L 4 R 1190/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 2635/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 1190/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 23. Februar 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Weitergewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit über den 31. Dezember 2008 hinaus.

Die am 1964 geborene Klägerin ist türkische Staatsangehörige und siedelte im Jahr 1978 in die Bundesrepublik Deutschland über. Nach ihren eigenen Angaben erlernte sie keinen Beruf und war bis zum Beginn ihrer Arbeitsunfähigkeit im Mai 2007 als Schuhpoliererin, verpackerin und Reinigerin sowie zuletzt als Maschinenarbeiterin sozialversicherungspflichtig beschäftigt.

Erstmals hatte die Klägerin am 6. März 2008 die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit beantragt. Zur Begründung hatte sie ausgeführt, seit 2006 an schweren Depressionen mit Panikattacken zu leiden. Ferner bestehe bei ihr Inkontinenz, ein Lendenwirbelsäulen (LWS)-Syndrom, Migräne, eine Schilddrüsenunterfunktion mit Entzündungen, Kreislaufbeschwerden sowie eine Hornhautverkrümmung am rechten Auge. Die Beklagte hatte daraufhin den Reha-Entlassungsbericht des Prof. Dr. R., S.-F.-Stift B. K., vom 6. Dezember 2007 beigezogen, in der sich die Klägerin im Zeitraum vom 2. Oktober 2007 bis 13. November 2007 anlässlich einer von der Beklagten finanzierten medizinischen Rehabilitationsmaßnahme stationär aufgehalten hatte. Prof. Dr. R. hatte eine rezidivierende depressive Störung bei gegenwärtig mittelgradiger Episode sowie eine Somatisierungsstörung diagnostiziert. Die Klägerin könne sowohl ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Arbeiterin als auch mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen weiterhin ausüben. Zu beachten sei hierbei, dass eine eingeschränkte Konzentrations- und Merkfähigkeit sowie eine Einschränkung im Umstellungs- und Anpassungsvermögen vorliege. Es könne damit nur eine bedingte Verantwortung für Maschinen und keine Verantwortung für Personen übernommen werden. Mit Bescheid vom 17. März 2008 hatte die Beklagte den Rentenantrag der Klägerin zunächst abgelehnt. Aufgrund ihres hiergegen eingelegten Widerspruchs hatte die Beklagte die Klägerin vom Neurologen und Psychiater Dr. W. untersuchen und begutachten lassen. Dieser hatte in seinem Gutachten vom 7. Juni 2008 ausgeführt, die Klägerin leide an einer mittelgradigen depressiven Episode. Ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Maschinenarbeiterin im Akkord könne sie lediglich unter drei Stunden täglich, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt lediglich drei bis unter sechs Stunden täglich ausüben. Mit Rentenbescheid vom 15. Oktober 2008 hatte die Beklagte der Klägerin daraufhin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung für den Zeitraum vom 1. Dezember 2007 bis 31. Dezember 2008 gewährt.

Am 16. Oktober 2008 beantragte die Klägerin die Weitergewährung ihrer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit über den 31. Dezember 2008 hinaus. Die Beklagte veranlasste anschließend wiederum eine Untersuchung und Begutachtung durch Dr. W ... In seinem Gutachten vom 25. November 2008 legte Dr. W. dar, die Klägerin leide an einer leichten depressiven Episode. Daher seien Akkordarbeiten sowie Zwei- oder Dreischichtarbeit nicht leidensgerecht. Leichte und mittelschwere körperliche Tätigkeiten könne die Klägerin jedoch im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen sechs Stunden und mehr täglich in Tagschicht ausüben. Anlässlich der Untersuchung brachte die Klägerin eine Stellungnahme des sie behandelnden Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. R. vom 30. Oktober 2008 mit, die zur Vorlage bei ihrem letzten Arbeitgeber verfasst worden war. Darin führte der Psychiater aus, die Klägerin leide an einer schweren prolongierten depressiven Episode, die schwer behandelbar gewesen sei und sich über viele Monate hingezogen habe. Der Gesundheitszustand der Klägerin und die Depression habe sich soweit gebessert, dass von einer Remission gesprochen werden könne. Insoweit sei bei Wiedereingliederung der Klägerin ins Berufsleben zu beachten, dass keine Tätigkeiten im Dreischichtbetrieb durchgeführt werden sollten; vielmehr dürfe die Klägerin in Zukunft nur noch in Tagschicht arbeiten. Dann sei aus seiner Sicht eine stabile Gesundheit der Klägerin zu erwarten.

