L 4 KR 4144/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KR 2227/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 4144/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 29. Juni 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung in der Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2007 mit Blick auf die Tätigkeit bei der Beigeladenen.

Der 1976 geborene privat kranken- und pflegeversicherte Kläger nahm am 1. Januar 2005 eine Beschäftigung auf und war in dieser bis 30. Juni 2005 ausgeübten Beschäftigung wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei. Vom 1. August 2005 bis 29. Januar 2007 war er in der Schweiz beschäftigt und dort in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert, seine private Krankenversicherung ruhte. Bei der sich anschließenden Beschäftigung vom 1. Februar bis 31. März 2007 in der Fachklinik I. mit einem beitragspflichtigen Arbeitsentgelt von insgesamt EUR 7.955,00 war der Kläger vom Arbeitgeber der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) Bayern, Direktion Günzburg, als zuständiger Einzugsstelle als lediglich nach dem Recht der Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig gemeldet. Zwischen dem 1. April und 30. Juni 2007 war der Kläger nicht beschäftigt. Nach seinen Angaben war er, ohne immatrikuliert zu sein, an der Universität beschäftigt. Ein Entgelt bezog er hierfür nicht. Außerdem war er selbstständig tätig. Vom 1. Juli bis 31. Dezember 2007 war der Kläger bei der Beigeladenen als Assistenzarzt beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fanden nach § 2 des zwischen der Beigeladenen und dem Kläger geschlossenen Arbeitsvertrags vom 29. März 2007 die Bestimmungen des zwischen der Beigeladenen und der Gewerkschaft geschlossenen Haustarifvertrags und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen Anwendung. Nach § 5 des Arbeitsvertrags wurde der Kläger entsprechend dem Haustarifvertrag, vorbehaltlich des Nachweises der berufspraktischen Tätigkeitszeiten, in Vergütungsgruppe 4, Stufe 2 entsprechend des jeweils gültigen Eingruppierungstarifvertrags eingestuft. Gemäß § 7 des Arbeitsvertrags erhielt er ein Weihnachtsgeld gemäß § 2 des Zuwendungstarifvertrags, derzeit in Höhe von 65 vom Hundert (v. H.) der von den Arbeitnehmern in den Monaten Juni, Juli, August vor dem Fälligkeitszeitpunkt durchschnittlich erzielten Bruttomonatsgrundvergütung (Bezugsgröße) einschließlich Zulagen und unstetigen Bezügen ohne Berücksichtigung des Familienzuschlags und ohne eine im Juli gezahlte Ergebnisbeteiligung. Nach den bei Vertragsabschluss am 29. März 2007 geltenden tarifvertraglichen Regelungen belief sich die monatliche Vergütung auf EUR 3.235,02. Diese Vergütung legte die Beigeladene ausweislich der Lohn-/Gehaltsabrechnung der Beigeladenen den Abrechnungsmonat Juli 2007 betreffend vom 18. Juli 2007 neben den Zulagen den vom Kläger erzielten Bezügen zugrunde. Am 16. Juli 2007 schlossen die Beigeladene und die Gewerkschaften rückwirkend zum 1. Januar 2007 einen neuen Haustarif für Ärzte. Die monatliche Vergütung für Ärzte wurde auf EUR 3.849,59 erhöht. Unter Anwendung dieses neuen Tarifvertrags wurden die monatlichen Bezüge des Klägers ab 1. Juli 2007 rückwirkend erhöht. Der Kläger erhielt von Juli bis Dezember 2007 neben Zulagen eine monatliche Vergütung in Höhe von EUR 3.849,49 (vgl. Lohn-/Gehaltsabrechnung der Beigeladenen vom Juli bis Dezember, Blatt 24 bis 34 der LSG Akte). Seit 1. Januar 2008 ist der Kläger wieder im Ausland beschäftigt.

