L 6 VG 3324/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 VG 2246/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VG 3324/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Für den Fall, dass das erstinstanzliche Gericht einen im Klageverfahren geltend gemachten Anspruch versehentlich übergangen und deshalb nicht über diesen entschieden hat, sieht § 140 SGG ein besonderes Ergänzungsverfahren vor. Das Ergänzungsverfahren und das Rechtsmittel der Berufung stehen in einem Ausschlussverhältnis

2. Wer sich der größten vorstellbaren psychischen Belastung - nämlich der Konfrontation mit dem Täter und den damit verbundenen Ereignissen im Gerichtssaal - stellt, bei dem liegt keine schädigungsbedingte PTBS mehr vor.
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 26. Juli 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Im Streit steht die Gewährung einer Grundrente im Rahmen eines Verfahrens nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (OEG).

Die 1949 geborene Klägerin griechischer Staatsangehörigkeit wurde am 15.07.2003 in ihrem eigenen Grill-Imbiss in R. gegen 16.30 Uhr überfallen und beraubt. Dabei schlug der Täter mehrfach auf die Klägerin mit einem harten Gegenstand ein und verletzte sie am Kopf und am linken Handgelenk (Durchgangsarztbericht Dr. M., Chefarzt der Chirurgischen Klinik im Kreiskrankenhaus L.). Die Klägerin wurde zunächst vom 15. bis 18.07.2003 im Kreiskrankenhaus L. behandelt. Im Zwischenbericht vom 23.07.2003 berichtete Dr. M. über eine akute posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) und über eine vorbestehende Depression. Die Klägerin wurde sodann in die Psychiatrische Landesklinik C. verlegt, wo sie wegen der anhaltenden PTBS mit Ängsten, flash backs und ausgeprägten Schlafstörungen vom 18.07. bis 28.08., 01. bis 05.09. und vom 07. bis 26.09.2003 behandelt wurde (Schreiben Dr. S. und Dr. St. vom 01.10.2003, Bl. 117 B-Akten). Der Täter wurde noch am Tattag festgenommen und durch Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 18.12.2003 wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt (Geschäftsnummer: 14 KLs 116 Js 56897/03).

Am 05.08.2003 beantragte die Klägerin wegen dieses Vorfalles beim Versorgungsamt Stuttgart (im Folgenden: Versorgungsamt) Beschädigtenversorgung nach dem OEG. Außerdem zeigte sie den Vorfall bei der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten (BGN) an, die das Ereignis dem Grunde nach als Arbeitsunfall anerkannte. Vom 15.07.2003 bis zum 10.01.2005 (78 Wochen) bewilligte die BGN der Klägerin Verletztengeld in Höhe von 53,33 Euro kalendertäglich (Bl. 47 LSG). Die Gewährung von Verletztenrente lehnte die BGN hingegen mit Bescheid vom 04.07.2006 (Widerspruchsbescheid vom 31.08.2006) ab, weil die als Unfallfolge festzustellende PTBS im Wesentlichen abgeklungen sei. Die hiergegen erhobene Klage wies das Sozialgericht Stuttgart (SG) mit Urteil vom 30.05.2007 ab (Az.: S 1 U 7230/06). Im unfallversicherungsrechtlichen Verfahren wurden diverse medizinische Stellungnahmen aktenkundig:

In seinem neurologischen Gutachten vom 27.11.2003 stellte Prof. Dr. St. eine PTBS sowie in der Zwischenzeit ausgeheilte Narbenkopfschmerzen als Unfallfolgen fest. Die PTBS sei im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Überfall aufgetreten und lasse auch einen inhaltlichen Zusammenhang erkennen (Angst vor Fremden).Wie häufig hätten die Symptome in der Zwischenzeit aber eine Ausweitung erfahren, die nicht ursächlich auf dem Überfall beruhten. So beklage die Klägerin nunmehr weitergehende Ängste, nämlich Ängste vor Reisen, Ängste vor Menschenansammlungen, die nicht ursächlich auf das Überfallsereignis zurückgeführt werden könnten. Vor dem Überfall habe keine psychisch relevante Vorerkrankung vorgelegen. Die Klägerin neige zwar zu eindringlicher und teilweise überzogener Beschwerdeschilderung. Diese Auffälligkeiten erreichten aber nicht das Ausmaß einer Diagnose. Arbeitsunfähigkeit aufgrund des Überfalles sei bis zum Ende der stationären Behandlung im Zentrum für Psychiatrie C. (26.09.2003) anzunehmen. Da weiterhin eine klinisch relevante Angstsymptomatik bestehe, bestehe auch noch Behandlungsbedarf in Form einer ambulanten Verhaltenstherapie mit Expositionstraining am Arbeitsplatz, vorausgesetzt die Klägerin wünsche dies. Anderenfalls seien weitere Therapien gegenstandslos. Bei der Klägerin bestehe ein deutlicher sog. sekundärer Krankheitsgewinn, indem sie durch mehrere Familienmitglieder von den Alltagsaufgaben weitgehend entbunden werde, was zweifelsfrei regressive Tendenzen fördere. Ab Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit sei eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 vom Hundert (v. H.) bis jetzt und voraussichtlich auch für das nächste halbe Jahr anzunehmen.

In ihrem psychologischen Zusatzgutachten vom 26.11.2003 beschrieb die Dipl.-Psychologin M. die Klägerin als histrionische Persönlichkeit mit ausgeprägten Tendenzen zur Dramatisierung.

Mit Schreiben vom 17.02.2004 berichtete die Psychiatrische Tagesklinik B., wo sich die Klägerin seit 01.10.2003 in teilstationärer Behandlung befand, dass eine Verlängerung des bis 13.02.2004 geplanten Aufenthaltes um etwa 5 Wochen geplant sei, nachdem es zu einer erneuten depressiven Dekompensation aufgrund eines erneuten traumatisierenden Ereignisses gekommen sei. Die Klägerin sei Zeugin eines Raubüberfalles im Supermarkt geworden (Bl. 139 B-Akten). In ausreichend stabilisiertem Zustand wurde die Klägerin allerdings bereits am 27.02.2004 entlassen. Im Entlassungsbericht vom 02.03.2004 wird ausgeführt, die Klägerin habe sich als Persönlichkeit mit viel Temperament und ausgeprägtem eigenen Willen gezeigt. Histrionische Anteile im Sinne eines starken emotionalen Auslebens erlebter Gefühle seien sicher als Erklärung für die zeitweilig vorhandene Tendenz der Aggravierung der bestehenden Symptome zu werten. Mit Hilfe ihres Sohnes sei es ihr gelungen, im Prozess gegen den Täter als Zeugin auszusagen. Dies habe ihr die Möglichkeit gegeben, eine neue Wahrnehmung des ursprünglich als bedrohlich erlebten Täters zu erarbeiten (Bl. 140 B-Akten).

