Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 3344/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 1472/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 14.03.2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger aufgrund seines Antrags vom 29.10.2007 gegen die Beklagte ein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung, ggf bei Berufsunfähigkeit, zusteht.
Der 1957 geborene Kläger, griechischer Staatsangehöriger, lebt seit 12.09.1973 in der Bundesrepublik Deutschland. Der Kläger, der eine Ausbildung nicht absolviert hat, war von 1973 bis 1977 als Produktionshelfer in der Glaswollenbeschichtung, von 1977 bis Oktober 1996 als Polsterer in einer Matratzenfabrik versicherungspflichtig beschäftigt. Seither ist er arbeitsunfähig geschrieben bzw hält sich ohne Arbeitsunfähigkeitsschreibung für arbeitsunfähig. Seit 02.02.1998 ist er bei der Krankenkasse ausgesteuert. Zunächst bezog er Arbeitslosengeld, später Leistungen nach dem SGB II. Ihm ist seit 26.02.2001 ein Grad der Behinderung von 50 zuerkannt.
Frühere Renten- bzw Überprüfungsanträge (vom 04.02.1998, dazu vgl das Verfahren beim Sozialgericht Heilbronn (SG) S 8 RJ 1888/98; vom 16.10.1998, vom 20.12.1999, dazu vgl das Verfahren beim SG S 8 RJ 1895/00 und beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) L 9 RJ 642/02; und vom 10.03.2004, dazu vgl das Verfahren beim SG S 10 R 749/05) waren erfolglos.
Am 29.10.2007 beantragte der Kläger bei der Beklagten erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
In einem von der Beklagten in Auftrag gegebenen Gutachten vom 23.01.2009 kam der Internist Dr. B. zu dem Ergebnis, der Kläger leide an Adipositas I. Grades (BMI 33) und sei in der Lage, Tätigkeiten in seinem letzten Beruf wie auch mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ständig im Stehen, Gehen bzw Sitzen, in Tagesschicht, Früh-/Spätschicht bzw Nachtschicht sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten. Dr. H., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie, führte in einem im Auftrag der Beklagten erstellten Gutachten vom 04.02.2009 aus, der Kläger sei in der Lage, Tätigkeiten in seinem letzten Beruf wie auch mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt überwiegend im Stehen, Gehen bzw Sitzen, in Tagesschicht, Früh-/Spätschicht bzw Nachtschicht und unter Beachtung von qualitativen Einschränkungen hinsichtlich der geistig/psychischen Belastbarkeit sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten.
Mit Bescheid vom 18.02.2008 lehnte die Beklagte die Gewährung der begehrten Rente ab. Der Kläger sei weder teilweise noch voll erwerbsgemindert, auch berufsunfähig sei er nicht. Den am 12.03.2008 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.09.2008 zurück.
Am 16.10.2008 hat der Kläger beim SG Klage erhoben und wegen seinen Erkrankungen auf das nervenärztliche und orthopädische Fachgebiet verwiesen.
Das SG hat Beweis erhoben durch Befragung der den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 23 bis 26 sowie 27 bis 29 der SG-Akte Bezug genommen. Die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. hat dem SG mit Schreiben vom 14.01.2009 mitgeteilt, beim Kläger bestehe eine depressive Erkrankung mit Antriebsminderung, ausgeprägt depressiver Stimmungslage, verminderter Belastbarkeit, sozialem Rückzug, Schlafstörungen und Konzentrationsstörungen. Er fühle sich selbst bei kleinen Hilfsarbeiten im Haushalt überfordert. Er könne weder in seinem Beruf noch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig werden. Dr. S., Arzt für Orthopädie und Chirurgie, hat dem SG unter dem Datum des 23.01.2009 geschrieben, der Kläger sei in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig zu verrichten.
Das SG hat des Weiteren Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens beim Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Facharzt für Psychotherapeutische Medizin, Psychoanalyse, M. und gemäß § 109 SGG beim Nervenfacharzt, Psychotherapie, Dr. Sch. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 36 bis 76 und 116 bis 138 der SG-Akte Bezug genommen. Der Gutachter M. kommt in seinem Gutachten vom 05.04.2009 zu dem Schluss, beim Kläger lägen eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und eine Dysthymia vor. Bezüglich der angegebenen Wirbelsäulenbeschwerden habe sich kein Hinweis auf eine Nervenwurzelkompression oder eine Nervenwurzelirritation oder auf eine zervikale Myelopathie ergeben. Leichte körperliche Tätigkeit könne der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten; Tätigkeiten in seinem letzten Beruf könnten ihm als schwere Tätigkeiten nicht mehr zugemutet werden. Dr. Sch. hat in seinem Gutachten vom 08.10.2010 ausgeführt, es bestehe beim Kläger eine anhaltende affektive Störung, eine rezidivierende depressive Störung, eine Angst- und depressive Störung gemischt, eine anhaltende Somatisierungsstörung, eine chronisch-therapieresistente Schmerzkrankheit bei degenerativen HWS-Veränderungen mit Protrusion C6/7, degenerativen LWS-Veränderungen mit multiplen Protrusionen, chronische Spannungskopfschmerzen, vertebragen verstärkt, Periarthropathia humeroscapularis beiderseits und chronisch rezidivierenden Gastritiden sowie ein chronischer Tinnitus beiderseits, ein vertebragener Schwindel, eine arterielle Hypertonie, medikamentös kompensiert, sowie eine chronische Insomnie. Im zuletzt ausgeübten Beruf sei der Kläger nur unter drei Stunden täglich leistungsfähig; auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne er Tätigkeiten auch nur weniger als drei Stunden verrichten.
