Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 13 SB 1878/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 5430/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30. September 2010 sowie der Bescheid des Beklagten vom 07. August 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. März 2008 werden abgeändert und der Beklagte verurteilt, ab 17. Februar 2010 einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte erstattet drei Viertel der außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Neufeststellung ihres Grades der Behinderung (GdB) mit 50.
Für die 1952 geborene Klägerin wurde zuletzt mit Bescheid vom 22.04.2003 (Widerspruchsbescheid vom 18.08.2003) ein GdB von 40 festgestellt. Die dagegen zum Sozialgericht Karlsruhe (SG - S 12 SB 3301/03) erhobene Klage nahm die Klägerin zurück.
Am 17.07.2007 beantragte die Klägerin die Neufeststellung ihrer Behinderung und legte dazu ärztliche Unterlagen vor. Der Beklagte zog weitere Unterlagen bei den Hausärzten der Klägerin bei. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) begutachtete die gesundheitliche Situation der Klägerin im Hinblick auf eine bescheinigte Arbeitsunfähigkeit am 02.05.2003 und 24.06.2003 und stellte die Diagnosen Depression bei chronifiziertem Schmerzsyndrom mit Somatisierung, Fibromyalgiesyndrom, chronisch rezidivierendes Halswirbelsäulen (HWS)- Syndrom bei Gefügestörung Halswirbelkörper (HWK) 4-6 mit Fehlhaltung und relativer Spinalkanalstenose, chronisch rezidivierende Kreuzschmerzen, Bluthochdruck, Reizmagen, Tinnitus (Gutachten vom 09.05. und 26.04.2003). Ein weiteres Gutachten vom 02.02.2007 stellte eine anhaltende depressive Episode, eine somatoforme Schmerzstörung, eine Gonarthrose links bei Z.n. Meniskusteilresektion lateral und Teilsynovektomie, chronisch rezidivierendes Wirbelsäulensyndrom ohne gravierende Funktionseinschränkung und ohne Wurzelreizsymptomatik fest.
Der Arzt für Anästhesiologie Dr. H. stellte unter dem 25.09.2003 den Verlauf einer einjährigen schmerztherapeutischen Behandlung von diffusen panalgetischen Beschwerden als nur kurzzeitig in zufriedenstellendem Ausmaß erfolgreich im Sinne einer Reduzierung der Beschwerden dar. Eine begleitende Psychotherapie werde zur Behandlung von Somatisierungsstörungen bei bestehendem ausgeprägten Fibromyalgiesyndrom fortgesetzt.
Wegen klimakterischer Beschwerden mit Polyarthritis wurde die Klägerin medikamentös behandelt (Arztbriefe des Arztes für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Dr. S. vom 04.10.2004 und 02.07.2004).
Im Februar 2005 war die Klägerin in tagesklinischer Behandlung im S. R. B. W. (Entlassungsbericht vom 11.03.2005: Fibromyalgie, aktuell akute Schmerzexazerbation therapieresistenter Schmerzen, Senk-Spreizfuß beidseits, arterielle Hypertonie, abgelaufener Harnwegsinfekt). Es bestehe ein generalisiertes Schmerzsyndrom mit gelenkbezogenen und nicht gelenkbezogenen Schmerzen, die alle Körperregionen beträfen und mit einer vegetativen Begleitsymptomatik assoziiert seien.
Beim Orthopäden Dr. B. war die Klägerin wegen eines Senk-Spreizfußes beidseits, einer Metatarsalgie MTK II rechts, Fibromyalgie, Fersensporn rechts, eines chronischen Lendenwirbelsäulen (LWS)- Syndroms mit MFS, muskulärer Dysbalance mit Radikulopathie S1 rechts bei ventraler Abstützreaktion und Spondylose L2-4 (Arztbrief vom 28.04.2005) und wegen einer Innenmeniskushinterhornläsion links, einer Polyarthrose der Hand Typ Heberden Bouchard beidseits (Arztbrief vom 26.06.2006) in Behandlung. Der Orthopäde Dr. O. diagnostizierte degenerative Brustwirbelsäulen (BWS)- Veränderungen, eine leichte lumbale Skoliose, ein chronisches Schmerzsyndrom mit psychosomatischer Störung und Depression und ein Fibromyalgiesyndrom (Arztbrief vom 09.05.2006) und schloss eine Coxarthrose aus (Brief vom 26.07.2006). Beim Arzt für Neurologie, Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin Dr. L. war die Klägerin wegen eines Wurzelreizsyndroms L5 rechts, Wurzelreizsyndroms S1 rechts und eines Verdachts auf Bandscheibenvorfall L4/5, L5/S1 in Behandlung (Arztbrief vom 23.06.2005). Die Chirurgen Dr. S. und Dr. S. diagnostizierten ein multiples Schmerzsyndrom wohl auch Morbus osticus (Brief vom 15.02.2007).
Der Internist Dr. H. stellte eine Hiatusgleithernie (Brief vom 31.03.2006) und Hämorrhoiden II. Grades mit Blutungsneigung (Brief vom 07.07.2006) sowie eine Steatosis hepatis mit Organvergrößerung auf das Doppelte der Norm (Arztbrief vom 27.07.2006), die später rückläufig war (Brief vom 13.11.2006), fest. Der Internist, Pneumologe und Allergologe Dr. C. stellte am 31.05.2006 eine ganz diskrete Obstruktion, im Übrigen normale statische und dynamische Lungenvolumina fest. Die Klägerin habe seit fünf Jahren einen trockenen Husten.
Der Arzt für Nervenheilkunde, Psychiatrie und Psychotherapie, Rehabilitationsmedizin Dr. R. untersuchte die Klägerin am 08.09.2006 und kam zur Diagnose einer Erschöpfungsdepression, Fibromyalgie, somatoformen Schmerzstörung und Gonarthrose links (Brief vom 08.09.2006). Vom 14.11.2006 bis 19.12.2006 war die Klägerin in stationärer Behandlung in der Klinik Dr. R. wegen einer depressiven Episode und somatoformen Schmerzstörung (Entlassungsbericht vom 03.01.2007).
Der Facharzt für HNO-Heilkunde Dr. S. behandelte die Klägerin wegen einer chronischen Pharyngo-Laryngitis und Rhinitis sicca (Arztbriefe vom 13.03.2007 und 02.05.2007).
Nach Anhörung des ärztlichen Dienstes (O., 06.08.2007) lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 07.08.2007 eine Änderung der bisherigen Entscheidung ab. Dabei ging er von folgenden Behinderungen aus: degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen, Fibromyalgiesyndrom, chronisches Schmerzsyndrom, Kopfschmerzsyndrom, seelische Störung (Teil-GdB 40), Reizmagen (10), Bluthochdruck, Ohrgeräusche beidseitig (Tinnitus) (10), chronische Bronchitis (10) und Zwerchfellbruch (10). Die Helicobacter Pylori-Gastritis - behandelbar - bedinge keinen GdB von wenigstens 10.
Dagegen erhob die Klägerin am 07.09.2007 Widerspruch, zu dessen Begründung sie geltend machte, dass der Beklagte die Bewegungsbehinderung, Minderbelastbarkeit und starken Schmerzen im linken Knie nicht hinreichend berücksichtigt habe. Auch habe sich ihr psychischer Zustand verschlimmert.
Der Beklagte forderte den Befundbericht des Dr. S. vom 11.01.2008 an (rezidivierende Epicondylitis radialis links und rechts, Gonarthrose linkes Knie II.-IV. Grades, Gonarthrose rechtes Knie II. - III. Grades, fortgeschrittene degenerative Umbauten der HWS, Lymphödem beide Beine (K-Strümpfe notwendig). Dr. S. legte Operationsberichte aus den Jahren 1991 wegen einer akuten Blinddarmentzündung und 1992 wegen einer therapieresistenten Epicondylitis radialis rechts vor. Im Jahr 2006 äußerte er den Verdacht auf ein Plicasyndrom im linken Knie (Briefe vom 07.09.2006 und 06.10.2006) und diagnostizierte im Rahmen der am 18.10.2006 durchgeführten Operation des linken Knies eine Gonarthrose linkes Knie II.-IV. Grades, laterale Meniskusdegeneration, große Plica parapatellaris medialis und alte vordere Kreuzbandteilruptur. Am 21.09.2007 operierte er auch das rechte Kniegelenk und stellte die Diagnosen einer fortgeschrittenen Chrondromalazie II. und III. Grades, retropatellar, mediale und laterale Femur, einer alten proximalen Kreuzbandauslockerung, degenerativer Innenmenikusläsion und einer großen Plica parapatellaris medialis. Man habe dieses Mal sofort operiert, nachdem sich nach der Operation des linken Knie eine Besserung eingestellt habe.
Nach erneuter Anhörung des ärztlichen Dienstes (Dr. Z./O./K., 20.02.2008) wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28.03.2008 zurück. Auch unter zusätzlicher Berücksichtigung einer Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks, Knorpelschäden am linken Kniegelenk (Teil-GdB 10) sei die Schwerbehinderteneigenschaft nicht gegeben.
Dagegen erhob die Klägerin am 28.04.2008 Klage zum SG, zu deren Begründung sie vortrug, dass allein ihre psychischen Beschwerden einen Teil-GdB von 40 bedingten, so dass insgesamt sicher von einem GdB von 50 auszugehen sei. Der Beklagte trat der Klage entgegen.
Das SG befragte die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. O. gab unter dem 10.10.2008 an, bei ihm werde die Klägerin unter der Diagnose eines chronischen Schmerzsyndroms bei degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule mit wiederholten Nervenwurzelreizungen, eines Fibromyalgiesyndroms und einer Retropatellararthrose im linken Knie behandelt. Die einzelnen GdB habe der ärztliche Dienst des Beklagten adäquat eingestuft. Er legte einen Arztbrief des Radiologen Dr. L. F. v. 03.07.2007 vor, der eine multisegmentale Chondrose/Osteochondrose der LWS, diskrete Dorsalvorwölbung der Bandscheiben bei L1/2 bis L4/5 ohne signifikante Pelottierung des Thekalsacks, keine Spinalkanalstenose und keine signifikanten foraminalen Einengungen feststellte. Der internistische Rheumatologe Dr. S. diagnostizierte eine Fibromyalgie (generalisiertes Schmerzsyndrom, Brief vom 19.09.2008).
Der Facharzt für Nervenheilkunde, Psychiatrie, Psychotherapie, Rehabilitationsmedizin Dr. R. teilte unter dem 13.10.2008 mit, er habe die Klägerin nur 2006 und 2007 jeweils einmal behandelt. Er äußerte die Meinung, dass multiple Störungen vorlägen, die vorwiegend psychosomatischer Natur seien und objektiv nicht beurteilt werden könnten (Fibromyalgie, Depression, Kniegelenksschmerz, Ohrgeräusche, Reizmagen). Es bestehe ein ausgeprägtes Übergewicht. Der GdB müsse mit mehr als 40 veranschlagt werden.
Der Chirurg Dr. S. schrieb am 23.10.2008, bei der Klägerin bestünden verschleißbedingte erhebliche Gelenkschädigungen in beiden Kniegelenken mit Knorpelschäden II. bis IV. Grades in Form einer generalisierten Gonarthrose mit begleitender Meniscusschädigung, die mit einem GdB von je 20 zu berücksichtigen seien.
Die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. H.-T. äußerte am 14.12.2008 die Meinung, dass die seelische Störung unterbewertet sei und allein einen GdB von über 50 verdiene. Es bestehe ein ausgeprägtes Bild einer Psychosomatose am ehesten als Symptom einer histrionischen Persönlichkeitsstörung und ein chronisches Schmerzsyndrom bei vermutlich pathologisch erhöhtem Leidensdruck. Sie gehe von einem Progress der Erkrankung aus, so dass die Klägerin mittelfristig psychotische Symptome zeigen werde.