In ihrem nervenärztlichen Gutachten vom 24.05.2005 diagnostizierte die Ärztin für Neurologie/Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Dipl.-Psych. Sch. eine Anpassungsstörung, mittelschwere depressive Episode, Somatisierungsstörung, histrionische Persönlichkeit sowie ein organisches LWS- und HWS-Syndrom. Vor dem Überfall habe eine histrionisch depressive Persönlichkeitsstruktur bestanden, ohne dass dies eine krankhafte Veränderung bedeutet hätte. Auf dem Hintergrund dieser Persönlichkeitsstruktur habe sich aus der anfänglichen Symptomatik eine PTBS bei vorhandenem ausgeprägtem sekundären Krankheitsgewinn bei verbliebener Anpassungsstörung mit depressiven Anteilen entwickelt. Es sei anzunehmen, dass die Unfallfolgen unter entsprechender Behandlung bis Ende 2005 in den Hintergrund träten, sodass weitere bestehende Arbeitsunfähigkeit im Wesentlichen durch Unfall unabhängige, nämlich durch eine persönlichkeitsbedingte Fehlverarbeitung des Unfallgeschehens bedingt sei. Derzeit seien die Depressivität, die Anpassungsstörung, die Angst, die Somatisierung und der sekundäre Krankheitsgewinn Folgen des Unfalles. Die Verarbeitung des Unfalles habe begonnen, eine falsche Entwicklung zu nehmen mit pathologischer Regression und Abhängigkeit vom Sohn. Ab dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit könne drei Monate eine MdE von 50 v. H. und anschließend bis zur erneuten Überprüfung eine MdE von 30 v. H. angenommen werden.

In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 09.06.2005 wies Dr. H. darauf hin, dass es aufgrund vielfältiger Unstimmigkeiten im Rahmen der Befunderhebung schwierig sei, die gestellte Diagnose einer weiterhin unfallbedingten Anpassungsstörung mit depressiver Symptomatik nachzuvollziehen. Es stelle sich die Frage, inwieweit in Zusammenhang mit der prämorbiden Persönlichkeitsstruktur der sekundäre Krankheitsgewinn die geschilderte Beschwerdelage unterhalte.

In ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 01.08.2005 führte Dr. Sch. aus, bei der Klägerin liege eine multifaktorielle Störung vor, wobei neben der Persönlichkeit der Klägerin der Überfall einen wesentlichen Faktor darstelle. Vor dem Unfall habe die Klägerin ihre Arbeit mit Hingabe und Erfolg durchgeführt. Der Überfall habe zu einer psychischen Entgleisung geführt, wobei bei der Klägerin keine Angst-, sondern eine Anpassungsstörung gegeben sei. Auch die unbewussten Ängste, den sekundären Krankheitsgewinn zu verlieren, seien Folge des Überfalles.

Wie sich aus den von der BGN sodann beigezogenen Arztbriefen ergibt, wurde bei der Klägerin im Rahmen einer stationären Behandlung vom 06.01. bis 17.02.1996 u. a. ein psychovegetatives Erschöpfungssyndrom diagnostiziert (Arztbrief Dr. K. vom 16.02.1996). Der Allgemeinmediziner Dr. B. berichtete über Behandlungen der Klägerin wegen psychischer Beschwerden und Depressionen im September 1994, im Februar und Mai 1995, im November 1995 und im Juni 1997. Dr. D. diagnostizierte im Oktober 2000 Erschöpfungsdepressionen in Begleitung von Wirbelsäulenbeschwerden. Ab 27.03.2001 sei eine antidepressive Medikation bis November 2001 durchgeführt worden.

In seiner nach Aktenlage abgegebenen beratungsärztlichen Stellungnahme vom 15.03.2006 stimmte der ärztliche Leiter des Reha-Zentrums B.-K., Klinik M., Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie, Dr. H. der Einschätzung von Dr. Sch. insoweit zu, als es sich bei der anfänglichen Symptomatik um eine PTBS gehandelt habe. Eine Anpassungsstörung mit depressiver Symptomatik, Somatisierungsstörung, sei nach ICD-10 jedoch auf maximal zwei Jahre nach dem belastenden Ereignis begrenzt, sodass die von Dr. Sch. bescheinigte Anpassungsstörung auf unfallfremden Faktoren beruhen müsse, nämlich auf einer vor dem Unfall psychisch auffälligen, mit krankheitswertigen Symptomen versehenen Persönlichkeit (histrionisch-depressive Persönlichkeitsstörung mit Neigung zu depressiven Verstimmungen). Arbeitsunfähigkeit habe maximal bis 13.02.2004 bestanden, danach habe keine PTBS mehr bestanden und das Zustandsbild sei von der in der Primärpersönlichkeit verankerten histrionisch-depressiven Persönlichkeitsstörung der Klägerin mit Neigung zu depressiven Verstimmungen beherrscht worden. Die vorübergehend bestandene PTBS habe zu keiner dauernden MdE geführt.

Im streitgegenständlichen OEG-Verfahren stellte das zwischenzeitlich zuständig gewordene Landratsamt B. (im Folgenden: Landratsamt) nach Einholung der versorgungsärztlichen Stellungnahme des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. G. vom 27.07.2006 (Bl. 53 RS B-Akten) mit Bescheid vom 28.07.2006 fest, dass zwischen der erlittenen, inzwischen aber folgenlos abgeheilten Gesundheitsstörung "Zustand nach posttraumatischer Belastungsstörung" und der Schädigung i. S. des § 1 OEG zwar ein ursächlicher Zusammenhang bestanden habe, Folgen dieser Verletzung aber nicht mehr vorlägen. Der Anspruch auf Heilbehandlung beginne ab 15.07.2003, er ruhe jedoch gemäß § 65 Abs. 3 Nr. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) insoweit, als aus derselben Ursache Ansprüche auf entsprechende Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung bestünden. Die daneben noch geltend gemachte "Depression" stehe in keinem Zusammenhang mit einer Schädigung i. S. des § 1 OEG. Gesundheitsstörungen von nicht nur vorübergehender Dauer, die als Schädigungsfolgen nach dem OEG anzuerkennen seien, lägen nicht vor. Beschädigtenversorgung könne daher nicht gewährt werden. In der Begründung des Bescheides wird darüber hinaus u. a. ausgeführt, die Zahlung einer Beschädigtenrente könne nicht erfolgen, da nach versorgungsärztlicher Beurteilung sich als Folge der gegen sie verübten Gewalttat eine MdE um wenigstens 25 v. H. für einen Zeitraum von mindestens 6 Monaten nicht begründen lasse, sodass eine dauernde Gesundheitsstörung nicht vorliege.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies das Regierungspräsidium Stuttgart nach Einholung der versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dr. G. vom 09.08.2007 und unter Bezugnahme auf die aus dem unfallversicherungsrechtlichen Verfahren beigezogenen Unterlagen sowie das klagabweisende Urteil des SG vom 30.05.2007 (S 1 U 7230/06) mit Widerspruchsbescheid vom 26.10.2007 zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 31.10.2007 Klage erhoben (Az.: S 6 VG 7924/07) und beantragt, den Bescheid vom 28.07.2006 und den Widerspruchsbescheid vom 26.10.2007 aufzuheben "und nach Gesetz und Recht zu urteilen".