Das SG hat mit Urteil vom 14.03.2011 die Klage abgewiesen. Der Kläger sei weder teilweise noch voll erwerbsgemindert, denn er sei noch in der Lage, leichte Tätigkeiten sechs Stunden und mehr auszuüben. Auch sei er nicht berufsunfähig.
Gegen das seinem damaligen Bevollmächtigten am 18.03.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 08.04.2011 beim LSG Berufung eingelegt. Er sei seit Oktober 1996 ununterbrochen arbeitsunfähig. Es sei völlig unerfindlich, weshalb das SG den Gutachten von Dr. B., Dr. H. und Dr. S. gefolgt sei und nicht den von ihm vorgelegten Gutachten von Dr. Sch. und Dr. K ... Er leide unter einer Vielzahl von körperlich-seelischen Funktionsstörungen, die es ihm unmöglich machten, einen nennenswerten Gelderwerb auszuführen. Es erschienen lediglich leichte Arbeiten bis zu 15 Minuten, über den Tag verteilt bis maximal zwei Stunden, möglich. Es liege auch eine schwere spezifische Leistungseinschränkung sowie eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor. Die Benennung einer Verweisungstätigkeit sei daher erforderlich gewesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 14.03.2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.09.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung ggf bei Berufsunfähigkeit, ab 01.10.2007 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens beim Arzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Chirotherapie, Osteologe DVO Dr. H. sowie eines Gutachtens bei Dr. Schw., Chefarzt der Klinik für Allgemeinpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik I, W. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 60 bis 88 sowie 103 bis 142 der Senatsakte Bezug genommen. Dr. H. hat in seinem Gutachten vom 11.05.2012 festgestellt, beim Kläger bestehe ein Cervicalsyndrom mit Muskelanspannungsstörungen bei statischer Fehlbelastung und mäßig ausgeprägten degenerativen Veränderungen, ohne Anhaltspunkte für Nervenwurzelreiz- oder -ausfallerscheinungen, ein Thorakalsyndrom bei Fehlhaltung und mäßig ausgeprägten degenerativen Veränderungen sowie ein Lumbalsyndrom bei Fehlhaltung und degenerativen LWS-Veränderungen, ohne Anhaltspunkt für Nervenwurzelreiz- oder -ausfallerscheinungen. Auf nicht orthopädischem Gebiet hat Dr. H. eine Depression und eine somatoforme Schmerzstörung angegeben. Der Kläger sei noch in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr an fünf Tagen pro Woche auszuüben. Dr. Schw. hat in seinem Gutachten vom 26.11.2012 ausgeführt, beim Kläger bestehe eine Dysthymia, eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig remittiert sowie eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung. Der Kläger sei in der Lage, unter Beachtung qualitativer Einschränkungen körperlich leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr abzuleisten.
Hierzu hat der Kläger ausgeführt, unter Berücksichtigung der Gutachten von Dr. Sch. und Dr. K. könne der Einschätzung von Dr. Schw. nicht gefolgt werden. Aber selbst wenn, dann stelle sich die Frage nach der Verwertbarkeit des Restleistungsvermögens, denn er habe seit Oktober 1996 nicht mehr gearbeitet. Die Untersuchungen hätten auf ganz anderen Bedingungen basiert als den üblichen Belastungen einer Erwerbstätigkeit. Die Leistungsfähigkeit könne erst nach einer angemessenen Arbeitserprobung festgestellt werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG (auch S 8 RJ 1895/00 und S 8 RJ 1888/98), des LSG (L 9 RJ 642/02) und der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig, aber unbegründet.
Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 iVm Abs 4 SGG) ist der die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ablehnende Bescheid der Beklagten vom 18.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.09.2008. Dieser Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der geltend gemachte Anspruch richtet sich für die Zeit bis 31.12.2007 nach § 43 SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung und für die anschließende Zeit nach § 43 SGB VI in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl I, 554). Dies folgt aus § 300 Abs 1 SGB VI. Danach sind die Vorschriften des SGB VI von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat.
Versicherte haben nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs 1 und Abs 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).
Der Senat konnte sich davon überzeugen, dass der Kläger zumindest noch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Beachtung qualitativer Einschränkungen sechs Stunden und mehr an fünf Tagen pro Woche verrichten kann. Die insoweit wesentlichen Leiden des Klägers liegen auf orthopädischem und nervenärztlichem Fachgebiet.