Das SG zog ärztliche Unterlagen aus dem parallel laufenden Rechtsstreit gegen die Deutsche Rentenversicherung K. B. S. wegen Weitergewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung (S 12 R 1922/07) bei. Darin befand sich ein nervenärztliches Gutachten des Dipl.Med. G. vom 18.05.2006. Er stellte in der Untersuchungssituation keine auffällige pathologische Einschränkung der Beweglichkeit der HWS, eine gewisse Insuffizienz der Rückenmuskulatur und eine endgradige Einschränkung der Rotation und Seitwärtsneigung in BWS und LWS fest. Es bestehe ein deutlicher Senk-Spreiz-Fuß beidseits, die Klägerin sei mit Einlagen versorgt. Die Tender points bei sog. Fibromyalgie seien nicht schmerzhaft. Es seien keine Hinweise auf eine depressive Stimmungslage erkennbar. Die Klägerin sei angespannt, aber mehr im Sinne eines streitbaren Verhaltens, eine Klagsamkeit bestehe überraschenderweise nicht. Eine somatoforme Störung liege nicht vor. Dipl.Med. G. diagnostizierte einen Zustand nach depressiv getönter Anpassungsstörung, Hinweise auf Schmerzmittelabusus, deutlich gebesserte vorbekannte somatoforme Schmerzstörung, Hinweise auf tendenzielles Verhalten im Rahmen des Wunsches nach Rentenweitergewährung und schloss akute radikuläre Reiz- bzw. Ausfallerscheinungen aus.
Dr. O. sagte am 22.11.2007 schriftlich gegenüber der 12. Kammer aus, er habe die Klägerin wegen Schmerzen in der BWS, später wegen Beschwerden im Lenden-Hüft-Bereich behandelt.
Die Klägerin stellte sich am 06.09.2007 zur Untersuchung und Behandlung beim Facharzt für Psychiatrie, Neurologie, Psychotherapie, Psychoanalyse Dr. L. vor (chronisches Schmerzsyndrom, Arztbrief vom 07.09.2007). Auf Nachfrage des SG gab er an, die Klägerin einmal im Jahr 2006 und viermal im Jahr 2007 behandelt zu haben (Zeugenaussage vom 19.12.2007). Neben dem chronischen Schmerzsyndrom bestehe auch eine Depression. Es würden Schmerzen in verschiedenen Körperbereichen angegeben. Nunmehr (am 17.12.2007) bestehe doch wieder ein Depression vor dem Hintergrund einer Ehekrise.
Dr. H. gab auf die Anfrage der 12. Kammer unter dem 21.11.2007 die Diagnosen einer allergischen Diathese, einen Zustand nach chronischem Ekzem, Nierencyste links, eine Hiatushernie und Refluxkrankheit (1994), eine Gastritis (1999 und 2000), eine Steatosis hepatis (2005), einen Z.n. Cholecystektomie und eine Lebercyste (2006) und eine Mitralinsuffizienz (2006) an.
Dr. S. erstattete am 15.02.2008 ein orthopädisch-rheumatologisches Gutachten im Rentenverfahren. Dort klagte die Klägerin über Schmerzen im ganzen Körper und wirkte sehr fahrig und unkoordiniert. Nach körperlicher Untersuchung der Klägerin kam Dr. S. zu den Diagnosen eines Zervikalsyndroms bei Osteochondrosen, Spondylose und Unkovertebralarthrose bei leichter zervikaler Spinalkanalstenose, einer s-förmigen Fehlhaltung der Wirbelsäule mit statisch-muskulärer Insuffizienz, eines degenerativen Lumbalsyndroms bei Osteochondrose und erheblicher muskulärer Insuffizienz, einer Fingerendgelenksarthrose im Sinne der Heberdenarthrose am II. und III. Finger beidseits rechts gegenüber linksseitig betont, einer intialen Hüftgelenksarthrose beidseits ohne wesentliche Funktionseinschränkung, einer initialen medialseitig betonten Gonarthrose mit leichter Retropatellararthrose ohne wesentliche Funktionseinschränkung, einer leichten Varikosis am rechten Unterschenkel ohne Hinweis für eine chronisch venöse Insuffizienz, eine Knick-Senk-Spreizfußbildung beidseits rechts deutlicher betont gegenüber links, einer Adipositas per magna, einer chronischen Schmerzstörung nach Gerbershagen III mit somatoformer Schmerzstörung. Nach der Untersuchung, in der nicht alle Tenderpoints sicher positiv gewesen seien, könne die Diagnose einer Fibromyalgie nicht sicher gestellt werden.
Der Nervenarzt und Psychotherapeut Dr. S. erstattete am 06.10.2008 für die 12. Kammer des SG ein Gutachten. Dort klagte die Klägerin über Kopfschmerzen und Schwindel sowie Übelkeit, Schmerzen in allen großen Gelenken und ein Gefühl wie Muskelkater alle großen Muskelgruppen betreffend. Dr. S. diagnostizierte eine mittelgradige, rezidivierende depressive Episode, eine somatoforme Schmerzstörung, einen Spannungskopfschmerz und ein HWS-LWS-Syndrom ohne radikuläre Ausfälle.
Der Neurologe und Psychiater, Psychotherapeut und Facharzt für psychotherapeutische Medizin Dr. W. erstattete am 16.12.2008 ein Gutachten im Rentenverfahren. Dort machte die Klägerin ausführliche Angaben zu ihren Einschränkungen im Alltag und im Tagesablauf. Dr. W. konnte keinen fassbaren neurologischen Befund feststellen. Es bestünden schmerzbedingte Einschränkungen der Beweglichkeit. Auch er kam zur Diagnose einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung, einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, einer Neurasthenie bei histrionischer Persönlichkeitsakzentuierung, wobei konversionsneurotische Anteile in die histrionische Persönlichkeitsstörung mit einflössen. Die körperlichen Funktionen seien insofern beeinträchtigt als endgradig schmerzhafte Bewegungseinschränkungen bestünden, die willentlich nicht völlig beherrschbar seien. Daneben fänden sich vor allem kognitive Störungen und eine Störung des Durchhaltevermögens bzw. der Ausdauerleistung durch die depressive Symptomatik.
Vom 15.04.2009 bis 13.05.2009 war die Klägerin zur Rehabilitation in der Fachklinik H. wegen einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung, einer rezidivierenden psychischen Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, einer Adipositas, einer arteriellen Hypertonie, einer chronischen Gastritis und einer Fibromyalgie (Entlassungsbericht vom 26.05.2009).
Der Beklagte legte eine ärztliche Stellungnahme von Dr. G. vom 10.03.2009 vor.
Das SG holte ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten des Dr. R. vom 13.10.2009 ein. Dort gab die Klägerin erneut Schmerzen überall an. Außerdem falle ihr alles aus den Händen. Sie habe ein Ohrensausen, dafür erhalte sie Tabletten. Eine Psychotherapie habe noch nicht stattgefunden. Sie machte erneut Angaben zu ihrem Tagesablauf. Dr. R. führte aus, es bestehe eine psychogene Störung mit Überempfindlichkeit beim Betasten und Berühren jeglicher Körperstellen. Ohne Zweifel bestehe ein schädlicher Schmerzmittelkonsum, der wahrscheinlich die Ursache der Magenbeschwerden sei. Schwere depressive Symptome seien bei der Untersuchung nicht erkennbar. Es bestehe keine krankhafte depressive Erkrankung sondern eine reaktive Depressivität (auch als Anpassungsstörung bezeichnet). Daneben liege eine somatoforme Schmerzstörung mit Schmerzmittelabusus vor. Schwere Funktionsstörungen seitens der degenerativen Wirbelsäulenerkrankung seien bei der dortigen Untersuchung nicht festzustellen gewesen. Der Einzel-GdB für degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, anhaltende somatoforme Schmerzstörung und reaktive Depression schätze er ab Juli 2007 auf 30, für die übrigen Behinderungen Reizmagen, Bluthochdruck, Ohrgeräusche beiderseits, chronische Bronchitis und Zwerchfellbruch sei jeweils ein GdB von 10 anzusetzen, insgesamt bestehe ein GdB von 40.
Die Klägerin legte einen Bericht des Neurologen und Psychiaters Dr. W., Klinikum N.-S. (psychiatrische Institutsambulanz - Z. -), vom 28.04.2010 vor. Dort war die Klägerin wegen einer rezidivierenden depressiven Störung, derzeit schwergradige Episode, einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung und einer multiplen dissoziativen Störung in ambulanter Behandlung. Sie gebe an, sehr schlecht zu sehen, der Augenarzt finde aber kein organpathologisches Korrelat. Es bestünden paranoid-anmutende Beobachtungs- und Beziehungsideen, fraglich akustische Halluzinationen in Form von kommentierenden Stimmen (Tuscheln) und eine fragliche Filterstörung mit Reizüberflutung und unzureichendem Abschirmvermögen.
Vom 03.09.2010 bis 09.09.2010 war die Klägerin in stationärer Behandlung im S. R. B. W. wegen Arthralgien, z.A. rheumatisch-entzündliche Erkrankung Typ RA, Fibromyalgie, humorale Aktivität (CRP 18) unklarer Genese, mäßige Coxarthrose beidseits, Periarthropathie beide Hüften, V.a. chronische Bronchitis, aktuell a.e. viraler respiratorischer Infekt, Erythrozyturie zur weiteren Abklärung, Z.n. Otitis media links 08/2010, arterielle Hypertonie (Entlassungsbericht vom 09.09.2010). Die weitere Untersuchung ergab einen Staphylococcus areus.
In einer Untersuchung mittels Ganzkörperszintigramm fanden sich entzündliche Gelenkprozesse mit Knochenbeteiligung an den Fingergelenken, Großzehengrundgelenken, Kniegelenken, im unteren Abschnitt des rechten ISG und eher diffus in den Intervertebralräumen der mittleren und unteren BWS und dem Intervertebralgelenk C4/5 links (Arztbrief Dr. L., Radiologe, vom 11.08.2010).
Der HNO-Arzt Dr. S. diagnostizierte in einem Brief vom 27.08.2010 eine gering bis mittelgradige Schwerhörigkeit beidseits, A. TVS rechts, A. retrochochleäre Störung. Eine Hörgeräte-Indikation bestehe nicht, die Klägerin habe zunehmende Sprachverständnisbeschwerden.
Der Psychiater und Neurologe Dr. L. behandelte die Klägerin wegen Sehstörungen, eines chronischen Schmerzsyndroms, Cervikocephalgien und Lumboischalgien (Arztbrief vom 02.03.2010).
Mit Urteil vom 30.09.2010 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, hinsichtlich der Hauptfunktionsstörung der Klägerin, der Veränderungen der Wirbelsäule, Schmerzstörung usw. ergebe sich jedenfalls kein höherer Teil-GdB als 40. Das Gericht stütze sich insofern auf das Gutachten von Dr. R ... Die Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks habe der Beklagte zu Recht mit einem GdB von 10 berücksichtigt. Adipositas allein bedinge keinen GdB. Die gering-mittelgradige Schwerhörigkeit begründe bei einem Hörverlust beidseits von 15% keinen GdB von wenigstens 10. Hinsichtlich der Sehstörungen sei kein Teil-GdB anzusetzen. Die übrigen Teil-GdB seien vom Beklagten zutreffend berücksichtigt worden.
Gegen das ihrem bevollmächtigten Rentenberater am 29.10.2010 zugestellte Urteil richtet sich die am 24.11.2010 eingelegte Berufung der Klägerin, zu deren Begründung sie vorträgt, das SG habe unzutreffend einen gemeinsamen Teil-GdB für die Wirbelsäulenbeschwerden und die psychischen Einschränkungen gebildet. Außerdem habe sie nunmehr eine Erwerbsminderungsrente auf Dauer erhalten wegen ihrer psychischen Beschwerden, daraus sei ableitbar, dass sie an schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten leide. Zur weiteren Begründung hat die Klägerin Niederschriften des Sachverständigenbeirats beim BMA über die Beurteilung sozialer Anpassungsschwierigkeiten vorgelegt (Tagung vom 18. - 19.03.1998).
Sie hat einen Arztbrief des Dr. H. vom 13.10.2010 über eine Steatosis hepatis, eine Lebercyste und eine Nierencyste links sowie postprandiale Schmerzen vom rechten Oberbauch bis zur rechten Flanke, Dysurie, Übelkeit vorgelegt. In einem weiteren Arztbrief vom 22.10.2010 hat er eine hochgradige Antrumgastritis und eine Cardiainsuffizienz mitgeteilt und eine medikamentöse Behandlung vorgeschlagen.