Mit Schreiben vom 04.12.2007 hat die Klägerin des Weiteren beantragt, den Beklagten zu verurteilen, die von der BGN bewilligte und von der Tagesklinik B. bereits begonnene Rehabilitationsmaßnahme (Expositionstraining in einer Bäckerei) zu erbringen und die Kosten für eine sog. "Knirscher-Schiene" zu erstatten. Zur Begründung hat die Klägerin vorgetragen, sie sei auch vor dem 15.07.2003 bereits Opfer von Gewalttaten geworden, nämlich am 19.06.1981, als sie in eine Massenschlägerei in einer ihrer Gaststätten verwickelt worden sei, hierbei eine commotio cerebri erlitten habe und vom 19. bis 26.06.1981 im Kreiskrankenhaus L. behandelt worden sei, bei über 10 weiteren Massenschlägereien in den Jahren 1977 bis 1985 in ihrem Gastronomiebetrieb, am 05.05.1989 als ihr Ehemann zweimal betriebsbedingt angeschossen worden sei und sie deshalb einen Schock erlitten habe, im Jahr 1994 als H. F. ihrer Tochter A. T. eine Waffe mit den Worten "du hast genug gelebt" an den Kopf gehalten habe und sie, die Klägerin, deshalb einen Schock erlitten habe sowie im November 2000 als A. G. auf sie eingeschlagen habe.

In ihrem an das Landratsamt gerichteten Schreiben vom 09.12.2007 hat die Klägerin nochmals auf ihr Schreiben vom 22.07.2003 verwiesen, mit dem ein Antrag auf jedwede Leistung gestellt worden sei. Zu klären sei insbesondere die Frage der Erbringung der in ihrer Klagebegründung erwähnten Arbeitstherapie. Ferner würden anschließend an die Arbeitstherapie Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gewünscht. Hierzu hat das Landratsamt ausgeführt, dass die in Bezug genommene Klagebegründung nicht vorliege, Leistungen nach § 65 BVG im Hinblick auf das vorrangige berufsgenossenschaftliche Verfahren ruhen würden und empfohlen werde, sich wegen einer Arbeitstherapie und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bei der BGN zu informieren. Hiergegen hat die Klägerin ebenfalls Widerspruch erhoben.

Mit Schreiben vom 18.01.2008 hat die Klägerin beim Versorgungsamt hinsichtlich der im Schreiben vom 04.12.2007 genannten Vorfälle einen weiteren Antrag nach dem OEG gestellt. Dem Schreiben beigefügt war der Durchgangsarztbericht vom 22.06.1981, der Entlassungsbericht des Kreiskrankenhauses L. vom 26.06.1981 (Commotio cerebri), der Befundbericht des Kreiskrankenhauses L. vom 04.11.2000, die ärztliche Bescheinigung des Dr. D. vom 13.11.2000 sowie der Einstellungsbeschluss der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 04.02.2001 (Bl. 448 ff. B-Akten).

Im Klageverfahren hat das SG die Verwaltungs- und Gerichtsakten aus den unfallversicherungsrechtlichen Verfahren der Klägerin beigezogen und sodann mit Beschluss vom 04.07.2008 im Hinblick auf den erneuten OEG-Antrag der Klägerin auf Antrag der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens angeordnet (S 6 VG 7924/07).

Nach Einholung der versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dr. G. vom 17.11.2008 (Bl. 484 RS B-Akten) hat das Landratsamt mit Bescheid vom 19.11.2008 den Antrag vom 18.01.2008 auf Beschädigtenversorgung nach dem OEG hinsichtlich der Vorfälle vom 19.06.1981, 05.05.1989 und 04.11.2000 abgelehnt. Mit Schreiben vom 20.11.2008 hat die Klägerin hiergegen Widerspruch eingelegt und im Übrigen beanstandet, dass weder hinsichtlich des Vorfalles aus dem Jahr 1994 und der mindestens zehn Massenschlägereien noch hinsichtlich der beantragten medizinischen Rehabilitationsmaßnahme "Arbeitstherapie und Belastungserprobung" bislang ein Bescheid ergangen sei. Hierzu hat das Landratsamt der Klägerin unter dem 04.02.2009 mitgeteilt, dass der Antrag auf Gewährung von Arbeitstherapie und Belastungserprobung zuständigkeitshalber an die BGN weitergeleitet worden sei. Ein im Jahr 2011 gestellter Eilantrag mit dem Begehren, das Land Baden-Württemberg im Wege der einstweiligen Anordnung zu verurteilen, die von der BGN beschlossene Maßnahme "Arbeitstherapie in einer Bäckerei" durchzuführen, ist durch Beschluss des SG vom 30.11.2011 mangels nachgewiesener Vertretungsvollmacht des Sohnes der Klägerin, aber auch aufgrund fehlender Passivlegitimation des Beklagten abgelehnt worden (Az.: S 13 VG 6432/11 ER). Hinsichtlich des Vorfalles im Jahr 1994 und den Massenschlägereien im Gastronomiebetrieb hat das Landratsamt mit Bescheid vom 04.02.2009 den Antrag auf Beschädigtenversorgung nach dem OEG abgelehnt. Auch hiergegen hat die Klägerin mit Schreiben vom 09.02.2009 Widerspruch eingelegt. Mit Widerspruchsbescheid vom 27.03.2009 hat das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch gegen die Bescheide vom 19.11.2008 und 04.02.2009 zurückgewiesen. Hiergegen hat die Klägerin am 28.03.2009 Klage beim SG erhoben (Az.: S 13 VG 3257/09)

Nach Wiederanrufung des Klageverfahrens S 6 VG 7924/07 durch die Klägerin mit Schreiben vom 28.03.2009 ist das Verfahren unter dem Aktenzeichen S 13 VG 2246/09 fortgeführt worden. Mit Schreiben vom 21.01.2012 hat die Klägerin zusätzlich hilfsweise beantragt, den Beklagten zur Zahlung einer Grundrente zu verurteilen, und im Hinblick auf den Stützrententatbestand des § 56 Abs. 1 Satz 4 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) die Beiladung der BGN beantragt. Dem ist der Beklagte mit Schreiben vom 07.02.2012 unter Hinweis darauf entgegen getreten, dass rechtliche Interessen der BGN nicht betroffen seien. Auch die erbetene Verbindung der Verfahren S 13 VG 2246/09 und S 13 VG 3257/09 erscheine nicht sinnvoll, da beide Verfahren verschiedene Tatbestände beträfen. Während Streitgegenstand des Verfahrens S 13 VG 2246/09 die Gewalttat vom 15.07.2003 mit ruhendem Heilbehandlungsanspruch nach § 65 Abs. 3 Nr. 1 BVG sei, betreffe das Verfahren S 13 VG 3257/09 Ereignisse vor dem 15.07.2003, für die die Gewährung von Beschädigtenversorgung abgelehnt worden sei.