Mit Bescheid vom 18. Dezember 2008 lehnte die Beklagte den Weitergewährungsantrag der Klägerin ab. Zwar sei die Erwerbsfähigkeit der Klägerin durch die bei ihr vorhandenen Gesundheitsstörungen beeinträchtigt; mit dem vorhandenen Leistungsvermögen könne sie jedoch unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich ausüben. Bei diesem Leistungsvermögen liege weder volle noch teilweise Erwerbsminderung vor.

Hiergegen erhob die Klägerin unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung von Dr. R. vom 10. Februar 2009 Widerspruch. Darin führte dieser aus, die Klägerin habe im Dezember 2008 eine erneute schwere depressive Episode, diesmal mit psychotischen Symptomen entwickelt. Zusätzlich sei auch eine Pseudodemenz hinzugekommen, so dass sie sich nicht mehr habe konzentrieren können. Sie leide nunmehr wiederum an Halluzinationen, habe paranoide Gedanken und sitze nur noch im Dunkeln. Zusätzlich habe sich eine starke Angstsymptomatik mit generalisierten Angst- und Panikattacken eingestellt. Dies alles geschehe trotz kontinuierlicher angemessener psychischer Medikation. Der anschließend mit einer weiteren Begutachtung der Klägerin betraute Arzt für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Sc. legte in seinem Gutachten vom 24. Mai 2009 dar, die Klägerin leide an einer Dysthymia, Anpassungsstörungen sowie (anamnestisch) schädlichem Alkoholkonsum. Im Gegensatz zu Dr. R. könne er die diagnostische Einschätzung einer schweren depressiven Episode mit psychotischen Symptomen nicht teilen. Die diagnostischen Kriterien des ICD-10 seien nicht erfüllt. Vielmehr falle auf, dass die Verstärkung der psychischen Symptomatik in den Zeitraum der Ablehnung der Weitergewährung der Zeitrente falle. Auch sei bei der Diagnose einer schweren depressiven Episode mit psychotischen Symptomen in der Regel ein akut stationärer Aufenthalt indiziert, der im Fall der Klägerin nicht durchgeführt worden sei. Die Klägerin habe sich bei der Untersuchung geistig flexibel gezeigt. Ferner hätten keine hirnorganischen Erkrankungen bestanden. Auch kognitive Defizite hätten sich nicht erheben lassen. Des Weiteren habe sie keine Antriebsminderung oder psychomotorische Hemmungen gezeigt. Auch sozialphobische Züge seien von ihr nicht berichtet worden. Zwar habe sie Rückzugstendenzen angeführt; dies habe jedoch nicht authentisch gewirkt. Im Ergebnis gelangte er zu der Einschätzung, die Klägerin könne sowohl eine Tätigkeit als Maschinenarbeitern als auch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen, in Früh-/Spätschicht und Tagesschicht, nicht hingegen in Nachtschicht, sechs Stunden und mehr täglich ausüben.

Mit Widerspruchsbescheid vom 3. Juli 2009 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch der Klägerin mit der Begründung zurück, der Klägerin seien auch unter Berücksichtigung der festgestellten Gesundheitsstörungen leichte bis mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in wechselnder Körperhaltung überwiegend im Sitzen und ohne Nachtschicht mindestens sechs Stunden täglich zumutbar. Die Klägerin sei auch nicht berufsunfähig, da sie nachdem 1. Januar 1961 geboren sei und ihr in der zuletzt ausgeübten Beschäftigung vorhandenes Leistungsvermögen damit nicht maßgeblich sei.

Die Klägerin erhob am 28. Juli 2009 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG). Entgegen der Auffassung der Beklagten leide sie an einer schweren Depression mit psychotischen Symptomen. Es komme immer wieder zu Angst- und Panikattacken. Zusätzlich leide sie an Halluzinationen und habe latente Suizidgedanken. Sie verlasse ihre Wohnung nur noch in Begleitung. Auch sei sie nicht mehr in der Lage, ihren eigenen Haushalt zu führen. Dieser werde komplett von ihrer Tochter übernommen.