Die Beigeladene, die den Kläger zunächst zur privaten Krankenversicherung angemeldet hatte, meldete den Kläger, nachdem dieser trotz Aufforderung keinen Nachweis über die arbeitsfreien Monate von April bis Juni 2007 oder Nachweise über das Entgelt seiner Vorarbeitgeber vorgelegt hatte, nachträglich zum 1. Juli 2007 bei der Beklagten an und führte an diese für den Kläger Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von EUR 290,34 monatlich ab.

Unter dem 20. September 2007 unterrichtete die Beklagte den Kläger mit der Überschrift "Herzlich Willkommen bei der AOK!", dass er ab 1. Juli 2007 bei ihr versichert sei. Dem trat der Kläger mit Schriftsätzen vom 2. und 31. Oktober 2007 entgegen. Er vertrat die Auffassung, dass er aufgrund der Tatsache, dass er stets privat krankenversichert gewesen sei, gemäß § 8 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) von der Versicherungspflicht zu befreien sei und § 6 Abs. 9 SGB V in der vom 1. April 2007 bis 30. Juni 2008 gültigen Fassung (im Folgenden § 6 Abs. 9 SGB V) eingreife.

Mit nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenem Bescheid vom 15. November 2007 stellte die Beklagte (sinngemäß) fest, dass der Kläger nicht versicherungsfrei sei. Die Besitzstandswahrung des § 6 Abs. 9 SGB V entfalte auch bei einer angenommenen Überschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze keine Wirkung, da der Kläger sein vorheriges Arbeitsverhältnis zum 31. März 2007 beendet und die Beschäftigung bei der Beigeladenen erst am 1. Juli 2007, somit nicht innerhalb von drei Monaten begonnen habe. Auch ein Befreiungstatbestand nach § 8 Abs. 1 Nr. 1a SGB V sei für diesen Zeitraum nicht gegeben.

Mit Schriftsatz vom 28. November 2007 beantragte der Kläger die Feststellung, dass er keiner gesetzlichen Krankenversicherungspflicht unterliege. Er trug vor, § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V bedeute im Umkehrschluss, dass derjenige, der einen privaten Krankenversicherungsschutz in der Vergangenheit gehabt habe und noch habe, nicht versicherungspflichtig nach § 5 SGB V sei. Des Weiteren sei zu seinen Gunsten von Vertrauensschutz auszugehen. Die AOK Bayern, Direktion Günzburg, habe ihm zugesichert, dass bei Nachweis eines bestehenden Krankenversicherungsschutzes keine Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung bestehe. Der Kläger legte die Meldebescheinigung zur Sozialversicherung nach § 24 der Verordnung über die Erfassung und Übermittlung von Daten für die Träger der Sozialversicherung (Datenerfassungs- und -übermittlungsverordnung - DEÜV -) der Fachklinik I. vom März 2007 vor. Mit Schreiben vom 6. Mai 2008 teilte der Kläger mit, dass er eine Widerspruchsentscheidung wünsche.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Juni 2008 wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss den Widerspruch des Klägers zurück. Während der Beschäftigung ab 1. Juli 2007 bei der Beigeladenen habe das auf den Monat umgerechnete regelmäßige Jahresarbeitsentgelt des Klägers EUR 3.411,88 (3.235,02 zzgl. Weihnachtsgeld i.H.v. EUR 176,86) betragen und habe somit unter der ebenfalls auf den Monat umgerechneten Jahresarbeitsentgeltgrenze von EUR 3.975,00 gelegen. Entgeltnachweise der letzten drei Jahre seien nicht vorgelegt worden. Die Besitzstandsregelung des § 6 Abs. 9 Satz 1 SGB V entfalte ab 1. Juli 2007 keine Wirkung. Durch die Unterschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze ab 1. Juli 2007 sei Versicherungspflicht eingetreten. Damit ende eine durch die Besitzstandsregelung vermittelte Versicherungsfreiheit. Selbst bei einer unterstellten Überschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze würde die Besitzstandsreglung keine Wirkung entfalten, da die neue Beschäftigung bei der Beigeladenen nicht innerhalb von drei Monaten nach Beendigung der vorherigen Beschäftigung aufgenommen worden sei (der geforderte Dreimonatszeitraum laufe vom 1. April bis 30. Juni 2007).