Nach vorheriger Anhörung der Beteiligten zu beiden Verfahren (vgl. Bl. 60/61 SG S 13 VG 3257/09) hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 26.07.2012 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, Streitgegenstand dieses Verfahrens seien allein die kausalen gesundheitlichen Folgen des anerkannten Vorfalles vom 15.07.2003. Hierbei sei eine isolierte Feststellung von Vorerkrankungen bzw. Schadensanlagen oder die Feststellung eines medizinischen Sachverhaltes eines früheren Ereignisses im Hinblick auf ein späteres Ereignis und dessen Kausalität nicht möglich. Vielmehr seien allein jeweils zu jedem Vorgang gesondert die verbliebenen Funktionsbeeinträchtigungen zu ermitteln und bescheidtechnisch festzustellen sowie dann etwa bei der MdE/GdS-Ermittlung insgesamt heranzuziehen. Die vorliegenden Unterlagen rechtfertigten keinen maßgeblichen Kausalzusammenhang zwischen den Folgen der Tat vom 15.07.2003 und den später aufgetretenen psychiatrischen Störungen. Insbesondere ließen sich die behandlungsbedürftigen Depressionen nicht rechtlich wesentlich auf die anerkannten Schädigungsfolgen eines Zustandes nach PTBS zurückführen. Eine PTBS sei ihrem Wesen nach schon nur vorübergehender Natur. Gerade weil die Klägerin eine Vielzahl von Vorgängen aus früheren Jahren anführe, könne gerade der jetzige Zustand nicht rechtlich wesentlich auf die hier anerkannte Straftat zurückgeführt werden. Von den Vorgängen der 1980/90er Jahre seien eine Vielzahl nicht vom Schutzzweck des OEG erfasst. Außerdem seien depressive Neigungen der Klägerin in der Vergangenheit vor dem Juli 2003 unbestritten. Im Hinblick auf die Kausalität könne im Übrigen auf das rechtskräftige Urteil des SG vom 30.05.2007 (S 1 U 7230/06) sowie die dortigen Ausführungen zur Würdigung der Beweismittel insbesondere von Prof. Dr. Steven, Dr. H. und Dr. Sch. Bezug genommen werden.

Gegen den der Klägerin am 31.07.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 02.08.2012 Berufung eingelegt und mit Schreiben vom 10.10.2012 beantragt, den Beklagten zur Gewährung einer Belastungserprobung und Arbeitstherapie, hilfsweise zur Zahlung einer Rente zu verurteilen.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 26. Juli 2012 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr eine Belastungserprobung und Arbeitstherapie zu gewähren, hilfsweise den Bescheid vom 28. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Oktober 2007 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr eine Grundrente ab 5. August 2003 nach einem Grad der Schädigungsfolgen von mindestens 30 zu gewähren, hilfsweise eine Exposition zur Vervollständigung des Gutachtens von Dr. St. einzuholen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Erörterungstermin des Berichterstatters vom 29.11.2012 hat die Klägerin erklärt, sie habe ihren Sohn T. T. bevollmächtigt, in den sozialgerichtlichen Verfahren S 13 VG 2246/09 und S 13 VG 3257/09 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) einzulegen und die Berufungsverfahren für sie zu betreiben.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die vorgelegten Behördenakten des Beklagten, die beigezogenen Akten der BGN sowie die Gerichtsakten des SG (S 6 VG 7924/07, S 13 VG 2246/09, S 13 VG 3257/09, S 13 VG 6432/11 ER) und des LSG (L 6 VG 3324/12, L 6 VG 3325/12) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat hat die Verfahren L 6 VG 3324/12 und L 6 VG 3325/12 nicht nach §§ 153 Abs. 1, 113 Abs. 1 SGG zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden, auch wenn - worauf der Beklagte im Klageverfahren mit Schreiben vom 17.02.2012 zu Recht hingewiesen hat - nach dem Rechtsgedanken des § 3 Abs. 1 OEG im Falle verschiedener Gewalttaten, denen dieselbe Person zum Opfer gefallen ist, eine einheitliche Rente unter Berücksichtigung des Gesamtgrades der Schädigungsfolgen zu bilden ist. Denn die im Verfahren L 6 VG 3325/12 geschilderten Ereignisse sind nicht geeignet, Ansprüche nach § 1 OEG zu begründen (vgl. Senatsurteil vom 21.02.2002).

Die nach §§ 143, 144 SGG statthafte und nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist auch im Übrigen zulässig, soweit die Klägerin mit dem Hilfsantrag eine Grundrente wegen des Vorfalles vom 15.07.2003 begehrt.

Nicht zulässig hingegen ist die Berufung, soweit die Klägerin im Berufungsverfahren die Verurteilung des Beklagten zur Gewährung einer Belastungserprobung und Arbeitstherapie und somit Maßnahmen der Heilbehandlung i. S. der §§ 9 Abs. 1 Nr. 1, 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 BVG begehrt. Denn über einen solchen Anspruch hat das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid nicht entschieden. Nach der erfolgten sachdienlichen Auslegung der Klageanträge hat das SG lediglich den Bescheid vom 28.07.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.10.2007 und die Feststellung von Gesundheitsstörungen aufgrund des Überfalles vom 15.07.2003 sowie die hierauf gestützte Grundrente zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Zwar hatte die Klägerin im zum Ruhen gebrachten Klageverfahren S 6 VG 7924/07 nicht nur die genannten Bescheide angegriffen, sondern mit Schreiben vom 04.12.2007 auch die Verurteilung des Beklagten zur Erbringung der von der BGN bewilligten und in der Psychiatrischen Tagesklinik B. bereits begonnenen medizinischen Rehabilitationsmaßnahme (Expositionstraining in einer Bäckerei) beantragt. Im wiederangerufenen Klageverfahren (S 13 VG 2246/09) hat die Klägerin auch nicht etwa teilweise diese Anträge zurückgenommen, sondern mit Schreiben vom 21.01.2012 ausdrücklich ihr Schreiben vom 04.12.2007 und die darin formulierten Anträge in Bezug genommen und zusätzlich neue Anträge gestellt. Gleichwohl hält der Senat die Fortführung dieses Klagebegehrens im Berufungsverfahren für unzulässig, nachdem das SG im Gerichtsbescheid über diese Anträge nicht entschieden hat. Denn für den Fall, dass das erstinstanzliche Gericht einen im Klageverfahren geltend gemachten Anspruch versehentlich übergangen und deshalb nicht über diesen entschieden hat, sieht § 140 SGG ein besonderes Ergänzungsverfahren vor. Das Ergänzungsverfahren und das Rechtsmittel der Berufung stehen in einem Ausschlussverhältnis; es ist deshalb nicht in das Belieben der Beteiligten gestellt, das Ergänzungsverfahren zu betreiben oder eine Berufung einzulegen. Hat das Gericht erstinstanzlich über den geltend gemachten Anspruch ganz oder teilweise nicht entschieden, liegt eine Nichtentscheidung vor, die einer Berufung dem Grunde nach nicht zugänglich ist. Denn mangels notwendiger Beschwer fehlt es an einem Rechtsschutzbedürfnis für eine Berufung gegen eine unterlassene Entscheidung (vgl. Bundesverwaltungsgericht [BVerwG], BVerwGE 81, 12; Bundesgerichtshof [BGH], Urteil vom 16.02.2005 – VIII ZR 133/04, zit. n. juris; Bundesarbeitsgericht [BAG], Urteil vom 23.06.1993 – 2 AZR 56/93, zit. n. juris; Bundesfinanzhof [BFH], Beschluss vom 10.11.1998 – I B 84, zit. n. juris; Bernsdorff in Hennig, SGG, § 157 Rdnr. 10; Eyermann/Fröhler, VwGO, § 120 Rdnr. 11; Zöller, ZPO, § 321 Rdnr. 2; Baumbach/Lauterbach, ZPO, § 321 Rdnr. 8). Lediglich in Fällen, in denen das Gericht einen Punkt bewusst ausgeklammert hat, hält das BSG die Verweisung auf das Urteilsergänzungsverfahren nach § 140 SGG nicht für zulässig (vgl. BSG, Beschlüsse vom 31.10.2012 - B 13 R 437/11 B - und 26.08.1994 - 13 RJ 9/94, jeweils zit. n. juris). Anhaltspunkte für eine derartige bewusste Nichtentscheidung finden sich in dem angefochtenen Gerichtsbescheid jedoch nicht. Schon im Tatbestand wird das Schreiben der Klägerin vom 04.12.2007 nicht erwähnt. Die dort enthaltenen Anträge waren daher auch nicht Gegenstand der sachdienlichen Auslegung durch das SG. Es ist somit davon auszugehen, dass das SG versehentlich diese Anträge nicht zum Gegenstand des Klageverfahrens gemacht hat. Diesen Mangel hätte die Klägerin nach § 140 SGG rügen müssen. Wird ein Antrag auf Urteilsergänzung nicht innerhalb der Frist nach § 140 Abs. 1 Satz 2 SGG gestellt, erlischt die Rechtshängigkeit des übergangenen Anspruchs.