Auf orthopädischem Fachgebiet konnte Dr. H. ein Cervicalsyndrom mit Muskelanspannungsstörungen bei statischer Fehlbelastung und mäßig ausgeprägten degenerativen Veränderungen, ohne Anhaltspunkte für Nervenwurzelreiz- oder -ausfallerscheinungen, ein Thorakalsyndrom bei Fehlhaltung und mäßig ausgeprägten degenerativen Veränderungen sowie ein Lumbalsyndrom bei Fehlhaltung und degenerativen LWS-Veränderungen, ohne Anhaltspunkt für Nervenwurzelreiz- oder -ausfallerscheinungen feststellen. Diese Gesundheitsstörungen führen dazu, dass dem Kläger schwere und ständig mittelschwere Tätigkeiten nicht mehr zugemutet werden können. Leichte Tätigkeiten bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten sind möglich. Tätigkeiten sollen überwiegend im Sitzen mit der Möglichkeit des Positionswechselns zum Stehen und Umhergehen ausgeführt werden. Auszuschließen sind Tätigkeiten in ständig vornüber geneigter, statisch einseitiger oder ungünstiger Zwangshaltung, unter Kälte, Nässe oder Zuglufteinwirkung, das Steigen auf Leitern und Gerüsten und ständiges Treppensteigen. Aus diesen qualitativen Einschränkungen lässt sich nicht auf ein zeitlich reduziertes Leistungsvermögen schließen. Dr. H. konnte insoweit bestätigen, dass der Kläger - auch vor dem Hintergrund der somatoformen Schmerzstörung und Verarbeitungsstörung - noch entsprechende Tätigkeiten sechs Stunden und mehr an fünf Tagen pro Woche (arbeitstäglich) verrichten kann. Mit dieser Leistungseinschätzung stimmt Dr. H. auch mit dem behandelnden Orthopäden Dr. S. überein. Als besondere Arbeitsbedingungen verweist Dr. H. auf einen ergonomischen Arbeitsplatz mit gelegentlichen Positionswechseln vom Sitzen zum Stehen und Umhergehen. Dieses Erfordernis schränkt aber die Leistungsfähigkeit nicht in zeitlicher Hinsicht ein.
Auf nervenärztlichem Fachgebiet hat Dr. Schw. eine Dysthymia, eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig remittiert sowie eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung festgestellt. Diese Gesundheitsstörungen haben eine Minderung der Stressbelastung zur Folge, sodass berufliche Tätigkeiten mit erhöhter Stressbelastung etwa durch Zeitdruck (Akkord- oder Fließbandarbeiten) oder durch unphysiologische psychovegetative Belastungen (zB Nachtarbeit) nicht mehr in Frage kommen. Weiter sind Tätigkeiten mit dem erhöhten Risiko konflikthafter Begegnungen, zB durch unmittelbaren Kundenkontakt, zu meiden. Auch kommen Tätigkeiten mit erhöhter Verantwortung für Personen oder Sachwerte oder der Notwendigkeit unmittelbaren Eingreifens bei gleichzeitig hohen Anforderungen an die Aufmerksamkeitsleistung nicht mehr in Betracht. Wegen der orthopädischen Erkrankungen sind körperlich schwere oder anhaltend mittelschwere Tätigkeiten, auch Tätigkeiten mit der Notwendigkeit von häufigem Bücken, gleichförmigen Körperhaltungen oder Überkopfarbeiten nicht zumutbar. Möglich sind leichte körperliche Tätigkeiten, vorübergehend mittelschwere Tätigkeiten (mit vorübergehendem Heben und Tragen von Lasten bis 12 kg) unter Beachtung der zuvor dargestellten qualitativen Einschränkungen. Zusätzliche oder besondere Arbeitsbedingungen (zB besondere Pausen) sind nicht erforderlich. Damit lassen sich aus den Gesundheitsstörungen keine zeitlichen Beschränkungen der Leistungsfähigkeit ableiten. Unter Beachtung der genannten qualitativen Einschränkungen ist der Kläger damit auch aus nervenärztlicher Sicht noch in der Lage, zumindest leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter den dort üblichen Bedingungen mindestens sechs Stunden arbeitstäglich zu verrichten. Mit dieser Einschätzung stimmt Dr. Schw. hinsichtlich den Gesundheitsstörungen und deren Folgen mit der Einschätzung des Gutachters M. überein.
