L 11 R 2541/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 22 R 6832/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 2541/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 24.05.2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger aufgrund seines Antrags vom 27.07.2009 gegen die Beklagte ein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung, ggf bei Berufsunfähigkeit zusteht, insbesondere ob die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind.

Der 1953 geborene Kläger ist portugiesischer Staatsangehöriger. Er lebt seit dem 01.10.1969 in der Bundesrepublik Deutschland. Eine Ausbildung hat der Kläger nicht absolviert. Er arbeitete zunächst als Fabrikarbeiter. Von 1980 bis 1992 war er als Busfahrer beschäftigt, von 02/1993 bis 1999 als Gastronom selbständig tätig und von März 1999 bis Februar 2004 als Taxifahrer sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Ihm ist ein Grad der Behinderung iHv 30 seit dem 07.03.2005 zuerkannt. Arbeitslosengeld bezog der Kläger bis 14.08.2004. Bis 31.12.2004 legte der Kläger – auch mit Unterbrechungen – Pflichtbeitragszeiten zurück. Vom 01.01.2005 bis zum 30.06.2005 weist der Versicherungsverlauf eine Lücke auf, danach war der Kläger nur noch in geringfügigen versicherungsfreien Beschäftigungen tätig (zum Versicherungsverlauf vgl Blatt 92 bis 94 der SG-Akten). Leistungsbezug nach dem SGB II lag nicht vor.

Am 27.07.2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Zu diesem Antrag gab er an, sich seit Jahren wegen einer fortgeschrittenen Zuckererkrankung mit Bluthochdruck und schweren Depressionen sowie einer Augenkrankheit infolge der Zuckerkrankheit für erwerbsgemindert zu halten.

Aus einem Reha-Entlassbericht vom 09.11.2004 über eine auf Kosten der Beklagten durchgeführte stationäre medizinische Rehabilitation in der R.-Klinik o. d. T. vom 15.09.2004 bis zum 13.10.2004 ist ein nicht primär insulinabhängiger Diabetes mellitus Typ II mit neurologischen Komplikationen, eine arterielle Hypertonie, eine mittelgradige depressive Episode, ein Karpaltunnelsyndrom sowie eine adhäsive Entzündung der Schultergelenkkapsel zu entnehmen. Es bestehe Arbeitsfähigkeit für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung und vorwiegend in Tagesschicht.

Mit Bescheid vom 05.08.2009 lehnte die Beklagte die Gewährung der begehrten Rente ab, weil in den letzten fünf Jahren drei Jahre mit Pflichtbeiträgen nicht vorhanden seien. Im maßgeblichen Zeitraum vom 27.07.2004 bis 26.07.2009 seien nur sechs Kalendermonate mit entsprechenden Beiträgen belegt.

Hiergegen hat der Kläger am 02.09.2009 Widerspruch erhoben und ausgeführt, er sei mindestens seit 2005 voll erwerbsgemindert.

Vom 27.12.2009 bis zum 13.02.2010 befand sich der Kläger nach einem Hirnstamminfarkt am 28.11.2009 auf Kosten der Beklagten in einer stationären medizinischen Rehabilitation. Der Entlassbericht der R.-Klinik D. vom 01.03.2010 gibt einen Mediateilinfarkt rechts am 28.11.2009, arterio-arteriell-embolischer Genese, eine arterielle Hypertonie, einen Diabetes mellitus Typ II, insulinpflichtig, eine Hemiparese links sowie Anpassungsstörungen mit depressiver Reaktion an. Als Taxifahrer sei der Kläger nur noch unter drei Stunden leistungsfähig. Leichte Tätigkeiten zeitweise im Stehen und Gehen, überwiegend im Sitzen, in Tagesschicht könne der Kläger unter Beachtung von qualitativen Einschränkungen hinsichtlich der geistig/psychischen Belastbarkeit, des Bewegungs-/Haltungsapparates sowie hinsichtlich von Gefährdungs- und Belastungsfaktoren nach einer Rekonvaleszenzzeit von drei bis vier Monaten noch sechs Stunden und mehr ausüben.

