Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 18 AS 1362/13 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 AS 1755/13 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 11. April 2013 aufgehoben und die aufschiebende Wirkung der Klage S 18 AS 1506/13 gegen die Sanktionsbescheide des Antragsgegners vom 14. Januar 2013 und 12. Februar 2013, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2013 angeordnet.
Der Antragsgegner hat der Antragstellerin ihre außergerichtlichen Kosten für das Antrags- und Beschwerdeverfahren zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde der Antragstellerin ist statthaft sowie frist- und formgerecht (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) eingelegt worden. Sie ist auch begründet; das Sozialgericht Freiburg (SG) hat zu Unrecht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung abgelehnt.
Gemäß § 39 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in der Fassung von Art. 2 Nr. 31 des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes vom 24.03.2011 (BGBl. I, 453), gültig ab dem 01.04.2011 (vgl. Bekanntmachung der Neufassung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch vom 13.05.2011 [BGBl. I, 850]), haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, (1.) der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufhebt, zurücknimmt, widerruft, die Pflichtverletzung und die Minderung des Auszahlungsanspruchs feststellt oder Leistungen zur Eingliederung in Arbeit oder Pflichten erwerbsfähiger Leistungsberechtigter bei der Eingliederung in Arbeit regelt, (2.) der den Übergang eines Anspruchs bewirkt, (3.) mit dem zur Beantragung einer vorrangigen Leistung aufgefordert wird oder (4.) mit dem nach § 59 in Verbindung mit § 309 des Dritten Buches [SGB III] zur persönlichen Meldung bei der Agentur für Arbeit aufgefordert wird, keine aufschiebende Wirkung.
Da es sich bei den mit dem Widerspruch angefochtenen Bescheiden vom 14.01.2013 (Absenkung des maßgeblichen Regelsatzes um 60 % für die Zeit vom 01.02.2013 bis 30.04.2013 wegen nicht nachgewiesener Eigenbemühungen zum 22.12.2012) und 12.02.2013 (vollständiger Wegfall des Arbeitslosengeldes II für die Zeit vom 01.03.2013 bis 31.05.2013 wegen nicht nachgewiesener Eigenbemühungen zum 22.01.2013) um Verwaltungsakte handelt, die im Sinne des § 31 Abs. 1 SGB II eine Pflichtverletzung und gemäß § 31a Abs. 1 SGB II eine Minderung feststellen, haben die gegen diesen Bescheid erhobenen Widersprüche bzw. die fristgerecht eingelegte Klage nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 13.03.2013 keine aufschiebende Wirkung, weshalb das SG zu Recht einen Antrag nach § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG, also einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin seiner Entscheidung, zugrundegelegt hat.
§ 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG sieht keinen ausdrücklichen gesetzlichen Maßstab für die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage vor. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin ist aufgrund von § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG anhand einer Interessenabwägung zu beurteilen (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 86b Rdnr. 12). Das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug des Verwaltungsakts und die privaten Interessen an der Aussetzung der Vollziehung sind gegeneinander abzuwägen (Krodel, Der sozialgerichtliche Rechtsschutz in Anfechtungssachen, NZS 2001, 449, 453). Dabei ist zu beachten, dass das Gesetz mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung in § 39 SGB II dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheids Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen an einem Aufschub der Vollziehung einräumt. Diese typisierend zu Lasten des Einzelnen ausgestaltete Interessenabwägung kann aber im Einzelfall auch zu Gunsten des Betroffenen ausfallen. Die gegeneinander abzuwägenden Interessen ergeben sich in der Regel aus den Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens, dem Vollziehungsinteresse und der für die Dauer einer möglichen aufschiebenden Wirkung drohenden Rechtsbeeinträchtigung (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 27.10.2008 - L 13 AS 4562/08 ER-B - in Juris, Rz 4).
Das Vollzugsinteresse muss hier unter Berücksichtigung von Erfolgsaussichten und der drohenden bzw. mit der Absenkung und des Wegfalls von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes bereits eingetretenen Rechtsbeeinträchtigung zurückstehen, weshalb der Senat die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet hat.