Sie hat weitere Arztbriefe des Psychiaters Dr. S., Klinikum N., Z., vom 08.07.2010, 14.12.2010 und 24.05.2011 über eine laufende Behandlung in der psychiatrischen Institutsambulanz wegen einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome, einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung, einer asthenischen Persönlichkeitsstörung und einer multiplen dissoziativen Störung vorgelegt.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30.09.2010 sowie den Bescheid vom 07.08.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.03.2008 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, einen GdB von 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung schließt er sich dem Urteil des SG an. Er hat Stellungnahmen des Dr. B. vom 04.05.2011 und des Dr. R. vom 06.09.2011 vorgelegt.
Der Senat hat weitere ärztliche Unterlagen bei der Deutschen Rentenversicherung K. B. S. beigezogen. Darin befand sich ein Gutachten der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. vom 03.11.2010, die zu dem Ergebnis kam, dass sich keine Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen ergeben habe.
Der Senat hat weiterhin einen Arztbrief des Dr. S. vom 21.10.2011 über die weitere Behandlung der Klägerin in der psychiatrischen Institutsambulanz beigezogen.
Der Beklagte hat eine Stellungnahme des Dr. R. vom 04.04.2012 vorgelegt.
Der Senat hat auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten des Facharztes für Psychiatrie Dr. B. vom 23.11.2012 eingeholt. Dort hat die Klägerin angegeben, an Rückenschmerzen, Gelenkschmerzen, Magenbeschwerden, Ein- und Durchschlafstörungen, Kraft- und Lust- und Interesselosigkeit sowie Kontrollzwängen zu leiden. Sie sei menschenscheu und habe Kontakte zu Freunden und Familienangehörigen stark reduziert, fast abgebrochen. Ein Anhalt für Wahrnehmungsstörungen oder Halluzinationen habe sich nicht ergeben. Dr. B. diagnostizierte eine rezidivierende depressive Störung, schwere Episode ohne psychotische Symptome, eine asthenische Persönlichkeitsstörung, eine multiple dissoziative Störung, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine Anpassungsstörung, mittelgradig ausgeprägt, Zwangsgedanken/Zwangsstörung, Tinnitus beidseits, eine arterielle Hypertonie und eine Adipositas. Der GdB solle zwischen 50 und 70 liegen. Die Klägerin sei nicht in der Lage, ihren geregelten Tagesablauf sowie den Haushalt zu führen. Sie sei ständig auf ärztliche Hilfe angewiesen.
Der Beklagte hat eine versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. R. vom 19.02.2013 vorgelegt.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf einen Band Verwaltungsakten des Beklagten, einen Band Akten des Sozialgerichts Karlsruhe, einen Band Auszug aus den Akten des Sozialgerichts Karlsruhe im Verfahren um die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente und die beim Senat angefallene Akte.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch insgesamt zulässige Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet, § 124 Abs. 2 SGG, ist auch teilweise begründet. Der Klägerin steht ein GdB von 50 ab 17.02.2010 zu.
Der mit der Vertretung der Klägerin beauftragte Rentenberater ist zum Auftreten vor den Sozialgerichten in Verfahren um die Schwerbehinderteneigenschaft berechtigt, denn er hat eine auf die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten erweiterte Erlaubnis zur Rentenberatung, besitzt bereits seit 1995 die Erlaubnis zum mündlichen Verhandeln vor den Sozialgerichten auch in Schwerbehindertenangelegenheiten und ist auch entsprechend im Rechtsdienstleistungsregister als Erlaubnisinhaber registriert, § 10 Abs. 1 Nr. 2 Rechtsdienstleistungsgesetz.
Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Neufeststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen – welche ihrerseits nicht zum so genannten Verfügungssatz des Bescheides gehören – zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG, Urteil vom 10.09.1997 – 9 RVs 15/96 – BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 16 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. In diesem Zusammenhang waren bis zum 31.12.2008 die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 – B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3 3870 § 4 Nr. 1).
Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der AHP, die im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewendet wurden, die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 16 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB. Anders als die AHP, die aus Gründen der Gleichbehandlung in allen Verfahren hinsichtlich der Feststellung des GdB anzuwenden waren und dadurch rechtsnormähnliche Wirkungen entfalteten, ist die VersMedV als Rechtsverordnung verbindlich für Verwaltung und Gerichte. Sie ist indes, wie jede untergesetzliche Rechtsnorm, auf inhaltliche Verstöße gegen höherrangige Rechtsnormen - insbesondere § 69 SGB IX - zu überprüfen (BSG, Urteil vom 23.4.2009 - B 9 SB 3/08 R - RdNr 27, 30 mwN). Sowohl die AHP als auch die VersMedV (nebst Anlage) sind im Lichte der rechtlichen Vorgaben des § 69 SGB IX auszulegen und - bei Verstößen dagegen - nicht anzuwenden (BSG, Urteil vom 30.09.2009 SozR 4-3250 § 69 Nr. 10 RdNr. 19 und vom 23.4.2009, aaO, RdNr 30).
Nach diesen Kriterien ist im Februar 2010 eine wesentliche Änderung in den Beschwerden der Klägerin eingetreten, die nunmehr einen GdB von 50 rechtfertigen. Die Klägerin leidet nunmehr nicht mehr (nur) an einer somatoformen Schmerzstörung und rezidivierenden depressiven Störung sondern auch an einer dissoziativen Störung und beginnenden Zwangskrankheit. Die psychischen Beschwerden der Klägerin bedingen allenfalls einen GdB von 40 bis 16.02.2010, ab 17.02.2010 jedoch einen solchen von 50. Nach Nr. 3.7 Teil B VG werden leichtere psychovegetative und psychische Störungen mit einem GdB von 0 bis 20 bewertet. Stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit werden mit einem GdB von 30 bis 40 festgestellt. Schwere Störungen (z.B. schwere Zwangskrankheiten) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten werden mit einem GdB von 50 bis 70 bewertet.
Die Klägerin leidet an einer somatoformen Schmerzstörung, die zu Schmerzen an allen großen Gelenken und zu einem Missbrauch von Schmerzmitteln geführt hat. Die Schmerzen sind teilweise durch die in der Ganzkörperszintigraphie festgestellte entzündliche Aktivität in einigen der großen Gelenke zu erklären. Teilweise findet sich eine Erklärung in degenerativen Erkrankungen der Wirbelsäule, die aber die von der Klägerin geschilderten Schmerzen, die in der Vergangenheit immer wieder Behandlungsversuchen mittels Medikamenten und psychotherapeutischen Ansätzen unterworfen wurden, zu erklären. Die Schmerzen im Bereich des Knie bestanden trotz nach Auffassung des Chirurgen erfolgreicher Operation beider Knie fort bzw. entstanden innerhalb kurzer Zeit erneut. Schon im Jahr 2003 war eine schmerztherapeutische Behandlung durch den Anästhesiologen H. über immerhin ein Jahr nur von geringem Erfolg gekrönt und eine Psychotherapie empfohlen. Im Jahr 2005 fand einen tagesklinische Behandlung im S. R. statt, die ebenfalls nur wenig an der Schmerzsituation ändern konnte. Weitere Therapieversuche durch Dr. R. und in der Klinik Dr. R. im Jahr 2006 konnte an der Schmerzsituation erneut nur wenig ändern. Einmalig bei der Untersuchung durch Dipl.Med. G. im Jahr 2006 schilderte die Klägerin weniger Schmerzen, so dass Dipl.Med. G. sich erstaunt über die geringe Klagsamkeit der Klägerin zeigte. Diese Situation hielt aber nicht an, wie die Notwendigkeit der im November und Dezember 2006 durchgeführten stationären Behandlung in der Klinik Dr. R. zeigte. In der Folge bedurfte die Klägerin insofern weiterhin der Behandlung durch Dr. L., der Rehabilitation in der Fachklinik H. im Jahr 2009, der stationären Behandlung im S. R. B. W. im Jahr 2010 und schließlich der laufenden Behandlung durch Dr. S. seit Februar 2010.
Daneben besteht bei der Klägerin eine histrionische Persönlichkeitsstörung, die zu einer raschen Kränkbarkeit führt. Diese Persönlichkeitsstörung unterhält die somatoforme Schmerzstörung der Klägerin zusätzlich und führt dazu, dass die Klägerin fahrig und unkoordiniert ist (Gutachten Dr. S. vom 15.02.2008) und sehr weitschweifig erzählt (Zeugenaussage Dr. H.-T. vom 14.12.2008, Arztbriefe Dr. S. vom 28.04.2010, 08.07.2010, 14.12.2010, 24.05.2011 und 21.10.2011) und nicht zum Punkt kommen kann. Weiterhin ist es ihr nicht möglich, sich auf psychische Erklärungsmodelle für ihre Beschwerden und die entsprechende psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung derselben einzulassen. Dazu trägt außerdem eine konversionsneurotische Erkrankung bei (Gutachten von Dr. W. vom 16.12.2008).
In der Vergangenheit ist es darüber hinaus immer wieder zu depressiven Reaktionen der Klägerin auf Veränderungen in ihrer Lebenssituation gekommen. Im Jahr 2003 fand sich eine depressive Reaktion auf die Schwierigkeit, für ihren zweiten Ehemann ein Aufenthaltsrecht in Deutschland zu erstreiten. Im Jahr 2007 reagiert die Klägerin nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. L. mit einer depressiven Episode auf die Trennung und im Jahr 2008 Scheidung von ihrem zweiten Ehemann. Wie Dr. R. in seinem Gutachten vom 13.10.2009 überzeugend ausgeführt hat, kam es in der Vergangenheit aber immer wieder zur Stabilisierung dieser Symptomatik, so dass er nur von einer reaktiven Depression und nicht von einer rezidivierenden depressiven Episode ausging.
Weiterhin bestand bei der Untersuchung durch Dr. R. eine massive Überempfindlichkeit auf Berührung, die dieser als psychogene Störung beurteilte und für den Senat überzeugend zusammen mit der somatoformen Störung einordnete.
Der Senat kann dahingestellt sein lassen, ob die Diagnose einer Fibromyalgie gerechtfertigt war oder noch ist, denn nach seiner ständigen Rechtsprechung ist auch die Fibromyalgie nach den Kriterien für Neurosen, Persönlichkeitsstörungen und Folgen psychischer Traumen zu beurteilen (vgl. zuletzt Urteil vom 22.03.2013 - L 8 SB 4625/11 sowie vom 27.01.2012 - L 8 SB 768/11). Die damit zusammenhängenden Funktionsbeeinträchtigungen wirken sich bei der Klägerin nicht anders aus als die somatoforme Schmerzstörung.
Diese Beschwerden waren als stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, nämlich als somatoforme Störung einzustufen, denn die Klägerin erfuhr durch diese Erkrankung Schwierigkeiten in ihrer täglichen Lebensführung. Andererseits war es ihr in dieser Zeit noch möglich, den Kontakt mit ihren Töchtern aufrecht zu erhalten und sich regelmäßig um ihre Enkelkinder zu kümmern sowie täglich aus dem Haus zu gehen, um einzukaufen oder ihre Arzttermine wahrzunehmen. Die Beschwerden hatten im Rahmen der laufenden Renten- und Schwerbehindertenverfahren eher appeleativen Charakter, so dass die Klägerin sich auch nicht veranlasst sah, sich in die mehrfach vorgeschlagene psychotherapeutische oder regelmäßige psychiatrische Behandlung zu begeben.
Die psychischen Beeinträchtigungen haben nach der Begutachtung durch Dr. R. insofern eine wesentliche Verschlimmerung erfahren als die Klägerin in der Folge ein Ohrensausen entwickelt hat und zunehmend den Eindruck gewann, dass die Nachbarn über sie tuschelten. Sie litt an einer Reizüberflutung und entwickelte eine Sehstörung, die sich organisch nicht erklären ließ. Dr. S. und Dr. W. interpretierten diese Symptome bei ihren Untersuchungen am 17.02.2010, 04.03.2010 und 17.03.2010 als Ausdruck dissoziativer Störungen. Darüber hinaus traten zwanghafte Symptome auf, so dass die Klägerin kontrollieren muss, ob der Herd ausgeschaltet war und Fenster und Türen geschlossen waren. Die Klägerin war nicht in der Lage, sich einer tagesklinischen Behandlung zu unterziehen, weil sie in der Tagesklinik des Z. nicht gesehen werden wollte und die Vorstellung entwickelte, dass die Nachbarn sich über sie lustig machten. Zwar stabilisierte sich die Symptomatik im Verlauf der Behandlung durch Dr. S. u.a. durch die Einnahme der psychiatrischen Medikation (Brief des Dr. S. vom 21.10.2011). Die Klägerin entwickelte aber insofern die Vorstellung, dass die Medikamente ihre inneren Organe, insbesondere ihre Leber schädigten und konnte sich deshalb auf eine Erhöhung der Dosis oder andere Medikamente nicht einlassen. Sie bedurfte weiterhin der laufenden psychiatrischen und psychotherapeutischen Behandlung in der psychiatrischen Institutsambulanz. Bei der Begutachtung durch Dr. B. im September 2012 zeigte sie sich kaum noch in der Lage, ihre Wohnung zu verlassen. Die Aufrechterhaltung eines Rhythmus mit fast täglichen Einkäufen, um aus dem Haus zu kommen, gelang der Klägerin nicht mehr, sie konnte kaum noch eine Tagesstruktur aufrecht erhalten.