Der hilfsweise gestellte Antrag ist zulässig. Nachdem die Klägerin im Erörterungstermin vom 29.11.2012 erklärt hat, ihrem Sohn T. T. Vollmacht für das Berufungsverfahren erteilt zu haben und der Mangel einer vollmachtlos eingelegten Berufung durch nachträgliche Vollmachterteilung rückwirkend und damit fristwahrend geheilt werden kann (vgl. Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes SozR 1500 § 73 Nr. 4; Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 21.06. 2001 - B 13 RJ 5/01 R – zit. n. juris), kann vorliegend offen bleiben, ob die Vollmacht bereits bei Einlegung der Berufung wirksam erteilt worden war. Die Klägerin war auch nicht darauf beschränkt, zunächst die von ihr geltend gemachten weiteren Gesundheitsstörungen in Form von Depressionen durch den Beklagten oder das Gericht förmlich feststellen zu lassen. Nachdem der Beklagte in der Begründung des Bescheides vom 28.07.2006 die Zahlung einer Beschädigtenrente verweigert und somit eine Entscheidung über diese konkrete Leistung getroffen hat, konnte die Klägerin im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage i. S. des § 54 Abs. 1 und 4 SGG diese Leistung geltend machen (vgl. zur vergleichbaren Problemstellung im Unfallversicherungsrecht: Senatsurteil vom 24.11.2011 - L 6 U 3863/09 - m. w. N.).

Die im Hinblick auf den Hilfsantrag zulässige Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Grundrente. Der Bescheid des Beklagten vom 28.07.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.10.2007 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Das Begehren der Klägerin richtet sich nach § 1 OEG in Verbindung mit den §§ 1, 30, 31 und 60 BVG.

Wer im Geltungsbereich des OEG infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG (§ 1 Abs. 1 Satz 1 OEG).

Ausländer haben nach § 1 Abs. 4 Nr. 1 OEG Anspruch auf Versorgung, wenn sie - wie die Klägerin als griechische Staatsangehörige - Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaften sind.

Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BVG). Wenn die zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, kann mit Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales die Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung anerkannt werden; die Zustimmung kann allgemein erteilt werden (§ 1 Abs. 3 Satz 2 BVG).

Beschädigte erhalten als Versorgungsleistung u. a. nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 BVG eine Beschädigtenrente. Hierzu zählt auch die monatliche Grundrente, deren Höhe abhängig vom Grad der Schädigungsfolgen (GdS) ist und die ab einem GdS von 30 geleistet wird (§ 31 Abs. 1 BVG).

Der GdS ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen (§ 30 Abs. 1 Satz 1 BVG). Der GdS ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu 5 Grad geringerer GdS wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst (§ 30 Abs. 1 Satz 2 BVG). Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten (§ 30 Abs. 1 Satz 3 BVG).

Die Beschädigtenversorgung beginnt mit dem Monat, in dem ihre Voraussetzungen erfüllt sind, frühestens mit dem Antragsmonat (§ 60 Abs. 1 Satz 1 BVG). Die Versorgung ist auch für Zeiträume vor der Antragstellung zu leisten, wenn der Antrag innerhalb eines Jahres nach Eintritt der Schädigung gestellt wird (§ 60 Abs. 1 Satz 2 BVG). War der Beschädigte ohne sein Verschulden an der Antragstellung verhindert, so verlängert sich diese Frist um den Zeitraum der Verhinderung (§ 60 Abs. 1 Satz 3 BVG).

Der Senat orientiert sich bei der Prüfung, welche gesundheitlichen Schäden Folge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs sind, an der seit 01.01.2009 an die Stelle der bis zum 31.12.2008 im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1) Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)" (AHP) 2008 getretenen Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV).

Danach wird als Schädigungsfolge im sozialen Entschädigungsrecht jede Gesundheitsstörung bezeichnet, die in ursächlichem Zusammenhang mit einer Schädigung steht, die nach dem entsprechenden Gesetz zu berücksichtigen ist (VG Teil A Nr. 1 a) und ist Ursache im Sinne der Versorgungsgesetze die Bedingung im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg an dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat (VG Teil C Nr. 1 b Satz 1).

Zu den Fakten, die vor der Beurteilung eines ursächlichen Zusammenhangs geklärt ("voll bewiesen") sein müssen, gehören der schädigende Vorgang, die gesundheitliche Schädigung und die zu beurteilende Gesundheitsstörung (VG Teil C Nr. 2 a). Der schädigende Vorgang ist das Ereignis, das zu einer Gesundheitsschädigung führt (VG Teil C Nr. 2 b Satz 1 Halbsatz 1). Die gesundheitliche Schädigung ist die primäre Beeinträchtigung der Gesundheit durch den schädigenden Vorgang (VG Teil C Nr. 2 c Halbsatz 1). Zwischen dem schädigenden Vorgang und der Gesundheitsstörung muss eine nicht unterbrochene Kausalkette bestehen, die mit den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft und den ärztlichen Erfahrungen im Einklang steht. Dabei sind Brückensymptome oft notwendige Bindeglieder. Fehlen Brückensymptome, so ist die Zusammenhangsfrage besonders sorgfältig zu prüfen und die Stellungnahme anhand eindeutiger objektiver Befunde überzeugend wissenschaftlich zu begründen (VG Teil C Nr. 2 d Sätze 1 bis 3).