Vom Vorliegen der von den Gutachtern Dr. H. und Dr. Schw. festgestellten Gesundheitsstörungen und den daraus folgenden Leistungseinschränkungen konnte sich der Senat überzeugen. Die Gutachten sind schlüssig und widerspruchsfrei. Angesichts der Ausführungen der Gutachter konnte sich der Senat den Ausführungen der behandelnden Neurologin und Psychiaterin Dr. K. nicht anschließen. Aus ihren Befunden lassen sich ihre Schlüsse auf ein zeitlich gemindertes Leistungsvermögen nach Überzeugung des Senats nicht ableiten. Auch konnte der Senat der Einschätzung des Gutachters Dr. Sch. nicht folgen. Insbesondere konnte der Senat seinem Gutachten keine Befunde - er schildert im Wesentlichen Normalbefunde (vgl dazu das Gutachten von Dr. Schw., dort Seite 38) - entnehmen, die eine gravierende depressive Symptomatik erkennen ließen. Zwar zeigt der Dr. Schw. geschilderte Tagesablauf, dass der Kläger nur sehr wenig tut. Dies lässt sich aber nicht auf krankhafte Ursachen zurückführen, sondern vielmehr auf den Umstand, dass er seine Leistungsfähigkeit selbst nicht realistisch einschätzen will (dazu vgl das Gutachten von Dr. Schw., dort Blatt 35).
Die beim Kläger bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen, die sämtlich nicht ungewöhnlich sind, lassen keine ernstlichen Zweifel daran aufkommen, dass dieser noch wettbewerbsfähig in einem Betrieb einsetzbar ist. Aus den bestehenden Einschränkungen ergeben sich damit weder schwere spezifische Leistungsbehinderungen noch stellen die qualitativen Leistungseinschränkungen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen (vgl BSG 11.03.1999, B 13 RJ 71/97 R, juris) dar. Das gilt insbesondere auch insoweit, als Dr. Huber einen ergonomischen Arbeitsplatz mit gelegentlichen Positionswechseln vom Sitzen zum Stehen und Umhergehen als erforderlich angesehen hat. Auch dass der Kläger seit nunmehr annähernd 17 Jahren nicht mehr gearbeitet hat, steht der Verwertbarkeit seines Leistungsvermögens aus rentenrechtlicher Sicht nicht entgegen. Denn zum einen trägt das Risiko, für vorhandenes Leistungsvermögen keinen Arbeitsplatz mehr zu finden, nicht die Beklagte sondern die Bundesagentur für Arbeit, zum anderen ergibt sich aus dem Umstand, dass der Kläger vor Durchführung der Begutachtung nicht in einer beruflichen Belastung war, kein Anhaltspunkt dafür, an der Überzeugungskraft der Ausführungen der Gutachter Dr. H. und Dr. Schw. zu zweifeln. Der Kläger ist im Übrigen auch in der Lage, täglich viermal eine Wegstrecke von 500 Metern innerhalb von jeweils 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen sowie öffentliche Verkehrsmittel zu Hauptverkehrszeiten zweimal am Tag zu benutzen. Dies konnten u a Dr. H., Dr. Schw. aber auch der Gutachter Dr. Sch. bestätigen.
Der Kläger ist damit nach Überzeugung des Senats noch in der Lage, ohne unmittelbare Gefährdung der Gesundheit und unter Beachtung der dargestellten qualitativen Leistungseinschränkungen, zumindest leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden an fünf Tagen pro Woche zu verrichten. Dieses Leistungsvermögen besteht nach Überzeugung des Senats seit Rentenantragstellung und seither durchgehend. Mit diesem Leistungsvermögen ist der Kläger nicht erwerbsgemindert (§ 43 Abs 3 SGB VI); er hat damit keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser bzw voller Erwerbsminderung.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI). Voraussetzung eines solchen Rentenanspruchs ist (vgl § 240 SGB VI), dass er vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig ist. Da der Kläger zuletzt als Polsterer mit einer Anlernzeit von sechs Monaten eingesetzt war (dazu vgl die Auskunft des ehemaligen Arbeitgebers auf Blatt m14 der Verwaltungsakte) und damit als allenfalls als unterer angelernter Arbeiter versicherungspflichtig beschäftigt war (dazu vgl das Urteil des LSG 13.05.2003, L 9 RJ 642/02), ist er - selbst wenn er seine letzte Tätigkeit nicht mehr ausüben könnte - auf sämtliche auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorkommende Tätigkeiten verweisbar. Derartige leichte Tätigkeiten kann er aber - wie dargelegt - arbeitstäglich noch sechs Stunden und mehr verrichten.
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt; die vorhandenen Gutachten und Arztauskünfte bilden eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Senats. Der Senat hält deshalb weitere Ermittlungen nicht mehr für erforderlich. Die vorliegenden Gutachten von Dr. H. und Dr. Schw. haben in Verbindung mit den vorliegenden Auskünften der vom SG als sachverständige Zeugen befragten behandelnden Ärzte, den dort eingeholten Gutachten und den Verwaltungsgutachten von Dr. H. und Dr. B. dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs 1 ZPO). Die Gutachten gehen von zutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus, enthalten keine unlösbare inhaltliche Widersprüche und sie geben keinen Anlass, an der Sachkunde oder Unparteilichkeit der Gutachter zu zweifeln; weitere Beweiserhebungen waren daher von Amts wegen nicht mehr notwendig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dabei hat der Senat im Rahmen seines Ermessens insbesondere berücksichtigt, dass der Kläger in beiden Instanzen ohne Erfolg geblieben ist.