Diese Beeinträchtigungen rechtfertigen in der Gesamtschau von histrionischer Persönlichkeitsstörung, rezidivierender Depression mit wiederholt schweren Phasen, zwanghaften Zügen, dissoziativer Störung und psychogener Störung sowie somatoformer Schmerzstörung die Einschätzung von Dr. B. als schwere Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten. Im dadurch eröffneten Rahmen ist die Störung ab der ersten Untersuchung durch Dr. S. und Dr. W. am 17.02.2010 und eher im unteren Bereich des eröffneten Rahmens von 50 bis 70 mit einem GdB von 50 anzusiedeln.
Soweit Dr. R. in seinen Stellungnahmen vom 06.09.2011 und 04.04.2012 davon ausgeht, dass sich die psychische Situation der Klägerin gebessert habe, ist dem im Hinblick auf das Gutachten von Dr. B. und die dort mitgeteilten Beschwerden entgegen zu halten, dass es der Klägerin offenbar durch einen Aufenthalt in Polen vorübergehend gelungen ist, ihren Zustand zu stabilisieren, diese Stabilisierung offenbar aber nicht von Dauer war. Zutreffend ist zwar, dass der GdB auch bei depressiven Erkrankungen, die wie bei der Klägerin Schwankungen unterworfen ist, ein Durchschnittswert zu bilden ist. Jedoch geht Dr. R. selbst offenbar jeweils von den Phasen relativer psychischer Gesundheit und nicht von dem Durchschnittswert aus. Zutreffend ist auch, dass es im Rahmen einer Scheidung durchaus nicht unüblich ist, dass sich der Bekanntenkreis mindert. Dr. R. übersieht aber insofern, dass die Klägerin zu diesem Zeitpunkt bereits seit fast drei Jahren von ihrem zweiten Ehemann geschieden und inzwischen mehr als drei Jahre von ihm getrennt lebte und nicht nur den Kontakt zu ihm, sondern auch zu ihren Töchtern und Enkelkindern aus erster Ehe, die mit ihrem zweiten Ehemann nicht verwandt sind und auch nicht zusammengelebt haben, unterbrochen hat. Sofern Dr. R. in seiner Stellungnahme vom 19.02.2013 bemängelt, dass Dr. B. keinen Überblick über die vergangenen mindestens sechs Monate habe - wohl in Anknüpfung an die rechtsirrtümliche Selbstbezeichnung von Dr. B. als sachverständiger Zeuge -, ist dem entgegen zu halten, dass Dr. B. die Klägerin nicht behandelt, sondern tatsächlich gemäß der Beweisanordnung des Senats begutachtet hat. Insofern war eine Übersicht über mindestens sechs Monate aus eigener Behandlung von ihm auch nicht zu erwarten. Dass die Beurteilung dieses Gesundheitszustandes der Klägerin als maßgebender Dauerzustand durch Dr. B. fehlerhaft ist, ist nicht ersichtlich.
Die Beschwerden von Seiten der Wirbelsäule bedingen einen GdB von 10. Nach Nr. 18.9 Teil B VG bedingen Wirbelsäulenschäden, die keine Bewegungseinschränkung oder Instabilität verursachen, einen GdB von 0. Bei geringen funktionellen Auswirkungen wird ein GdB von 10 angenommen, bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt, d.h. Verformung, häufig rezidivierenden oder anhaltenden Bewegungseinschränkungen oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierenden und über Tage andauernden Wirbelsäulensyndromen wird ein GdB von 20 angenommen. Ein GdB von 30 ist gerechtfertigt bei schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt mit z.B. häufig rezidivierenden und Wochen andauernden ausgeprägten Wirbelsäulensyndromen oder bei mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten. Die Klägerin hat degenerative Veränderungen in der Lendenwirbelsäule und der Halswirbelsäule, die teilweise zu einer Gefügestörung unter den HWK geführt haben. Wesentliche Bewegungseinschränkungen konnten die begutachtenden Ärzte ausnahmslos mit einer leichten Entfaltungsstörung der LWS (Schober 10/12,5 cm bzw. 13 cm) nicht feststellen. Wurzelreizerscheinungen traten nur vorübergehend auf und waren jeweils wieder abgeheilt. Die apparativen Untersuchungen ergaben entsprechend auch weder einen Hinweis auf eine Spinalkanalsenge noch auf einen Bandscheibenvorfall. Die Beschwerden der Klägerin im Bereich der Wirbelsäule bestehen im Wesentlichen in Schmerzen, die bereits im GdB von 40 bzw. 50 für die psychischen Beeinträchtigungen berücksichtigt sind.
Die Beschwerden der Klägerin in den Knien bedingen einen GdB von 10. Nach Nr. 18.14 Teil B VG bedingt eine muskulär kompensierbare Lockerung des Kniebandapparats einen GdB von 10. Ausgeprägte Knorpelschäden der Kniegelenke mit anhaltenden Reizerscheinungen ohne Bewegungseinschränkungen bedingen bei einseitiger Betroffenheit einen GdB von 10 bis 30, mit Bewegungseinschränkung von wenigstens 20. Bewegungseinschränkungen in den Knien haben die behandelnden Ärzte Dr. S. und Dr. O. nach den beiden Operationen im Jahr 2006 und 2007 nicht mitgeteilt. Anhaltende Reizerscheinungen in den Knien oder eine Lockerung des Kniebandapparats haben sie ebenfalls nicht festgestellt. Die Klägerin hat zwar in den Knien eine fortgeschrittene Arthrose, die aber nicht zu Bewegungseinschränkungen führt. Auch in den Knien besteht die Beeinträchtigung im Wesentlichen in Schmerzen in Folge der somatoformen Schmerzstörung.
Die Beschwerden von Seiten der Hüften sind nicht mit einem GdB zu berücksichtigen. Gemäß Nr. 18.14 Teil B VG ist eine Bewegungseinschränkung des Hüftgelenks geringen Grades, die zu einer Streckung/Beugung bis zu 0/10/90 führt, mit einem GdB von 10 bis 20 zu bewerten. Eine Bewegungseinschränkung in den Hüften ist nicht eingetreten, die Schmerzen sind bei dem GdB von 40 bzw. 50 für die psychische Erkrankung der Klägerin mit berücksichtigt. Dasselbe gilt für die Finger-Gelenks-Arthrose und die Polyarthritis, die sich ebenfalls im Wesentlichen in Schmerzen, nicht aber in einer Bewegungseinschränkung ausdrücken.
Der bei der Klägerin wiederholt diagnostizierte Bluthochdruck bedingt keinen GdB. Ein Bluthochdruck leichter Form, d.h. ohne oder mit geringer Leistungsbeeinträchtigung führt nach Nr. 9.3 Teil B VG zu einem GdB von 0 bis 10, erst bei einer mittelschweren Form, d.h. bei Organbeteiligung oder einem diastolischen Blutdruck mehrfach über 100 mmHg wird ein höherer GdB angenommen. Die Klägerin erhält Medikamente gegen erhöhten Blutdruck. Unter dieser Medikation hat sie nach den vorliegenden Unterlagen durchgehend normotone, teilweise sogar hypotone Blutdruckwerte. Eine Funktionsbeeinträchtigung mit einem GdB von mindestens 10 ergibt sich daraus nicht.
Die chronische Bronchitis der Klägerin sowie die leichte Restriktion und leichte Obstruktion in der Lungenfunktion einschließlich der Pollenallergie bedingt einen GdB von höchstens 10. Nach Nr. 8.2 Teil B VG ist eine chronische Bronchitis in leichter Form, d.h. symptomfreie Intervalle über mehrere Monate, wenig Husten, geringer Auswurf, mit einem GdB von 0 bis 10 zu bewerten. Die Klägerin hat in der Vergangenheit Husten angegeben, der als am ehesten durch den genommenen ACE Hemmer ausgelöst interpretiert wurde. Ein fast kontinuierlicher, ausgiebiger Husten oder häufige akute Schübe, die einen höheren GdB rechtfertigen würden, sind nicht erkennbar und werden von der Klägerin auch nicht vorgetragen.
Die Beschwerden der Klägerin im Verdauungstrakt, Hiatushernie, Gastritis bedingen nach Nr. 10.2.1 Teil B VG einen GdB von 10. Die zwischenzeitlich aufgetretenen Hämorrhoiden mit Blutungsneigung wurden in der Folge - nach Behandlung - nicht mehr geklagt und bedingen nach Nr. 10.2.4 Teil B VG keinen eigenen GdB. Die vergrößerte Leber und Lebercyste sind lediglich als sonographisch feststellbarer Befund mit Fremdheitsgefühl festgestellt. Funktionsbeeinträchtigungen, insbesondere pathologische Leberbefunde im Labor haben die Ärzte Dr. H. und Dr. H.-T. nicht festgestellt. Ein GdB von wenigstens 10 ergibt sich daraus nach Nr. 10.3.2 und 10.3.3 Teil B VG nicht. Die von Dr. H. festgestellte Nierenzyste hat keine Auswirkungen auf die Nierenfunktion und bedingt deshalb nach Nr. 12.1.1 Teil B VG ebenfalls keinen eigenen GdB. Soweit die Klägerin wegen dieser Erkrankung besorgt ist und sich deshalb auf die Einnahme psychisch wirksamer Medikamente nicht einlassen kann, ist dieses Symptom bereits im GdB von 40 bzw. 50 für die psychische Erkrankung berücksichtigt.
Die beim Kläger vorliegende alimentäre Fettsucht (Adipositas) bedingt keinen GdB von 10. Nach Nr. 15.3 Teil B VG bedingt die Adipositas allein keinen GdB. Nur Folge- und Begleitschäden am Stütz- und Bewegungsapparat und dem kardiopulmonalen System können die Annahme eines GdB begründen. Kardiopulmonale Begleitschäden sind bisher nicht eingetreten, die Wirbelsäulenschäden sind bereits im GdB von 10 für die Beeinträchtigung der Wirbelsäule berücksichtigt.
Die von Dr. S. festgestellte Hörminderung bedingt nach Nr. 5.2 Teil B VG keinen eigenen GdB, weil eine wesentliche Beeinträchtigung des Hörvermögens nicht festgestellt werden konnte. Hörgeräte benötigt die Klägerin nicht. Die Ohrgeräusche (Tinnitus) sind bei den psychischen Beeinträchtigung bereits berücksichtigt und führen nicht zu einem eigenständigen GdB (vgl. Nr. 5.4 Teil B VG).
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Die AHP führen zur Umsetzung dieser Vorschriften aus, dass eine Addition von Einzel GdB Werten grundsätzlich unzulässig ist und auch andere Rechenmethoden für die Gesamt GdB Bildung ungeeignet sind. Diese Grundsätze gelten nach Inkrafttreten der VG fort (VG Teil A Nr. 3a). In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird; ein Einzel GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. AHP Nr. 19 Abs. 3 bzw. VG Teil A Nr. 3). Der Gesamt GdB ist unter Beachtung dieser Bewertungsgrundsätze in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG, SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5).
Nach diesen Kriterien liegt bei der Klägerin bis 16.02.2010 ein Gesamt-GdB von 40 vor, ab 17.02.2010 ein solcher von 50. Der Gesamt-GdB wird bei der Klägerin durch die im Vordergrund stehende psychische Erkrankung bestimmt, die durch die weiteren mit einem Teil-GdB von 10 zu berücksichtigenden Erkrankungen nicht in besonderem Maße beeinträchtigt wird. Der für die psychischen Beeinträchtigungen festzustellende Teil-GdB bestimmt deshalb auch den Gesamt-GdB.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG und trägt der Tatsache Rechnung, dass im Laufe des gerichtlichen Verfahrens eine Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen der Klägerin eingetreten ist.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte erstattet drei Viertel der außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Neufeststellung ihres Grades der Behinderung (GdB) mit 50.