Eine Pflichtverletzung nach § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II setzt eine Weigerung des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten voraus, die in der Eingliederungsvereinbarung oder in dem diese ersetzenden Verwaltungsakt nach § 15 Abs. 1 S. 6 SGB II festgelegten Pflichten zu erfüllen, insbesondere in ausreichendem Umfang Eigenbemühungen nachzuweisen. Nach den Ausführungen des Antragsgegners liegt ein Nachweis eigenständiger Bewerbungsbemühungen nicht vor, nachdem Stichproben die Angaben der Antragstellerin nicht bestätigt haben. Damit ist jedoch das Tatbestandsmerkmal der Weigerung der Antragstellerin genauso wenig belegt wie ihre Erwerbsfähigkeit an sich. Die hieran anknüpfenden Zweifel führen zwingend zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage.
Die Verweigerung einer Pflicht der Erfüllung der Obliegenheit aus der Eingliederungsvereinbarung bzw. hier aus dem diese ersetzenden Verwaltungsakt setzt neben der objektiven Nichterfüllung einer hinreichend bestimmt festgelegten Pflicht auch subjektiv eine zurechenbare und damit schuldhafte Nichterfüllung durch den Leistungsempfänger voraus (Berlit in Münder, Sozialgesetzbuch II, 4. Aufl., § 31 Rz 20, wenigstens fahrlässiges Verhalten, ebenso Loose in Hohm, GK-SGB II, VI-1 § 31 Rz 17f., Dauber in Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, Stand Jan. 2013, § 31 Rz 10, für vorsätzliches Verhalten: Schmidt - De Caluwe in Estelmann, SGB II, Stand Dez 2012, § 31 Rz 72 und Coseriu/Holzhey in Linkert/Adolph, SGB II SGB XII AsylbLG, Stand März 2013, § 31 SGB II Rz 13; zur Vorgängerregelung vgl. BSG, Urteil v. 09.11.2010, B 4 AS 27/10 R - in Juris).
Sie setzt auch nach Überzeugung des Senats voraus, dass positiv festzustellen ist, dass sich der Leistungsempfänger pflichtgemäß verhalten konnte und sich seiner Pflichtwidrigkeit bewusst war.
Zweifel an der positiven Feststellung dieser Umstände sowie an der Erwerbsfähigkeit der Antragstellerin an sich ergeben sich nicht nur aufgrund der beharrlichen Weigerung, Termine beim Antragsgegner wahrzunehmen, aufgrund der fast täglich eingehenden Schreiben an den Senat (wie auch zuvor an den Antragsgegner und das SG), welche zudem von einem grundsätzlichen Unverständnis der Regelungen und der Auswirkungen des eigenen Handelns geprägt sind, und der Weigerung (trotz des mehrfachen Hinweises), ergänzende Sachleistungen in Anspruch zu nehmen. Sie ergeben sich zudem und vor allem aus dem in den Akten vorliegenden (Kurz-) Gutachten der Bundesagentur für Arbeit vom 04.08.2008, das - ohne konkrete Diagnosen zu nennen - von einer krankheitsbedingten seelischen Minderbelastbarkeit mit vielfältigen körperlichen Begleiterscheinungen bei auffallenden Persönlichkeitszügen ausging und deshalb schon eine quantitative Leistungsminderung von nur noch drei bis unter sechs Stunden annahm. In dem mehr als vier Jahre zurückliegenden Gutachten waren darüber hinaus eine Reihe quantitativer Leistungseinschränkungen aufgeführt, u.a. Einschränkungen im Bereich der Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit, der Konzentrationsfähigkeit, des Reaktionsvermögens, der Anforderungen an die soziale Kompetenz und im Bereich von Tätigkeiten mit Publikumsverkehr. Unabhängig davon, dass solche Einschränkungen auch Einfluss auf die Inhalte eines eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsaktes haben dürften, lässt sich das Ausmaß der tatsächlichen Einschränkungen diesem Gutachten, das weder Befunde darstellt noch Diagnosen benennt, nicht abschießend entnehmen. Die Widerspruchsstelle des Antragsgegners hatte im November 2012 zu Recht festgestellt, dass gegen die Antragstellerin seitdem und zeitlich vor dem hier streitigen Zeitraum Sanktionen wegen insgesamt zwölf Meldeversäumnissen und weitere vier wegen des Nichtantrittes/Abbruches von Arbeitsgelegenheiten bzw. Maßnahmen verhängt worden waren. Im Januar 2012 wurde festgestellt, dass bei der Antragstellerin eine gestörte Selbst- und Fremdwahrnehmung vorliegt. Hieraus wurde zutreffend der Schluss gezogen, dass zur Abklärung des