Die Beklagte trat der Klage unter Berufung auf die Begründung des Widerspruchsbescheids und die (vorgelegte) Stellungnahme des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. H. vom 11. Januar 2010 entgegen.

Das SG hörte die die Klägerin behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. Go. legte dar (Auskunft vom 16. November 2009), die Klägerin sei seit September 2009 in seiner Behandlung gewesen. Er habe bei ihr einen Zustand nach Bandscheibenhernie, eine beginnende Osteochondrose der LWS sowie einen Senk-/Spreizfuß festgestellt. Unter der Voraussetzung, dass die Klägerin keine rückenbelastende Tätigkeit ausübe, sei sie in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt regelmäßig sechs Stunden täglich auszuüben. Facharzt für Allgemeinmedizin C. (Auskunft vom 23. November 2009), bei dem die Klägerin seit 2001 in Behandlung war, führte aus, die Klägerin leide an schwersten depressiven Episoden mit psychosomatischen Beschwerden. Ferner bestehe ein Halswirbelsäulen (HWS)-LWS-Syndrom und ein Schulter-Arm-Syndrom. Aufgrund der schweren rezidivierenden therapieresistenten depressiven Episoden fehlten Konzentration und Ausdauer, so dass auch leichte regelmäßige Tätigkeiten nicht auszuüben seien. Ferner leide die Klägerin an einer Lumboischialgie links, weswegen Wegstrecken von über 500 Metern nicht zurücklegbar seien. Maßgeblich sei jedoch die Beurteilung auf dem Fachgebiet der Psychiatrie und Psychosomatik. Nervenfacharzt Dr. R. führte insoweit in seiner Auskunft vom 23. November 2009 aus, die Klägerin befinde sich seit März 2006 in seiner Behandlung und stelle sich in vier- bis sechswöchigen Abständen vor. Sie leide an chronifizierten schweren Episoden mit psychotischen Symptomen bei rezidivierenden depressiven Störungen. Ferner bestehe bei der Klägerin eine Dysthymia, eine Somatisierungsstörung, ein Schulter-Arm-Syndrom sowie ein HWS-LWS-Syndrom. Die Klägerin sei aufgrund ihrer mit paranoid-wahnhaften Färbungen verbundenen depressiven Episoden derzeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht vermittelbar. Eine Restleistungsvermögen sei aus seiner Sicht nicht mehr vorhanden.

Der anschließend von Amts wegen beauftragte Chefarzt der Klinik für Suchttherapie, Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, Dr. H., führte in seinem Gutachten vom 13. Februar 2010 aus, die Klägerin leide an einer depressiven Erkrankung, wobei die Kriterien für das Vorliegen einer leichten depressiven Episode im Grenzbereich zu einer mittelgradigen depressiven Episode erfüllt würden. Die Stimmungslage sei insgesamt leicht, themenabhängig auch mäßig gedrückt; andererseits sei es auch zu einer gewissen Auflockerung gekommen. Demgegenüber habe sich eine schwere depressive Episode nicht gezeigt. Eine eigenständige somatoforme Störung im Sinne eines psychiatrischen Klassifikationssystems sei nicht erfüllt, ebenso wenig das einer Angsterkrankung. Es hätten sich auch keine Störung der Konzentration, der Auffassung und des Durchhaltevermögens oder des Gedächtnisses gezeigt. Neurologische Erkrankungen hätten sich ebenfalls nicht nachweisen lassen. Aufgrund der psychischen Erkrankungen müsse eine Überforderung durch Akkordarbeit, Nachtarbeit oder durch Arbeiten unter besonderem Zeitdruck vermieden werden. Dies gelte auch für besonders hohe Ansprüche an Auffassung und Konzentration sowie für eine besonders hohe Verantwortung und besonders hohe geistige Beanspruchung. Demonstrative Tendenzen seien unverkennbar gewesen. Insoweit seien zum Teil einfache Fragen zunächst nicht oder nur mit erheblicher Verzögerung beantwortet worden. Dies habe in keinem Verhältnis zu dem sonst in der Untersuchungssituation feststellbaren Leistungsniveau gestanden. Die Klägerin habe im Rahmen der Untersuchung das Bild einer einerseits schwer depressiven und andererseits dementen Patientin zu vermitteln versucht; dies werde allerdings durch die vorliegenden Befunde nicht gestützt. Es hätte sich weder das Vorliegen eines demenziellen Prozesses noch eine schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen nachweisen lassen. Einschränkungen der Wegefähigkeit seien nicht vorhanden. Im Ergebnis könne die Klägerin sowohl eine Tätigkeit im zuletzt ausgeübten Beruf als auch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich ausüben. Übereinstimmung bestehe mit dem Begutachtungsergebnis von Dr. W. im November 2008 und im Ergebnis auch mit demjenigen von Dr. Sc. im Gutachten vom 25. Mai 2009. Demgegenüber könne er der Leistungseinschätzung des Dr. R. im Hinblick auf das Vorliegen des Ausmaßes der depressiven Symptomatik nicht zustimmen. Dieser habe als behandelnder Arzt die jetzt eindeutig feststellbaren demonstrativen Tendenzen nicht gewürdigt.

Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 23. Februar 2011 ab. Der Klägerin stehe ein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht zu, da sie noch in der Lage sei, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Beachtung gewisser qualitativer Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Dies ergebe sich aus dem Gutachten des Dr. H., des Dr. W. sowie der sachverständigen Zeugenauskunft des die Klägerin behandelnden Orthopäden Dr. Go ... Den Gutachten des Dr. W. und des Dr. H. komme ein höherer Beweiswert zu als den sachverständigen Zeugenauskünften der die Klägerin behandelnden Ärzte Dr. R. und C ... Da die Klägerin nicht vor dem 2. Januar 1961 geboren sei, bestehe auch kein Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 25. Februar 2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 21. März 2011 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, die Beklagte habe die bei ihr vorhandenen Gesundheitsbeeinträchtigungen nicht in ausreichendem Umfang gewürdigt. Entgegen der Auffassung des SG komme dem Gutachten des Sachverständigen Dr. H. kein höherer Beweiswert zu als den Aussagen der die Klägerin behandelnden Fachärzte, da sich das Gutachten nicht mit den Halluzinationen und paranoiden Gedanken sowie der starken Angstsymptomatik auseinandersetze.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 23. Februar 2011 sowie den Bescheid vom 18. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Juli 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung über den 31. Dezember 2008 hinaus zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. St. auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Dieser hat in seinem Gutachten vom 20. März 2012 ausgeführt, die Klägerin leide an einer rezidivierenden depressiven Störung bei derzeit mittelgradiger Episode ohne psychotische Symptomatik, an Panikattacken sowie episodischem Alkoholabusus. Neurologischerseits sei eine rezidivierende Lumboischialgie ohne motorische oder sensible Ausfälle festzustellen. Die Beschreibung der krankheitsbedingten Einschränkung der Belastbarkeit und der Lebensqualität wirke manchmal etwas übertrieben ausgestaltet; allerdings könne man nicht von einer Simulation als bewusstes Vortäuschen von Gesundheitsstörungen ausgehen. Es handele sich eher um eine Verdeutlichungstendenz der vorhandenen Beschwerden. Eine Überwindung der depressiven Verstimmungszustände sei aus eigener Kraft nur schwer möglich; unter ärztlicher Mithilfe könne aber eine wesentliche Verbesserung erreicht werden. Insoweit sei nach dem Bericht des behandelnden Psychiaters Dr. R. vom Oktober 2008 eine nicht lang anhaltende Remission der depressiven Symptomatik geschildert worden. Allerdings seien auch trotz adäquater medikamentöser und psychotherapeutischer Behandlung Rückfälle immer wieder möglich. Insoweit könne die Gewährung von Rente eine gewisse Entlastung darstellen, falls sich die schwierige finanzielle Situation der Klägerin dadurch wesentlich verbessern würde. Wegen der eingeschränkten Belastbarkeit seien Tätigkeiten unter besonderem Zeitdruck oder Akkordarbeit zu vermeiden. Ebenso gelte dies für Tätigkeiten, die hohe Ansprüche an Konzentration und Auffassungsgabe stellten, oder Tätigkeiten, die mit einer das normale Maß deutlich übersteigenden Verantwortung oder besonderen geistigen Beanspruchung verbunden sein. Bei Beschäftigungen mit Publikumsverkehr müsse das Auftreten von Panikattacken befürchtet werden. Im Hinblick auf die rezidivierenden Lumboischialgien seien Tätigkeiten zu vermeiden, die ständiges Stehen, häufiges Bücken oder Heben schwerer Lasten erforderlich machten. Insoweit kämen leichte körperliche Tätigkeiten, wie beispielsweise einfache Maschinenarbeiten bzw. Kontroll- oder Verpackungstätigkeiten in Frage. Leichtere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien der Klägerin unter Beachtung der genannten qualitativen Leistungseinschränkungen allerdings lediglich noch drei bis weniger als sechs Stunden täglich möglich. Eine Verbesserung ihres gesundheitlichen Zustandes sei möglich. Leider seien im ambulanten Bereich die Angebote für Psychotherapien in türkischer Sprache sehr eingeschränkt. Die Klägerin habe sich seit längerer Zeit vergeblich bemüht, einen Therapieplatz zu finden. Auch sei aus seiner Sicht die Möglichkeit der medikamentösen Behandlung bisher noch nicht voll ausgeschöpft worden. Die Klägerin werde derzeit mit Medikamenten behandelt, die vorwiegend zur Phasenprophylaxe eingesetzt würden. Sie erhalte außerdem ein Antidepressivum. Allerdings werde dies nur in sehr niedriger Dosierung verabreicht, die lediglich als leichte Schlafhilfe, allerdings nicht als Antidepressivum wirksam sei. Wenn die beschriebenen therapeutischen Möglichkeiten in Anspruch genommen würden, könne man mit einer wesentlichen Besserung der Leistungsfähigkeit in einem Zeitraum von mehreren Monaten rechnen. Im Gegensatz zur letzten Stellungnahme von Dr. R. im November 2009 sei die depressive Symptomatik bei der Klägerin nicht so ausgeprägt, wie von Dr. R. beschrieben. Zwar träten immer wieder ausgeprägte depressive Verstimmungszustände auf, die aber nach den Angaben der Klägerin wesentlich schneller, meist innerhalb weniger Tage, wieder abklängen. Auch seien die Abstände der Gesprächstermine bei Dr. R. deutlich länger geworden (zur Zeit mehrere Monate), was auch für eine Verbesserung des Gesundheitszustandes der Klägerin in der letzten Zeit sprechen könne.