Dagegen erhob der Kläger am 25. Juli 2008 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG). Er begehrte die Befreiung von der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht und machte geltend, dass eine Versicherungspflicht in der streitigen Zeit nicht bestanden habe. Er habe darauf vertrauen können, dass seine private Krankenversicherung auch in die Zeit der Tätigkeit bei der Beigeladenen hineinstrahle. Sein Einkommen spiele dabei keine Rolle. Unter Berücksichtigung der Ausführungen im Schreiben des Spitzenverbands der Krankenkassen vom 8. März 2007 zur Frage der Versicherungsfreiheit bei Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze unter Ziffer 7 sei von seiner Versicherungsfreiheit mit Blick auf seine private Krankenversichrung auszugehen. Der Kläger legte Schriftverkehr mit der AOK Bayern, Direktion Günzburg, vom 7. April 2008 vor und teilte ergänzend mit, dass ein Bescheid (der AOK Bayern) über das Nichtbestehen von Versicherungspflicht nicht erteilt worden sei. Er habe aber davon ausgehen können, dass die Entscheidung der AOK Bayern, Direktion Günzburg, mit Blick auf seine Tätigkeit bei den Fachkliniken I. über die Beendigung dieses Beschäftigungsverhältnisses hinaus fortwirke. Auch von der AOK Bayern, Direktion München, habe er telefonisch die Auskunft erhalten, dass keine gesetzliche Krankenversicherungspflicht bestehe. Im Übrigen hätte er, wenn überhaupt, nur kurzfristig der gesetzlichen Versicherungspflicht unterlegen, da er ab 1. Januar 2008 wieder im Ausland arbeitete.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Unter Verweis auf den Widerspruchsbescheid trug sie ergänzend vor, das auf den Monat umgerechnete regelmäßige Jahresarbeitsentgelt habe laut Arbeitsvertrag vom 29. März 2007 mit EUR 3.411,88 sowohl unter der allgemeinen, als auch unter der besonderen Jahresarbeitsverdienstgrenze gelegen. Die vom Kläger vorgetragenen Gesichtspunkte, wonach er umfassend privat krankenversichert sei, während der letzten Beschäftigung in der Zeit vom 1. Februar bis 31. März 2007 bei einem anderen Arbeitgeber keine Versicherungspflicht zur gesetzlichen Krankenversicherung begründet worden sei und er während seines Promotionsstudiums weiterhin privat versichert gewesen sei, seien allesamt für die versicherungsrechtliche Beurteilung der Beschäftigung bei der Beigeladenen ab 1. Juli 2007 nicht relevant.