derzeitigen gesundheitlichen Zustandes die Einschaltung des ärztlichen Dienstes erforderlich ist. Dies umso mehr als die letzte ärztliche Äußerung mehr als vier Jahre zurücklag. Eine solche Abklärung ist aber bislang nicht erfolgt. Angesichts der geschilderten Umstände dürfte insoweit aufzuklären sein, welche Einschränkungen auf geistigem und körperlichem Gebiet vorliegen, ob die Antragstellerin die nötige Einsichtsfähigkeit und das Verständnis für die an sie gestellten Anforderungen (noch) aufbringt und ob letztlich auch Erwerbsfähigkeit im Sinne von § 8 SGB II vorliegt. Zur Klärung dieser Fragen ist die alleinige Übersendung eines Gesundheitsfragebogens an die Antragstellerin nicht ausreichend, zumal dieser wohl nur im Vorgriff auf die Einschaltung des Berufspsychologischen Dienstes versandt worden war. Eine zur Klärung des Gesundheitszustandes erforderliche Begutachtung - etwa nach § 44a SGB II - hat der Antragsgegner nicht in Auftrag gegeben. Auf sie kann auch nicht schon deshalb verzichtet werden, weil befürchtet wird, die Antragstellerin könne auch diese verweigern. Aufgrund der aktenkundigen Zweifel, wie sie (selbst) von der Widerspruchsstelle des Antragsgegners im November 2012 zu Recht formuliert wurden (s. Vermerk vom 02.11.2012, Bl. 431 der Verwaltungsakte) und die sich nach Aktenlage auch dem Senat aufdrängen, wird im Hauptsachverfahren zu prüfen sein, ob die gegenüber der Antragstellerin verhängten Sanktionen unter dem Gesichtspunkt der Vorwerfbarkeit der Pflichtverletzungen Bestand haben können, sofern der Antragsgegner diese nicht selbst zurücknimmt und die erforderlichen Ermittlungen eigenständig durchführt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Der Antragsgegner hat der Antragstellerin ihre außergerichtlichen Kosten für das Antrags- und Beschwerdeverfahren zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde der Antragstellerin ist statthaft sowie frist- und formgerecht (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) eingelegt worden. Sie ist auch begründet; das Sozialgericht Freiburg (SG) hat zu Unrecht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung abgelehnt.
Gemäß § 39 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in der Fassung von Art. 2 Nr. 31 des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes vom 24.03.2011 (BGBl. I, 453), gültig ab dem 01.04.2011 (vgl. Bekanntmachung der Neufassung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch vom 13.05.2011 [BGBl. I, 850]), haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, (1.) der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufhebt, zurücknimmt, widerruft, die Pflichtverletzung und die Minderung des Auszahlungsanspruchs feststellt oder Leistungen zur Eingliederung in Arbeit oder Pflichten erwerbsfähiger Leistungsberechtigter bei der Eingliederung in Arbeit regelt, (2.) der den Übergang eines Anspruchs bewirkt, (3.) mit dem zur Beantragung einer vorrangigen Leistung aufgefordert wird oder (4.) mit dem nach § 59 in Verbindung mit § 309 des Dritten Buches [SGB III] zur persönlichen Meldung bei der Agentur für Arbeit aufgefordert wird, keine aufschiebende Wirkung.
Da es sich bei den mit dem Widerspruch angefochtenen Bescheiden vom 14.01.2013 (Absenkung des maßgeblichen Regelsatzes um 60 % für die Zeit vom 01.02.2013 bis 30.04.2013 wegen nicht nachgewiesener Eigenbemühungen zum 22.12.2012) und 12.02.2013 (vollständiger Wegfall des Arbeitslosengeldes II für die Zeit vom 01.03.2013 bis 31.05.2013 wegen nicht nachgewiesener Eigenbemühungen zum 22.01.2013) um Verwaltungsakte handelt, die im Sinne des § 31 Abs. 1 SGB II eine Pflichtverletzung und gemäß § 31a Abs. 1 SGB II eine Minderung feststellen, haben die gegen diesen Bescheid erhobenen Widersprüche bzw. die fristgerecht eingelegte Klage nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 13.03.2013 keine aufschiebende Wirkung, weshalb das SG zu Recht einen Antrag nach § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG, also einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin seiner Entscheidung, zugrundegelegt hat.