Für die 1952 geborene Klägerin wurde zuletzt mit Bescheid vom 22.04.2003 (Widerspruchsbescheid vom 18.08.2003) ein GdB von 40 festgestellt. Die dagegen zum Sozialgericht Karlsruhe (SG - S 12 SB 3301/03) erhobene Klage nahm die Klägerin zurück.
Am 17.07.2007 beantragte die Klägerin die Neufeststellung ihrer Behinderung und legte dazu ärztliche Unterlagen vor. Der Beklagte zog weitere Unterlagen bei den Hausärzten der Klägerin bei. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) begutachtete die gesundheitliche Situation der Klägerin im Hinblick auf eine bescheinigte Arbeitsunfähigkeit am 02.05.2003 und 24.06.2003 und stellte die Diagnosen Depression bei chronifiziertem Schmerzsyndrom mit Somatisierung, Fibromyalgiesyndrom, chronisch rezidivierendes Halswirbelsäulen (HWS)- Syndrom bei Gefügestörung Halswirbelkörper (HWK) 4-6 mit Fehlhaltung und relativer Spinalkanalstenose, chronisch rezidivierende Kreuzschmerzen, Bluthochdruck, Reizmagen, Tinnitus (Gutachten vom 09.05. und 26.04.2003). Ein weiteres Gutachten vom 02.02.2007 stellte eine anhaltende depressive Episode, eine somatoforme Schmerzstörung, eine Gonarthrose links bei Z.n. Meniskusteilresektion lateral und Teilsynovektomie, chronisch rezidivierendes Wirbelsäulensyndrom ohne gravierende Funktionseinschränkung und ohne Wurzelreizsymptomatik fest.
Der Arzt für Anästhesiologie Dr. H. stellte unter dem 25.09.2003 den Verlauf einer einjährigen schmerztherapeutischen Behandlung von diffusen panalgetischen Beschwerden als nur kurzzeitig in zufriedenstellendem Ausmaß erfolgreich im Sinne einer Reduzierung der Beschwerden dar. Eine begleitende Psychotherapie werde zur Behandlung von Somatisierungsstörungen bei bestehendem ausgeprägten Fibromyalgiesyndrom fortgesetzt.
Wegen klimakterischer Beschwerden mit Polyarthritis wurde die Klägerin medikamentös behandelt (Arztbriefe des Arztes für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Dr. S. vom 04.10.2004 und 02.07.2004).
Im Februar 2005 war die Klägerin in tagesklinischer Behandlung im S. R. B. W. (Entlassungsbericht vom 11.03.2005: Fibromyalgie, aktuell akute Schmerzexazerbation therapieresistenter Schmerzen, Senk-Spreizfuß beidseits, arterielle Hypertonie, abgelaufener Harnwegsinfekt). Es bestehe ein generalisiertes Schmerzsyndrom mit gelenkbezogenen und nicht gelenkbezogenen Schmerzen, die alle Körperregionen beträfen und mit einer vegetativen Begleitsymptomatik assoziiert seien.
Beim Orthopäden Dr. B. war die Klägerin wegen eines Senk-Spreizfußes beidseits, einer Metatarsalgie MTK II rechts, Fibromyalgie, Fersensporn rechts, eines chronischen Lendenwirbelsäulen (LWS)- Syndroms mit MFS, muskulärer Dysbalance mit Radikulopathie S1 rechts bei ventraler Abstützreaktion und Spondylose L2-4 (Arztbrief vom 28.04.2005) und wegen einer Innenmeniskushinterhornläsion links, einer Polyarthrose der Hand Typ Heberden Bouchard beidseits (Arztbrief vom 26.06.2006) in Behandlung. Der Orthopäde Dr. O. diagnostizierte degenerative Brustwirbelsäulen (BWS)- Veränderungen, eine leichte lumbale Skoliose, ein chronisches Schmerzsyndrom mit psychosomatischer Störung und Depression und ein Fibromyalgiesyndrom (Arztbrief vom 09.05.2006) und schloss eine Coxarthrose aus (Brief vom 26.07.2006). Beim Arzt für Neurologie, Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin Dr. L. war die Klägerin wegen eines Wurzelreizsyndroms L5 rechts, Wurzelreizsyndroms S1 rechts und eines Verdachts auf Bandscheibenvorfall L4/5, L5/S1 in Behandlung (Arztbrief vom 23.06.2005). Die Chirurgen Dr. S. und Dr. S. diagnostizierten ein multiples Schmerzsyndrom wohl auch Morbus osticus (Brief vom 15.02.2007).
Der Internist Dr. H. stellte eine Hiatusgleithernie (Brief vom 31.03.2006) und Hämorrhoiden II. Grades mit Blutungsneigung (Brief vom 07.07.2006) sowie eine Steatosis hepatis mit Organvergrößerung auf das Doppelte der Norm (Arztbrief vom 27.07.2006), die später rückläufig war (Brief vom 13.11.2006), fest. Der Internist, Pneumologe und Allergologe Dr. C. stellte am 31.05.2006 eine ganz diskrete Obstruktion, im Übrigen normale statische und dynamische Lungenvolumina fest. Die Klägerin habe seit fünf Jahren einen trockenen Husten.
Der Arzt für Nervenheilkunde, Psychiatrie und Psychotherapie, Rehabilitationsmedizin Dr. R. untersuchte die Klägerin am 08.09.2006 und kam zur Diagnose einer Erschöpfungsdepression, Fibromyalgie, somatoformen Schmerzstörung und Gonarthrose links (Brief vom 08.09.2006). Vom 14.11.2006 bis 19.12.2006 war die Klägerin in stationärer Behandlung in der Klinik Dr. R. wegen einer depressiven Episode und somatoformen Schmerzstörung (Entlassungsbericht vom 03.01.2007).
Der Facharzt für HNO-Heilkunde Dr. S. behandelte die Klägerin wegen einer chronischen Pharyngo-Laryngitis und Rhinitis sicca (Arztbriefe vom 13.03.2007 und 02.05.2007).
Nach Anhörung des ärztlichen Dienstes (O., 06.08.2007) lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 07.08.2007 eine Änderung der bisherigen Entscheidung ab. Dabei ging er von folgenden Behinderungen aus: degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen, Fibromyalgiesyndrom, chronisches Schmerzsyndrom, Kopfschmerzsyndrom, seelische Störung (Teil-GdB 40), Reizmagen (10), Bluthochdruck, Ohrgeräusche beidseitig (Tinnitus) (10), chronische Bronchitis (10) und Zwerchfellbruch (10). Die Helicobacter Pylori-Gastritis - behandelbar - bedinge keinen GdB von wenigstens 10.
Dagegen erhob die Klägerin am 07.09.2007 Widerspruch, zu dessen Begründung sie geltend machte, dass der Beklagte die Bewegungsbehinderung, Minderbelastbarkeit und starken Schmerzen im linken Knie nicht hinreichend berücksichtigt habe. Auch habe sich ihr psychischer Zustand verschlimmert.
Der Beklagte forderte den Befundbericht des Dr. S. vom 11.01.2008 an (rezidivierende Epicondylitis radialis links und rechts, Gonarthrose linkes Knie II.-IV. Grades, Gonarthrose rechtes Knie II. - III. Grades, fortgeschrittene degenerative Umbauten der HWS, Lymphödem beide Beine (K-Strümpfe notwendig). Dr. S. legte Operationsberichte aus den Jahren 1991 wegen einer akuten Blinddarmentzündung und 1992 wegen einer therapieresistenten Epicondylitis radialis rechts vor. Im Jahr 2006 äußerte er den Verdacht auf ein Plicasyndrom im linken Knie (Briefe vom 07.09.2006 und 06.10.2006) und diagnostizierte im Rahmen der am 18.10.2006 durchgeführten Operation des linken Knies eine Gonarthrose linkes Knie II.-IV. Grades, laterale Meniskusdegeneration, große Plica parapatellaris medialis und alte vordere Kreuzbandteilruptur. Am 21.09.2007 operierte er auch das rechte Kniegelenk und stellte die Diagnosen einer fortgeschrittenen Chrondromalazie II. und III. Grades, retropatellar, mediale und laterale Femur, einer alten proximalen Kreuzbandauslockerung, degenerativer Innenmenikusläsion und einer großen Plica parapatellaris medialis. Man habe dieses Mal sofort operiert, nachdem sich nach der Operation des linken Knie eine Besserung eingestellt habe.
Nach erneuter Anhörung des ärztlichen Dienstes (Dr. Z./O./K., 20.02.2008) wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28.03.2008 zurück. Auch unter zusätzlicher Berücksichtigung einer Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks, Knorpelschäden am linken Kniegelenk (Teil-GdB 10) sei die Schwerbehinderteneigenschaft nicht gegeben.
Dagegen erhob die Klägerin am 28.04.2008 Klage zum SG, zu deren Begründung sie vortrug, dass allein ihre psychischen Beschwerden einen Teil-GdB von 40 bedingten, so dass insgesamt sicher von einem GdB von 50 auszugehen sei. Der Beklagte trat der Klage entgegen.
Das SG befragte die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. O. gab unter dem 10.10.2008 an, bei ihm werde die Klägerin unter der Diagnose eines chronischen Schmerzsyndroms bei degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule mit wiederholten Nervenwurzelreizungen, eines Fibromyalgiesyndroms und einer Retropatellararthrose im linken Knie behandelt. Die einzelnen GdB habe der ärztliche Dienst des Beklagten adäquat eingestuft. Er legte einen Arztbrief des Radiologen Dr. L. F. v. 03.07.2007 vor, der eine multisegmentale Chondrose/Osteochondrose der LWS, diskrete Dorsalvorwölbung der Bandscheiben bei L1/2 bis L4/5 ohne signifikante Pelottierung des Thekalsacks, keine Spinalkanalstenose und keine signifikanten foraminalen Einengungen feststellte. Der internistische Rheumatologe Dr. S. diagnostizierte eine Fibromyalgie (generalisiertes Schmerzsyndrom, Brief vom 19.09.2008).
Der Facharzt für Nervenheilkunde, Psychiatrie, Psychotherapie, Rehabilitationsmedizin Dr. R. teilte unter dem 13.10.2008 mit, er habe die Klägerin nur 2006 und 2007 jeweils einmal behandelt. Er äußerte die Meinung, dass multiple Störungen vorlägen, die vorwiegend psychosomatischer Natur seien und objektiv nicht beurteilt werden könnten (Fibromyalgie, Depression, Kniegelenksschmerz, Ohrgeräusche, Reizmagen). Es bestehe ein ausgeprägtes Übergewicht. Der GdB müsse mit mehr als 40 veranschlagt werden.
Der Chirurg Dr. S. schrieb am 23.10.2008, bei der Klägerin bestünden verschleißbedingte erhebliche Gelenkschädigungen in beiden Kniegelenken mit Knorpelschäden II. bis IV. Grades in Form einer generalisierten Gonarthrose mit begleitender Meniscusschädigung, die mit einem GdB von je 20 zu berücksichtigen seien.
Die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. H.-T. äußerte am 14.12.2008 die Meinung, dass die seelische Störung unterbewertet sei und allein einen GdB von über 50 verdiene. Es bestehe ein ausgeprägtes Bild einer Psychosomatose am ehesten als Symptom einer histrionischen Persönlichkeitsstörung und ein chronisches Schmerzsyndrom bei vermutlich pathologisch erhöhtem Leidensdruck. Sie gehe von einem Progress der Erkrankung aus, so dass die Klägerin mittelfristig psychotische Symptome zeigen werde.