Mit Urteil vom 29. Juni 2010 wies das SG die Klage ab. Der Kläger habe als Beschäftigter der Beigeladenen vom 1. Juli bis 31. Dezember 2007 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung unterlegen. Der gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V in seiner Beschäftigung bei der Beigeladenen grundsätzlich versicherungspflichtige Kläger habe ersichtlich nicht die Voraussetzungen der Versicherungsfreiheit gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V erfüllt. Auch die Voraussetzungen der mit Wirkung vom 1. April 2007 eingeführten Übergangsregelung des § 6 Abs. 9 Satz 1 SGB V lägen nicht vor. Der Kläger sei zwar am 2. Februar 2007 wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei und bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen in einer substitutiven Krankenversicherung versichert gewesen, habe mit seinem Einkommen aus der Beschäftigung bei der Beigeladenen ab 1. Juli 2007 aber unterhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze gelegen, weshalb ab 1. Juli 2007 kraft Gesetzes Versicherungspflicht gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V eingetreten sei. Die Besitzstandsregelung des § 6 Abs. 9 Satz 1 SGB V gelte nach dem letzten Halbsatz der Bestimmung für die Betroffenen nur "solange sie keinen anderen Tatbestand der Versicherungspflicht erfüllten". Dahingestellt bleiben könne, ob der in einem Gemeinsamen Rundschreiben der Spitzenverbände der Krankenkassen vertretenen Auffassung zu folgen sei, dass die Wirkung der Besitzstandsregelung trotz Erfüllung eines Tatbestands der Versicherungspflicht unberührt bleibe, wenn sich eine neue Beschäftigung mit einem regelmäßigen Jahresarbeitsentgelt oberhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze innerhalb von drei Monaten nach Beendigung der vorherigen Beschäftigung anschließe oder der Zeitraum zwischen zwei Beschäftigungen durch einen Befreiungstatbestand nach § 8 Abs. 1 Nr. 1a SGB V überbrückt werde, denn auch diese Voraussetzungen erfülle der Kläger nicht. Dass er vor Aufnahme der Beschäftigung bei der Beigeladenen von der Versicherungspflicht befreit gewesen sei, habe der Kläger nicht nachgewiesen. Einen entsprechenden Bescheid habe er nicht vorgelegt. Versicherungsfreiheit ergebe sich auch nicht aus der vom Kläger behaupteten Auskunft der AOK Bayern, Direktion München. Abgesehen davon, dass auch insoweit kein Nachweis vorliege, bedürfe eine entsprechende Zusicherung gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Form.

Gegen das am 3. September 2010 gestellte Urteil hat der Kläger unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens am 30. September 2010 Berufung eingelegt. Ergänzend hat er noch einmal darauf verwiesen, dass er auf den Fortbestand der bisherigen Befreiung vertraut habe. Der Befreiungstatbestand sei zu keiner Zeit widerrufen worden. Zu seinen Gunsten greife auch die Besitzstandsregelung, weil er am 2. Februar 2007 wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei und bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert gewesen sei. Damit bleibe er nach § 6 Abs. 9 Satz 1 SGB V versicherungsfrei. Auf sein Einkommen aus der Beschäftigung bei der Beigeladenen ab 1. Juli 2007 komme es nicht an. Abzustellen sei auf den 2. Februar 2007. In den Monaten Februar und März 2007 habe sein monatliches Einkommen in Höhe von EUR 3.977,50 über der für 2007 geltenden Beitragsbemessungsgrenze von EUR 3.562,50 gelegen. Auch im Januar 2007 und in den Jahren 2005 und 2006 habe er über der Beitragsbemessungsgrenze verdient. Die Besitzstandsregelung habe für Arbeitnehmer gelten sollen, die auch am Tag der dritten Lesung (2. Februar 2007) des GKV-Wettbewerbstärkungsgesetzes (GKV-WSG) bereits als Arbeiter oder Angestellte wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze mit ihrem Arbeitsentgelt versicherungsfrei gewesen seien. Diese Voraussetzungen lägen bei ihm vor.

Die Beklagte ist der Berufung unter Bezugnahme auf ihr bisheriges Vorbringen entgegengetreten.

Auf übereinstimmenden Antrag der Beteiligten hat der Senat mit Beschluss vom 14. Juli 2011 das Ruhen des Verfahrens angeordnet.

Mit Schriftsatz vom 27. September 2012 hat der Kläger das Verfahren wieder angerufen. Er trägt weiter vor, werde das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 25. April 2012 - B 12 KR 10/10 -, in Juris so gelesen, dass, wenn zum Stichtag 2. Februar 2007 eine private Krankenkostenvollversicherung schon über einen drei Jahre hinausgehenden Zeitraum bestanden habe, ein Bestandsschutz gelte, er nicht gesetzlich zu versichern gewesen sei. Seine private Krankenvollversicherung habe ihn seit seiner Geburt begleitet.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 29. Juni 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Juni 2008 aufzuheben und festzustellen, dass er in der Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2007 nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig war, hilfsweise ihn für den genannten Zeitraum von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung zu befreien, weiter hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Urteil des BSG vom 25. April 2012 lasse die vom Kläger vorgenommene Betrachtungsweise nicht zu. Die Besitzstandswahrung des § 6 Abs. 9 Satz 1 SGB V gelte nach dem letzten Halbsatz für die Betroffenen nur "solange sie keinen anderen Tatbestand der Versicherungspflicht erfüllten". Dass diese Besitzstandswahrung nicht für alle Zeit gelte, mache das BSG in seiner Begründung an verschiedenen Stellen deutlich.