Die Revision wird nicht zugelassen, da Gründe für die Zulassung nicht vorliegen (§ 160 Nr 1 und 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger aufgrund seines Antrags vom 29.10.2007 gegen die Beklagte ein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung, ggf bei Berufsunfähigkeit, zusteht.
Der 1957 geborene Kläger, griechischer Staatsangehöriger, lebt seit 12.09.1973 in der Bundesrepublik Deutschland. Der Kläger, der eine Ausbildung nicht absolviert hat, war von 1973 bis 1977 als Produktionshelfer in der Glaswollenbeschichtung, von 1977 bis Oktober 1996 als Polsterer in einer Matratzenfabrik versicherungspflichtig beschäftigt. Seither ist er arbeitsunfähig geschrieben bzw hält sich ohne Arbeitsunfähigkeitsschreibung für arbeitsunfähig. Seit 02.02.1998 ist er bei der Krankenkasse ausgesteuert. Zunächst bezog er Arbeitslosengeld, später Leistungen nach dem SGB II. Ihm ist seit 26.02.2001 ein Grad der Behinderung von 50 zuerkannt.
Frühere Renten- bzw Überprüfungsanträge (vom 04.02.1998, dazu vgl das Verfahren beim Sozialgericht Heilbronn (SG) S 8 RJ 1888/98; vom 16.10.1998, vom 20.12.1999, dazu vgl das Verfahren beim SG S 8 RJ 1895/00 und beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) L 9 RJ 642/02; und vom 10.03.2004, dazu vgl das Verfahren beim SG S 10 R 749/05) waren erfolglos.
Am 29.10.2007 beantragte der Kläger bei der Beklagten erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
In einem von der Beklagten in Auftrag gegebenen Gutachten vom 23.01.2009 kam der Internist Dr. B. zu dem Ergebnis, der Kläger leide an Adipositas I. Grades (BMI 33) und sei in der Lage, Tätigkeiten in seinem letzten Beruf wie auch mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ständig im Stehen, Gehen bzw Sitzen, in Tagesschicht, Früh-/Spätschicht bzw Nachtschicht sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten. Dr. H., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie, führte in einem im Auftrag der Beklagten erstellten Gutachten vom 04.02.2009 aus, der Kläger sei in der Lage, Tätigkeiten in seinem letzten Beruf wie auch mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt überwiegend im Stehen, Gehen bzw Sitzen, in Tagesschicht, Früh-/Spätschicht bzw Nachtschicht und unter Beachtung von qualitativen Einschränkungen hinsichtlich der geistig/psychischen Belastbarkeit sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten.
Mit Bescheid vom 18.02.2008 lehnte die Beklagte die Gewährung der begehrten Rente ab. Der Kläger sei weder teilweise noch voll erwerbsgemindert, auch berufsunfähig sei er nicht. Den am 12.03.2008 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.09.2008 zurück.
Am 16.10.2008 hat der Kläger beim SG Klage erhoben und wegen seinen Erkrankungen auf das nervenärztliche und orthopädische Fachgebiet verwiesen.
Das SG hat Beweis erhoben durch Befragung der den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 23 bis 26 sowie 27 bis 29 der SG-Akte Bezug genommen. Die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. hat dem SG mit Schreiben vom 14.01.2009 mitgeteilt, beim Kläger bestehe eine depressive Erkrankung mit Antriebsminderung, ausgeprägt depressiver Stimmungslage, verminderter Belastbarkeit, sozialem Rückzug, Schlafstörungen und Konzentrationsstörungen. Er fühle sich selbst bei kleinen Hilfsarbeiten im Haushalt überfordert. Er könne weder in seinem Beruf noch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig werden. Dr. S., Arzt für Orthopädie und Chirurgie, hat dem SG unter dem Datum des 23.01.2009 geschrieben, der Kläger sei in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig zu verrichten.
Das SG hat des Weiteren Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens beim Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Facharzt für Psychotherapeutische Medizin, Psychoanalyse, M. und gemäß § 109 SGG beim Nervenfacharzt, Psychotherapie, Dr. Sch. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 36 bis 76 und 116 bis 138 der SG-Akte Bezug genommen. Der Gutachter M. kommt in seinem Gutachten vom 05.04.2009 zu dem Schluss, beim Kläger lägen eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und eine Dysthymia vor. Bezüglich der angegebenen Wirbelsäulenbeschwerden habe sich kein Hinweis auf eine Nervenwurzelkompression oder eine Nervenwurzelirritation oder auf eine zervikale Myelopathie ergeben. Leichte körperliche Tätigkeit könne der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten; Tätigkeiten in seinem letzten Beruf könnten ihm als schwere Tätigkeiten nicht mehr zugemutet werden. Dr. Sch. hat in seinem Gutachten vom 08.10.2010 ausgeführt, es bestehe beim Kläger eine anhaltende affektive Störung, eine rezidivierende depressive Störung, eine Angst- und depressive Störung gemischt, eine anhaltende Somatisierungsstörung, eine chronisch-therapieresistente Schmerzkrankheit bei degenerativen HWS-Veränderungen mit Protrusion C6/7, degenerativen LWS-Veränderungen mit multiplen Protrusionen, chronische Spannungskopfschmerzen, vertebragen verstärkt, Periarthropathia humeroscapularis beiderseits und chronisch rezidivierenden Gastritiden sowie ein chronischer Tinnitus beiderseits, ein vertebragener Schwindel, eine arterielle Hypertonie, medikamentös kompensiert, sowie eine chronische Insomnie. Im zuletzt ausgeübten Beruf sei der Kläger nur unter drei Stunden täglich leistungsfähig; auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne er Tätigkeiten auch nur weniger als drei Stunden verrichten.