Für die Annahme, dass eine Gesundheitsstörung Folge einer Schädigung ist, genügt versorgungsrechtlich die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Sie ist gegeben, wenn nach der geltenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht (VG Teil C Nr. 3 a Sätze 1 und 2). Grundlage für die medizinische Beurteilung sind die von der herrschenden wissenschaftlichen Lehrmeinung vertretenen Erkenntnisse über Ätiologie und Pathogenese (VG Teil C Nr. 3 b Satz 1). Aus dem Umstand, dass der Zusammenhang der Gesundheitsstörung mit einem schädigenden Vorgang nach wissenschaftlicher Erkenntnis nicht ausgeschlossen werden kann, lässt sich nicht folgern, dass er darum wahrscheinlich sei. Ebenso wenig kann das Vorliegen einer Schädigungsfolge bejaht werden, wenn ein ursächlicher Zusammenhang nur möglich ist (VG Teil C Nr. 3 d Sätze 1 und 2).

Unter Berücksichtigung der oben dargelegten Grundsätze hat die Klägerin keinen Anspruch auf die begehrte Grundrente.

Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 28.07.2006 hat der Beklagte zwar festgestellt, dass zum einen die Klägerin aufgrund des Vorfalles vom 15.07.2003 Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs i. S. des OEG geworden ist (vgl. Ziffer II. 2. des Bescheides) und zum anderen zwischen der erlittenen Gesundheitsstörung "Zustand nach posttraumatischer Belastungsstörung" und der Schädigung i. S. des § 1 OEG ein ursächlicher Zusammenhang bestanden hat. Ein Anspruch auf Grundrente besteht gleichwohl nicht. Denn die durch die Schädigung verursachte Gesundheitsstörung ist inzwischen abgeheilt (1), während des Bestehens der Gesundheitsstörung wurde ein Rentenanspruch der Klägerin durch vorrangige Leistungen des Unfallversicherungsträgers verdrängt (2) und die weiteren Gesundheitsstörungen der Klägerin sind nicht im versorgungsrechtlichen Sinne ursächlich auf das Schädigungsereignis zurückzuführen (3).

1. Die Klägerin hat aufgrund des Raubüberfalles vom 15.07.2003 eine PTBS erlitten.

Nach der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme - 10. Revision - (ICD-10 Version 2013) entsteht die PTBS als eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Prädisponierende Faktoren wie bestimmte, zum Beispiel zwanghafte oder asthenische Persönlichkeitszüge oder neurotische Krankheiten in der Vorgeschichte können die Schwelle für die Entwicklung dieses Syndroms senken und seinen Verlauf erschweren, aber die letztgenannten Faktoren sind weder notwendig noch ausreichend, um das Auftreten der Störung zu erklären. Typische Merkmale sind das wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, Flashbacks), Träumen oder Alpträumen, die vor dem Hintergrund eines andauernden Gefühls von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit auftreten. Ferner finden sich Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen, Teilnahmslosigkeit der Umgebung gegenüber, Freudlosigkeit sowie Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen könnten. Meist tritt ein Zustand von vegetativer Übererregtheit mit Vigilanzsteigerung, einer übermäßigen Schreckhaftigkeit und Schlafstörung auf. Angst und Depression sind häufig mit den genannten Symptomen und Merkmalen assoziiert und Suizidgedanken sind nicht selten. Der Beginn folgt dem Trauma mit einer Latenz, die wenige Wochen bis Monate dauern kann. Der Verlauf ist wechselhaft, in der Mehrzahl der Fälle kann jedoch eine Heilung erwartet werden. In wenigen Fällen nimmt die Störung über viele Jahre einen chronischen Verlauf und geht dann in eine andauernde Persönlichkeitsänderung über.

Weitere Kriterien zur Diagnose einer PTBS ergeben sich aus dem diagnostischen und statistischen Manual psychischer Störungen - Textrevision - (DSM-IV-TR). Hinsichtlich Beginn und Dauer der Symptome wird dort unterschieden zwischen der akuten posttraumatischen Belastungsstörung (wenn die Dauer der Symptome weniger als drei Monate beträgt), der chronischen posttraumatischen Belastungsstörung (wenn die Symptome drei Monate oder länger andauern) und der posttraumatischen Belastungsstörung mit verzögertem Beginn (wenn mindestens sechs Monate zwischen dem traumatischen Ereignis und dem Beginn der Symptome vergangen sind). Die Symptome, wie beispielsweise verminderte affektive Schwingungsfähigkeit, dissoziative Symptome, somatische Beschwerden, Gefühle der Insuffizienz in Form von Hoffnungslosigkeit, sozialer Rückzug, ständiges Gefühl des Bedrohtseins oder beeinträchtigte Beziehung zu anderen oder Veränderung der Persönlichkeit im Vergleich zu früher beginnen normalerweise innerhalb der ersten drei Monate nach dem Trauma, obwohl sich die Ausbildung der Symptome aber auch um Monate oder sogar Jahre verzögern kann. Die Schwere, Dauer und Nähe der Person bei Konfrontation mit dem traumatischen Ereignis sind die wichtigsten Faktoren, die die Wahrscheinlichkeit bestimmen, mit der die Störung sich entwickelt. Es gibt Hinweise, dass soziale Unterstützung, Familienanamnese, Kindheitserfahrungen, Persönlichkeitsvariablen und vorbestehende psychische Störungen die Ausbildung einer posttraumatischen Belastungsstörung beeinflussen können. Die Störung kann sich auch bei Personen entwickeln, bei denen zuvor keine besondere Auffälligkeit vorhanden war, besonders dann, wenn es sich um eine besonders extreme Belastung handelt.

Unter Zugrundelegung dieser Voraussetzungen ist bei der Klägerin in Folge des Überfalles eine PTBS eingetreten. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus den urkundlich zu verwertenden medizinischen Auskünften im unfallversicherungsrechtlichen Verfahren.

So hat Dr. M. bereits im Zwischenbericht vom 23.07.2003 eine akute PTBS diagnostiziert, weshalb die Klägerin in die Psychiatrische Landesklinik C. verlegt und bis zum 26.09.2003 dort stationär behandelt worden ist. In seinem neurologischen Gutachten vom 27.11.2003 stellte Prof. Dr. St. ebenfalls eine PTBS als Unfallfolge fest. Insbesondere der unmittelbare zeitliche Zusammenhang mit dem Überfall und der durch die von der Klägerin geäußerte Angst vor Fremden zum Ausdruck kommende inhaltliche Zusammenhang war aus Sicht des Sachverständigen Grund für die Bejahung des Zurechnungszusammenhangs. Auch die behandelnden Ärzte der Psychiatrischen Tagesklinik B., wo die Klägerin vom 01. bis 08.10. und vom 20.10.2003 bis 27.02.2004 teilstationär behandelt worden ist, haben eine PTBS diagnostiziert und in ihren Berichten vom 16.12.2003, 17.02. und 02.03.2004 dargelegt, dass die Klägerin aufgrund des traumatisierenden Erlebnisses eine deutliche Angstreaktion gezeigt hat. Die Neurologin und Psychiaterin Dr. Dipl. Psych. Sch. hat in ihrem nervenärztlichen Gutachten vom 24.05.2005 zwar zum Zeitpunkt der Begutachtung keine PTBS diagnostiziert, ging aber auch von der anfänglichen Symptomatik einer PTBS aus. Zu Recht hat daher der Beklagte diese Gesundheitsstörung als Schädigungsfolge anerkannt.