Mit Beschluss vom 5. November 2012 hat der Senat die Oberschwabenklinik GmbH zum Verfahren beigeladen. Die Beigeladene hat ohne Antragstellung und Stellungnahme in der Sache den Arbeitsvertrag vom 29. März 2007 und die Gehaltsabrechnungen des Klägers für die Monate Juli bis Dezember 2007 vorgelegt.

Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig. Sie auch statthaft. Sie bedurfte nicht der Zulassung, insbesondere nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG. Denn die Klage betrifft die Feststellung der Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Krankenversicherung, und damit nicht eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung.

Die Berufung ist in der Sache jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat die Feststellung der Versicherungspflicht zu Recht bejaht und zutreffend auch das Vorliegen von Versicherungsfreiheit verneint.

2. Das Begehren des Klägers geht dahin, in der Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2007 nicht versicherungspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung gewesen zu sein. Dies ist unter allen rechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen. Der Kläger hatte zwar seine Klage mit dem Begehren erhoben, ihn von der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht zu befreien. Eine Befreiung von der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht würde voraussetzen, dass Versicherungspflicht bestünde, was den Schluss zuließe, der Kläger selbst gehe davon aus, aufgrund der Beschäftigung bei der Beigeladenen vom 1. Juli bis 31. Dezember 2007 versicherungspflichtig gewesen zu sein. Davon kann jedoch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers im gesamten Rechtsstreit nicht ausgegangen werden. Er ist vielmehr der Auffassung, wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht versicherungspflichtig gewesen zu sein sowie für den Fall, dass dies nicht zutreffen sollte, er von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung zu befreien sei.

Gegenstand des Rechtsstreits ist (allein) der Bescheid der Beklagten vom 15. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Juni 2008.

Die Mitteilung der Beklagten vom 20. September 2007 an den Kläger, er sei bei ihr ab 1. Juli 2007 versichert, ist kein Verwaltungsakt gemäß § 31 SGB X. Versicherungspflicht tritt bei Vorliegen der Voraussetzungen unabhängig von einem Beitritt oder der Feststellung durch Verwaltungsakt kraft Gesetzes ein (BSG, Urteil vom 21. Dezember 2011 - B 12 KR 13/10 R -, in juris). Mitteilungen von Krankenkassen, seien es Mitgliedsbescheinigungen oder so genannte Begrüßungsschreiben enthalten keine Regelung über die Versicherungspflicht und sind damit keine Verwaltungsakte (zuletzt BSG, Urteil vom 27. Juni 2012 - B 12 KR 11/10 R - m.w.N., in juris). Die Mitteilung der Beklagten vom 20. September 2007 ist ein so genanntes Begrüßungsschreiben, wie sich bereits aus der Überschrift "Herzlich Willkommen bei der AOK!" ergibt. Auch im weiteren stellte die Beklagte lediglich ihre Angebote dar und übersandte dem Kläger wegen einer möglichen Familienversicherung seiner Angehörigen einen Fragebogen. Irgendwelche Verfügungen zur Mitgliedschaft oder zur Versicherungspflicht des Klägers enthält das Schreiben vom 20. September 2007 nicht.

Erst nachdem der Kläger der Auffassung der Beklagten, er sei aufgrund der Beschäftigung bei der Beigeladenen versicherungspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung, widersprochen hatte, verfügte die Beklagte mit dem Bescheid vom 15. November 2007, der Kläger sei nicht versicherungsfrei. Insoweit hat die Beklagte auf den vom Kläger zuvor sinngemäß gestellten Antrag, er sei von der Versicherungspflicht zu befreien, eine Entscheidung getroffen und diesen sinngemäß gestellten Antrag sinngemäß abgelehnt und damit sinngemäß auch Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung aufgrund der Beschäftigung bei der Beigeladenen festgestellt.