Unter Berücksichtigung des Entlassberichts und von Befundberichten der behandelnden Ärzte MUDr./Univ. B. T., Dr. F., Dr. Z. und Dr. K. wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28.09.2010 zurück. Dem Kläger seien noch leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich zumutbar. Darüber hinaus seien im maßgeblichen Zeitraum vom 27.07.2004 bis 26.07.2009 nur sechs Kalendermonate mit entsprechenden Beiträgen belegt. Auch sei der Zeitraum vom 01.01.1984 bis 30.06.2009 nicht durchgehend mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien nur erfüllt, wenn Erwerbsminderung spätestens am 31.01.2007 eingetreten wäre.

Am 03.11.2010 hat der Kläger beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben. Er sei bereits seit Januar 2007 nicht mehr in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden erwerbstätig zu sein. Zwar habe die R.-Klinik im Jahr 2004 noch keine Erwerbsminderung feststellen können. Doch sei wegen des progredienten Krankheitsverlaufs Erwerbsminderung spätestens im Januar 2007 eingetreten.

Das SG hat Beweis erhoben durch Befragung der den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 38 bis 42 sowie 43 – 62 der SG-Akte Bezug genommen. Der Internist und Diabetologe Dr. G. hat dem SG am 05.01.2011 geschrieben, aus ausschließlich diabetologischer Sicht könne eine leichte Berufstätigkeit unter Beachtung gewisser qualitativer Einschränkungen und entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen noch sechs Stunden täglich verrichtet werden. Der Facharzt für Allgemeinmedizin MUDr./Univ. B. T. hat unter dem Datum des 20.01.2011 ausgeführt, der Kläger sei zuckerkrank und leide an Bluthochdruck. Beide Diagnosen seien schwerwiegende Krankheitsbilder, die im Laufe der Zeit stets progrediente Tendenz zeigten. Am 28.11.2009 habe der Kläger einen Hirnschlag mit Lähmungserscheinungen der linken Körperhälfte erlitten.

Vom 15.04.2011 bis zum 13.05.2011 befand sich der Kläger auf Kosten der Beklagten in einer stationären Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation. Der Entlassbesricht vom 18.05.2011 gibt einen Hirnstamminfarkt links mit mikroangiospastischer Genese, einen Zustand nach Mediateilinfarktinfarkt rechts mit Hemiparese links und Dysarthrie, eine depressive Verstimmung, einen Diabetes Mellitus Typ II sowie eine arterielle Hypertonie an. Als Taxifahrer sei der Kläger nur noch unter drei Stunden leistungsfähig, leichte Tätigkeiten zeitweise im Stehen und Gehen, überwiegend im Sitzen könne er unter Beachtung von qualitativen Einschränkungen hinsichtlich der geistig/psychischen Belastbarkeit sowie des Bewegungs- und Haltungsapparates und hinsichtlich Gefährdungs- und Belastungsfaktoren noch drei bis unter sechs Stunden ausüben.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 24.05.2011 abgewiesen. Die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente setze auch voraus, dass der Versicherte in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit habe. Der Kläger habe in dem maßgeblichen Zeitraum vom 27.07.2004 bis zum 26.07.2009 lediglich sechs Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen belegt. Da zudem keine Anhaltspunkte für eine Verlängerung des Fünf-Jahres-Zeitraums ersichtlich seien, seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Auch sei im Hinblick auf den Tag der Antragstellung jedenfalls nicht jeder Kalendermonat vom 01.01.1984 bis zum 30.06.2009 mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt und auch der Eintritt von Erwerbsminderung vor dem 01.01.1984 nicht nachgewiesen. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien längstens bis zum Eintritt einer Erwerbsminderung am 31.01.2007 erfüllt gewesen, allerdings sei der Eintritt von Erwerbsminderung bis zu diesem Zeitpunkt nicht nachgewiesen. Denn der Kläger sei bis einschließlich 31.01.2007 weder teilweise noch voll erwerbsgemindert gewesen. Zwar habe er zum damaligen Zeitpunkt bereits an einem mit Insulin behandelten Diabetes mellitus und einer Polyneuropathie sowie einer arteriellen Hypertonie gelitten, diese Erkrankungen hätten jedoch nicht zu einer Einschränkung der quantitativen Leistungsfähigkeit geführt. Dies habe auch der den Kläger behandelnde Internist und Diabetologe Dr. G. bestätigt, indem er den Kläger sogar im Zeitpunkt der Erstellung der sachverständigen Zeugenauskunft aus diabetologischer Sicht für vollschichtig leistungsfähig erachtet habe. Mithin habe die Zuckerkrankheit des Klägers sowie die Polyneuropathie als Folgeerkrankung derselben sowie der Bluthochdruck, die im Januar 2007 noch nicht zu weitergehenden Folgeschäden geführt hätten, keine Einschränkung des Leistungsvermögens des Klägers in quantitativer Hinsicht bedeutet.

Gegen den seinem Bevollmächtigten am 30.05.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 17.06.2011 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt. Er gehe davon aus, dass die Drei-Fünftel-Belegung längstens bis zum Eintritt einer Erwerbsminderung am 31.01.2007 erfüllt gewesen seien. Allerdings sei das SG zu Unrecht zu dem Ergebnis gekommen, er sei damals noch nicht erwerbsgemindert gewesen. Aufgrund der Diabeteserkrankung, wegen der er bereits seit 17 Jahren mit Insulin behandelt werde, und dem ungünstigen Krankheitsverlauf habe er als sekundäre Folgeschäden eine diabetische Retinopathie, eine periphere arterielle Versschlusskrankheit und eine diabetische Polyneuropathie entwickelt. Wegen dieser sowie der Hemiparese rechts sei er seit mindetsens 2004 erwerbsgemindert.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 24.05.2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 05.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.09.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung ggf bei Berufsunfähigkeit, seit dem zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Das Leistungsvermögen sei frühestens seit dem 28.11.2009 gemindert. Zu diesem Zeitpunkt seien aber die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt gewesen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig, aber unbegründet.

Der Senat konnte über die Berufung ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben und der Senat eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 SGG).

Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 iVm Abs 4 SGG) ist der die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ablehnende Bescheid der Beklagten vom 05.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.09.2010. Dieser Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich für die Zeit bis 31.12.2007 nach § 43 SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung und für die anschließende Zeit nach § 43 SGB VI in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl I, 554). Dies folgt aus § 300 Abs 1 SGB VI. Danach sind die Vorschriften des SGB VI von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat.

Versicherte haben nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs 1 und Abs 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).

Ob der Kläger zur Zeit der Antragstellung bzw heute erwerbsgemindert in diesem Sinne ist, kann dahinstehen, denn der Kläger hat insoweit die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt (dazu unter A.). Der Kläger war aber auch zum Zeitpunkt der letztmaligen Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen am 31.01.2007 nicht erwerbsgemindert iSd §§ 43 Abs 1 und 2 bzw 240 SGB VI, sodass er auch aus diesem Grund keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller bzw teilweiser Erwerbsminderung ggf bei Berufsunfähigkeit hat.

A. Zum Zeitpunkt der Antragstellung waren die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen einer Rente wegen Erwerbsminderung iSd § 43 Abs 1 und 2 bzw § 241 SGB VI nicht erfüllt. Zwar hat der Kläger die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren erfüllt (§ 50 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI), da jedenfalls 60 Kalendermonate mit anrechenbaren Zeiten belegt sind. Doch hat er die besondere versicherungsrechtliche Voraussetzung der Belegung von drei Jahren mit Pflichtbeiträgen innerhalb der letzten fünf Jahre vor Eintritt des Leistungsfalles der Erwerbsminderung nicht erfüllt. Dabei stehen Pflichtbeitragszeiten wegen Bezugs von Krankengeld oder Arbeitslosengeld Pflichtbeitragszeiten wegen einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit gleich (§§ 55 Abs 2 Nr 2, 3 Satz 1 Nr 3 SGB VI). Bei fiktiver Annahme eines Leistungsfalls zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung am 27.07.2009 hat der Kläger im maßgeblichen Fünf-Jahres-Zeitraum, also in der Zeit vom 27.07.2004 bis zum 26.07.2009, lediglich sechs Monate (Juli 2004 bis Dezember 2004) mit Pflichtbeitragszeiten belegt. In der Zeit danach hat der Kläger allenfalls ab 01.07.2005 Zeiten einer geringfügigen versicherungsfreien Tätigkeit zurückgelegt, die vorliegend nicht zu berücksichtigen sind, jedoch keine Pflichtbeitragszeiten mehr.

Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung verlängert sich gemäß § 43 Abs 4 SGB VI um folgende Zeiten, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind: (1.) Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, (2.) Berücksichtigungszeiten, (3.) Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nummer 1 oder 2 liegt, (4.) Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung. Zeiten nach § 43 Abs 4 Nr 2 und 4 SGB VI liegen offensichtlich nicht vor. Der Kläger hat jedoch auch keine Anrechnungszeiten iSd § 58 SGB VI zurückgelegt, weshalb der Fünfjahreszeitraum nicht zu verlängern ist. Denn der Kläger war insbesondere nicht wegen Krankheit arbeitsunfähig gewesen (zur Anrechnungszeit vgl § 58 Abs 1 Nr 1 SGB VI). Zwar hat der Kläger im Rentenantrag angegeben, seine Tätigkeit als Taxifahrer aus gesundheitlichen Gründen eingeschränkt zu haben; dagegen wird im Reha-Entlassbericht vom 09.11.2004 berichtet, die Beschäftigung habe wegen Arbeitsmangels geendet. Doch spricht gegen das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit, dass er seinen Beruf tatsächlich zumindest noch in gewissem Umfang ausgeübt hat (dazu vgl die geringfügige Beschäftigung) und die behandelnden Ärzte keine Arbeitsunfähigkeitszeiten mitgeteilt haben. So hat zB Dr. Z. in seinem Befundbericht vom 16.10.2009 die Frage nach aktueller Arbeitsunfähigkeit bzw Arbeitsunfähigkeit innerhalb der letzten zwei Jahre verneint bzw mit "unbekannt" beantwortet. Dr. K. hat in seinem Befundbericht vom 28.10.2009 zwar eine Arbeitsunfähigkeit von mehr als drei Monaten innerhalb der letzten zwei Jahre angegeben, nicht jedoch eine Arbeitsunfähigkeit von mehr als sechs Monaten. Selbst wenn also insoweit der Fünfjahreszeitraum um diese Zeiten, mithin um bis zu sechs Monate, verlängert würde, wären in dem dann verlängerten Zeitraum noch immer nicht 36 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen belegt. Auch liegt eine Anrechnungszeit iSd § 58 Abs 1 Nr 3 SGB VI nicht vor. Danach liegt eine Anrechnungszeit vor, wenn der Versicherte wegen Arbeitslosigkeit bei einer deutschen Agentur für Arbeit als Arbeitsuchende gemeldet war und eine öffentlich-rechtliche Leistung bezogen oder nur wegen des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens nicht bezogen hat. Zwar hat der Kläger Leistungen nach dem SGB II beantragt und nicht erhalten. Doch konnte der Senat nicht feststellen, dass der Kläger im Fünfjahreszeitraum - über den Bezug von Arbeitslosengeld bis 14.08.2004 hinaus - wegen Arbeitslosigkeit bei einer deutschen Agentur für Arbeit als Arbeitsuchender gemeldet war. Damit liegt jedenfalls keine so weitgehende Verlängerung des Fünfjahreszeitraums vor, dass in dem dann maßgeblichen Zeitraum 36 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen belegt wären.