Dem Gutachten des Dr. St. ist die Beklagte unter Vorlage einer Stellungnahme ihres ärztlichen Dienstes vom 18. Mai 2012 entgegengetreten. Dr. L., Facharzt für Innere Medizin, Rheumatologie, Sozialmedizin und Rehabilitationswesen führt darin aus, das Gutachten sei in sich nicht schlüssig. Dieser komme zu einem drei- bis unter sechsstündigen Leistungsvermögen, obwohl die Möglichkeiten der medikamentösen Behandlung bisher noch nicht voll ausgeschöpft seien, insbesondere keine wirksame antidepressive Therapie erfolge. Als Grund für die Annahme einer Leistungsminderung werde die verminderte Belastbarkeit und das reduzierte Durchhaltevermögen genannt. Demgegenüber fänden sich im Befundteil des Gutachtens keine Hinweise auf die Einschränkung des Durchhaltevermögens, wie etwa eine vorzeitige Erschöpfbarkeit im Rahmen des langen Anamnesegesprächs.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die beigezogene Verwaltungs- und Rehabilitationsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerechte sowie statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch unbegründet. Das SG hat die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 18. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Juli 2009 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung oder wegen teilweise Erwerbsminderung über den 31. Dezember 2008 hinaus.

Befristete Renten wegen Erwerbsminderung können verlängert werden; dabei verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn nach § 102 Abs. 2 Satz 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Mit dieser durch Artikel 1 Nr. 32 a) aa) RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007 (BGBl. I, 554) mit Wirkung ab 1. Mai 2007 (Art. 27 Abs. 7 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz) eingefügten Regelung wird bestimmt, dass lediglich eine Verlängerung der anfänglichen Befristung erfolgt, es beim ursprünglichen Rentenbeginn verbleibt und eine Folgerente ohne Neuberechnung im Umfang der bisherigen Rente weiterzuzahlen ist (BT-Drucks. 16/3794 S 37). Auf den Verlängerungsantrag der Klägerin ist der Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung für die Zeit ab 1. Januar 2009 originär zu prüfen, ohne dass es des Nachweises einer wesentlichen Besserung des Gesundheitszustands der Klägerin und ihres Leistungsvermögens ab 1. Januar 2009 im Sinne des § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) bedarf.

1. Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung vom 1. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzen-anpassungsgesetz vom 20. April 2007 (BGBl. I, 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Nach diesen Maßstäben ist die Klägerin, wie das SG zutreffend entschieden hat, weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Nach dem Ergebnis der vom SG durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin zumindest seit 1. Januar 2009 in der Lage ist, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mehr als sechs Stunden täglich zu verrichten. Der Senat entnimmt dies den nervenfachärztlichen Gutachten des Dr. W. vom 25. November 2008, des Dr. Sc. vom 24. Mai 2009 und des Dr. H. vom 13. Februar 2010 sowie der Aussage des als sachverständige Zeugen gehörten Dr. Go. vom 16. November 2009.

a) Der Schwerpunkt der Erkrankungen der Klägerin liegt vorrangig auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet. Die Klägerin leidet insoweit an einer leichten, im Grenzbereich zu einer mittelgradigen depressiven Episode. Die Stimmungslage war im Untersuchungszeitpunkt insgesamt leicht, themenabhängig auch mäßig gedrückt; andererseits kam es auch zu einer gewissen Auflockerung. Demgegenüber hatte sich eine schwere depressive Episode nicht gezeigt. Eine eigenständige somatoforme Störung im Sinne eines psychiatrischen Klassifikationssystems wurde nicht erfüllt, ebenso wenig das einer Angsterkrankung. Auch zeigte sich keine Störung der Konzentration, der Auffassung und des Durchhaltevermögens oder des Gedächtnisses. Neurologische Erkrankungen hatten sich ebenfalls nicht nachweisen lassen. Dies entnimmt der Senat dem nervenfachärztlichen Gutachten des Dr. H. vom 13. Februar 2010. Ferner bestand bei der Klägerin in der Vergangenheit in gewissen zeitlichen Abständen ein schädlicher Gebrauch von Alkohol, allerdings ohne Hinweise auf eine Abhängigkeit oder körperliche oder psychische Folgeschäden (Gutachten des Dr. Sc. vom 24. Mai 2009).

Soweit der die Klägerin behandelnde Nervenarzt Dr. R. demgegenüber vom Vorliegen chronifizierter schwerer Episoden mit psychotischen Symptomen bei rezidivierenden depressiven Störungen ausgeht (Auskunft vom 23. November 2009), so vermag der Senat dem im Hinblick auf die diesbezüglich übereinstimmenden Äußerungen sämtlicher Sachverständiger nicht zu folgen. Dr. W. führt in seinem Gutachten vom 25. November 2008 hierzu aus, die Klägerin klage über Ängste und Panikstörungen, ohne diese als Diagnose gesondert aufzuführen. Vielmehr stellte er bei der zweiten von ihm vorgenommenen Begutachtung lediglich noch eine leichte depressive Episode fest. Auch Dr. Sc. konnte die diagnostische Einschätzung einer schweren depressiven Episode mit psychotischen Symptomen nicht teilen. Nachvollziehbar legte er dar, die diagnostischen Kriterien des ICD-10 seien nicht erfüllt. Vielmehr falle auf, dass die Verstärkung der von Dr. R. geschilderten psychischen Symptomatik in den Zeitraum der Ablehnung der Weitergewährung der Zeitrente falle. Auch sei bei der Diagnose einer schweren depressiven Episode mit psychotischen Symptomen in der Regel ein akut stationärer Aufenthalt indiziert, der im Fall der Klägerin nicht durchgeführt worden sei. Die Klägerin habe sich bei der Untersuchung geistig flexibel gezeigt. Ferner hätten keine hirnorganischen Erkrankungen bestanden. Auch kognitive Defizite hätten sich nicht erheben lassen. Des Weiteren habe sie keine Antriebsminderung oder psychomotorische Hemmungen gezeigt. Auch sozialphobische Züge seien von ihr nicht berichtet worden. Zwar habe sie Rückzugstendenzen angeführt; dies habe jedoch nicht authentisch gewirkt (Gutachten des Dr. Sc. vom 24. Mai 2009). Auch Dr. H. bestreitet klar das Vorliegen einer schweren depressiven Episode (Gutachten des Dr. H. vom 13. Februar 2010). Letztlich stellt sogar der auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG tätig gewordene Sachverständige Dr. St. in seinem Gutachten vom 20. März 2012 lediglich eine mittelgradige depressive Episode ohne psychotische Symptomatik fest.