3. Die dem Streitgegenstand entsprechenden richtigen Klagearten sind die Anfechtungsklage gerichtet auf die Aufhebung des Bescheids vom 15. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Juni 2008, die Feststellungsklage gerichtet auf die Feststellung, dass er aufgrund der Beschäftigung bei der Beigeladenen vom 1. Juli bis 31. Dezember 2007 nicht versicherungspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung war, hilfsweise - für den Fall, dass im genannten Zeitraum Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung bestand, die Verpflichtungsklage gerichtet auf die Befreiung von der Versicherungspflicht. Die alleinige Anfechtungsklage, gerichtet auf die Aufhebung des Bescheids vom 15. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Juni 2008, mit dem die Beklagte das Bestehen von Versicherungspflicht bejaht und die Versicherungsfreiheit verneint hat, würde dem Kläger nicht zu seinem Prozessziel verhelfen, nämlich der Feststellung des Nichtbestehens der Versicherungspflicht. Allein durch den Wegfall dieser Verwaltungsakte steht nicht fest, dass der Kläger nicht versicherungspflichtig ist. Denn die Versicherungspflicht tritt - wie bereits zuvor ausgeführt - bei Vorliegen der Voraussetzungen unabhängig von einem Beitritt oder der Feststellung durch Verwaltungsakt kraft Gesetzes ein, so dass die Feststellungsklage zulässig ist (BSG, Urteil vom 21. Dezember 2011 - B 12 KR 13/10 R -, a.a.O.). Dementsprechend hat der Senat den Antrag des Klägers sachgerecht gefasst (§ 123 SGG).

4. Rechtsgrundlage für die von der Beklagte festgestellten Versicherungspflicht des Klägers zur gesetzlichen Krankenversicherung in der Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2007 ist § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Danach sind versicherungspflichtig, Arbeiter, Angestellte und zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind. Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger in der streitgegenständlichen Zeit. Er war versicherungspflichtig, weil er bei der Beigeladenen beschäftigt (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV) war und von dieser Arbeitsentgelt bezog.