Das SG hat mit Urteil vom 14.03.2011 die Klage abgewiesen. Der Kläger sei weder teilweise noch voll erwerbsgemindert, denn er sei noch in der Lage, leichte Tätigkeiten sechs Stunden und mehr auszuüben. Auch sei er nicht berufsunfähig.
Gegen das seinem damaligen Bevollmächtigten am 18.03.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 08.04.2011 beim LSG Berufung eingelegt. Er sei seit Oktober 1996 ununterbrochen arbeitsunfähig. Es sei völlig unerfindlich, weshalb das SG den Gutachten von Dr. B., Dr. H. und Dr. S. gefolgt sei und nicht den von ihm vorgelegten Gutachten von Dr. Sch. und Dr. K ... Er leide unter einer Vielzahl von körperlich-seelischen Funktionsstörungen, die es ihm unmöglich machten, einen nennenswerten Gelderwerb auszuführen. Es erschienen lediglich leichte Arbeiten bis zu 15 Minuten, über den Tag verteilt bis maximal zwei Stunden, möglich. Es liege auch eine schwere spezifische Leistungseinschränkung sowie eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor. Die Benennung einer Verweisungstätigkeit sei daher erforderlich gewesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 14.03.2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.09.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung ggf bei Berufsunfähigkeit, ab 01.10.2007 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens beim Arzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Chirotherapie, Osteologe DVO Dr. H. sowie eines Gutachtens bei Dr. Schw., Chefarzt der Klinik für Allgemeinpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik I, W. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 60 bis 88 sowie 103 bis 142 der Senatsakte Bezug genommen. Dr. H. hat in seinem Gutachten vom 11.05.2012 festgestellt, beim Kläger bestehe ein Cervicalsyndrom mit Muskelanspannungsstörungen bei statischer Fehlbelastung und mäßig ausgeprägten degenerativen Veränderungen, ohne Anhaltspunkte für Nervenwurzelreiz- oder -ausfallerscheinungen, ein Thorakalsyndrom bei Fehlhaltung und mäßig ausgeprägten degenerativen Veränderungen sowie ein Lumbalsyndrom bei Fehlhaltung und degenerativen LWS-Veränderungen, ohne Anhaltspunkt für Nervenwurzelreiz- oder -ausfallerscheinungen. Auf nicht orthopädischem Gebiet hat Dr. H. eine Depression und eine somatoforme Schmerzstörung angegeben. Der Kläger sei noch in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr an fünf Tagen pro Woche auszuüben. Dr. Schw. hat in seinem Gutachten vom 26.11.2012 ausgeführt, beim Kläger bestehe eine Dysthymia, eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig remittiert sowie eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung. Der Kläger sei in der Lage, unter Beachtung qualitativer Einschränkungen körperlich leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr abzuleisten.
Hierzu hat der Kläger ausgeführt, unter Berücksichtigung der Gutachten von Dr. Sch. und Dr. K. könne der Einschätzung von Dr. Schw. nicht gefolgt werden. Aber selbst wenn, dann stelle sich die Frage nach der Verwertbarkeit des Restleistungsvermögens, denn er habe seit Oktober 1996 nicht mehr gearbeitet. Die Untersuchungen hätten auf ganz anderen Bedingungen basiert als den üblichen Belastungen einer Erwerbstätigkeit. Die Leistungsfähigkeit könne erst nach einer angemessenen Arbeitserprobung festgestellt werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG (auch S 8 RJ 1895/00 und S 8 RJ 1888/98), des LSG (L 9 RJ 642/02) und der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig, aber unbegründet.
Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 iVm Abs 4 SGG) ist der die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ablehnende Bescheid der Beklagten vom 18.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.09.2008. Dieser Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der geltend gemachte Anspruch richtet sich für die Zeit bis 31.12.2007 nach § 43 SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung und für die anschließende Zeit nach § 43 SGB VI in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl I, 554). Dies folgt aus § 300 Abs 1 SGB VI. Danach sind die Vorschriften des SGB VI von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat.
Versicherte haben nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs 1 und Abs 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).
Der Senat konnte sich davon überzeugen, dass der Kläger zumindest noch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Beachtung qualitativer Einschränkungen sechs Stunden und mehr an fünf Tagen pro Woche verrichten kann. Die insoweit wesentlichen Leiden des Klägers liegen auf orthopädischem und nervenärztlichem Fachgebiet.