Auf orthopädisch-unfallchirurgischem Fachgebiet besteht bei der Klägerin ein Zustand nach Bandscheibenhernie, eine beginnende Osteochondrose der LWS, ein Senk-/Spreizfuß (Auskunft des Dr. Go. vom 16. November 2009) sowie ein HWS-LWS-Syndrom, eine Lumboischialgie links und ein Schulter-Arm-Syndrom (Auskunft des Allgemeinmediziners C. vom 23. November 2009).

b) Aus den bei der Klägerin als rentenrelevant zu berücksichtigenden Gesundheitsstörungen ergeben sich nach Ansicht des Senats qualitative Leistungseinschränkungen. Der Senat stützt sich insoweit auf den Reha-Entlassungsbericht des Prof. Dr. R. vom 6. Dezember 2007 sowie die nervenfachärztlichen Gutachten des Dr. W. vom 25. November 2008, des Dr. Sc. vom 24. Mai 2009 und des Dr. H. vom 13. Februar 2010.

Wegen der eingeschränkten Belastbarkeit im psychischen Bereich sind Tätigkeiten der Klägerin unter besonderem Zeitdruck oder Akkord- sowie Nachtarbeit zu vermeiden. Ebenso gilt dies für Tätigkeiten, die hohe Ansprüche an Konzentration und Auffassungsgabe sowie das Umstellungs- und Anpassungsvermögen stellen, oder solche Beschäftigungen, die mit einer das normale Maß deutlich übersteigenden Verantwortung oder besonderen geistigen Beanspruchung verbunden sind. Es kann damit nur eine bedingte Verantwortung für Maschinen und keine Verantwortung für Personen übernommen werden. Im Hinblick auf die Gesundheitsbeeinträchtigungen des Haltungs- und Bewegungsapparates sind Tätigkeiten zu vermeiden, die ständiges Stehen, häufiges Bücken oder Heben schwerer Lasten erforderlich machen.

c) Die bei der Klägerin als rentenrelevant zu berücksichtigenden Gesundheitsstörungen führen jedoch nicht zu einem Absinken des tatsächlichen Restleistungsvermögens auf ein unter sechsstündiges Maß; vielmehr ist die Klägerin zumindest seit 1. Januar 2009 in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr täglich auszuüben. Der Senat stützt sich insoweit auf die Aussage des als sachverständigen Zeugen gehörten Dr. Go. sowie die nervenfachärztlichen Gutachten des Dr. W. vom 25. November 2008, des Dr. Sc. vom 24. Mai 2009 und des Dr. H. vom 13. Februar 2010. Diese Leistungsbeurteilungen sind für den Senat schlüssig und nachvollziehbar.

Soweit Dr. St. der Klägerin in seinem auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG erstatteten Sachverständigengutachten ein drei- bis unter sechsstündiges Restleistungsvermögen für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt attestierte, so legt er hierfür keine nachvollziehbare Begründung vor. Die von ihm angenommene quantitative Leistungsminderung findet in der festgestellten "rezidivierende(n) depressiven Störung, derzeit mittelgradige Episode ohne psychotische Symptomatik", dem episodischen Alkoholabusus, den Panikattacken und der rezidivierenden Lumboischialgie (ohne motorische oder sensible Ausfälle) kein entsprechendes Korrelat. In seiner diagnostischen Einschätzung weicht er nicht weitgehend von der von Dr. H. dargelegten Diagnose einer leichten depressiven Episode im Grenzbereich zu einer mittelgradigen depressiven Episode ab. Insgesamt gelangt der Sachverständige in für den Senat nicht überzeugender Weise zu einem drei- bis unter sechsstündigen Leistungsvermögen, obwohl die Möglichkeiten der medikamentösen Behandlung bisher noch nicht voll ausgeschöpft sind, insbesondere keine wirksame antidepressive Therapie erfolgt. Dr. St. führt diesbezüglich aus, die Klägerin werde derzeit mit Medikamenten behandelt, die vorwiegend zur Phasenprophylaxe eingesetzt würden. Sie erhalte außerdem ein Antidepressivum. Allerdings werde dies nur in sehr niedriger Dosierung verabreicht, die lediglich als leichte Schlafhilfe, nicht jedoch als Antidepressivum wirksam sei. Ob die Klägerin die ihr verordneten Medikamente tatsächlich einnimmt, erscheint im Hinblick auf die Ausführungen des Dr. Sc. in dessen Gutachten vom 24. Mai 2009 fraglich. Dieser hatte nach dem Erstellen eines Serumspiegels festgestellt, dass das Psychopharmakon Opipramol entgegen der Angabe der Klägerin, sie habe es am Vorabend der Untersuchung eingenommen, nicht im Blut nachweisbar gewesen sei. Als Grund für die Annahme einer Leistungsminderung nennt Dr. St. zudem die verminderte Belastbarkeit und das reduzierte Durchhaltevermögen der Klägerin. Demgegenüber findet sich im Befundteil des Gutachtens kein Hinweis auf die Einschränkung des Durchhaltevermögens, wie etwa eine vorzeitige Erschöpfbarkeit im Rahmen des langen Anamnesegesprächs. Abschließend spricht gegen ein dauerhaft auf unter sechs Stunden abgesunkenes Leistungsvermögen der Klägerin, dass die Abstände der Gesprächstermine bei Dr. R. nach ihren eigenen Angaben in der Untersuchungssituation bei Dr. St. in den letzten Jahren größer geworden sind und ausgeprägte depressive Stimmungszustände meist innerhalb weniger Tage abklingen. Die Gespräche finden im Abstand von mehreren Monaten statt; Medikamente verschreibt ihr Hausarzt Dr. I ...

d) Ob der Klägerin ein Arbeitsplatz vermittelt werden kann oder nicht, ist für den geltend gemachten Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nicht erheblich. Die jeweilige Arbeitsmarktlage ist nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Maßgebend ist, ob die Klägerin mit dem ihr verbliebenen Restleistungsvermögen - wenn auch mit qualitativen Einschränkungen - in der Lage ist, zumindest körperlich leichte Tätigkeiten arbeitstäglich für mindestens sechs Stunden zu verrichten, sie also in diesem zeitlichen Umfang unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts erwerbstätig sein kann, wovon im Regelfall ausgegangen werden kann (vgl. z.B. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 19. Oktober 2010 - B 13 R 78/09 R - in juris). Dies bejaht der Senat wie zuvor dargelegt.

Eine konkrete Verweisungstätigkeit müsste der Klägerin nur benannt werden, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG a.a.O.). In einem solchen Fall kann der Arbeitsmarkt selbst bei einem noch vorhandenen sechsstündigen Leistungsvermögen ausnahmsweise als verschlossen gelten. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Verweisung auf noch vorhandenes Restleistungsvermögen nur dann möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten. Dies ist nicht der Fall. Bei Klägerin liegen zwar mehrere qualitative Leistungseinschränkungen vor, diese sind jedoch nicht als ungewöhnlich zu bezeichnen. Wegen der damit verbundenen gesundheitlichen Gefahren soll etwa jegliche Belastung durch Heben, Tragen oder Bewegen von schwereren Lasten von vornherein vermieden oder zumindest stark eingeschränkt sein. Ebenso verhält es sich mit Blick auf Tätigkeiten, die unter Zeitdruck zu wechselnden Zeiten zu verrichten sind und solchen, die mit besonderer Verantwortung verbunden sind. Darin ist weder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen zu sehen. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegt nur vor, wenn bereits eine erhebliche (krankheitsbedingte) Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt. Hierzu können - unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen Einzelfallumstände - beispielsweise Einäugigkeit, Einarmigkeit und Einschränkungen der Arm- und Handbeweglichkeit sowie besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz zählen (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 - B 5 R 68/11 R - in juris m.w.N.). Keine dieser Fallkonstellationen ist bei Klägerin auch nur ansatzweise vorhanden.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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