§ 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG sieht keinen ausdrücklichen gesetzlichen Maßstab für die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage vor. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin ist aufgrund von § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG anhand einer Interessenabwägung zu beurteilen (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 86b Rdnr. 12). Das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug des Verwaltungsakts und die privaten Interessen an der Aussetzung der Vollziehung sind gegeneinander abzuwägen (Krodel, Der sozialgerichtliche Rechtsschutz in Anfechtungssachen, NZS 2001, 449, 453). Dabei ist zu beachten, dass das Gesetz mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung in § 39 SGB II dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheids Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen an einem Aufschub der Vollziehung einräumt. Diese typisierend zu Lasten des Einzelnen ausgestaltete Interessenabwägung kann aber im Einzelfall auch zu Gunsten des Betroffenen ausfallen. Die gegeneinander abzuwägenden Interessen ergeben sich in der Regel aus den Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens, dem Vollziehungsinteresse und der für die Dauer einer möglichen aufschiebenden Wirkung drohenden Rechtsbeeinträchtigung (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 27.10.2008 - L 13 AS 4562/08 ER-B - in Juris, Rz 4).
Das Vollzugsinteresse muss hier unter Berücksichtigung von Erfolgsaussichten und der drohenden bzw. mit der Absenkung und des Wegfalls von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes bereits eingetretenen Rechtsbeeinträchtigung zurückstehen, weshalb der Senat die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet hat.
Eine Pflichtverletzung nach § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II setzt eine Weigerung des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten voraus, die in der Eingliederungsvereinbarung oder in dem diese ersetzenden Verwaltungsakt nach § 15 Abs. 1 S. 6 SGB II festgelegten Pflichten zu erfüllen, insbesondere in ausreichendem Umfang Eigenbemühungen nachzuweisen. Nach den Ausführungen des Antragsgegners liegt ein Nachweis eigenständiger Bewerbungsbemühungen nicht vor, nachdem Stichproben die Angaben der Antragstellerin nicht bestätigt haben. Damit ist jedoch das Tatbestandsmerkmal der Weigerung der Antragstellerin genauso wenig belegt wie ihre Erwerbsfähigkeit an sich. Die hieran anknüpfenden Zweifel führen zwingend zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage.
Die Verweigerung einer Pflicht der Erfüllung der Obliegenheit aus der Eingliederungsvereinbarung bzw. hier aus dem diese ersetzenden Verwaltungsakt setzt neben der objektiven Nichterfüllung einer hinreichend bestimmt festgelegten Pflicht auch subjektiv eine zurechenbare und damit schuldhafte Nichterfüllung durch den Leistungsempfänger voraus (Berlit in Münder, Sozialgesetzbuch II, 4. Aufl., § 31 Rz 20, wenigstens fahrlässiges Verhalten, ebenso Loose in Hohm, GK-SGB II, VI-1 § 31 Rz 17f., Dauber in Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, Stand Jan. 2013, § 31 Rz 10, für vorsätzliches Verhalten: Schmidt - De Caluwe in Estelmann, SGB II, Stand Dez 2012, § 31 Rz 72 und Coseriu/Holzhey in Linkert/Adolph, SGB II SGB XII AsylbLG, Stand März 2013, § 31 SGB II Rz 13; zur Vorgängerregelung vgl. BSG, Urteil v. 09.11.2010, B 4 AS 27/10 R - in Juris).
Sie setzt auch nach Überzeugung des Senats voraus, dass positiv festzustellen ist, dass sich der Leistungsempfänger pflichtgemäß verhalten konnte und sich seiner Pflichtwidrigkeit bewusst war.