Auf orthopädischem Fachgebiet konnte Dr. H. ein Cervicalsyndrom mit Muskelanspannungsstörungen bei statischer Fehlbelastung und mäßig ausgeprägten degenerativen Veränderungen, ohne Anhaltspunkte für Nervenwurzelreiz- oder -ausfallerscheinungen, ein Thorakalsyndrom bei Fehlhaltung und mäßig ausgeprägten degenerativen Veränderungen sowie ein Lumbalsyndrom bei Fehlhaltung und degenerativen LWS-Veränderungen, ohne Anhaltspunkt für Nervenwurzelreiz- oder -ausfallerscheinungen feststellen. Diese Gesundheitsstörungen führen dazu, dass dem Kläger schwere und ständig mittelschwere Tätigkeiten nicht mehr zugemutet werden können. Leichte Tätigkeiten bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten sind möglich. Tätigkeiten sollen überwiegend im Sitzen mit der Möglichkeit des Positionswechselns zum Stehen und Umhergehen ausgeführt werden. Auszuschließen sind Tätigkeiten in ständig vornüber geneigter, statisch einseitiger oder ungünstiger Zwangshaltung, unter Kälte, Nässe oder Zuglufteinwirkung, das Steigen auf Leitern und Gerüsten und ständiges Treppensteigen. Aus diesen qualitativen Einschränkungen lässt sich nicht auf ein zeitlich reduziertes Leistungsvermögen schließen. Dr. H. konnte insoweit bestätigen, dass der Kläger - auch vor dem Hintergrund der somatoformen Schmerzstörung und Verarbeitungsstörung - noch entsprechende Tätigkeiten sechs Stunden und mehr an fünf Tagen pro Woche (arbeitstäglich) verrichten kann. Mit dieser Leistungseinschätzung stimmt Dr. H. auch mit dem behandelnden Orthopäden Dr. S. überein. Als besondere Arbeitsbedingungen verweist Dr. H. auf einen ergonomischen Arbeitsplatz mit gelegentlichen Positionswechseln vom Sitzen zum Stehen und Umhergehen. Dieses Erfordernis schränkt aber die Leistungsfähigkeit nicht in zeitlicher Hinsicht ein.
Auf nervenärztlichem Fachgebiet hat Dr. Schw. eine Dysthymia, eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig remittiert sowie eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung festgestellt. Diese Gesundheitsstörungen haben eine Minderung der Stressbelastung zur Folge, sodass berufliche Tätigkeiten mit erhöhter Stressbelastung etwa durch Zeitdruck (Akkord- oder Fließbandarbeiten) oder durch unphysiologische psychovegetative Belastungen (zB Nachtarbeit) nicht mehr in Frage kommen. Weiter sind Tätigkeiten mit dem erhöhten Risiko konflikthafter Begegnungen, zB durch unmittelbaren Kundenkontakt, zu meiden. Auch kommen Tätigkeiten mit erhöhter Verantwortung für Personen oder Sachwerte oder der Notwendigkeit unmittelbaren Eingreifens bei gleichzeitig hohen Anforderungen an die Aufmerksamkeitsleistung nicht mehr in Betracht. Wegen der orthopädischen Erkrankungen sind körperlich schwere oder anhaltend mittelschwere Tätigkeiten, auch Tätigkeiten mit der Notwendigkeit von häufigem Bücken, gleichförmigen Körperhaltungen oder Überkopfarbeiten nicht zumutbar. Möglich sind leichte körperliche Tätigkeiten, vorübergehend mittelschwere Tätigkeiten (mit vorübergehendem Heben und Tragen von Lasten bis 12 kg) unter Beachtung der zuvor dargestellten qualitativen Einschränkungen. Zusätzliche oder besondere Arbeitsbedingungen (zB besondere Pausen) sind nicht erforderlich. Damit lassen sich aus den Gesundheitsstörungen keine zeitlichen Beschränkungen der Leistungsfähigkeit ableiten. Unter Beachtung der genannten qualitativen Einschränkungen ist der Kläger damit auch aus nervenärztlicher Sicht noch in der Lage, zumindest leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter den dort üblichen Bedingungen mindestens sechs Stunden arbeitstäglich zu verrichten. Mit dieser Einschätzung stimmt Dr. Schw. hinsichtlich den Gesundheitsstörungen und deren Folgen mit der Einschätzung des Gutachters M. überein.