Dem Hilfsantrag der Klägerin, eine Exposition zur Vervollständigung des Gutachtens des Dr. St. einzuholen, war daher nicht zu entsprechen. Denn der Senat ist vom Vorliegen einer PTBS und somit auch von einer entsprechenden Symptomatik ausgegangen, die Prof. Dr. St. lediglich im Falle einer entsprechenden Exposition, die ihm anlässlich seiner Untersuchung nicht möglich war, für objektivierbar gehalten hat (Bl. 129 B-Akten).

Die PTBS hielt zwar über drei Monate an und war im Sinne der DSM-IV-TR daher chronisch. Zur Überzeugung des Senats steht jedoch fest, dass spätestens am 13.02.2004 keine schädigungsbedingte PTBS mehr vorlag. Auch dies ergibt sich für den Senat aus den urkundlich zu verwertenden aktenkundigen medizinischen Stellungnahmen im unfallversicherungsrechtlichen Verfahren. So hat nach Auffassung von Prof. Dr. St. die schädigungsbedingte Arbeitsunfähigkeit nur bis zum Ende der stationären Behandlung in der Psychiatrischen Landesklinik C. am 26.09.2003 bestanden. Nach dem Entlassungsbericht der Psychiatrischen Tagesklinik B. vom 02.03.2004 waren bei Aufnahme am 01.10.2003 keine psychotischen Symptome mehr zu eruieren. Die Klägerin ist jedoch immer wieder von ängstigenden Bildern des Überfalles überflutet worden, was einer PTBS zugeordnet werden kann. Die Klägerin äußerte dort das Anliegen, am Prozess des Täters teilzunehmen und auch als Zeugin auszusagen. Tatsächlich hat sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Stuttgart am 08.12.2003 auch als Zeugin ausgesagt und wurde hierbei mit dem Täter persönlich konfrontiert. Diesen Umstand sieht der Senat als deutliches Anzeichen dafür, dass die von der Klägerin geschilderten Angstzustände, die ärztlicherseits als PTBS-Symptome bewertet worden sind, zu diesem Zeitpunkt bereits deutlich abgeklungen waren. Dies ergibt sich für den Senat auch aus der beratungsärztlichen Stellungnahme des Dr. H. vom 15.03.2006, wonach nach DSM-IV-TR Patienten, die unter einer PTBS leiden, bewusst Gedanken, Gefühle, Gespräche, Aktivitäten, Orte und Menschen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen, vermeiden und bei Konfrontation mit diesen Belastungen eine intensive psychische oder körperliche Reaktion zeigten. Die Klägerin hat sich der größten vorstellbaren psychischen Belastung - nämlich der Konfrontation mit dem Täter und den damit verbundenen Ereignissen im Gerichtssaal - gestellt. Der Senat schließt sich der Schlussfolgerung des Dr. H. an, dass die behandelnden Ärzte der Psychiatrischen Tagesklinik B. der Klägerin eine solche Konfrontation vor Abschluss einer erfolgreichen Therapie nicht zugemutet hätten. Auffallend ist, dass die Klägerin schon zu Beginn der Therapie in der Tagesklinik das PTBS-typische Vermeidungsverhalten nicht, sondern vielmehr gerade das große Bedürfnis gezeigt hatte, das Erlebte immer wieder zu schildern. Nachdem auch die Konfrontation mit dem Täter keinerlei psychische Folgereaktionen bei der Klägerin ausgelöst hatte und sie sich im Verlauf der Therapie auch im Alltagsverhalten mehr und mehr zutraute, auf die Straße ging, immer wieder ihren Imbiss besuchte - was sie erstmals im Senatstermin bestritt und für den Senat nicht glaubwürdig war -, sich dort einige Zeit aufhielt und auch wieder an größeren Festen teilnahm, ist davon auszugehen, dass spätestens mit der für den 13.02.2004 ursprünglich geplanten Entlassung der Klägerin aus der Tagesklinik die auf dem Überfall vom 15.07.2003 beruhenden Angstsymptome nicht mehr krankheitswertig gewesen sind. Dass gleichwohl die Behandlung noch um zwei Wochen verlängert und die Klägerin erst am 27.02.2004 in ausreichend stabilisiertem Zustand entlassen worden ist, kann nicht mehr dem Schädigungsereignis vom 15.07.2003 zugerechnet werden. Denn nach Einschätzung der Tagesklinik wurde die erneute depressive Dekompensation durch ein erneutes traumatisierendes Erlebnis der Klägerin, die Zeugin eines Raubüberfalles im Supermarkt in ihrer Straße geworden war, ausgelöst. Doch selbst wenn die Ausheilung der als Schädigungsfolge anerkannten PTBS erst zum Zeitpunkt der Entlassung am 27.02.2004 eingetreten wäre, besteht kein Anspruch der Klägerin auf eine Grundrente.

2. Denn nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BVG ruht der Anspruch auf Versorgungsbezüge, wenn beide Ansprüche auf derselben Ursache beruhen, in Höhe der Bezüge aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Die BGN hat der Klägerin wegen des als Arbeitsunfall anerkannten Vorfalles vom 15.07.2003 vom 15.07.2003 bis zum 10.01.2005 Verletztengeld in Höhe von 53,33 Euro kalendertäglich gewährt. Die nach § 31 Abs. 1 BVG zu gewährende Grundrente beträgt zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat monatlich 666 Euro bei einem GdS von 100 und liegt somit weit unter dem der Klägerin gewährten Verletztengeld.

3. Die weiteren psychischen Gesundheitsstörungen der Klägerin sind nicht wesentlich ursächlich auf das Schädigungsereignis vom 15.07.2003 zurückzuführen. Ursache hierfür sind vielmehr andere, schädigungsunabhängige Umstände. Dies gilt für das von Seiten des Neurologen und Psychiaters Dr. K. unter dem 11.05.2004 beschriebene agitiert-depressive Zustandsbild mit Panikattacken ebenso wie für die im Schreiben der Dipl.-Psych. G.-Sch. vom 12.10.2004 geschilderten Symptome sowie die von Dr. Sch. in ihrem ebenfalls urkundlich zu verwerteten nervenärztlichen Gutachten diagnostizierte Anpassungsstörung mit mittelschwerer depressiver Episode, Somatisierungsstörung. Zur Überzeugung des Senats ist nach Ausheilung der schädigungsbedingten PTBS-Symptome am 13.02.2004 die fortgesetzte depressive Episode auf die vorbestehende histrionisch-depressive Persönlichkeitsstruktur der Klägerin und auf den von ihr erzielten Krankheitsgewinn zurückzuführen. Eine Anpassungsstörung hält der Senat nicht für erwiesen, jedenfalls ist diese nicht schädigungsbedingt. Hierbei stützt sich der Senat wiederum auf die im unfallversicherungsrechtlichen Verfahren erhobenen Befunde und seitens der BGN beigezogenen Arztberichte für die Zeiträume vor dem Überfall. Der Senat hat indes auch nach der Anhörung im Senatstermin erhebliche Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben der Klägerin. Insbesondere die von ihr geschilderten, nicht objektivierbaren psychischen und somatoformen Beeinträchtigungen in Form von Angstzuständen mit Panik, Schmerzen, Schlafstörungen etc. unterliegen daher erheblichen Zweifeln. Denn es ist offensichtlich, dass die Klägerin sowohl bei den im behördlichen Verfahren von Seiten der BGN in Auftrag gegebenen Begutachtungen als auch im Rahmen der Behandlungen in der Psychiatrischen Tagesklinik B. keine wahrheitsgemäßen Angaben gemacht hat. So hat die Klägerin weder bei der Begutachtung durch Prof. Dr. St. noch durch Dr. Sch. trotz ausdrücklicher Befragung zu früheren Erkrankungen angegeben, schon seit 1994 immer wieder wegen psychischer Beschwerden und Depressionen behandelt worden zu sein. Dies stellte sich erst heraus, nachdem die BGN im unfallversicherungsrechtlichen Verfahren Befundberichte aus Zeiten vor dem Schädigungsereignis beigezogen hatte. Der Klägerin muss bewusst gewesen sein, dass gerade diese Erkrankungen im Rahmen einer nervenärztlichen Begutachtung von Bedeutung sind. Auch die Angaben bzw. das Verhalten der Klägerin im Rahmen der psychologischen Zusatzbegutachtung durch die Dipl. Psych. M. sind geeignet, die Glaubhaftigkeit der Angaben der Klägerin in Frage zu stellen. Während des testpsychologischen Teils der Untersuchung verhielt sich die Klägerin extrem unmotiviert, verlangsamt und unkonzentriert. Instruktionen wurden trotz Sprachverständnisses erst nach mehreren Versuchen umgesetzt. Obwohl aufgrund der langjährigen selbständigen Tätigkeit als Gastronomin von einem zumindest durchschnittlich ausgeprägten prämorbiden Intelligenzniveau auszugehen war und besonders die Gedächtnisfunktion nach eigenen Angaben der Klägerin, die sich alles gemerkt haben will, ohne Notizen zu machen, als gut trainiert vorausgesetzt werden konnte, lagen die Leistungen der Klägerin sowohl für die verbal-kristallinen als auch für die konstruktiv-analytischen Intelligenzkomponenten sowie im verbalen und visuellen Gedächtnis drastisch unter dem Normbereich. Dies wiederholte sich im Rahmen der testpsychologischen Untersuchung durch die Psychiatrische Tagesklinik B ... Auch dort waren die Testergebnisse im demenziellen Bereich anzusiedeln, was jedoch mit der allgemeinen Verhaltensbeobachtung auf der Station nicht in Einklang zu bringen war. Dass Dr. Sch. diesen Auffälligkeiten nicht nachgegangen ist, obwohl die Klägerin auch bei ihrer Untersuchung das Ausdrucksverhalten im Sinne eines "sich dumm stellen" ausgestaltete, und ihre Diagnosen im Wesentlichen auf den nicht hinterfragten eigenen Angaben der Klägerin beruhen, ist neben dem Umstand, dass sie im Hinblick auf nicht vorliegende psychisch relevante Vorerkrankungen (Ziff. 2.3 des Gutachtens) von falschen Tatsachen ausgegangen ist, maßgeblicher Grund für den Senat, ihrem Gutachten im Ergebnis nicht zu folgen. Vielmehr geht der Senat aufgrund der Befundberichte der behandelnden Ärzte Dr. K., Dr. B. und Dr. D. davon aus, dass die Klägerin bereits vor dem Schädigungsereignis an einer histrionisch-depressiven Persönlichkeitsstruktur litt. Wegen dieser Erkrankung und wegen einer beruflich und privat (Diabetes mellitus des Ehemannes) begründeten Überlastungssituation war sie bei Dr. B. im September 1994, im Februar und Mai 1995, im November 1995 und im Juni 1997 sowie bei Dr. D. erstmals im Oktober 2000 in Behandlung. Vom 27.03.2001 bis November 2001 wurde sie deshalb mit Antidepressiva behandelt. Grund für die nach dem 13.02.2004 geklagten psychischen Beschwerden ist diese Persönlichkeitsstörung, die nicht mit dem Schädigungsereignis in ursächlichem Zusammenhang steht. Außerdem erzielt die Klägerin aus den von ihr geltend gemachten psychischen und somatoformen Beschwerden einen Krankheitsgewinn, der ebenfalls für die Chronifizierung der Symptomatik ursächlich ist. Dies ergibt sich für den Senat zum einen aus den Ausführungen des Prof. Dr. St., wonach ein deutlicher sekundärer Krankheitsgewinn für die Klägerin besteht, indem die Klägerin von den Alltagsaufgaben weitgehend entbunden ist und sich mehrere Familienmitglieder um sie kümmern. Hierdurch kommt es zu regressiven Tendenzen, weshalb ein wirklicher Behandlungserfolg ausgeblieben ist und die Angstsymptomatik eher Tendenzen zur weiteren Ausbreitung und Chronifizierung zeigt. Dies wird bestätigt durch die Ausführungen von Dr. Sch., die ebenfalls den Eindruck gewonnen hat, als ob die Erinnerungen der Klägerin an den Überfall eine Eigendynamik angenommen haben im Sinne einer unbewussten Zweckgestaltung zur Sicherung des sekundären Krankheitsgewinns. Denn in erster Linie steht die Beziehung zum Sohn, der sie zu jeder Tag- und Nachtzeit versorgt. Ob, wie von Dr. Sch. angenommen und von Prof. Dr. St. offen gelassen, tatsächlich eine unbewusste, oder aufgrund der oben dargestellten Glaubwürdigkeitsbedenken mit einiger Wahrscheinlichkeit von einer bewusstseinsnahen Ausweitung der Beschwerdesymptomatik auszugehen ist, kann vorliegend offen bleiben, da jedenfalls ein ursächlicher Zusammenhang mit dem Schädigungsereignis nicht mit Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann.

Da weitere auf dem Schädigungsereignis mit Wahrscheinlichkeit beruhende Gesundheitsstörungen daher nicht festzustellen sind, bedurfte es auch keiner Entscheidung darüber, welcher GdS sich hieraus ergibt.

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge des § 193 SGG zurückzuweisen.

Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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