L 4 P 436/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 436/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Es wird festgestellt, dass das Berufungsverfahren L 4 P 4842/12 durch die Berufungsrücknahme vom 14. Januar 2013 erledigt ist.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger ab 1. März 2010 Anspruch auf Pflegegeld nach der Pflegestufe II statt der Pflegestufe I hat, wobei zunächst zu entscheiden ist, ob das Berufungsverfahren durch die Berufungsrücknahme vom 14. Januar 2013 beendet ist.

Der am 2005 geborene Kläger ist familienversichertes Mitglied der Beklagten. Seit Dezember 2008 erhält er Pflegegeld nach der Pflegestufe I (Bescheid vom 6. Februar 2009). Den am 5. März 2010 gestellten Höherstufungsantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 14. Mai 2010/Widerspruchsbescheid vom 1. Februar 2011 ab. Die hiergegen von den früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers, die eine von den gesetzlichen Vertretern des Klägers am 20. Juli 2010 unterzeichnete Vollmacht für alle Instanzen vorgelegt hatten, am 20. Juli 2011 erhobene Klage wies das Sozialgericht Heilbronn (SG) mit Urteil vom 3. August 2012 ab. Gegen das am 24. Oktober 2012 an die früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellte Urteil legte sein jetziger Prozessbevollmächtigter mit Schriftsatz vom 19. November 2012 unter Beifügung einer Vollmacht vom 14. November 2012 Berufung ein, die beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) am 22. November 2012 einging und unter dem Aktenzeichen L 4 P 4843/12 geführt wurde. Mit Schriftsatz vom 23. November 2012 legten die früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers für ihn gleichfalls Berufung ein, die beim SG am 23. November 2012 einging. Auf Anfrage der Berichterstatterin teilte der jetzige Prozessbevollmächtigte unter dem 20. Dezember 2012 mit, dass er nunmehr den Kläger vertrete und eine entsprechende Mitteilung an den früheren Prozessbevollmächtigten bereits erfolgt sei. Mit Schriftsatz vom 14. Januar 2013, beim SG eingegangen am 14. Januar 2013, nahmen die früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers "das mit Schreiben vom 23. November 2012 gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 3. August 2012 eingelegte Rechtsmittel der Berufung hiermit ausdrücklich zurück", worauf der Senat das unter dem Aktenzeichen L 4 P 4843/12 geführte Verfahren als durch Rücknahme der Berufung erledigt ansah.

Mit Schriftsatz vom 24. Januar 2013, beim LSG eingegangen am 25. Januar 2013, hat der jetzige Prozessbevollmächtigte des Klägers mitgeteilt, dass der frühere Bevollmächtigte des Klägers mit dem Schreiben vom 14. Januar 2013 nur seine ohne Vollmacht eingelegte Berufung zurückgenommen habe. Seine - eigene - Berufung vom 19. November 2012 bleibe aufrechterhalten.

Der Kläger beantragt,

das Berufungsverfahren L 4 P 4842/12 fortzuführen sowie das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 3. August 2012 und den Bescheid der Beklagten vom 14. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Februar 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. März 2010 Pflegegeld nach Pflegestufe II zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Verfahrens wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Vorprozessakten S 10 P 564/11 und L 4 P 4842/12 und die Senatsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Das Begehren des Klägers auf Fortsetzung des Berufungsverfahrens L 4 P 4842/12 ist zulässig, aber unbegründet. Das Berufungsverfahren L 4 P 4842/12 ist aufgrund der durch den früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers erklärten Berufungsrücknahme erledigt.

Die Berufung des Klägers gegen das am 24. Oktober 2012 seinen früheren Prozessbevollmächtigten zugestellte Urteil des SG ist mit dem Eingang des unter dem 19. November 2012 gefertigten Schriftsatzes des jetzigen Prozessbevollmächtigten beim LSG anhängig geworden. Die weitere mit Schriftsatz der früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 23. November 2012 eingelegte Berufung enthielt keine selbstständige Einlegung einer weiteren Berufung und leitete nicht ein zweites Berufungsverfahren ein (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 18. November 1997 - 2 RU 45/96 - in juris). Die früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers wiederholten damit lediglich die vorangegangene Berufungseinlegung, ohne dass das bereits anhängige Berufungsverfahren berührt worden wäre. Mehrere Bevollmächtigte sind gemäß § 73 Abs. 6 Satz 7 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 84 Zivilprozessordnung (ZPO) berechtigt, sowohl gemeinsam als auch einzeln den Beteiligten zu vertreten (Leitherer in Meyer-Ladewig, SGG, 10. Auflage, § 73 Rdnr. 72). Hier sind der jetzige, erstmals im Berufungsverfahren aufgetretene Prozessbevollmächtigte und die früheren Prozessbevollmächtigte einzeln aufgetreten. Die Einlegung der Berufung durch den jetzigen Prozessbevollmächtigten wirkte für den Kläger, die von den früheren Prozessbevollmächtigten für den Kläger ebenfalls eingelegte Berufung entfaltete keine zusätzliche Wirkung (BSG, Urteil vom 18. November 1997 a.a.O.).

Da nach § 156 Abs. 3 SGG die Rücknahme der Berufung den Verlust des Rechtsmittels bewirkt, wurde das beim LSG anhängige Berufungsverfahren L 4 P 4842/12 gegen das Urteil des SG vom 3. August 2012 durch die Rücknahmeerklärung seiner früheren Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 14. Januar 2013 beendet. Diese wirksame Prozesshandlung war von der am 20. Juli 2010 erteilten Prozessvollmacht, die keine Beschränkungen im Sinne des über § 73 Abs. 6 Satz 7 SGG anwendbaren § 83 Abs. 1 ZPO enthielt, gedeckt. Die den früheren Prozessbevollmächtigten vom Kläger erteilte Prozessvollmacht war im Zeitpunkt der Rücknahme der Berufung auch noch nicht erloschen. Eine Prozessvollmacht endet nicht ohne Weiteres von selbst durch Bestellung eines anderen Bevollmächtigten (BSG, Urteil vom 18. November 1997 a.a.O.). Der Vollmachtgeber muss vielmehr den Prozessbevollmächtigten das Mandat entziehen und dem Gericht, bei dem die Sache anhängig ist, vom Erlöschen der Vollmacht Kenntnis geben (Leitherer in Meyer-Ladewig a.a.O. § 73 Rdnr. 74). Dies war hier nicht der Fall. Zwar hat der jetzige Prozessbevollmächtigte mitgeteilt, dass er nunmehr den Kläger vertrete und dies den früheren Prozessbevollmächtigten mitgeteilt habe. Dieser Erklärung kann aber nicht entnommen werden, dass das Mandat der früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers beendet ist und dass diesen die Vollmacht entzogen wurde. Die früheren Prozessbevollmächtigten haben in ihrem Schriftsatz vom 14. Januar 2013, mit dem sie die Rücknahme erklärten, auch nicht mitgeteilt, dass ihre Vollmacht erloschen sei. Aber auch selbst wenn die früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers im Innenverhältnis zum Kläger im Berufungsverfahren nicht mehr befugt gewesen sein sollten, für den Kläger Prozesserklärungen abzugeben, galten sie kraft der ihnen erteilten Prozessvollmacht doch noch als dessen Prozessbevollmächtigter. Damit muss sich der Kläger die Prozessführung - also auch die Zurücknahme der Berufung - durch die früheren Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen (§ 73 Abs. 6 Satz 7 SGG i.V.m. § 85 ZPO; BSG, Beschlüsse vom 7. Dezember 2000 - B 8 KN 11/00 U B - und 15. Dezember 2008 - B 11 AL 115/08 B -, jeweils in juris).

Da nur ein Berufungsverfahren anhängig war, konnte jeder Prozessbevollmächtigte (einzeln) dieses durch Rücknahme beenden. Die Rücknahme ist durch die im Schriftsatz der früheren Prozessbevollmächtigten vom 14. Januar 2013 abgegebene Erklärung, dass das eingelegte Rechtsmittel der Berufung ausdrücklich zurückgenommen werde, erfolgt.

Die Rücknahmeerklärung beschränkte sich auch nicht auf die eigene Prozesserklärung der früheren Prozessbevollmächtigten, sondern betraf die Berufung insgesamt. Zwar haben die früheren Prozessbevollmächtigten erklärt, dass sie die mit Schreiben vom 23. November 2012 gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 3. August 2012 eingelegte Berufung ausdrücklich zurücknehmen. Damit wurde jedoch nicht nur die von den früheren Prozessbevollmächtigten erhobene Berufung zurückgenommen. Der Senat verkennt insoweit nicht, dass durch die Bezugnahme auf das mit Schreiben vom 23. November 2012 eingelegte Rechtsmittel sich die Rücknahmeerklärung auf die eigene Prozesserklärung der früheren Prozessbevollmächtigten beschränken könnte. Im Schriftsatz vom 14. Januar 2013 heißt es jedoch weiter, dass das "eingelegte Rechtsmittel der Berufung hiermit ausdrücklich zurück" (genommen wird). Diese - weitere - Erklärung enthält keine Beschränkung darauf, dass nicht das gesamte Prozessrechtsverhältnis betroffen wäre. Dies gilt insbesondere auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass den früheren Prozessbevollmächtigten zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung am 14. Januar 2013 bekannt gewesen sein muss, dass der Kläger nunmehr (auch) von dem jetzigen Prozessbevollmächtigten vertreten wird, nachdem nach dem Vortrag des jetzigen Prozessbevollmächtigten, eine Mitteilung, dass er den Kläger vertrete, im Dezember 2012 an die früheren Prozessbevollmächtigten erfolgte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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