Vom Vorliegen der von den Gutachtern Dr. H. und Dr. Schw. festgestellten Gesundheitsstörungen und den daraus folgenden Leistungseinschränkungen konnte sich der Senat überzeugen. Die Gutachten sind schlüssig und widerspruchsfrei. Angesichts der Ausführungen der Gutachter konnte sich der Senat den Ausführungen der behandelnden Neurologin und Psychiaterin Dr. K. nicht anschließen. Aus ihren Befunden lassen sich ihre Schlüsse auf ein zeitlich gemindertes Leistungsvermögen nach Überzeugung des Senats nicht ableiten. Auch konnte der Senat der Einschätzung des Gutachters Dr. Sch. nicht folgen. Insbesondere konnte der Senat seinem Gutachten keine Befunde - er schildert im Wesentlichen Normalbefunde (vgl dazu das Gutachten von Dr. Schw., dort Seite 38) - entnehmen, die eine gravierende depressive Symptomatik erkennen ließen. Zwar zeigt der Dr. Schw. geschilderte Tagesablauf, dass der Kläger nur sehr wenig tut. Dies lässt sich aber nicht auf krankhafte Ursachen zurückführen, sondern vielmehr auf den Umstand, dass er seine Leistungsfähigkeit selbst nicht realistisch einschätzen will (dazu vgl das Gutachten von Dr. Schw., dort Blatt 35).
Die beim Kläger bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen, die sämtlich nicht ungewöhnlich sind, lassen keine ernstlichen Zweifel daran aufkommen, dass dieser noch wettbewerbsfähig in einem Betrieb einsetzbar ist. Aus den bestehenden Einschränkungen ergeben sich damit weder schwere spezifische Leistungsbehinderungen noch stellen die qualitativen Leistungseinschränkungen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen (vgl BSG 11.03.1999, B 13 RJ 71/97 R, juris) dar. Das gilt insbesondere auch insoweit, als Dr. Huber einen ergonomischen Arbeitsplatz mit gelegentlichen Positionswechseln vom Sitzen zum Stehen und Umhergehen als erforderlich angesehen hat. Auch dass der Kläger seit nunmehr annähernd 17 Jahren nicht mehr gearbeitet hat, steht der Verwertbarkeit seines Leistungsvermögens aus rentenrechtlicher Sicht nicht entgegen. Denn zum einen trägt das Risiko, für vorhandenes Leistungsvermögen keinen Arbeitsplatz mehr zu finden, nicht die Beklagte sondern die Bundesagentur für Arbeit, zum anderen ergibt sich aus dem Umstand, dass der Kläger vor Durchführung der Begutachtung nicht in einer beruflichen Belastung war, kein Anhaltspunkt dafür, an der Überzeugungskraft der Ausführungen der Gutachter Dr. H. und Dr. Schw. zu zweifeln. Der Kläger ist im Übrigen auch in der Lage, täglich viermal eine Wegstrecke von 500 Metern innerhalb von jeweils 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen sowie öffentliche Verkehrsmittel zu Hauptverkehrszeiten zweimal am Tag zu benutzen. Dies konnten u a Dr. H., Dr. Schw. aber auch der Gutachter Dr. Sch. bestätigen.
Der Kläger ist damit nach Überzeugung des Senats noch in der Lage, ohne unmittelbare Gefährdung der Gesundheit und unter Beachtung der dargestellten qualitativen Leistungseinschränkungen, zumindest leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden an fünf Tagen pro Woche zu verrichten. Dieses Leistungsvermögen besteht nach Überzeugung des Senats seit Rentenantragstellung und seither durchgehend. Mit diesem Leistungsvermögen ist der Kläger nicht erwerbsgemindert (§ 43 Abs 3 SGB VI); er hat damit keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser bzw voller Erwerbsminderung.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI). Voraussetzung eines solchen Rentenanspruchs ist (vgl § 240 SGB VI), dass er vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig ist. Da der Kläger zuletzt als Polsterer mit einer Anlernzeit von sechs Monaten eingesetzt war (dazu vgl die Auskunft des ehemaligen Arbeitgebers auf Blatt m14 der Verwaltungsakte) und damit als allenfalls als unterer angelernter Arbeiter versicherungspflichtig beschäftigt war (dazu vgl das Urteil des LSG 13.05.2003, L 9 RJ 642/02), ist er - selbst wenn er seine letzte Tätigkeit nicht mehr ausüben könnte - auf sämtliche auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorkommende Tätigkeiten verweisbar. Derartige leichte Tätigkeiten kann er aber - wie dargelegt - arbeitstäglich noch sechs Stunden und mehr verrichten.
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt; die vorhandenen Gutachten und Arztauskünfte bilden eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Senats. Der Senat hält deshalb weitere Ermittlungen nicht mehr für erforderlich. Die vorliegenden Gutachten von Dr. H. und Dr. Schw. haben in Verbindung mit den vorliegenden Auskünften der vom SG als sachverständige Zeugen befragten behandelnden Ärzte, den dort eingeholten Gutachten und den Verwaltungsgutachten von Dr. H. und Dr. B. dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs 1 ZPO). Die Gutachten gehen von zutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus, enthalten keine unlösbare inhaltliche Widersprüche und sie geben keinen Anlass, an der Sachkunde oder Unparteilichkeit der Gutachter zu zweifeln; weitere Beweiserhebungen waren daher von Amts wegen nicht mehr notwendig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dabei hat der Senat im Rahmen seines Ermessens insbesondere berücksichtigt, dass der Kläger in beiden Instanzen ohne Erfolg geblieben ist.
Die Revision wird nicht zugelassen, da Gründe für die Zulassung nicht vorliegen (§ 160 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved