Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 3137/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 4119/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 18.09.2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger aufgrund seines Antrags vom 03.05.2011 gegen die Beklagte ein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung, ggf bei Berufsunfähigkeit, zusteht.
Der am 26.12.1965 geborene Kläger hat eine Berufsausbildung nicht absolviert. Er war in verschiedenen Stellungen, meist in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, zuletzt beim L. als Grabungshelfer in der Archäologie versicherungspflichtig beschäftigt. Seit 2008 ist er arbeitslos; zuletzt bezog er Leistungen nach dem SGB II. Ihm ist seit 14.01.2010 ein Grad der Behinderung iHv 20 zuerkannt.
Vom 05.04.2007 bis zum 26.04.2007 erhielt der Kläger auf Kosten der Beklagten stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in der Reha-Klinik S. in D ...
Am 03.05.2011 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Zu diesem Antrag gab er an, sich seit 05.04.2007 wegen eines LWS-Syndroms für erwerbsgemindert zu halten.
Am 08.06.2011 erstellte der Facharzt für Chirurgie, Sozialmedizin Dr. J. im Auftrag der Beklagten ein Gutachten. Dr. J. stellte eine deutliche degenerative Veränderung der LWS mit Skoliose und Spondylarthrose sowie Protrusionen und Vorfall der Bandscheiben L4/5/S1, aktuell ohne radikuläre Ausstrahlung, eine unklare sensible Störung am rechten Ohr und leichte Hörminderung bei gut erhaltener Kommunikationsfähigkeit sowie diskrete Hinweise auf Retropatellararthrose rechts bei gegebener Wegefähigkeit, eine beginnende Hüftgelenksarthrose beidseits, ein etwas unklarer Schulterhochstand von 4 cm rechts ohne klinische Beschwerden sowie ein gutes Ergebnis nach einer Operation Humeri radialis (sog Tennisarm) rechts fest. In seinem letzten Beruf sei der Kläger nur unter drei Stunden leistungsfähig. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten könne der Kläger aber überwiegend im Stehen, Gehen und Sitzen mehr als sechs Stunden arbeitstäglich verrichten.
Daraufhin lehnte die Beklagte die Gewährung der begehrten Rente mit Bescheid vom 10.06.2011 ab. Der Kläger sei noch in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein. Die Voraussetzungen einer Rente wegen Erwerbsminderung lägen daher nicht vor.
Den am 24.06.2011 erhobenen Widerspruch begründete der Kläger damit, dass das Arbeitsamt eine tägliche Arbeitszeit mit drei Stunden angegeben habe, er jedoch aufgrund der gesundheitlichen Einschränkungen nicht drei, schon gar nicht sechs Stunden einer Berufstätigkeit nachgehen könne.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.09.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch weniger als sechs Stunden bzw weniger als drei Stunden arbeiten könne.
Hiergegen hat der Kläger am 20.09.2011 beim Sozialgericht Ulm (SG) Klage erhoben. Er leide täglich unter Schmerzen der Wirbelsäule. Die Schmerzmedikation habe er wegen der Stärke der Dosierung abgesetzt. Ihm sei längeres Sitzen und Stehen nicht mehr möglich.
Das SG hat Beweis erhoben durch Befragung der den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 13 bis 16 sowie 17 bis 21 der SG-Akte Bezug genommen. Dr. B., Arzt für Orthopädie, Sportmedizin, Chirotherapie; Physikalische Medizin, hat dem SG unter dem Datum des 22.12.2011 mitgeteilt, er habe den Kläger am 31.03.2011 zuletzt behandelt. Leichte Tätigkeiten seien noch möglich, aber nur noch bis zu drei Stunden. Die Gehfähigkeit sei nicht eingeschränkt. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. H. hat dem SG am 18.12.2011 geschrieben, eine tägliche Arbeitszeit von sechs Stunden sei dem Kläger auch bei leichten Tätigkeiten nicht mehr möglich.
Das SG hat des Weiteren Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens beim Facharzt für Orthopädie und Chirurgie Dr. U ... Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 26 bis 43 der SG-Akte Bezug genommen. In seinem Gutachten vom 01.02.2012 hat Dr. U. eine Osteochondrose L1/L2, angedeutete Bandscheibenprotrusion L1/L2 und L2/L3, einen medialen Bandscheibenvorfall L4/L5 und L5/S1, ohne spinale oder neuroforaminäre Einengung und ohne Nervenwurzelkompression, eine Osteochondrose der gesamten Lendenwirbelsäule, eine Discopathie L5/S1 sowie den Verdacht auf ein Patellasehnensyndrom des rechten Kniegelenks festgestellt. Dem Kläger seien mittelschwere Tätigkeiten zeitweise, leichte Tätigkeiten sechs Stunden und mehr zumutbar.
Mit Gerichtsbescheid vom 18.09.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Er könne noch eine leichte, zeitweise mittelschwere Tätigkeit im Wechselrhythmus zwischen Sitzen, Gehen und Stehen unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes täglich sechsstündig verrichten. Ausgeschlossen seien Akkordarbeiten, Arbeiten am Fließband, taktgebundenes Arbeiten, Arbeiten überwiegend in Zwangshaltungen, Arbeiten mit häufigem Heben und Tragen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel, arbeiten mit häufigem Bücken, Arbeiten überwiegend im Freien, Arbeiten unter Einwirkung von Kälte, Hitze, starken Temperaturschwankungen, Zugluft und Nässe sowie Arbeiten mit besonderen Anforderungen an den Gleichgewichtssinn sowie Arbeiten unter Lärmbelästigung.
Gegen den ihm am 20.09.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 20.09.2012 zur Niederschrift des SG (Eingang beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) am 01.10.2012) Berufung eingelegt. Er könne dem Gerichtsbescheid nicht zustimmen. Dr. U. habe mit der Osteochondrose eine Verschleißerkrankung der Wirbelsäule, betroffen seien die Knochen der Wirbelkörper und der Knorpel der Bandscheibe, festgestellt. Dr. J. habe aber eine Skoliose und Spondylarthrose, also eine degenerative Veränderung der Wirbelsäule festgestellt. Beide Begriffe sagten aber nicht dasselbe aus. Er wisse nicht, ob eine Skoliose bereits in seiner Jugend vorhanden gewesen sei, jedenfalls habe seine Mutter eine Skoliose gehabt. Bei Vorliegen einer Skoliose sei jedenfalls eine Verschlechterung durch eine Osteochondrose wahrscheinlich nicht ausgeschlossen. Auch eine frühere Tätigkeit, bei der er Steinplatten auch über Stockwerke hinweg habe tragen und beim Verlegen von Natursteinböden knien müssen, sei zu berücksichtigen. Inzwischen strahle der Schmerz öfters gleichzeitig in beide Beine aus. Er müsse sich dann sofort etwas zum Festhalten suchen bzw versuchen, aufrecht zu stehen. An manchen Tagen sei es ihm auch nicht möglich, die notwendigen Hausarbeiten zu verrichten. Seine schwer an Demenz erkrankte Mutter und sein Bruder, der auch außerstande sei, sich zu versorgen und mit denen er zusammen lebe, bedürften seiner Hilfe. Da er ohne Führerschein sei, sei er auf Hilfe angewiesen. Die empfohlene Einnahme von Schmerzmitteln habe er aussetzen müssen, da er im Hinblick auf die Pflege seiner Mutter einen klaren Kopf benötige.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 18.09.2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10.06.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.09.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung ggf auch bei Berufsunfähigkeit ab dem 01.05.2011 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Kläger hat Unterlagen von Dr. W., Dr. L. und des Landratsamtes A.-D.-Kreis vorgelegt (dazu vgl Blatt 12 bis 15 der Senatsakte).
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens beim Arzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Chirotherapie, Osteologe DVO Dr. H ... Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 32 bis 54 der Senatsakte Bezug genommen. Dr. H. hat in seinem Gutachten vom 05.02.2013 angegeben, beim Kläger liege ein Lumbalsyndrom mit Bewegungsschmerzen der untersten beiden lumbalen Bewegungssegmente bei mäßig ausgeprägten degenerativen Veränderungen und Fehlstatik, ohne Anhaltspunkte für höhergradige Nervenwurzelreiz- oder –ausfallerscheinungen sowie ein femoropatellares Schmerzsyndrom, ohne Reizzustand und ohne Funktionsdefizit vor. Eine Tätigkeit als Grabungshelfer in der Archäologie sei dem Kläger wegen der zumindest mittelschwer bis schweren Tätigkeit mit Kälte- und Nässeeinwirkung unter statisch ungünstigen Bedingungen nicht mehr zumutbar. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Sitzen, auch im gelegentlichen Umhergehen, seien dem Kläger aber unter Beachtung von qualitativen Leistungseinschränkungen noch sechs Stunden und mehr an fünf Tagen pro Woche zumutbar.
Hierzu hat der Kläger ausgeführt, dass nur weil er Medikamente nicht nehme, nicht davon gesprochen werden könne, es bestehe kein höhergradiger Leidensdruck. Er verspüre durch die Einnahme von Schmerzmitteln eine erhöhte Schläfrigkeit und Benommenheit sowie eine Abnahme der seelischen Belastbarkeit. Diese benötige er aber im Hinblick auf die Pflege seiner Mutter. Auch sei die Inanspruchnahme von Physiotherapie nicht einfach, da er auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen sei und sein Bruder nicht allzu lange allein zu Hause bleiben könne. Er sei kein Mensch, der nur jammere und klage, was bei Dr. H. den Eindruck erweckt haben könnte, die Schmerzen seien nicht allzu stark.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.
Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 iVm Abs 4 SGG) ist der die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ablehnende Bescheid der Beklagten vom 10.06.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.09.2011. Dieser Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl I, 554). Versicherte haben nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs 1 und Abs 2 SGB VI vor. Wer noch 6 Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).
Der Senat konnte sich davon überzeugen, dass der Kläger zumindest noch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Beachtung qualitativer Einschränkungen sechs Stunden und mehr an fünf Tagen pro Woche verrichten kann. Die insoweit wesentlichen Leiden des Klägers liegen auf orthopädischem Fachgebiet.
Dort ist die Gesundheit des Klägers durch ein Lumbalsyndrom mit Bewegungsschmerzen der untersten beiden lumbalen Bewegungssegmente bei mäßig ausgeprägten degenerativen Veränderungen und Fehlstatik, ohne Anhaltspunkte für höhergradige Nervenwurzelreiz- oder –ausfallerscheinungen sowie ein femoropatellares Schmerzsyndrom, ohne Reizzustand und ohne Funktionsdefizit eingeschränkt. Dies konnte der Senat im Anschluss an das Gutachten von Dr. H. feststellen. Aus diesen Gesundheitsstörungen folgt, dass der Kläger nur noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten verrichten kann, die im Sitzen, wie auch im Umhergehen erfolgen können. Ständiges Stehen ist nicht mehr zumutbar, gelegentliches Stehen dagegen schon. Des Weiteren sind dem Kläger nicht mehr möglich Tätigkeiten ständig in der Hocke, vornüber geneigt oder in sonst statisch ungünstiger Körperhaltung. Auch nicht mehr möglich sind Tätigkeiten mit ständigem Heben und Tragen von Lasten bis 20 kg – gelegentliches Heben und Tragen solcher Lasten aber schon – Arbeiten unter Kälte-, Nässe- oder Zuglufteinwirkung, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie Arbeiten, die ein ständiges Treppensteigen erfordern. Diese Erkrankungen und die daraus folgenden Einschränkungen entnimmt der Senat dem schlüssigen Gutachten von Dr. H ... Dieser hat im Ergebnis, nur in der Wortwahl leicht unterschiedlich, die Ausführungen von Dr. U. und Dr. J. bestätigt. Soweit er keine Skoliose angenommen hat, folgt daraus auch keine andere Leistungseinschätzung. Denn Dr. J. hat auch schon bei Vorliegen einer Skoliose ein noch mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen angenommen. Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen der Gutachter konnte sich der Senat nicht von der Richtigkeit der Leistungseinschätzung der behandelnden Ärzte Dr. B. und Dr. H. überzeugen. Der Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit eines Versicherten durch gerichtliche Sachverständige kommt grundsätzlich ein höherer Beweiswert zu als der Einschätzung der behandelnden Ärzte (st Rspr des Senats, vgl ua Urteil vom 17.01.2012, L 11 R 4953/10). Überdies lässt sich aus den wenigen von diesen mitgeteilten Befunden deren Leistungseinschätzung nicht schlüssig ableiten. Auch aus dem Gutachten der Bundesagentur für Arbeit vom 20.01.2011 ergibt sich nichts anderes. Dort wird zwar ausgeführt, dass ein mindestens dreistündiges Leistungsvermögen gemäß SGB II bestehe; damit ist aber nicht ausgedrückt, dass der Kläger nicht mehr mindestens sechs Stunden unter den oben angegebenen Bedingungen zu arbeiten im Stande ist.
Die beim Kläger bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen, die sämtlich nicht ungewöhnlich sind, lassen keine ernstlichen Zweifel daran aufkommen, dass dieser noch wettbewerbsfähig in einem Betrieb einsetzbar ist; dies gilt auch hinsichtlich der Augenerkrankung. Aus den bestehenden Einschränkungen ergeben sich damit weder schwere spezifische Leistungsbehinderungen noch stellen die qualitativen Leistungseinschränkungen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen (vgl BSG 11.03.1999, B 13 RJ 71/97 R, juris) dar. Der Kläger ist dabei auch in der Lage, täglich viermal eine Wegstrecke von 500 Metern innerhalb von jeweils 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen sowie öffentliche Verkehrsmittel zu Hauptverkehrszeiten zweimal am Tag zu benutzen. Dies konnten ua Dr. H., Dr. U., Dr. J. und auch die behandelnden Ärzte Dr. B. und Dr. H. bestätigen.
Der Kläger ist damit nach Überzeugung des Senats noch in der Lage, ohne unmittelbare Gefährdung der Gesundheit und unter Beachtung der dargestellten qualitativen Leistungseinschränkungen, zumindest leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden an fünf Tagen pro Woche zu verrichten. Dieses Leistungsvermögen besteht nach Überzeugung des Senats seit Rentenantragstellung und seither durchgehend. Mit diesem Leistungsvermögen ist der Kläger nicht erwerbsgemindert (§ 43 Abs 3 SGB VI); er hat damit keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser bzw voller Erwerbsminderung.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI). Voraussetzung eines solchen Rentenanspruchs ist (vgl § 240 SGB VI), dass er vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig wäre. Da der Kläger jedoch erst nach dem 02.01.1961 geboren wurde, gehört er nicht mehr zum Kreis der potenziell Anspruchsberechtigten nach § 240 SGB VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dabei hat der Senat im Rahmen seines Ermessens insbesondere berücksichtigt, dass der Kläger in beiden Instanzen ohne Erfolg geblieben ist.
Die Revision wird nicht zugelassen, da Gründe für die Zulassung nicht vorliegen (§ 160 Nr 1 und 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger aufgrund seines Antrags vom 03.05.2011 gegen die Beklagte ein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung, ggf bei Berufsunfähigkeit, zusteht.
Der am 26.12.1965 geborene Kläger hat eine Berufsausbildung nicht absolviert. Er war in verschiedenen Stellungen, meist in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, zuletzt beim L. als Grabungshelfer in der Archäologie versicherungspflichtig beschäftigt. Seit 2008 ist er arbeitslos; zuletzt bezog er Leistungen nach dem SGB II. Ihm ist seit 14.01.2010 ein Grad der Behinderung iHv 20 zuerkannt.
Vom 05.04.2007 bis zum 26.04.2007 erhielt der Kläger auf Kosten der Beklagten stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in der Reha-Klinik S. in D ...
Am 03.05.2011 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Zu diesem Antrag gab er an, sich seit 05.04.2007 wegen eines LWS-Syndroms für erwerbsgemindert zu halten.
Am 08.06.2011 erstellte der Facharzt für Chirurgie, Sozialmedizin Dr. J. im Auftrag der Beklagten ein Gutachten. Dr. J. stellte eine deutliche degenerative Veränderung der LWS mit Skoliose und Spondylarthrose sowie Protrusionen und Vorfall der Bandscheiben L4/5/S1, aktuell ohne radikuläre Ausstrahlung, eine unklare sensible Störung am rechten Ohr und leichte Hörminderung bei gut erhaltener Kommunikationsfähigkeit sowie diskrete Hinweise auf Retropatellararthrose rechts bei gegebener Wegefähigkeit, eine beginnende Hüftgelenksarthrose beidseits, ein etwas unklarer Schulterhochstand von 4 cm rechts ohne klinische Beschwerden sowie ein gutes Ergebnis nach einer Operation Humeri radialis (sog Tennisarm) rechts fest. In seinem letzten Beruf sei der Kläger nur unter drei Stunden leistungsfähig. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten könne der Kläger aber überwiegend im Stehen, Gehen und Sitzen mehr als sechs Stunden arbeitstäglich verrichten.
Daraufhin lehnte die Beklagte die Gewährung der begehrten Rente mit Bescheid vom 10.06.2011 ab. Der Kläger sei noch in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein. Die Voraussetzungen einer Rente wegen Erwerbsminderung lägen daher nicht vor.
Den am 24.06.2011 erhobenen Widerspruch begründete der Kläger damit, dass das Arbeitsamt eine tägliche Arbeitszeit mit drei Stunden angegeben habe, er jedoch aufgrund der gesundheitlichen Einschränkungen nicht drei, schon gar nicht sechs Stunden einer Berufstätigkeit nachgehen könne.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.09.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch weniger als sechs Stunden bzw weniger als drei Stunden arbeiten könne.
Hiergegen hat der Kläger am 20.09.2011 beim Sozialgericht Ulm (SG) Klage erhoben. Er leide täglich unter Schmerzen der Wirbelsäule. Die Schmerzmedikation habe er wegen der Stärke der Dosierung abgesetzt. Ihm sei längeres Sitzen und Stehen nicht mehr möglich.
Das SG hat Beweis erhoben durch Befragung der den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 13 bis 16 sowie 17 bis 21 der SG-Akte Bezug genommen. Dr. B., Arzt für Orthopädie, Sportmedizin, Chirotherapie; Physikalische Medizin, hat dem SG unter dem Datum des 22.12.2011 mitgeteilt, er habe den Kläger am 31.03.2011 zuletzt behandelt. Leichte Tätigkeiten seien noch möglich, aber nur noch bis zu drei Stunden. Die Gehfähigkeit sei nicht eingeschränkt. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. H. hat dem SG am 18.12.2011 geschrieben, eine tägliche Arbeitszeit von sechs Stunden sei dem Kläger auch bei leichten Tätigkeiten nicht mehr möglich.
Das SG hat des Weiteren Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens beim Facharzt für Orthopädie und Chirurgie Dr. U ... Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 26 bis 43 der SG-Akte Bezug genommen. In seinem Gutachten vom 01.02.2012 hat Dr. U. eine Osteochondrose L1/L2, angedeutete Bandscheibenprotrusion L1/L2 und L2/L3, einen medialen Bandscheibenvorfall L4/L5 und L5/S1, ohne spinale oder neuroforaminäre Einengung und ohne Nervenwurzelkompression, eine Osteochondrose der gesamten Lendenwirbelsäule, eine Discopathie L5/S1 sowie den Verdacht auf ein Patellasehnensyndrom des rechten Kniegelenks festgestellt. Dem Kläger seien mittelschwere Tätigkeiten zeitweise, leichte Tätigkeiten sechs Stunden und mehr zumutbar.
Mit Gerichtsbescheid vom 18.09.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Er könne noch eine leichte, zeitweise mittelschwere Tätigkeit im Wechselrhythmus zwischen Sitzen, Gehen und Stehen unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes täglich sechsstündig verrichten. Ausgeschlossen seien Akkordarbeiten, Arbeiten am Fließband, taktgebundenes Arbeiten, Arbeiten überwiegend in Zwangshaltungen, Arbeiten mit häufigem Heben und Tragen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel, arbeiten mit häufigem Bücken, Arbeiten überwiegend im Freien, Arbeiten unter Einwirkung von Kälte, Hitze, starken Temperaturschwankungen, Zugluft und Nässe sowie Arbeiten mit besonderen Anforderungen an den Gleichgewichtssinn sowie Arbeiten unter Lärmbelästigung.
Gegen den ihm am 20.09.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 20.09.2012 zur Niederschrift des SG (Eingang beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) am 01.10.2012) Berufung eingelegt. Er könne dem Gerichtsbescheid nicht zustimmen. Dr. U. habe mit der Osteochondrose eine Verschleißerkrankung der Wirbelsäule, betroffen seien die Knochen der Wirbelkörper und der Knorpel der Bandscheibe, festgestellt. Dr. J. habe aber eine Skoliose und Spondylarthrose, also eine degenerative Veränderung der Wirbelsäule festgestellt. Beide Begriffe sagten aber nicht dasselbe aus. Er wisse nicht, ob eine Skoliose bereits in seiner Jugend vorhanden gewesen sei, jedenfalls habe seine Mutter eine Skoliose gehabt. Bei Vorliegen einer Skoliose sei jedenfalls eine Verschlechterung durch eine Osteochondrose wahrscheinlich nicht ausgeschlossen. Auch eine frühere Tätigkeit, bei der er Steinplatten auch über Stockwerke hinweg habe tragen und beim Verlegen von Natursteinböden knien müssen, sei zu berücksichtigen. Inzwischen strahle der Schmerz öfters gleichzeitig in beide Beine aus. Er müsse sich dann sofort etwas zum Festhalten suchen bzw versuchen, aufrecht zu stehen. An manchen Tagen sei es ihm auch nicht möglich, die notwendigen Hausarbeiten zu verrichten. Seine schwer an Demenz erkrankte Mutter und sein Bruder, der auch außerstande sei, sich zu versorgen und mit denen er zusammen lebe, bedürften seiner Hilfe. Da er ohne Führerschein sei, sei er auf Hilfe angewiesen. Die empfohlene Einnahme von Schmerzmitteln habe er aussetzen müssen, da er im Hinblick auf die Pflege seiner Mutter einen klaren Kopf benötige.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 18.09.2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10.06.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.09.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung ggf auch bei Berufsunfähigkeit ab dem 01.05.2011 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Kläger hat Unterlagen von Dr. W., Dr. L. und des Landratsamtes A.-D.-Kreis vorgelegt (dazu vgl Blatt 12 bis 15 der Senatsakte).
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens beim Arzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Chirotherapie, Osteologe DVO Dr. H ... Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 32 bis 54 der Senatsakte Bezug genommen. Dr. H. hat in seinem Gutachten vom 05.02.2013 angegeben, beim Kläger liege ein Lumbalsyndrom mit Bewegungsschmerzen der untersten beiden lumbalen Bewegungssegmente bei mäßig ausgeprägten degenerativen Veränderungen und Fehlstatik, ohne Anhaltspunkte für höhergradige Nervenwurzelreiz- oder –ausfallerscheinungen sowie ein femoropatellares Schmerzsyndrom, ohne Reizzustand und ohne Funktionsdefizit vor. Eine Tätigkeit als Grabungshelfer in der Archäologie sei dem Kläger wegen der zumindest mittelschwer bis schweren Tätigkeit mit Kälte- und Nässeeinwirkung unter statisch ungünstigen Bedingungen nicht mehr zumutbar. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Sitzen, auch im gelegentlichen Umhergehen, seien dem Kläger aber unter Beachtung von qualitativen Leistungseinschränkungen noch sechs Stunden und mehr an fünf Tagen pro Woche zumutbar.
Hierzu hat der Kläger ausgeführt, dass nur weil er Medikamente nicht nehme, nicht davon gesprochen werden könne, es bestehe kein höhergradiger Leidensdruck. Er verspüre durch die Einnahme von Schmerzmitteln eine erhöhte Schläfrigkeit und Benommenheit sowie eine Abnahme der seelischen Belastbarkeit. Diese benötige er aber im Hinblick auf die Pflege seiner Mutter. Auch sei die Inanspruchnahme von Physiotherapie nicht einfach, da er auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen sei und sein Bruder nicht allzu lange allein zu Hause bleiben könne. Er sei kein Mensch, der nur jammere und klage, was bei Dr. H. den Eindruck erweckt haben könnte, die Schmerzen seien nicht allzu stark.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.
Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 iVm Abs 4 SGG) ist der die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ablehnende Bescheid der Beklagten vom 10.06.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.09.2011. Dieser Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl I, 554). Versicherte haben nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs 1 und Abs 2 SGB VI vor. Wer noch 6 Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).
Der Senat konnte sich davon überzeugen, dass der Kläger zumindest noch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Beachtung qualitativer Einschränkungen sechs Stunden und mehr an fünf Tagen pro Woche verrichten kann. Die insoweit wesentlichen Leiden des Klägers liegen auf orthopädischem Fachgebiet.
Dort ist die Gesundheit des Klägers durch ein Lumbalsyndrom mit Bewegungsschmerzen der untersten beiden lumbalen Bewegungssegmente bei mäßig ausgeprägten degenerativen Veränderungen und Fehlstatik, ohne Anhaltspunkte für höhergradige Nervenwurzelreiz- oder –ausfallerscheinungen sowie ein femoropatellares Schmerzsyndrom, ohne Reizzustand und ohne Funktionsdefizit eingeschränkt. Dies konnte der Senat im Anschluss an das Gutachten von Dr. H. feststellen. Aus diesen Gesundheitsstörungen folgt, dass der Kläger nur noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten verrichten kann, die im Sitzen, wie auch im Umhergehen erfolgen können. Ständiges Stehen ist nicht mehr zumutbar, gelegentliches Stehen dagegen schon. Des Weiteren sind dem Kläger nicht mehr möglich Tätigkeiten ständig in der Hocke, vornüber geneigt oder in sonst statisch ungünstiger Körperhaltung. Auch nicht mehr möglich sind Tätigkeiten mit ständigem Heben und Tragen von Lasten bis 20 kg – gelegentliches Heben und Tragen solcher Lasten aber schon – Arbeiten unter Kälte-, Nässe- oder Zuglufteinwirkung, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie Arbeiten, die ein ständiges Treppensteigen erfordern. Diese Erkrankungen und die daraus folgenden Einschränkungen entnimmt der Senat dem schlüssigen Gutachten von Dr. H ... Dieser hat im Ergebnis, nur in der Wortwahl leicht unterschiedlich, die Ausführungen von Dr. U. und Dr. J. bestätigt. Soweit er keine Skoliose angenommen hat, folgt daraus auch keine andere Leistungseinschätzung. Denn Dr. J. hat auch schon bei Vorliegen einer Skoliose ein noch mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen angenommen. Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen der Gutachter konnte sich der Senat nicht von der Richtigkeit der Leistungseinschätzung der behandelnden Ärzte Dr. B. und Dr. H. überzeugen. Der Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit eines Versicherten durch gerichtliche Sachverständige kommt grundsätzlich ein höherer Beweiswert zu als der Einschätzung der behandelnden Ärzte (st Rspr des Senats, vgl ua Urteil vom 17.01.2012, L 11 R 4953/10). Überdies lässt sich aus den wenigen von diesen mitgeteilten Befunden deren Leistungseinschätzung nicht schlüssig ableiten. Auch aus dem Gutachten der Bundesagentur für Arbeit vom 20.01.2011 ergibt sich nichts anderes. Dort wird zwar ausgeführt, dass ein mindestens dreistündiges Leistungsvermögen gemäß SGB II bestehe; damit ist aber nicht ausgedrückt, dass der Kläger nicht mehr mindestens sechs Stunden unter den oben angegebenen Bedingungen zu arbeiten im Stande ist.
Die beim Kläger bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen, die sämtlich nicht ungewöhnlich sind, lassen keine ernstlichen Zweifel daran aufkommen, dass dieser noch wettbewerbsfähig in einem Betrieb einsetzbar ist; dies gilt auch hinsichtlich der Augenerkrankung. Aus den bestehenden Einschränkungen ergeben sich damit weder schwere spezifische Leistungsbehinderungen noch stellen die qualitativen Leistungseinschränkungen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen (vgl BSG 11.03.1999, B 13 RJ 71/97 R, juris) dar. Der Kläger ist dabei auch in der Lage, täglich viermal eine Wegstrecke von 500 Metern innerhalb von jeweils 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen sowie öffentliche Verkehrsmittel zu Hauptverkehrszeiten zweimal am Tag zu benutzen. Dies konnten ua Dr. H., Dr. U., Dr. J. und auch die behandelnden Ärzte Dr. B. und Dr. H. bestätigen.
Der Kläger ist damit nach Überzeugung des Senats noch in der Lage, ohne unmittelbare Gefährdung der Gesundheit und unter Beachtung der dargestellten qualitativen Leistungseinschränkungen, zumindest leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden an fünf Tagen pro Woche zu verrichten. Dieses Leistungsvermögen besteht nach Überzeugung des Senats seit Rentenantragstellung und seither durchgehend. Mit diesem Leistungsvermögen ist der Kläger nicht erwerbsgemindert (§ 43 Abs 3 SGB VI); er hat damit keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser bzw voller Erwerbsminderung.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI). Voraussetzung eines solchen Rentenanspruchs ist (vgl § 240 SGB VI), dass er vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig wäre. Da der Kläger jedoch erst nach dem 02.01.1961 geboren wurde, gehört er nicht mehr zum Kreis der potenziell Anspruchsberechtigten nach § 240 SGB VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dabei hat der Senat im Rahmen seines Ermessens insbesondere berücksichtigt, dass der Kläger in beiden Instanzen ohne Erfolg geblieben ist.
Die Revision wird nicht zugelassen, da Gründe für die Zulassung nicht vorliegen (§ 160 Nr 1 und 2 SGG).
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