Das SG zog ärztliche Unterlagen aus dem parallel laufenden Rechtsstreit gegen die Deutsche Rentenversicherung K. B. S. wegen Weitergewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung (S 12 R 1922/07) bei. Darin befand sich ein nervenärztliches Gutachten des Dipl.Med. G. vom 18.05.2006. Er stellte in der Untersuchungssituation keine auffällige pathologische Einschränkung der Beweglichkeit der HWS, eine gewisse Insuffizienz der Rückenmuskulatur und eine endgradige Einschränkung der Rotation und Seitwärtsneigung in BWS und LWS fest. Es bestehe ein deutlicher Senk-Spreiz-Fuß beidseits, die Klägerin sei mit Einlagen versorgt. Die Tender points bei sog. Fibromyalgie seien nicht schmerzhaft. Es seien keine Hinweise auf eine depressive Stimmungslage erkennbar. Die Klägerin sei angespannt, aber mehr im Sinne eines streitbaren Verhaltens, eine Klagsamkeit bestehe überraschenderweise nicht. Eine somatoforme Störung liege nicht vor. Dipl.Med. G. diagnostizierte einen Zustand nach depressiv getönter Anpassungsstörung, Hinweise auf Schmerzmittelabusus, deutlich gebesserte vorbekannte somatoforme Schmerzstörung, Hinweise auf tendenzielles Verhalten im Rahmen des Wunsches nach Rentenweitergewährung und schloss akute radikuläre Reiz- bzw. Ausfallerscheinungen aus.
Dr. O. sagte am 22.11.2007 schriftlich gegenüber der 12. Kammer aus, er habe die Klägerin wegen Schmerzen in der BWS, später wegen Beschwerden im Lenden-Hüft-Bereich behandelt.
Die Klägerin stellte sich am 06.09.2007 zur Untersuchung und Behandlung beim Facharzt für Psychiatrie, Neurologie, Psychotherapie, Psychoanalyse Dr. L. vor (chronisches Schmerzsyndrom, Arztbrief vom 07.09.2007). Auf Nachfrage des SG gab er an, die Klägerin einmal im Jahr 2006 und viermal im Jahr 2007 behandelt zu haben (Zeugenaussage vom 19.12.2007). Neben dem chronischen Schmerzsyndrom bestehe auch eine Depression. Es würden Schmerzen in verschiedenen Körperbereichen angegeben. Nunmehr (am 17.12.2007) bestehe doch wieder ein Depression vor dem Hintergrund einer Ehekrise.
Dr. H. gab auf die Anfrage der 12. Kammer unter dem 21.11.2007 die Diagnosen einer allergischen Diathese, einen Zustand nach chronischem Ekzem, Nierencyste links, eine Hiatushernie und Refluxkrankheit (1994), eine Gastritis (1999 und 2000), eine Steatosis hepatis (2005), einen Z.n. Cholecystektomie und eine Lebercyste (2006) und eine Mitralinsuffizienz (2006) an.
Dr. S. erstattete am 15.02.2008 ein orthopädisch-rheumatologisches Gutachten im Rentenverfahren. Dort klagte die Klägerin über Schmerzen im ganzen Körper und wirkte sehr fahrig und unkoordiniert. Nach körperlicher Untersuchung der Klägerin kam Dr. S. zu den Diagnosen eines Zervikalsyndroms bei Osteochondrosen, Spondylose und Unkovertebralarthrose bei leichter zervikaler Spinalkanalstenose, einer s-förmigen Fehlhaltung der Wirbelsäule mit statisch-muskulärer Insuffizienz, eines degenerativen Lumbalsyndroms bei Osteochondrose und erheblicher muskulärer Insuffizienz, einer Fingerendgelenksarthrose im Sinne der Heberdenarthrose am II. und III. Finger beidseits rechts gegenüber linksseitig betont, einer intialen Hüftgelenksarthrose beidseits ohne wesentliche Funktionseinschränkung, einer initialen medialseitig betonten Gonarthrose mit leichter Retropatellararthrose ohne wesentliche Funktionseinschränkung, einer leichten Varikosis am rechten Unterschenkel ohne Hinweis für eine chronisch venöse Insuffizienz, eine Knick-Senk-Spreizfußbildung beidseits rechts deutlicher betont gegenüber links, einer Adipositas per magna, einer chronischen Schmerzstörung nach Gerbershagen III mit somatoformer Schmerzstörung. Nach der Untersuchung, in der nicht alle Tenderpoints sicher positiv gewesen seien, könne die Diagnose einer Fibromyalgie nicht sicher gestellt werden.
Der Nervenarzt und Psychotherapeut Dr. S. erstattete am 06.10.2008 für die 12. Kammer des SG ein Gutachten. Dort klagte die Klägerin über Kopfschmerzen und Schwindel sowie Übelkeit, Schmerzen in allen großen Gelenken und ein Gefühl wie Muskelkater alle großen Muskelgruppen betreffend. Dr. S. diagnostizierte eine mittelgradige, rezidivierende depressive Episode, eine somatoforme Schmerzstörung, einen Spannungskopfschmerz und ein HWS-LWS-Syndrom ohne radikuläre Ausfälle.
Der Neurologe und Psychiater, Psychotherapeut und Facharzt für psychotherapeutische Medizin Dr. W. erstattete am 16.12.2008 ein Gutachten im Rentenverfahren. Dort machte die Klägerin ausführliche Angaben zu ihren Einschränkungen im Alltag und im Tagesablauf. Dr. W. konnte keinen fassbaren neurologischen Befund feststellen. Es bestünden schmerzbedingte Einschränkungen der Beweglichkeit. Auch er kam zur Diagnose einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung, einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, einer Neurasthenie bei histrionischer Persönlichkeitsakzentuierung, wobei konversionsneurotische Anteile in die histrionische Persönlichkeitsstörung mit einflössen. Die körperlichen Funktionen seien insofern beeinträchtigt als endgradig schmerzhafte Bewegungseinschränkungen bestünden, die willentlich nicht völlig beherrschbar seien. Daneben fänden sich vor allem kognitive Störungen und eine Störung des Durchhaltevermögens bzw. der Ausdauerleistung durch die depressive Symptomatik.
Vom 15.04.2009 bis 13.05.2009 war die Klägerin zur Rehabilitation in der Fachklinik H. wegen einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung, einer rezidivierenden psychischen Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, einer Adipositas, einer arteriellen Hypertonie, einer chronischen Gastritis und einer Fibromyalgie (Entlassungsbericht vom 26.05.2009).
Der Beklagte legte eine ärztliche Stellungnahme von Dr. G. vom 10.03.2009 vor.
Das SG holte ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten des Dr. R. vom 13.10.2009 ein. Dort gab die Klägerin erneut Schmerzen überall an. Außerdem falle ihr alles aus den Händen. Sie habe ein Ohrensausen, dafür erhalte sie Tabletten. Eine Psychotherapie habe noch nicht stattgefunden. Sie machte erneut Angaben zu ihrem Tagesablauf. Dr. R. führte aus, es bestehe eine psychogene Störung mit Überempfindlichkeit beim Betasten und Berühren jeglicher Körperstellen. Ohne Zweifel bestehe ein schädlicher Schmerzmittelkonsum, der wahrscheinlich die Ursache der Magenbeschwerden sei. Schwere depressive Symptome seien bei der Untersuchung nicht erkennbar. Es bestehe keine krankhafte depressive Erkrankung sondern eine reaktive Depressivität (auch als Anpassungsstörung bezeichnet). Daneben liege eine somatoforme Schmerzstörung mit Schmerzmittelabusus vor. Schwere Funktionsstörungen seitens der degenerativen Wirbelsäulenerkrankung seien bei der dortigen Untersuchung nicht festzustellen gewesen. Der Einzel-GdB für degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, anhaltende somatoforme Schmerzstörung und reaktive Depression schätze er ab Juli 2007 auf 30, für die übrigen Behinderungen Reizmagen, Bluthochdruck, Ohrgeräusche beiderseits, chronische Bronchitis und Zwerchfellbruch sei jeweils ein GdB von 10 anzusetzen, insgesamt bestehe ein GdB von 40.
Die Klägerin legte einen Bericht des Neurologen und Psychiaters Dr. W., Klinikum N.-S. (psychiatrische Institutsambulanz - Z. -), vom 28.04.2010 vor. Dort war die Klägerin wegen einer rezidivierenden depressiven Störung, derzeit schwergradige Episode, einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung und einer multiplen dissoziativen Störung in ambulanter Behandlung. Sie gebe an, sehr schlecht zu sehen, der Augenarzt finde aber kein organpathologisches Korrelat. Es bestünden paranoid-anmutende Beobachtungs- und Beziehungsideen, fraglich akustische Halluzinationen in Form von kommentierenden Stimmen (Tuscheln) und eine fragliche Filterstörung mit Reizüberflutung und unzureichendem Abschirmvermögen.
Vom 03.09.2010 bis 09.09.2010 war die Klägerin in stationärer Behandlung im S. R. B. W. wegen Arthralgien, z.A. rheumatisch-entzündliche Erkrankung Typ RA, Fibromyalgie, humorale Aktivität (CRP 18) unklarer Genese, mäßige Coxarthrose beidseits, Periarthropathie beide Hüften, V.a. chronische Bronchitis, aktuell a.e. viraler respiratorischer Infekt, Erythrozyturie zur weiteren Abklärung, Z.n. Otitis media links 08/2010, arterielle Hypertonie (Entlassungsbericht vom 09.09.2010). Die weitere Untersuchung ergab einen Staphylococcus areus.
In einer Untersuchung mittels Ganzkörperszintigramm fanden sich entzündliche Gelenkprozesse mit Knochenbeteiligung an den Fingergelenken, Großzehengrundgelenken, Kniegelenken, im unteren Abschnitt des rechten ISG und eher diffus in den Intervertebralräumen der mittleren und unteren BWS und dem Intervertebralgelenk C4/5 links (Arztbrief Dr. L., Radiologe, vom 11.08.2010).
Der HNO-Arzt Dr. S. diagnostizierte in einem Brief vom 27.08.2010 eine gering bis mittelgradige Schwerhörigkeit beidseits, A. TVS rechts, A. retrochochleäre Störung. Eine Hörgeräte-Indikation bestehe nicht, die Klägerin habe zunehmende Sprachverständnisbeschwerden.
Der Psychiater und Neurologe Dr. L. behandelte die Klägerin wegen Sehstörungen, eines chronischen Schmerzsyndroms, Cervikocephalgien und Lumboischalgien (Arztbrief vom 02.03.2010).
Mit Urteil vom 30.09.2010 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, hinsichtlich der Hauptfunktionsstörung der Klägerin, der Veränderungen der Wirbelsäule, Schmerzstörung usw. ergebe sich jedenfalls kein höherer Teil-GdB als 40. Das Gericht stütze sich insofern auf das Gutachten von Dr. R ... Die Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks habe der Beklagte zu Recht mit einem GdB von 10 berücksichtigt. Adipositas allein bedinge keinen GdB. Die gering-mittelgradige Schwerhörigkeit begründe bei einem Hörverlust beidseits von 15% keinen GdB von wenigstens 10. Hinsichtlich der Sehstörungen sei kein Teil-GdB anzusetzen. Die übrigen Teil-GdB seien vom Beklagten zutreffend berücksichtigt worden.
Gegen das ihrem bevollmächtigten Rentenberater am 29.10.2010 zugestellte Urteil richtet sich die am 24.11.2010 eingelegte Berufung der Klägerin, zu deren Begründung sie vorträgt, das SG habe unzutreffend einen gemeinsamen Teil-GdB für die Wirbelsäulenbeschwerden und die psychischen Einschränkungen gebildet. Außerdem habe sie nunmehr eine Erwerbsminderungsrente auf Dauer erhalten wegen ihrer psychischen Beschwerden, daraus sei ableitbar, dass sie an schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten leide. Zur weiteren Begründung hat die Klägerin Niederschriften des Sachverständigenbeirats beim BMA über die Beurteilung sozialer Anpassungsschwierigkeiten vorgelegt (Tagung vom 18. - 19.03.1998).
Sie hat einen Arztbrief des Dr. H. vom 13.10.2010 über eine Steatosis hepatis, eine Lebercyste und eine Nierencyste links sowie postprandiale Schmerzen vom rechten Oberbauch bis zur rechten Flanke, Dysurie, Übelkeit vorgelegt. In einem weiteren Arztbrief vom 22.10.2010 hat er eine hochgradige Antrumgastritis und eine Cardiainsuffizienz mitgeteilt und eine medikamentöse Behandlung vorgeschlagen.
Sie hat weitere Arztbriefe des Psychiaters Dr. S., Klinikum N., Z., vom 08.07.2010, 14.12.2010 und 24.05.2011 über eine laufende Behandlung in der psychiatrischen Institutsambulanz wegen einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome, einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung, einer asthenischen Persönlichkeitsstörung und einer multiplen dissoziativen Störung vorgelegt.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30.09.2010 sowie den Bescheid vom 07.08.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.03.2008 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, einen GdB von 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung schließt er sich dem Urteil des SG an. Er hat Stellungnahmen des Dr. B. vom 04.05.2011 und des Dr. R. vom 06.09.2011 vorgelegt.
Der Senat hat weitere ärztliche Unterlagen bei der Deutschen Rentenversicherung K. B. S. beigezogen. Darin befand sich ein Gutachten der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. vom 03.11.2010, die zu dem Ergebnis kam, dass sich keine Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen ergeben habe.
Der Senat hat weiterhin einen Arztbrief des Dr. S. vom 21.10.2011 über die weitere Behandlung der Klägerin in der psychiatrischen Institutsambulanz beigezogen.
Der Beklagte hat eine Stellungnahme des Dr. R. vom 04.04.2012 vorgelegt.
Der Senat hat auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten des Facharztes für Psychiatrie Dr. B. vom 23.11.2012 eingeholt. Dort hat die Klägerin angegeben, an Rückenschmerzen, Gelenkschmerzen, Magenbeschwerden, Ein- und Durchschlafstörungen, Kraft- und Lust- und Interesselosigkeit sowie Kontrollzwängen zu leiden. Sie sei menschenscheu und habe Kontakte zu Freunden und Familienangehörigen stark reduziert, fast abgebrochen. Ein Anhalt für Wahrnehmungsstörungen oder Halluzinationen habe sich nicht ergeben. Dr. B. diagnostizierte eine rezidivierende depressive Störung, schwere Episode ohne psychotische Symptome, eine asthenische Persönlichkeitsstörung, eine multiple dissoziative Störung, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine Anpassungsstörung, mittelgradig ausgeprägt, Zwangsgedanken/Zwangsstörung, Tinnitus beidseits, eine arterielle Hypertonie und eine Adipositas. Der GdB solle zwischen 50 und 70 liegen. Die Klägerin sei nicht in der Lage, ihren geregelten Tagesablauf sowie den Haushalt zu führen. Sie sei ständig auf ärztliche Hilfe angewiesen.
Der Beklagte hat eine versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. R. vom 19.02.2013 vorgelegt.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf einen Band Verwaltungsakten des Beklagten, einen Band Akten des Sozialgerichts Karlsruhe, einen Band Auszug aus den Akten des Sozialgerichts Karlsruhe im Verfahren um die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente und die beim Senat angefallene Akte.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch insgesamt zulässige Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet, § 124 Abs. 2 SGG, ist auch teilweise begründet. Der Klägerin steht ein GdB von 50 ab 17.02.2010 zu.
Der mit der Vertretung der Klägerin beauftragte Rentenberater ist zum Auftreten vor den Sozialgerichten in Verfahren um die Schwerbehinderteneigenschaft berechtigt, denn er hat eine auf die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten erweiterte Erlaubnis zur Rentenberatung, besitzt bereits seit 1995 die Erlaubnis zum mündlichen Verhandeln vor den Sozialgerichten auch in Schwerbehindertenangelegenheiten und ist auch entsprechend im Rechtsdienstleistungsregister als Erlaubnisinhaber registriert, § 10 Abs. 1 Nr. 2 Rechtsdienstleistungsgesetz.
Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Neufeststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen – welche ihrerseits nicht zum so genannten Verfügungssatz des Bescheides gehören – zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG, Urteil vom 10.09.1997 – 9 RVs 15/96 – BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 16 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. In diesem Zusammenhang waren bis zum 31.12.2008 die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 – B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3 3870 § 4 Nr. 1).
Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der AHP, die im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewendet wurden, die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 16 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB. Anders als die AHP, die aus Gründen der Gleichbehandlung in allen Verfahren hinsichtlich der Feststellung des GdB anzuwenden waren und dadurch rechtsnormähnliche Wirkungen entfalteten, ist die VersMedV als Rechtsverordnung verbindlich für Verwaltung und Gerichte. Sie ist indes, wie jede untergesetzliche Rechtsnorm, auf inhaltliche Verstöße gegen höherrangige Rechtsnormen - insbesondere § 69 SGB IX - zu überprüfen (BSG, Urteil vom 23.4.2009 - B 9 SB 3/08 R - RdNr 27, 30 mwN). Sowohl die AHP als auch die VersMedV (nebst Anlage) sind im Lichte der rechtlichen Vorgaben des § 69 SGB IX auszulegen und - bei Verstößen dagegen - nicht anzuwenden (BSG, Urteil vom 30.09.2009 SozR 4-3250 § 69 Nr. 10 RdNr. 19 und vom 23.4.2009, aaO, RdNr 30).
Nach diesen Kriterien ist im Februar 2010 eine wesentliche Änderung in den Beschwerden der Klägerin eingetreten, die nunmehr einen GdB von 50 rechtfertigen. Die Klägerin leidet nunmehr nicht mehr (nur) an einer somatoformen Schmerzstörung und rezidivierenden depressiven Störung sondern auch an einer dissoziativen Störung und beginnenden Zwangskrankheit. Die psychischen Beschwerden der Klägerin bedingen allenfalls einen GdB von 40 bis 16.02.2010, ab 17.02.2010 jedoch einen solchen von 50. Nach Nr. 3.7 Teil B VG werden leichtere psychovegetative und psychische Störungen mit einem GdB von 0 bis 20 bewertet. Stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit werden mit einem GdB von 30 bis 40 festgestellt. Schwere Störungen (z.B. schwere Zwangskrankheiten) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten werden mit einem GdB von 50 bis 70 bewertet.
Die Klägerin leidet an einer somatoformen Schmerzstörung, die zu Schmerzen an allen großen Gelenken und zu einem Missbrauch von Schmerzmitteln geführt hat. Die Schmerzen sind teilweise durch die in der Ganzkörperszintigraphie festgestellte entzündliche Aktivität in einigen der großen Gelenke zu erklären. Teilweise findet sich eine Erklärung in degenerativen Erkrankungen der Wirbelsäule, die aber die von der Klägerin geschilderten Schmerzen, die in der Vergangenheit immer wieder Behandlungsversuchen mittels Medikamenten und psychotherapeutischen Ansätzen unterworfen wurden, zu erklären. Die Schmerzen im Bereich des Knie bestanden trotz nach Auffassung des Chirurgen erfolgreicher Operation beider Knie fort bzw. entstanden innerhalb kurzer Zeit erneut. Schon im Jahr 2003 war eine schmerztherapeutische Behandlung durch den Anästhesiologen H. über immerhin ein Jahr nur von geringem Erfolg gekrönt und eine Psychotherapie empfohlen. Im Jahr 2005 fand einen tagesklinische Behandlung im S. R. statt, die ebenfalls nur wenig an der Schmerzsituation ändern konnte. Weitere Therapieversuche durch Dr. R. und in der Klinik Dr. R. im Jahr 2006 konnte an der Schmerzsituation erneut nur wenig ändern. Einmalig bei der Untersuchung durch Dipl.Med. G. im Jahr 2006 schilderte die Klägerin weniger Schmerzen, so dass Dipl.Med. G. sich erstaunt über die geringe Klagsamkeit der Klägerin zeigte. Diese Situation hielt aber nicht an, wie die Notwendigkeit der im November und Dezember 2006 durchgeführten stationären Behandlung in der Klinik Dr. R. zeigte. In der Folge bedurfte die Klägerin insofern weiterhin der Behandlung durch Dr. L., der Rehabilitation in der Fachklinik H. im Jahr 2009, der stationären Behandlung im S. R. B. W. im Jahr 2010 und schließlich der laufenden Behandlung durch Dr. S. seit Februar 2010.
Daneben besteht bei der Klägerin eine histrionische Persönlichkeitsstörung, die zu einer raschen Kränkbarkeit führt. Diese Persönlichkeitsstörung unterhält die somatoforme Schmerzstörung der Klägerin zusätzlich und führt dazu, dass die Klägerin fahrig und unkoordiniert ist (Gutachten Dr. S. vom 15.02.2008) und sehr weitschweifig erzählt (Zeugenaussage Dr. H.-T. vom 14.12.2008, Arztbriefe Dr. S. vom 28.04.2010, 08.07.2010, 14.12.2010, 24.05.2011 und 21.10.2011) und nicht zum Punkt kommen kann. Weiterhin ist es ihr nicht möglich, sich auf psychische Erklärungsmodelle für ihre Beschwerden und die entsprechende psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung derselben einzulassen. Dazu trägt außerdem eine konversionsneurotische Erkrankung bei (Gutachten von Dr. W. vom 16.12.2008).
In der Vergangenheit ist es darüber hinaus immer wieder zu depressiven Reaktionen der Klägerin auf Veränderungen in ihrer Lebenssituation gekommen. Im Jahr 2003 fand sich eine depressive Reaktion auf die Schwierigkeit, für ihren zweiten Ehemann ein Aufenthaltsrecht in Deutschland zu erstreiten. Im Jahr 2007 reagiert die Klägerin nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. L. mit einer depressiven Episode auf die Trennung und im Jahr 2008 Scheidung von ihrem zweiten Ehemann. Wie Dr. R. in seinem Gutachten vom 13.10.2009 überzeugend ausgeführt hat, kam es in der Vergangenheit aber immer wieder zur Stabilisierung dieser Symptomatik, so dass er nur von einer reaktiven Depression und nicht von einer rezidivierenden depressiven Episode ausging.
Weiterhin bestand bei der Untersuchung durch Dr. R. eine massive Überempfindlichkeit auf Berührung, die dieser als psychogene Störung beurteilte und für den Senat überzeugend zusammen mit der somatoformen Störung einordnete.
Der Senat kann dahingestellt sein lassen, ob die Diagnose einer Fibromyalgie gerechtfertigt war oder noch ist, denn nach seiner ständigen Rechtsprechung ist auch die Fibromyalgie nach den Kriterien für Neurosen, Persönlichkeitsstörungen und Folgen psychischer Traumen zu beurteilen (vgl. zuletzt Urteil vom 22.03.2013 - L 8 SB 4625/11 sowie vom 27.01.2012 - L 8 SB 768/11). Die damit zusammenhängenden Funktionsbeeinträchtigungen wirken sich bei der Klägerin nicht anders aus als die somatoforme Schmerzstörung.
Diese Beschwerden waren als stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, nämlich als somatoforme Störung einzustufen, denn die Klägerin erfuhr durch diese Erkrankung Schwierigkeiten in ihrer täglichen Lebensführung. Andererseits war es ihr in dieser Zeit noch möglich, den Kontakt mit ihren Töchtern aufrecht zu erhalten und sich regelmäßig um ihre Enkelkinder zu kümmern sowie täglich aus dem Haus zu gehen, um einzukaufen oder ihre Arzttermine wahrzunehmen. Die Beschwerden hatten im Rahmen der laufenden Renten- und Schwerbehindertenverfahren eher appeleativen Charakter, so dass die Klägerin sich auch nicht veranlasst sah, sich in die mehrfach vorgeschlagene psychotherapeutische oder regelmäßige psychiatrische Behandlung zu begeben.
Die psychischen Beeinträchtigungen haben nach der Begutachtung durch Dr. R. insofern eine wesentliche Verschlimmerung erfahren als die Klägerin in der Folge ein Ohrensausen entwickelt hat und zunehmend den Eindruck gewann, dass die Nachbarn über sie tuschelten. Sie litt an einer Reizüberflutung und entwickelte eine Sehstörung, die sich organisch nicht erklären ließ. Dr. S. und Dr. W. interpretierten diese Symptome bei ihren Untersuchungen am 17.02.2010, 04.03.2010 und 17.03.2010 als Ausdruck dissoziativer Störungen. Darüber hinaus traten zwanghafte Symptome auf, so dass die Klägerin kontrollieren muss, ob der Herd ausgeschaltet war und Fenster und Türen geschlossen waren. Die Klägerin war nicht in der Lage, sich einer tagesklinischen Behandlung zu unterziehen, weil sie in der Tagesklinik des Z. nicht gesehen werden wollte und die Vorstellung entwickelte, dass die Nachbarn sich über sie lustig machten. Zwar stabilisierte sich die Symptomatik im Verlauf der Behandlung durch Dr. S. u.a. durch die Einnahme der psychiatrischen Medikation (Brief des Dr. S. vom 21.10.2011). Die Klägerin entwickelte aber insofern die Vorstellung, dass die Medikamente ihre inneren Organe, insbesondere ihre Leber schädigten und konnte sich deshalb auf eine Erhöhung der Dosis oder andere Medikamente nicht einlassen. Sie bedurfte weiterhin der laufenden psychiatrischen und psychotherapeutischen Behandlung in der psychiatrischen Institutsambulanz. Bei der Begutachtung durch Dr. B. im September 2012 zeigte sie sich kaum noch in der Lage, ihre Wohnung zu verlassen. Die Aufrechterhaltung eines Rhythmus mit fast täglichen Einkäufen, um aus dem Haus zu kommen, gelang der Klägerin nicht mehr, sie konnte kaum noch eine Tagesstruktur aufrecht erhalten.