Der Kläger war in dieser Beschäftigung nicht versicherungsfrei. Der - vorliegend allein in Betracht kommende -Tatbestand des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V in der hier anzuwendenden vom 1. April 2007 bis 30. Dezember 2010 (Art. 15 Abs. 5 GKV-Finanzierungsgesetz [GKV-FinG] vom 22. Dezember 2010 [BGBl. I, S. 2309]) geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 3 Buchst. a) GKV-WSG, demzufolge Arbeiter und Angestellte versicherungsfrei sind, deren regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze nach den Absätzen 6 oder 7 übersteigt und in drei aufeinanderfolgenden Kalenderjahren überstiegen hat, stand der festgestellten Versicherungspflicht des Klägers nicht entgegen. Danach war der Kläger im Jahr 2007 nicht versicherungsfrei, denn sein für dieses Jahr nach dem zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses am 29. März 2007 und bei Aufnahme der Tätigkeit am 1. Juli 2007 nach dem damals noch gültigen Haustarifvertag prognostizierte Entgelt lag mit EUR 43.025,76 (EUR 3.235,02 monatlich, mithin EUR 19.410,12 jährlich (sechsmal Monatsentgelt) zuzüglich Weihnachtsgeld i.H.v. EUR 2.102,76 (65 v.H. der durchschnittlich erzielten Bruttomonatsvergütung in den Monaten Juni, Juli, August, insgesamt EUR 21.512,88; auf zwölf Monate hochgerechnet EUR 43.025,76) unterhalb der nach § 6 Abs. 6 SGB V i.V.m. § 4 Abs. 1 Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2007 geltenden Jahresarbeitsentgeltgrenze für 2007 in Höhe von EUR 47.700,00. Etwas anderes ergibt sich insoweit auch nicht deshalb, weil bei der Berechnung des Weihnachtsgeldes auch die Zulage und unstetigen Bezüge zu berücksichtigen sind. Die genaue Höhe des Weihnachtsgelds ist unter Berücksichtigung dessen zwar nicht bekannt, doch geht der Senat davon aus, dass zusätzlich zu berücksichtigende Zulagen und unstetige Bezüge, die in die Berechnung des Weihnachtsgelds mit einzubeziehen sind, den Betrag von EUR 4.674,24 (EUR 47.700,00 abzüglich EUR 43.025,76) keinesfalls überstiegen. Der Kläger hat entsprechendes nicht behauptet und auch die von der Beigeladenen vorgelegten Gehaltsabrechnungen ergeben keine Anhaltspunkte für Abweichendes. Es gilt im Falle des Klägers, nachdem dieser erst im Jahr 2005 seine berufliche Tätigkeit aufnahm und damit am 31. Dezember 2002 nicht wegen Überschreitens der an diesem Tag geltenden Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei war, auch nicht die abweichend von § 6 Abs. 6 SGB V niedrigere Jahresarbeitsentgeltgrenze des § 6 Abs. 7 SGB V, die sich im Jahr 2007 auf EUR 42.750,00 belief, denn diese Jahresarbeitsentgeltgrenze gilt nur für Arbeiter und Angestellte, die am 31. Dezember 2002 wegen Überschreitens der an diesem Tag geltenden Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei und bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen in einer substitutiven Krankenversicherung versichert waren. Darauf wie sich das Entgelt des Klägers im Jahr 2007 aufgrund der rückwirkenden Tariferhöhung tatsächlich entwickelte, kommt es nicht an, denn maßgeblich für die Beurteilung der Versicherungspflicht ist nicht die tatsächliche Entwicklung, sondern die Prognose. Im Übrigen scheitert die Versicherungsfreiheit des Klägers nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V auch daran, dass sein regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt in den letzten drei Jahren nicht die Jahresarbeitsentgeltgrenze nach den Absätzen 6 oder 7 überstiegen hat. Abzustellen ist insoweit auf die Jahre 2004 bis 2006. Abgesehen davon, dass der Kläger insoweit nicht nachgewiesen hat, welchen Verdienst er in den Jahren 2006 und 2007 in der Schweiz hatte und insoweit auch fraglich sein dürfte, ob eine im Ausland ausgeübte Beschäftigung im Rahmen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V Berücksichtigung finden kann, hat der Kläger zumindest im Jahr 2004 noch nicht die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritten, da er seine berufliche Tätigkeit erst am 1. Januar 2005 aufnahm.