Zweifel an der positiven Feststellung dieser Umstände sowie an der Erwerbsfähigkeit der Antragstellerin an sich ergeben sich nicht nur aufgrund der beharrlichen Weigerung, Termine beim Antragsgegner wahrzunehmen, aufgrund der fast täglich eingehenden Schreiben an den Senat (wie auch zuvor an den Antragsgegner und das SG), welche zudem von einem grundsätzlichen Unverständnis der Regelungen und der Auswirkungen des eigenen Handelns geprägt sind, und der Weigerung (trotz des mehrfachen Hinweises), ergänzende Sachleistungen in Anspruch zu nehmen. Sie ergeben sich zudem und vor allem aus dem in den Akten vorliegenden (Kurz-) Gutachten der Bundesagentur für Arbeit vom 04.08.2008, das - ohne konkrete Diagnosen zu nennen - von einer krankheitsbedingten seelischen Minderbelastbarkeit mit vielfältigen körperlichen Begleiterscheinungen bei auffallenden Persönlichkeitszügen ausging und deshalb schon eine quantitative Leistungsminderung von nur noch drei bis unter sechs Stunden annahm. In dem mehr als vier Jahre zurückliegenden Gutachten waren darüber hinaus eine Reihe quantitativer Leistungseinschränkungen aufgeführt, u.a. Einschränkungen im Bereich der Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit, der Konzentrationsfähigkeit, des Reaktionsvermögens, der Anforderungen an die soziale Kompetenz und im Bereich von Tätigkeiten mit Publikumsverkehr. Unabhängig davon, dass solche Einschränkungen auch Einfluss auf die Inhalte eines eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsaktes haben dürften, lässt sich das Ausmaß der tatsächlichen Einschränkungen diesem Gutachten, das weder Befunde darstellt noch Diagnosen benennt, nicht abschießend entnehmen. Die Widerspruchsstelle des Antragsgegners hatte im November 2012 zu Recht festgestellt, dass gegen die Antragstellerin seitdem und zeitlich vor dem hier streitigen Zeitraum Sanktionen wegen insgesamt zwölf Meldeversäumnissen und weitere vier wegen des Nichtantrittes/Abbruches von Arbeitsgelegenheiten bzw. Maßnahmen verhängt worden waren. Im Januar 2012 wurde festgestellt, dass bei der Antragstellerin eine gestörte Selbst- und Fremdwahrnehmung vorliegt. Hieraus wurde zutreffend der Schluss gezogen, dass zur Abklärung des derzeitigen gesundheitlichen Zustandes die Einschaltung des ärztlichen Dienstes erforderlich ist. Dies umso mehr als die letzte ärztliche Äußerung mehr als vier Jahre zurücklag. Eine solche Abklärung ist aber bislang nicht erfolgt. Angesichts der geschilderten Umstände dürfte insoweit aufzuklären sein, welche Einschränkungen auf geistigem und körperlichem Gebiet vorliegen, ob die Antragstellerin die nötige Einsichtsfähigkeit und das Verständnis für die an sie gestellten Anforderungen (noch) aufbringt und ob letztlich auch Erwerbsfähigkeit im Sinne von § 8 SGB II vorliegt. Zur Klärung dieser Fragen ist die alleinige Übersendung eines Gesundheitsfragebogens an die Antragstellerin nicht ausreichend, zumal dieser wohl nur im Vorgriff auf die Einschaltung des Berufspsychologischen Dienstes versandt worden war. Eine zur Klärung des Gesundheitszustandes erforderliche Begutachtung - etwa nach § 44a SGB II - hat der Antragsgegner nicht in Auftrag gegeben. Auf sie kann auch nicht schon deshalb verzichtet werden, weil befürchtet wird, die Antragstellerin könne auch diese verweigern. Aufgrund der aktenkundigen Zweifel, wie sie (selbst) von der Widerspruchsstelle des Antragsgegners im November 2012 zu Recht formuliert wurden (s. Vermerk vom 02.11.2012, Bl. 431 der Verwaltungsakte) und die sich nach Aktenlage auch dem Senat aufdrängen, wird im Hauptsachverfahren zu prüfen sein, ob die gegenüber der Antragstellerin verhängten Sanktionen unter dem Gesichtspunkt der Vorwerfbarkeit der Pflichtverletzungen Bestand haben können, sofern der Antragsgegner diese nicht selbst zurücknimmt und die erforderlichen Ermittlungen eigenständig durchführt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
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