Diese Beeinträchtigungen rechtfertigen in der Gesamtschau von histrionischer Persönlichkeitsstörung, rezidivierender Depression mit wiederholt schweren Phasen, zwanghaften Zügen, dissoziativer Störung und psychogener Störung sowie somatoformer Schmerzstörung die Einschätzung von Dr. B. als schwere Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten. Im dadurch eröffneten Rahmen ist die Störung ab der ersten Untersuchung durch Dr. S. und Dr. W. am 17.02.2010 und eher im unteren Bereich des eröffneten Rahmens von 50 bis 70 mit einem GdB von 50 anzusiedeln.
Soweit Dr. R. in seinen Stellungnahmen vom 06.09.2011 und 04.04.2012 davon ausgeht, dass sich die psychische Situation der Klägerin gebessert habe, ist dem im Hinblick auf das Gutachten von Dr. B. und die dort mitgeteilten Beschwerden entgegen zu halten, dass es der Klägerin offenbar durch einen Aufenthalt in Polen vorübergehend gelungen ist, ihren Zustand zu stabilisieren, diese Stabilisierung offenbar aber nicht von Dauer war. Zutreffend ist zwar, dass der GdB auch bei depressiven Erkrankungen, die wie bei der Klägerin Schwankungen unterworfen ist, ein Durchschnittswert zu bilden ist. Jedoch geht Dr. R. selbst offenbar jeweils von den Phasen relativer psychischer Gesundheit und nicht von dem Durchschnittswert aus. Zutreffend ist auch, dass es im Rahmen einer Scheidung durchaus nicht unüblich ist, dass sich der Bekanntenkreis mindert. Dr. R. übersieht aber insofern, dass die Klägerin zu diesem Zeitpunkt bereits seit fast drei Jahren von ihrem zweiten Ehemann geschieden und inzwischen mehr als drei Jahre von ihm getrennt lebte und nicht nur den Kontakt zu ihm, sondern auch zu ihren Töchtern und Enkelkindern aus erster Ehe, die mit ihrem zweiten Ehemann nicht verwandt sind und auch nicht zusammengelebt haben, unterbrochen hat. Sofern Dr. R. in seiner Stellungnahme vom 19.02.2013 bemängelt, dass Dr. B. keinen Überblick über die vergangenen mindestens sechs Monate habe - wohl in Anknüpfung an die rechtsirrtümliche Selbstbezeichnung von Dr. B. als sachverständiger Zeuge -, ist dem entgegen zu halten, dass Dr. B. die Klägerin nicht behandelt, sondern tatsächlich gemäß der Beweisanordnung des Senats begutachtet hat. Insofern war eine Übersicht über mindestens sechs Monate aus eigener Behandlung von ihm auch nicht zu erwarten. Dass die Beurteilung dieses Gesundheitszustandes der Klägerin als maßgebender Dauerzustand durch Dr. B. fehlerhaft ist, ist nicht ersichtlich.
Die Beschwerden von Seiten der Wirbelsäule bedingen einen GdB von 10. Nach Nr. 18.9 Teil B VG bedingen Wirbelsäulenschäden, die keine Bewegungseinschränkung oder Instabilität verursachen, einen GdB von 0. Bei geringen funktionellen Auswirkungen wird ein GdB von 10 angenommen, bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt, d.h. Verformung, häufig rezidivierenden oder anhaltenden Bewegungseinschränkungen oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierenden und über Tage andauernden Wirbelsäulensyndromen wird ein GdB von 20 angenommen. Ein GdB von 30 ist gerechtfertigt bei schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt mit z.B. häufig rezidivierenden und Wochen andauernden ausgeprägten Wirbelsäulensyndromen oder bei mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten. Die Klägerin hat degenerative Veränderungen in der Lendenwirbelsäule und der Halswirbelsäule, die teilweise zu einer Gefügestörung unter den HWK geführt haben. Wesentliche Bewegungseinschränkungen konnten die begutachtenden Ärzte ausnahmslos mit einer leichten Entfaltungsstörung der LWS (Schober 10/12,5 cm bzw. 13 cm) nicht feststellen. Wurzelreizerscheinungen traten nur vorübergehend auf und waren jeweils wieder abgeheilt. Die apparativen Untersuchungen ergaben entsprechend auch weder einen Hinweis auf eine Spinalkanalsenge noch auf einen Bandscheibenvorfall. Die Beschwerden der Klägerin im Bereich der Wirbelsäule bestehen im Wesentlichen in Schmerzen, die bereits im GdB von 40 bzw. 50 für die psychischen Beeinträchtigungen berücksichtigt sind.
Die Beschwerden der Klägerin in den Knien bedingen einen GdB von 10. Nach Nr. 18.14 Teil B VG bedingt eine muskulär kompensierbare Lockerung des Kniebandapparats einen GdB von 10. Ausgeprägte Knorpelschäden der Kniegelenke mit anhaltenden Reizerscheinungen ohne Bewegungseinschränkungen bedingen bei einseitiger Betroffenheit einen GdB von 10 bis 30, mit Bewegungseinschränkung von wenigstens 20. Bewegungseinschränkungen in den Knien haben die behandelnden Ärzte Dr. S. und Dr. O. nach den beiden Operationen im Jahr 2006 und 2007 nicht mitgeteilt. Anhaltende Reizerscheinungen in den Knien oder eine Lockerung des Kniebandapparats haben sie ebenfalls nicht festgestellt. Die Klägerin hat zwar in den Knien eine fortgeschrittene Arthrose, die aber nicht zu Bewegungseinschränkungen führt. Auch in den Knien besteht die Beeinträchtigung im Wesentlichen in Schmerzen in Folge der somatoformen Schmerzstörung.
Die Beschwerden von Seiten der Hüften sind nicht mit einem GdB zu berücksichtigen. Gemäß Nr. 18.14 Teil B VG ist eine Bewegungseinschränkung des Hüftgelenks geringen Grades, die zu einer Streckung/Beugung bis zu 0/10/90 führt, mit einem GdB von 10 bis 20 zu bewerten. Eine Bewegungseinschränkung in den Hüften ist nicht eingetreten, die Schmerzen sind bei dem GdB von 40 bzw. 50 für die psychische Erkrankung der Klägerin mit berücksichtigt. Dasselbe gilt für die Finger-Gelenks-Arthrose und die Polyarthritis, die sich ebenfalls im Wesentlichen in Schmerzen, nicht aber in einer Bewegungseinschränkung ausdrücken.
Der bei der Klägerin wiederholt diagnostizierte Bluthochdruck bedingt keinen GdB. Ein Bluthochdruck leichter Form, d.h. ohne oder mit geringer Leistungsbeeinträchtigung führt nach Nr. 9.3 Teil B VG zu einem GdB von 0 bis 10, erst bei einer mittelschweren Form, d.h. bei Organbeteiligung oder einem diastolischen Blutdruck mehrfach über 100 mmHg wird ein höherer GdB angenommen. Die Klägerin erhält Medikamente gegen erhöhten Blutdruck. Unter dieser Medikation hat sie nach den vorliegenden Unterlagen durchgehend normotone, teilweise sogar hypotone Blutdruckwerte. Eine Funktionsbeeinträchtigung mit einem GdB von mindestens 10 ergibt sich daraus nicht.
Die chronische Bronchitis der Klägerin sowie die leichte Restriktion und leichte Obstruktion in der Lungenfunktion einschließlich der Pollenallergie bedingt einen GdB von höchstens 10. Nach Nr. 8.2 Teil B VG ist eine chronische Bronchitis in leichter Form, d.h. symptomfreie Intervalle über mehrere Monate, wenig Husten, geringer Auswurf, mit einem GdB von 0 bis 10 zu bewerten. Die Klägerin hat in der Vergangenheit Husten angegeben, der als am ehesten durch den genommenen ACE Hemmer ausgelöst interpretiert wurde. Ein fast kontinuierlicher, ausgiebiger Husten oder häufige akute Schübe, die einen höheren GdB rechtfertigen würden, sind nicht erkennbar und werden von der Klägerin auch nicht vorgetragen.
Die Beschwerden der Klägerin im Verdauungstrakt, Hiatushernie, Gastritis bedingen nach Nr. 10.2.1 Teil B VG einen GdB von 10. Die zwischenzeitlich aufgetretenen Hämorrhoiden mit Blutungsneigung wurden in der Folge - nach Behandlung - nicht mehr geklagt und bedingen nach Nr. 10.2.4 Teil B VG keinen eigenen GdB. Die vergrößerte Leber und Lebercyste sind lediglich als sonographisch feststellbarer Befund mit Fremdheitsgefühl festgestellt. Funktionsbeeinträchtigungen, insbesondere pathologische Leberbefunde im Labor haben die Ärzte Dr. H. und Dr. H.-T. nicht festgestellt. Ein GdB von wenigstens 10 ergibt sich daraus nach Nr. 10.3.2 und 10.3.3 Teil B VG nicht. Die von Dr. H. festgestellte Nierenzyste hat keine Auswirkungen auf die Nierenfunktion und bedingt deshalb nach Nr. 12.1.1 Teil B VG ebenfalls keinen eigenen GdB. Soweit die Klägerin wegen dieser Erkrankung besorgt ist und sich deshalb auf die Einnahme psychisch wirksamer Medikamente nicht einlassen kann, ist dieses Symptom bereits im GdB von 40 bzw. 50 für die psychische Erkrankung berücksichtigt.
Die beim Kläger vorliegende alimentäre Fettsucht (Adipositas) bedingt keinen GdB von 10. Nach Nr. 15.3 Teil B VG bedingt die Adipositas allein keinen GdB. Nur Folge- und Begleitschäden am Stütz- und Bewegungsapparat und dem kardiopulmonalen System können die Annahme eines GdB begründen. Kardiopulmonale Begleitschäden sind bisher nicht eingetreten, die Wirbelsäulenschäden sind bereits im GdB von 10 für die Beeinträchtigung der Wirbelsäule berücksichtigt.
Die von Dr. S. festgestellte Hörminderung bedingt nach Nr. 5.2 Teil B VG keinen eigenen GdB, weil eine wesentliche Beeinträchtigung des Hörvermögens nicht festgestellt werden konnte. Hörgeräte benötigt die Klägerin nicht. Die Ohrgeräusche (Tinnitus) sind bei den psychischen Beeinträchtigung bereits berücksichtigt und führen nicht zu einem eigenständigen GdB (vgl. Nr. 5.4 Teil B VG).
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Die AHP führen zur Umsetzung dieser Vorschriften aus, dass eine Addition von Einzel GdB Werten grundsätzlich unzulässig ist und auch andere Rechenmethoden für die Gesamt GdB Bildung ungeeignet sind. Diese Grundsätze gelten nach Inkrafttreten der VG fort (VG Teil A Nr. 3a). In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird; ein Einzel GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. AHP Nr. 19 Abs. 3 bzw. VG Teil A Nr. 3). Der Gesamt GdB ist unter Beachtung dieser Bewertungsgrundsätze in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG, SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5).
Nach diesen Kriterien liegt bei der Klägerin bis 16.02.2010 ein Gesamt-GdB von 40 vor, ab 17.02.2010 ein solcher von 50. Der Gesamt-GdB wird bei der Klägerin durch die im Vordergrund stehende psychische Erkrankung bestimmt, die durch die weiteren mit einem Teil-GdB von 10 zu berücksichtigenden Erkrankungen nicht in besonderem Maße beeinträchtigt wird. Der für die psychischen Beeinträchtigungen festzustellende Teil-GdB bestimmt deshalb auch den Gesamt-GdB.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG und trägt der Tatsache Rechnung, dass im Laufe des gerichtlichen Verfahrens eine Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen der Klägerin eingetreten ist.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
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