Der Bestandsschutz nach § 6 Abs. 9 Satz 1 SGB V blieb ab 1. Juli 2007 auch nicht erhalten. Danach bleiben Arbeiter und Angestellte, die nicht die Voraussetzungen nach Absatz 1 Nr. 1 erfüllen und die am 2. Februar 2007 wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen in einer substitutiven Krankenversicherung versichert waren oder - vorliegend nicht einschlägig - die vor diesem Tag die Mitgliedschaft bei ihrer Krankenkasse gekündigt hatten, um in ein privates Krankenversicherungsunternehmen zu wechseln, versicherungsfrei, solange sie keinen anderen Tatbestand der Versicherungspflicht erfüllen. Satz 1 gilt nach § 6 Abs. 9 Satz 2 SGB V auch für Arbeiter und Angestellte, die am 2. Februar 2007 nach § 8 Abs. 1 Nr. 1a, 2 oder 3 SGB V von der Versicherungspflicht befreit waren. Das Arbeitsentgelt des Klägers lag zwar am 2. Februar 2007 aufgrund eines für 2007 prognostizierten Jahresarbeitsentgelts in der Fachklinik I. von EUR 47.300,00 (EUR 7.955,00 dividiert durch 2 Monate x zwölf Monate) oberhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze und er war auch noch bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert. Am 2. Februar 2007 erfüllte er auch keinen anderen Tatbestand der Versicherungspflicht als den des Wegfalls der Versicherungsfreiheit für Angestellte (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V) mit einem regelmäßigen Jahresarbeitsentgelt, das die Jahresarbeitsentgeltgrenze noch nicht in drei aufeinander folgenden Kalenderjahren überstieg. Anders verhielt es sich jedoch für die hier maßgebliche Zeit ab 1. Juli 2007. Ab 1. Juli 2007 war der Kläger - wie ausgeführt - aufgrund des nach dieser Beschäftigung für 2007 prognostizierten Entgelts nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V versicherungspflichtig. Der Bestandsschutz nach § 6 Abs. 9 SGB V war mit Aufnahme dieser neuen Tätigkeit beendet. § 6 Abs. 9 Satz 1 SGB V ist eine Übergangsregelung allein für die Fälle, in denen ohne diese Regelung am 2. Februar 2007 infolge der ab diesem Tag wirkenden Änderung des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V durch das GKV-WSG die Versicherungsfreiheit entfallen wäre. Auf den Eintritt von Versicherungspflicht zu einem späteren Zeitpunkt aus anderen Gründen ist § 6 Abs. 9 Satz 1 SGB V von vornherein nicht anwendbar. Ein unabänderlicher Fortbestand der am 2. Februar 2007 bestehenden Versicherungsfreiheit wird durch die Übergangsregelung nicht angeordnet (BSG, Urteil vom 25. April 2012 - B 12 KR 10/10 R -, a.a.O.).

Der Kläger ist auch nicht nach dem vorliegend allein einschlägigen § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB V von der Versicherungspflicht zu befreien. Danach wird auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit, wer versicherungspflichtig wird wegen Änderung der Jahresarbeitsentgeltgrenze nach § 6 Abs. 6 Satz 2 oder Abs. 7. Die Versicherungspflicht beim Kläger trat ab 1. Juli 2007 nicht wegen Änderung der Jahresarbeitsentgeltgrenze, sondern wegen Aufnahme einer Tätigkeit, deren Entgelt unter der Jahresarbeitsentgeltgrenze lag, ein.

Der Kläger kann sich mit Blick auf das Fortbestehen der Versicherungsfreiheit auch nicht auf eine Zusicherung der AOK Bayern berufen. Die Meldebescheinigung der AOK Bayern, Direktion Günzburg, vom März 2007 betrifft nur das Beschäftigungsverhältnis des Klägers in der Fachklinik I ... Von der AOK Bayern, Direktion München, wurde dem Kläger nach seinen Angaben die Versicherungsfreiheit nur mündlich bestätigt. Eine von der zuständigen Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen, bedarf zu ihrer Wirksamkeit nach § 34 SGB X jedoch der schriftlichen Form. Eine mündliche Zusicherung ist, wobei dahingestellt bleiben kann, ob die AOK Bayern, Direktion München, überhaupt zuständig gewesen wäre, nicht wirksam.

Etwas anderes gebietet, nachdem der Kläger ab 1. Januar 2008 wieder im Ausland beschäftigt war, schließlich auch nicht die Tatsache, dass der Kläger nur sechs Monate versicherungspflichtig war. Zwar wird im Rahmen der Krankenversicherung eine Kontinuität der Versicherung, einerseits in der privaten Krankenversicherung, andererseits in der gesetzlichen Krankenversicherung, angestrebt, doch kann mit diesem Argument nicht die eindeutige gesetzliche Regelung, wonach hier Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung eintritt, ausgehebelt werden. Die Dauer der Versicherungspflicht ist ohne Belang.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass, nachdem § 6 Abs. 9 SGB V durch Art. 1 Nr. 2 Buchst. c) GKV-FinG zum 31. Dezember 2010 (Art. 15 Abs. 5 GKV-FinG) aufgehoben wurde.
Rechtskraft
Aus
Saved