligten der Vertrag angefochten worden ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat daher auf die zutreffenden Ausführungen des SG insoweit Bezug und sieht von einer nochmaligen Darstellung der Entscheidungsgründe nach § 153 Abs. 2 SGG ab.
Der Kläger kann aber schon deshalb keine Anpassung an den Vergleichsvertrag verlangen, da eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen sind, nicht eingetreten ist.
Die "Verhältnisse", die sich nach Vertragsschluss geändert haben müssen, können sowohl tatsächliche Umstände, wie z. B. den Stand der Medizin oder das Absinken der Anzahl der einschlägigen Behandlungen (BSG SozR 3-2200 § 559 Nr. 1), aber auch rechtliche Verhältnisse betreffen (Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Auflage, § 59 Rdnr. 7). Eine Änderung kann sich aus dem Vorhandensein neuer Umstände ebenso wie aus dem Wegfall oder der Änderung bestehender Verhältnisse ergeben. Stets muss es sich jedoch um solche tatsächlichen Umstände oder rechtliche Bedingungen handeln, die die Vertragspartner zwar nicht zum Vertragsinhalt gemacht haben, deren Bestand sie jedoch als gemeinsame Grundlage des Vertrags angenommen haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.07.2012 - 8 C 4/11 - zit. n. juris, zu § 60 Abs. 1 Satz 1 VwVfG).
Vorliegend ergeben sich die für den Vergleichsvertrag vom 28.03.2007 maßgeblichen tatsächlichen Umstände aus den zu diesem Zeitpunkt aktenkundigen medizinischen Erkenntnissen. Diese wurden zwar selbst nicht Vertragsinhalt, waren jedoch ursächlich für die den Vertragsschluss bedingende Ungewissheit i. S. des § 54 Abs. 1 SGB X und das gegenseitige Nachgeben der Beteiligten. Insoweit haben sich die Verhältnisse indes in der Zwischenzeit nicht geändert. Die damaligen Erkenntnisse haben nach wie vor Gültigkeit und werden durch die denselben Sachverhalt betreffenden, nach § 109 SGG bei den Dres. C. und R. K. eingeholten Gutachten nicht aufgehoben. Auch dies hat das SG bereits in dem angefochtenen Urteil zutreffend dargestellt und im Einzelnen begründet (S. 16 ff. UA). Der Senat schließt sich dem nach nochmaliger Überprüfung vollinhaltlich an und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
Im Hinblick auf das klägerische Berufungsvorbringen weist der Senat ergänzend darauf hin, dass die Bewegungseinschränkung der linken Schulter kein neuer, erst nach dem Vertragsschluss erstmals bekannt gewordener Befund ist, sondern nach dem Geschehen am 10.07.2001 stets Gegenstand der ärztlichen Untersuchungen gewesen ist. Die gemeinsame Grundlage des Vergleichsvertrages war gerade der – u. a. durch widersprüchliche Auswertungen von zahlreichen Kernspintomographien ausgelöste - Streit über die Frage, ob die Schulterbeschwerden durch degenerative Veränderungen oder durch das Unfallereignis verursacht worden sind. Sein Anpassungsbegehren stützt der Kläger auch nicht etwa auf eine Änderung der diagnostischen Technik oder neue medizinische Standards (vgl. Becker in: Hauck/Noftz, SGB X, § 59 Rdnr. 42), mit denen nunmehr der Sachverhalt grundsätzlich anders als bei Vertragsschluss zu beurteilen wäre. Entsprechende Umstände können auch nicht den auf Antrag des Klägers eingeholten Gutachten entnommen werden. Diese erschöpfen sich vielmehr darin, worauf Prof. Dr. H. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 30.11.2010 zu Recht hingewiesen hat, unter Auswertung bereits seit langem bekannter bildgebender Dokumente den Unfallzusammenhang zu Gunsten des Klägers zu deuten. Dabei sind nicht neue Verfahrenstechniken oder ein geänderter wissenschaftlicher Erkenntnisstand maßgeblich, sondern es werden die anlässlich der arthroskopischen Behandlungen im Krankenhaus M.-B. in den Jahren 2002 und 2003 gefertigten Operationsberichte zugrunde gelegt. Diese hatte aber bereits der Sachverständige Dr. L. in seinem Gutachten vom 26.09.2003 ausdrücklich erwähnt und waren somit bereits Gegenstand des Verfahrens. Wie Prof. Dr. H. überzeugend ausgeführt hat, wurde mit diesen Operationen an der linken Schulter des Klägers eine neue Kausalkette in Gang gesetzt und lassen sich die danach eingetretenen Schulterbeschwerden nicht mehr auf das ein Jahr vor der ersten Operation liegende Ereignis vom 10.07.2001 mit Wahrscheinlichkeit stützen. Auch diese Gesichtspunkte waren schon bei Vertragsschluss am 23.08.2007 bekannt und bildeten daher die Grundlage für den Vergleichsschluss. Mithin fehlt es an jeglichen neuen Gegebenheiten, die eine Vertragsanpassung erforderlich machen würden. Der Kläger hat in Kenntnis der damaligen Umstände, die sich bis heute nicht grundlegend geändert haben, dem Vergleich zugestimmt und muss sich somit daran festhalten lassen, dass Unfallfolge lediglich eine Kontusion der linken Schulter gewesen ist, die spätestens nach drei Monaten mit Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit ausgeheilt war.
Da erst bei Bejahung einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse geprüft werden kann, ob die Folgen der nachträglichen Änderung den Risikorahmen überschreiten, den ein Vertragspartner nach Treu und Glauben hinzunehmen hat, kann diese Frage vorliegend letztlich offen bleiben. Der Senat sieht sich gleichwohl veranlasst, darauf hinzuweisen, dass der dem Bayerischen Landessozialgericht zur Beurteilung gestandene Sachverhalt durchaus auch eine Entscheidung zu Lasten des Klägers gerechtfertigt hätte und die für den Kläger positiven Aspekte des Vergleichsvertrages in keiner Weise erkennen lassen, dass ihm ein Festhalten hieran nicht zumutbar sein könnte. Denn es ist nicht zu verkennen, dass der Kläger im Laufe des Verfahrens ganz erheblich seinen Vortrag zum Unfallgeschehen dem jeweiligen Gutachtensergebnis angepasst hat. Auf der Basis der zeitnächsten Angaben des Klägers war nach übereinstimmender Auffassung von Prof. Dr. H. und Dr. L. aber schon ein Arbeitsunfall abzulehnen. Im Falle einer streitigen Entscheidung hätte das Bayerische Landessozialgericht die Glaubhaftigkeit der späteren Angaben des Klägers untersuchen und hinterfragen müssen, wie sich der bei den Untersuchungen durch Prof. Dr. L. und Dr. Sch. gänzlich anders geschilderte Geschehensablauf mit der Verpflichtung des Klägers in Einklang bringen lässt, wahrheitsgemäße Angaben zu machen.
Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge des § 193 SGG zurückzuweisen.
Da Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen, war dem Hilfsantrag des Klägers nicht stattzugeben.
Rechtskraft
Aus
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