Des Weiteren ist die Belegung von 36 Kalendermonaten mit Pflichtbeiträgen innerhalb der letzten fünf Jahre nicht nach § 43 Abs 5 SGB VI entbehrlich. Danach ist eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist (dazu vgl § 53 SGB VI). Dies ist aber vorliegend nicht der Fall. Auch kann nicht nach § 240 Abs 2 SGB VI auf die Belegung mit Pflichtbeitragszeiten verzichtet werden. Denn der Kläger hat zwar vor dem 01.01.1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt, doch hat er seither nicht jeden Kalendermonat mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt; insbesondere findet sich eine unbelegte Lücke vom 01.01.2005 bis zum 30.06.2005. Der Kläger war aber auch nicht bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert, weshalb auch nicht iSd § 43 Abs 6 SGB VI auf die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen verzichtet werden kann.

Damit liegen die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung iSd §§ 43 Abs 1 und 2 bzw 240 SGB VI bezogen auf den Tag der Antragstellung nicht vor.

B. Der Kläger war aber auch zum Zeitpunkt der letztmaligen Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen am 31.01.2007 nicht erwerbsgemindert iSd §§ 43 Abs 1 und 2 bzw 240 SGB VI. Die dort gesetzlich normierten Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Von einer maßgeblichen Einschränkung des Leistungsvermögens der Klägerin in zeitlicher Hinsicht ist vor dem Hirnstamminfarkt im November 2009 jedenfalls nicht auszugehen. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die ausführlichen und überzeugenden Darstellungen im angefochtenen Gerichtsbescheid und weist die Berufung zur Vermeidung von Wiederholungen aus diesen Gründen zurück (§ 153 Abs 2 SGG). Auch aus den im Berufungsverfahren vorgelegten Unterlagen konnte der Senat keine rentenrechtlich relevante Einschränkung der Leistungsfähigkeit ableiten. Alleine die seit vielen Jahren bestehende insulinpflichtige Diabeteserkrankung bedingt noch keine Erwerbsminderung im gesetzlichen Sinne. Denn Einschränkungen der Leistungsfähigkeit konnten letztlich in für den Senat überzeugender Weise erst nach dem Hirnstamminfarkt im November 2009 dokumentiert werden. Insbesondere besteht die Hemiparese erst seit dem Hirnstamminfarkt im November 2009; keiner der behandelnden Ärzte konnte für die Zeit vorher eine solche Hemiparese schlüssig darlegen. Soweit Dr. Travnicek in seinem Attest vom 14.07.2011 eine Hemiparese seit 2004 anführt, konnte der Senat dies nicht bestätigt finden. Denn der Entlassbericht vom 09.11.2004 konnte eine solche Hemiparese nicht benennen, vielmehr dagegen noch Erwerbsfähigkeit für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung und vorwiegend in Tagesschicht darlegen. Dem entsprechen auch die in der Verwaltungsakte vorliegenden ärztlichen Berichte vom 20.09.2004 (Dr. H.) und 23.09.2004 (Dr. P.). Weitere ärztliche Unterlagen liegen erst ab dem Jahr 2009 vor. Dort ergeben sich erst aus dem Bericht der Rehabilitation im Jahr 2010 dokumentierte zeitliche Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit. Auf dieser Basis konnte sich der Senat nicht davon überzeugen, dass der Kläger vor November 2009 nicht mehr in der Lage gewesen wäre, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter den dort üblichen Bedingungen mindestens sechs Stunden arbeitstäglich hätte verrichten können. Zu diesem Zeitpunkt waren aber die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung iSd §§ 43 Abs 1 und 2 bzw 240 SGB VI nicht mehr erfüllt.

Der Kläger hat damit keinen Anspruch auf eine Rente wegen voller bzw teilweiser Erwerbsminderung ggf bei Berufsunfähigkeit. Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dabei hat der Senat im Rahmen seines Ermessens insbesondere berücksichtigt, dass der Kläger in beiden Instanzen ohne Erfolg geblieben ist.

Die Revision wird nicht zugelassen, da Gründe für die Zulassung nicht vorliegen (§ 160 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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